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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.12.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-12-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18921216027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892121602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892121602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-12
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Es stand der bekannte Antrag des Abgeordneten Pourquöry, welcher verlangte, daß die parlamentarische Untersuchungs-Com mission mit richterlicher und executiver Gewalt bekleidet werde, zur Berathung und zwar sollte die Kammer die Dringlichkeit dieses Antrages, was gleichbedeutend ist mit seiner Annahme, beschließen. Die Negierung, welche überhaupt entschieden gegen eine solche Vermengung der gesetzgebenden und der richterlichen Gewalt ist, bekämpfte auf das Energischste den Antrag und stellte aus drücklich bierzu das Vertrauensvotum. Wenn man nun liest, welche Bercktsamteit die Minister ausgeboten haben, um die Kammer von derAnnahme des Antrages Pourquery's abzukaltcn, wie sie flehentlich die Abgeordneten beschworen, de» Antrag abzulehncn und damit die Republik vor ihren Feinden zu bewahren, und wenn man dann findet, daß die Kammer, die fast ganz vollzählig war, mit 271 gegen 265 Stimmen, also nur mit einer Mehrheit von 8 Stimmen, den Wünschen der Minister gerecht worden ist, so wird sich, gewiß Ucker sage», daß das kein Sieg ist, sondern daß das Eabinel Ribot eine völlige Niederlage erlitten hat. So wird cS nach den vorliegenden Meldungen auch in Paris ausgcfaßt, wo das Abstimmungsresullat unbeschreibliche Aufregung hervor- gcrusen hat. Was wird nun geschehen? Zunächst scheint der Entschluß der Kammer ans die weitere Tbätigkcil der parlamentarischen Untersuchungs-Eommission selbst von gewichtigem Einflüsse werden zu sollen. Deren Präsident, Bristol,, welcher sich entschieden für den Antrag Pourquöry erklärt halte, faßt dessen Ablehnung als einen gegen die Commission gerichteten Schlag, als einen Versuch auf, deren Tbäligkeit zn beein trächtigen und lahm zn legen, und er gedenkt den Vorsitz im Ausschuß nicderzulegen. Man glaubt, daß in diesem Fall dieMehr- bcit der Mitglieder des Ausschusses seinem Beispiele folgen wird, und dann wäre der Untersuchungs-Ausschuß gesprengt, womit wahrscheinlich Bielen ein Stein vom Herren fallen würde. Cs ist aber sicher auch zu erwarten, daß die Gegner der Regierung darauf auSgehc», dieser neue Schwierigkeiten zu bereiten, und dazu eignet sich die ganze Lage in hohem Grade. Wie lange unter solchen Umständen die Existenz des Eabinets Ribot gesichert ist, diese Frage kann von Niemandem auch nur mit einem Grade annähernder Wahrscheinlichkeit beantwortet werden. Es sind in der französischen Hauptstadt alle Ver hältnisse im Flusse, alle Bande der Ordnung i» Auslosung begriffen, und was daraus sich entwickelt, wer will und kann cs sagen? Wir geben nachstehend noch einige der zuletzt cin- gegangencn Meldungen: Paris, 15. December. Deputirtenkainmer. Der Justizmiiiister Bourgeois betonte in seiner Rede, die republikanische Partei müsse sich bewußt sein, daß sie gegenwärtig über eine Frage von der größten Tragweite, über die Frage der Zukunft der Republik selbst, ihr Votum abgcbe. Der entbrennende Kampf richte sich nicht gegen einzelne Republikaner, sondern gegen die Republik selbst. Die Pflichten der Anhänger der Republik ließen sich in die Worte zusammenfassen: Stalles Blut und festes Zusammen