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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.01.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-01-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940127028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894012702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894012702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-01
- Tag1894-01-27
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Fast königliche, vorher einem Untertbancn niemals bezeigte Ehren bat gestern der Naisrr am Borabend seines Geburts tags dem Fürsten Bismarck erwiesen und dadurch aller Welt offenbart, wie tief und Kerzerl'ebcnd die Genuglbunng ist, die er selbst über seine BersöbnungSthal und über die Wieder herstellung seiner persönlichen Beziehungen zu dem größten und treuesten Mitarbeiter am Wiederaufbau des Deutsche» Reiches empfindet. Und dieselbe tiefe und berzerbebende Genuglbunng empfanden, wie man aus de» vorliegenden Berichten erste ck, die Augenzeugen des großartigen Empfanges, der dem Alt reichskanzler in Berlin bereitet wurde. Man wird durch diese Berichte an die Tage erinnert, an denen die großen SiegeSbotschastcn aus Frankreich eintrasen und alle Gcmütder zu stürmischer Begeisterung binrisse». Und in der Thal war die Stimmung, die damals herrschte, mit der gestrigen im Innigsten verwandt. Empfand man damals mit jubelnder Freude und frohester Hoffnung, daß nach langer unheilvoller «paliung und Zerrissenbeit die deutsche Nation der lang ersehnten Einigung entgegcnging, so empfand man gestern mit derselben Freude und Hoffnung, daß der Riß, der durch die Entfremdung zwischen dem Kaiser und dem großen Kanzler mitten durch die ganze Ration gerissen worden war, sich geschloffen, und daß das deutsche Botk wieder mit ungclbcitlrn Empfindungen aus das Haupt des Reiches und den Schmied der deutschen Kaiserkrone zu blicken vermag. Und dasselbe Hochgefühl, das die Augenzeugen des historischen Vorganges in Berlin erfüllte, erfüllte die Herzen in allen deutschen Gaue». Besonders im Süden, der durch mancherlei Vorkommnisse der letzten Zeit in tiefe Verstimmung sich versetzt gefühlt hatte, empfindet man die dem Fürsten Bismarck vvm K> ffer erwiesenen Ehren wie eine Erlösung aus peinlichster Zwiespältigkeit, wie eine Wicderzulassung aller national gerichteten Geister zu Rath und Thal für das Vaterland. Indem man im Fürsten das höchste Verdienst um daS Vaterland wieder ge ehrt sieht, giebt man sich der frohen Zuversicht hin, daß der selbe hohe und opferwillige Sinn des Kaisers, der dem Fürsten Bismarck die Versöhnungshand enlgcgcnsireckie, auch anderer Eigenart mehr und mehr sich erschließen und McS beseitigen werde, was sich trennend und verstimmend zwischen die einzelnen Tbeile des Reiches eingedrängi. Ob auch Fürst BiSmarck unk sein Nach folge r einander sich genähert haben, wie einige Blätter behaupten, darnach fragt man gerade im Süden am wenigsten. Man betrachtet diese Frage als durchaus nebensächlich. Man sieht nicht nur Bismarck und seine unsterblichen Verdienste wieder in der allen Schätzung beim Kaiser, sondern man sieht auch den Kaiser wieder in derselben Gestalt, in der er bei seiner Thron besteigung erschien, und damit wachen alle die Ein- pfindungen und Hoffnungen wieder auf, die der junge Kaiser erweckt bat. Am deutlichsten und klarsten kommen diese Empfindungen^ und Hoffnungen zum Ausdruck in einem Artikel des „Schwäb. Merk.", dem wir das Folgende ent- nehmen: „Niemals bat das Volk diesseits und jenseits des Mains dem Kaiser mit größerer Freude, iiiil tieferer Jmiigleit seine Glückwünsche enlgegengebeachl, als zu dieiein Tage. Der fürstliche» Gasie am Kasterhos werde» diesmal so viele sein, Laß die Räume im könig- iicheu Schlosse nicht ausreicheu, sie alle zu bcberbergen; aber wenn auch die ganze deutsche Fürslenschast sich um Len Kaiser- thron schaarte, der Glanz würde in den Augen des deuijchen Voiles