halten. (Beifall.) Er sei von jetzt ab entschlossen, eine ergänzende Untersuchung über alle Thatsachen, die eine solche Untersuchung berechtigt erscheinen lassen könnten, stattfinden zu lassen. Ter Ministerpräsident Ribot erklärte Brisson gegenüber, die Regie rung wolle wissen, ob sie Las Vertrauen der Kammer besitze. Er werde nicht zulassen, daß die Autorität der Republik in seinen Händen geschwächt werde. Hinter der zur Schau getragenen tugend- baiien Entrüstung verberge sich ein einheitlicher Nelionsplan, welcher beweise, daß gewisse Verwegene sich wieder zu rühren hegännen. «Beifall links.) Das Ziel der Angriffe seien in Wirklichkeit die republikanischen Institutionen. Die Regierung beschwüre die Kammer, ihre Ruhe wicderzugewinnen und sich um die Regierung zu schaarcn, welche die Republik zu einer Rechtfertigung der Männer führen werde, die seit 20 Jahren deren Geschicke geleitet hätten. (Leb- basier Beifall.) Paris, 15. December. Deputirtenkainmer. Bei der Vera thung über den Antrag Pourquäni ergriffen nach Bourgeois mehrere Redner für und wider denselben Las Wort. Pro von de Launan ersuchte de» Kricgsminister Frehcinet um Aufklärung über die auf Empfehlung politischer Persönlichkeiten erfolgte Ernennung von Cornelius Herz zum Großofsicier der Ehrenlegion. Freu- einet erwiderte, er habe Herz nichl aui Empfehlung von politischen Persönlichkeiten die Auszeichnung verliehe», sonLrr» auf Empfehlung von Gelehrten, welche Herz wegen seiner Versuche ans dem Gebiete der llcbertragung der elektrischen Kraft vorgcjchlagen hätten. Zahlreiche andere Persönlichkeiten seien wegen ihres Interesses für die Wissen- schüft in gleicher Weise ausgezeichnet worden. Ec müsse sich übrigens wundern, daß man sechs Jahre gewartet habe, ehe man ihm diese Thatsachen sin Erinnerung gebracht. (Beifall.) Der Justiz- ministtr Bourgeois sprach sich gegen den Uebcrgang zur Berathung der einzelnen Artikel aus und erklärte, die Regierung werde der Panama - Untersuchungs - Coiiimissioii jede Unter- stütznng zu Thcil werden lasten. Tie Kamiucr werde Lurch Ablehnung des Antrages Pourqnörn ihr Verlrauen zur Regierung beweise». (Beifall.) Brisson beantragte, daß der Antrag an- gcnonimen werde, da nach dem Berlaus ver heutigen Tiscussion seine Ablehnung das Ansehen der Uiilcrsuchungs-Eoininiffioii ver mindern würde. (Beifall rechts nnd aus der äußersten Linken.) Ribot gab seinem Erstaune» darüber Ausdruck, daß Brisson sich einen Antrag zu eigen mache, welcher gegen die Regierung gerichtet sei. Wenn die Regierung nicht die Mehrheit erkalte, so fiele Brisjo» die Aufgabe zu, eine solche zn finden. «Lebhafter Bciiall.) Unter lebhafter Erregung wurde hierauf mit 271 gegen 265 Stimmen, dem Verlange» der Regierung enljvrechend, abgelchnt, in die Be- rathung der einzelnen Artikel des Anlrages Pourquery einzutreten. Paris, 15. December. Bei der heutigen Abstimmung in der Kammer wurde die Majorität lediglich aus Mitgliedern der repu- blikanijchen Parteien gebildet; die Minorität setzte sich zusammen aus der geschlossene» Rechten mit 150 Mitgliedern, 40 Boulangisten nnd etwa 70 Mitgliedern der Linken. Paris, 15. Tceember. Der eonservative Dcputirte Möge machte den» Justizminisler die Mitlhcilung, daß er in der Kammer eine Interpellation über die Ernennung von Cornelius Herz zum Großofsicier der Ehrenlegion cinbringcn und dessen Streichung aus der Lrdensliste verlangen werde. Paris, 15. December. Mehrere in den nachgelassenen Papieren Neinach's gefundene Vermerke belasten stark hervorragende Mitglieder der republikanischen Partei; außer Rouvier, Teves und Clömcnccau finde» sich die Namen des früheren Handelsniinistcrs Roche und der Abgeordneten Emanuel Arsnc und Henri, Marct in der Liste der Parlamentarier, die zur Panamageiellschast intime Be- ziehungen unterhielte». Ter Untersuchungsausschuß wird morgen den Abgeordneten Josef Reinach, Len Schwiegersohn Baron Reinach's, darüber vernehmen, ob und welche Papiere aus dem Nachlaß des Verstorbenen vernichtet wurden. Man fürchtet neue Enthüllungen durch Cornelius Herz, der eine Liste von 82 Abgeordneten besitzen soll, denen er im Aufträge von Lesscps Vestechungsgeldcc bezahlte. Tie „Libre Parole" beschuldigt de» Untersuchungsausschuß, daß seine Bemühungen eher eine Ver tuschung als die Aufklärung des Panamajkandals bezweckten, und erklärt, sie werde den Ausschuß durch neue Enthüllungen zur Er forschung der Wahrheit zwingen. (M. Z.) Paris, 16. Deccniber. (Telegramm.) Wie der „GauloiS" meldet, soll die Verhaftung der BermaltungSraths- Mitglicdcr der Panama-Actiengesellschaft beschlossen sein. politische Togesschau. * Leipzig, 18. December. Während freisinnige und socialdcmokratische Blätter jubelnd verkünden, daß nach den Reden der Abgg. v. Hueiic, Gras Prcysing und Iw. Lieber die Militairvorlagc mit Sicher- beit als vollkommen gescheitert zn betrachten und eine große Krisis unvermeidlich sei, beginnt das leitende Ccntruniöblatt, die „Germania", die Einladung zu einem neuen Abonne ment mit den Worten: „Die Entscheidung über die Militair- und die damit in engster Verbindung stellenden Stciicrvvrlagcn, welcher das deutsche Volk mit wachsender Spannung enigegensiehl, wird erst im nächsten Jahre erfolgen." Das letzte Wort ist sonach auch nach Ansicht der „Germania" noch nicht gesprochen. Um so auffälliger ist cs, daß das Centrum den Vorsitz in der Militaircommission allgelellnt, den Allg. v. Huene, dem dieser Vorsitz zngekacht war, gar nicht in die Commission gewählt nnd überhaupt nur solche Mitglieder in diese gesendet hat, die der schärferen Tonart angeboren. Man kann sich diese auffällige Tllatsache nur durch die Annahme erklären, daß das Centrum in der Commission dem Reichskanzler die „Hölle heiß machen" will, um ihn zu jenen Conccssionen zu drängen, nach denen der UttrainontanismuS schon längst lüstern ist. Die „Germania" hat allerdings behauptet, das Ccnlrnm llezalllc nichts für die Gewällrung seines „Rechtes", sondern „strafe" nur die Nichtgcwäbrung. Wer aller die Gepflogen!,eiten der Partei für Wahrheit, Freiheit nnd Recht kennt, weiß, daß diese Partei nicht nur „straft", sondern auch hantelt nnd schachert. Um einen politischen Schacher schlimmster Art handelt cS sich zweifellos auch jetzt. Das letzte Wort dcS Centrllms ist noch nichl gesprochen und soll möglichst lange hinansgeschollen werde», bis Graf Caprivi über die Forderungen des Ccnlrnmö ge sprochen ballen wird. Und bleibt er nichl fest oder zeigt er sich nicht ganz anders, als er bei den Spcrrgeldcr- und den Voltsschulvorlagen sich gezeigt bat, so tönnen wir cö erleben, daß wir zn neuen schweren militairischen Lasten auch noch andere bekommen, die weit schwerer zu tragen sind. Leider sind in, Reichstage diese Befürchtungen nickt zur Sprache gebracht nnd der Herr Reichskanzler nicht auf- gefordert worden, sich klar über seine Stellung zn einem ihn. von ultramontancr Seile offcrirtcn Handelsgeschäfte auözu- sprcchc». Diese Befürchtung lastet dabcr immer »och wie ein Alp ans der nichtultramontancn Bevölkerung, wird noch verstärkt durch die Anstalten des Centrums für die Coni- missionsbcrathungen und wird nicht schwinden, bevor die Entscheidung gefallen ist. Auch ein Handelsgeschäft internationaler Art erregt heute die ohnehin beunruhigten Gcmütkcr. Wie schon im Morgenblattc berichtet worden ist, hat die Firma Ludwig Löwe und Compagnie in Berlin im October 1888 der französischen Regierung gegenüber sich zur Lieferung von Maschinen und Werkzeugen zur Gcwcbr- fabrikation erboten. Tic Firma läßt, um den Vor würfen', die sie Voraussicht, zu begegnen, der „Voss. Ztg." folgende Erklärung zugeben: „Ter „Figaro" «Paris) bringt heute die Nachricht, daß sich !» den Händen des Schwiegersohnes Aoulangers (Hauptinann Drianl. Red.) ein Brief unserer Firma vom 20. Ociobcr 188«, befinde, worin wir uns der s r a » z ü s i s ch e n Regierung gegenüber znr Lieferung von Maschinen und Werk- zeugen für Gcwchrsabrikatio» erbiete». Tie sranzösische Regierung stand zur Zeit im Begriff, für mehrere Millionen Francs Maschinen in Amerika zu bestellen, und es ist zutreffend, daß wir am 20. Ociobcr 1888 an das sranzösische Kriegsininistcrium eine Offerte aus Lieferung von Maschinen und Werkzeugen sür Gewehr fabrikation gerichtet haben mit der Motivirung, daß wir mit den in Betracht kommende» amerikanischen Fabriken sehr wohl zu coiicurrircn in der Lage wäre». Zu unscrm Bedauern habe» wir einen Auftrag nicht erhalten, derselbe ist zum größten Thcil nack, Amerika, zn einem kleineren Theile a» eine lindere Fabrik in Deutschland gegeben worden. Hätten wir den Auftrag erhalten, dann würde das Denlsche Reich keinerlei Nachtheil davon gehabt haben, wohl aber die deutsche Industrie Len großen Vortheil, daß die ameri kanische Eoncurrenz auch ans Frankreich, dein einzigen Lande in Europa, wo sich dieselbe, Dank der cigeitthninlickic» politischen Verhältnisse, noch behaupte» konnte, vertriebe» worden wäre.". Diese Erklärung ist so unglücklich wie möglich. Wenn damals, als Boulanger einen Krieg gegen Deutschland vor bereitete, Frankreich die vollkommenste» Maschinen und Werk zeuge zur Gcwehrfabrikatioii durch Löwe nnd Compagnie bekommen hätte, so würde Deutschland wahrscheinlich einen großen Nachtbeil davon gehabt haben, einen Nachthcil, ver nicht ausgeglichen worden wäre durch den Vortbcil, der in der Verdrängung der amerikanischen Eoncurrenz vom fran zösischen Markte gelegen hätte. Allerdings mögen die In haber der Firma ebenso wie die Deulschfreisinnigen nicht daran geglaubt haben, daß Bonlanger kriegerische Ab sichten hegte; aber sie haben wie jeder andere Deutsche gewußt, daß in Frankreich der Revanchegedanke damals lebhafter war als je. Ein Anerbieten an Frankreich, ibm die besten Maschinen »nd Werkzeuge zur Gcwehr- sabrikation zu liefern, war also aus alle Fälle eine nichts weniger als patriotische, war geradezu eine un patriotische Thal, die nicht besser wird dadurch, daß eine andere deutsche Fabrik mit ihren Bewerbungen glücklicher gewesen^ ist, als Löwe und Compagnie. Diese andere deutsche Fabrik wird inan ja nun auch kennen lernen. Vorläufig darf die Firma Ludwig Löwe so Comp, das Verdienst für sich in Anspruch nehmen, dem Antisemitis mus neues Wasser auf die Mühle geführt und es Tausende» von Gegnern des Antisemitisiiius sehr erschwert zu haben, solche Gegner zu bleiben. „Tie schlimmsten Feinde der Juden sink Juden" sagte liiilängst ein Jude. Daß er Reckt hat, beweist die Offerte der Firma Ludwig Löwe <L Comp, in Berlin an Len Schwiegersohn Boulangcr's. Aus Apia aus Samoa wird ein ernster Conflict des OberrichtcrS mit der deutschen Regierung gemeldet. Herr von Cedcrkrautz hat seiner Zeit dem von ihm ausge- arbcitcten Gesetz, das die Erwerbung von Grnndcigenthiim regelt, die auf den Fidschi-Inseln gellenden Vorschriften zn Grunde gelegt. Insbesondere bat er verfügt, das; die — obligatorische — Eintragung von Bcsitztiteln erst nach vorauf- gegangcner Vermessung der Parccllcn zu geschehen hat, und das scheint auch angebracht, da bekanntlich ungesähr das Doppelte an Landaiisprüchen angemcldet ist, als die ganze Gruppe Flächeninhalt aufwcisl. Die Rcichöregierniig hat jedoch Herrn v. Ccdcrkrantz amtlich davon verständigt, das; sie der Verfügung ihre Gcnetnnigullg versagen müsse, weil die örtlichen Verhältnisse sic nicht als gerechtfertigt erscheinen lassen, dann auch der Koste» und des Zeitverlustes wegen, welche ihre Aufrechtbaltung nach sich ziehen würde. Nun ist aber so viel klar: Unterliegen die von deuljcherSeitezurEiiitragiiiig aiigcnieireieirLicgeiischästen keiner Vermessung, so Werren sich die Angehörigen der anderen Natio nalitäten, Engländer nnd Amerikaner an der Spitze, natürlich cbcnsalls für eine solche bedanke», und das Ende vom Liede würde sein, das; sich die Tbätigkeit der Landcommissarc in eine Arbeit verwandeln müßte, die mit derjenigen des seligen SisvphuS eine bedenkliche Achnlichkcit besitzen würde. Aus dieser Uebcr- zcngling fußt vermulhlich auch die Entschließung deS Ober- richterö, die Verfügung trotz deS ans Berlin ibm zugekom- menen Einspruches ausrcchtzubaitcn. Leicht mag ihm diese keinesfalls geworden sein, denn gegenüber den zahllosen An- Feuilletsn. Dämmerungen. Roman in drei Büchern von Rudolf von Gottschall. 64j Nachdruck Verbote». (Fortsetzung.) „Welch thörichte Wendung! Doch ich brauche mich darüber nichl zu wundern — unsere Gesetze sind ja so albern, daß sie immer nur im Mann den Verführer sehen. Und in neunundneunzig Fällen von hundert ist er vom Weibe ver führt worden. Ich bin für die Emancipation der Frauen; doch dann sollen sie auch hierin den Männern gleichgestellt werden. Lassen wir diese unerquicklichen Gespräche; »nick stiert; dieser fatale Nordost durchkället Einem Mark und Seele. Beide wandten sich jetzt dem Schlosse zu. „Die Baronin kümmert mich nichl", versetzte Oswald, e? ist mir gleichgiltig, wer von euch Beiden dem Andern den Apfel reicht; aber daß Du Teresa Stern diesem Weibe opfern willst — das ist ein Verbrechen. Und ich werde genau bmhörcn, wie groß Deine Schuld ist, dem Mädchen >z-genüber. Und ist cs so, wie ich fürchte, dann schwöre ick Dir zu, das; Haß und Fcindschcnt an die Stelle der brüderlichen Liebe tritt, daß ich Deine Wege kreuzen werde, ivo ich nur kann — und vor Allem, daß die reichlichen Unter stützungen, die ich Dir seit Jabren zngewendct, für immer kui Ende nehmen werden, daß kein Pfennig mehr aus meiner Lasse in die Deine wandern soll." „Beim Stvr, das ist ein nichlswürdiger Schwur", sagte A'Ihar, die Hände fest in die Taschen seines Jäckels grabend und aus und ab stampfend, um sich zu erwärmen, ra der Bruder unwillkürlich dei seinen letzten ausdrucksvollen Worten sieben geblieben war. „Du, der große Anwalt aller Philisterei, solltest mehr Familiensinn haben, als um einer Opcreltensängcrin willen die Dir sonst so heiligen Bande zu zerreißen." Oswald Zuckte die Achseln; doch der Blick, mit dem er den Bruder ansab, hatte etwas Drohendes und Lothar süblte si'o überaus unbehaglich seit der letzten Wendung des Ge sprächs, die eine für ibn sehr empfindliche Stelle berührte. Wo ihn auch sein Genie im Slickc z» lassen pflegte. Im Salon angekommcn, mußten sie einige Zeit aus das sreiberrliche Ehepaar warten. Endlich kam der Baron in stürmischer Hast, in einem buntbeblümten Schlafrock, in Schüben mit Schnallen nnd einem engen craoattcnartig »in den Hals geschlungenen Halstuch. Seine Züge waren blaß, der rosige Hauch war von ihnen geschwunden; er eilte seiner Gattin voraus, welche durch ausdrucksvolles Mienen- und Gcbcrdenspicl hinter ibm die Herren zu beschwören suchte, den aufgeregten Gemahl möglichst zn schonen. „ssaeiö ckieu!" rief der Baron, mit der Hand die Brüder begrüßend, „das ist ja unglaublich — »nuiöglich! Der Fehrcn- tbalc . . nnd ein Attentat auf diese Alte! So geschmacklos — wenn's »och ein junges Mädchen gewesen, so röche das Pulver wenigstens nach Romantik. Ein vornehmer Herr und diese Nachtcule, die ja keinen Schuß Pulver Werth ist! Und wie tam's denn dazu?" „Er hatte sie aus einer böswilligen Jntrigue ertappt und in cincin seiner Anfälle blindlings aus sie loSgcfeucrt." „Schlimm, schlimm! Ta giebt's ja Gesetze - . man sollte aber doch einen Unterschied machen . Ein vornehmer Herr und solche erapulo! Sie versiebt zwar viel von Kunstgewcrbc, ist aber immerhin eine alle Motte. Und wenn man eine solche todtschlägt, da sollte man nicht so viel Aufhebens davon machen. Wirb sie mit dem Leben davon kommen?" „Ich hoffe", versetzte der Doctor. „Und der Graf . . was wird mit ibm?" „Er ist znnächst im UtitersuchungSgesängniß; die gesetzliche Strafe würde ihn schwer treffen; doch man wird ihn ivobl sür geisteskrank erklären und in eine Heilanstalt bringen." „Das ist ja fast noch schlimmer." Der Baron fuhr hin und her im Salon, wie ein loS- gelasscncr Schwärmer „Ich habe Geschäftliches mit ihm zu verhandeln; ick wollte ihn heute in wichtiger Sache anzcbcn und nun entschlüpft er mir unter den Händen . . fatal, äußerst fatal! Immer von Neuem gelähmt in allen Unterncdmungen . . er fehlt mir! Ein Verbrecher, ein Irrsinniger . . das ist ja ei» unmög licher Geschäftsfreund. Glücklicherweise wird der König für mich eintrcken, ja, richtig, der König! Das übcrhebt mich aller Sorgeiu!" „Ta sehe» Cie", sagte die Baronin, „wie er wieder ins Weite schweift! Und kaS Nächste vergißt er darüber — unser Kind!" Da schnellte der Baron i» die Höhe, wie von cincin clck irisch«» Schlag getroffen. „Unser Kind . . die Branlschaft .. der Schwiegersohn .. meine Zukunst.. was wird daraus? Was soll daraus werden? Der schöne Salon im Schloß des Grafen .. ich Hab' ihn mir erst neulich angesehen.. fürstlich! Und für mich, den Schwiegervater, hat er zwei Zimmer eingerichtet.. entzückend! Wie oft wär' ich La zum Besuch gekommen — da lohnt cs sich, Schwiegervater zn sein! Denk' Dir, Leonic, Alles blau und Gold — blauscikcncs Bett — auf golrener Säule eine blaue Glocke sür daö Nacht licht — hinten beruntcrwallcnd ein Gobelin mit der Jagd der Diana — eine goldene Waschschüssel — dergleichen bat Frau Abrabam nicht. Daneben ein Lilacabinct ;»in Wohnen . . ich srcute mich wie ein Kind darauf, dort einmal Wochen zubringen zu können . . nnd nun Alles binansgeschoben . . die Hochzeit . . sic inus; ja doch hinalisgcschobeu werken . . wegen der Alten! Ich meine nickt Dick, Lconie — sondern die Frau Abraham .. er hätte sich auch eine andere Scheibe wählen können . . der Graf!" „Doch Du vergißt die Hauptsache . . wie theilcn wir dies unserer Tochter mit!" „Ich selbst . . doch nein, es stört mich, erschreckte und bekümmerte Gesichter zu sebcn! Es kommt eigentlich der Mutter zu, solche Traiierkuntc zu überbringcn. Die Mütter verstehen es ja am besten zn trösten, . . meine Frau freilich nicht, die ist selbst so weinerlich, nnd wenn sic eine Steck nadel verloren hat, ringt sie die Hände." „Wenn Sie cS gestatten", sagte der Doctor, „werte ich Ihrer Tochter die traurige Mitthcilung machen." „Mit Vergnügen — die Aerztc sind ja daran gcwöbnt, bittere Medicinen ihren Patienten beizubringcn, nur sachte, »nr mit Vorsicht! Empsehlen Sie ihr nur Geduld an — auch das ist ja bei Ihrem Gewerbe sehr zweckdienlich! Trösten Sie nur meine Tochter. Je längere Frist bis znr Hochzeit, desto schöner könne das Innere des Schlosses ausgebanl werden. Die Eingangshalle soll noch prächtige korinthische Säulen erhalten . . . auch einige Gobelins sind noch nicht cingetroffen. Und der Gras selbst — solch ein "Anfall dürfe sie nickt allzusehr erschrecken! Sagen Sic ihr nur, dergleichen habe nicht mehr aus sich als ein FicbcrparoxySinuS nach einer Erkältung. So — das wäre in Ordnung! Nun kommen Sie, Herr Bingen von der -kunsl ... ich will Ihnen meine Kupserstichsammlung zeigen . . . zwanzig Mappen . . . Sie werden staunen. Und T», Lconie, rüste »nS ei» stärkendes Frühstück . . . Caviar nnd Gänseleberpasteten dürfen nickt fehlen — dazu Sberry und 'Malaga! Wir finden »ns alle bald wieder hier zusammen, wenn unsere Geschäfte erledigt sind. Ter Wein vertreibt die Grillen . . . daS Mädchen wird auch Hunger bekommen nach dem Schreck!" Lothar, der dem Baron folgte, drehte sich noch einmal nack Lconie »m ... sic zuckte die "Achseln. Aus dieser Zeichen sprache las Lothar viel Tröstliches heraus. Das war ibr Gatte . . . ein solcher Mann hatte fast das Recht verwirkt, daß man auf ihn Rücksicht nahm! Inzwischen ließ sich Oswald bei Marie anmeldcn; nicht ohne Zagen betrat er ibr Zimmer, er brachte ja den Un frieden und die Trauer in dies stille Heim, das so traulich lieb daS liebe Mädchen ningal'. Draußen die vom Herbst- stlirni geschüttelten Wipfel des Parkes . . . doch drinnen friedlich blühende Blumen und Rankcngcwächse, die das Fenster grün ilinrabmtcn . . . ein Nähtisckchcn auf dem Fenster tritt, weiler »»teil ein Schreibtisch mit ansgeschlagencn Büchern, ein Piano mit "Noten . . . ei» paar Kanarienvögel im Käsig und im größeren daneben ein Taubcnpaar — nnd all' die störende Pracht der Möbel, mit welchen der Vater neuer dings ibr Wohnzimmer schmückte, gemildert durch die darüber gebreiteten Häkeleien und Stickereien, die vom Fleiß ihrer Hände zeugten, so daß sie sich gleichsam alles Fremdartige zn eigen gemacht und sich wie eine Chrysolide behaglich cin- gcsponncn in ihr eigenes Gespinnst. Doch das war keine heilere Braut, die ibm entgegcntral. . . cS war ein Bild von rührender Schönheit. Der Schmerz hatte seinen Schleier über die ekeln Züge gcbrcitel; etwas verweint sahen die tiefen blauen Augen aus; aber daö war noch keine entstellende Verwüstung; daö war noch die unverküniinerle Jugend, die wie durch einen wchmiithigen Flor blickte. Man sah ihr die schliimmcrlosc Nacht an, die leisen Schatten unter den Augen gaben ihren Zügen einen schwermnthigen Reiz. Der Doctor befand sich ganz im Banne dieser eigenartigen Schönheit. „Ist meinem Vater etwas zugcstoßen", fragte sie fast er schreckt von der Anwesenheit des Arztes im Schlosse zu früher Pormittagssrunde. „Nein, mein Fräulein! Der Baron und auch die Frau Baronin sind wohl und »Hinter." „So besuchen Sic wohl Ihren Bruder?" fragte Marie weiter. „Mich führt eine andere "Angelegenheit hierher — und zu Ihnen!" „Reken Sie . . . was ist vorgesallen'.^Mir ist so bang zn M»ibe — cs lastet etwas aus meiner Seele ... ich weiy nicht, ist cs Schnlkgesühl . . . ist cs eine schreckliche Ahnung!"
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