erbleichen^ vor der einen ho::cn Grciseugeslait, die sich in diesen Stunde» dem versödulen Kaiser nähern wird. ES waren traurige, zwiespältige Einvfindiingen. die seither gerade in den Herzen der besten Patrioten am samierzlichsie» lebten, wenn sie dieses Zwistes und der Wirrungen, die er aagerichiei Hai. gedachte». Und schon halte man, nachdem auch die Günter Dcpeiche vom vorigen Herbst nur von vorübergehender Wirkung geweicn war, alle Hoffnung aus eine volle Veriöhiiung zwischen dem Kaiier und dem Fürsten säst auigeben müssen; erinnerte nian sich doch imincr wieder an den Ursprung der Entsremdung, wnßke man doch, daß der Fürst seinerseiiS für eine Besserung des Verhältnisses nichts Ent- scheidendes unternehme» konnte. Als am 4. Februar IdllO Kaiser Wilhelm bei einem pariamentarischen Essen als Gast bei seinem Kanzler weilte, zog der Abgeordnete von Dietze aus seiner Tasche ein neues Messer, das aus dem bronzenen Heile aus ber eine» Seite den Kaiier und aus der andern de» Kanzler i» Relics zeigte. Da sagte der Kaiser scherzend, indem er es beirachleie: „Nun, Bismarck, so Rücken gegen Rücke» baden wir uns doch noch nie eni- gegengesiande», seitdem wir uns kennen." Wenige Wochen später ersolgte unter den bekannten Umständen die Entlassung Bismarck'S; diejenige Stellung der beiden Männer, die der Kaiser i» jenem Scherzwort gewissermaßen als nninüglich be- zeichnet batte, war geschaffen, und säst vier Jahre hindurch ist sie geblieben. Daß es sitzt wieder anders werden soll, daß die Beiden wieder Hand in Hand, Auge in Auge vor einander stehen werden, ist ein Ercigniß, dem an beglückender Kraft kein anderes aus der seitherigen Regierungszeit Kaiser Wilhelm'- 14. gleich kommt. Und möge die Versöhnlichkeit, die der >unge Herricher jetzt bekundet, ein Symbol seiner zu- künftige» Handlungen sein! Ter Kaiser ist ein Freund der Geschichte. Möge er, und mit ihm seine Rathgeber, die Vergangenheit, di« er so gerne betrachtet und.s.'sorjcht, auch aus ihre Lehren prüfen und diese so viel ^^/det lsiich si>r die Gegenwart und ihre Bedürfnisse nutzbar L ^aen. Fürst Bismarck hat, zur rechten Zeit, derbe Mutet angewandt, uni unerträgliche Zustande aus der Welt zu schaffen; aber dann hat er es immer für die höchste Ausgabe der Staatskunst gehalten, die Nationen, die Stämme, die Stände zu versöhnen, Alles, was abstoßend wirken kan», zu vermeide». Die deutschen Stämme sind zusaininengeklilel mit dem Blute der Gcsallenen von 1870 74, und keine Macht wird uns mehr aus- einander reißen, wenn wir gegenseitig unsere Rechte heilig Halle», unsere Eigenart achten, unsere Neigungen so weit als möglich schonen und diejenige Freiheit pflegen, die dem Teulschc» unent behrlich ist und die ihm eine sittliche Kraft verleiht, an der jeder icindliche Ansturm zerschellen muß." Im preußischen Abgeordnetenhause bat gestern de» Conscrvative» und Agrariern die Interpellation über die Handelsverträge und die Ausglcichnng derValuta- schwankungcn durch wechselnde Zollsätze den er hofften Erfolg nicht gebracht. Der Handeleminister v. Berlepsch, der die Anfrage beantwortete, hat sich keines wegs den Dank der Rechten erworben. Die Betastung von Handelsverträgen mit solchen rmmöglichen und unaussübr- baren Bedingungen lekntc er rundweg ab. Zu der Regelung der deutschen Wäbrung in bimctallistischer fftichttiiig nabm er zwar eine etwas entgegenkommendere Haltung ein, aber sie war mebr äußerlich und taktisch, und der Ausdruck seiner Hoffnung, daß die bevorstehende Untersuchung ein praktisches Er- gebniß haben werde, klang nicht so, als ob er selbst daran glaube. Vielleicht das Interessanteste an der ganze» Bcr- kandlung war die Rede deS Abg. Grafen BaHeitrem. Dieser dem aristokratischen und agrarischen Flügel des EenlrumS angebörige Parteisiibrer erklärte sich »ickit nur gegen die in der Interpellation vorgeschlagenc Forderung, sonder» sprach auch rundweg aus, ein Widerstand gegen den russische» Handelsvertrag habe keinen Zweck mehr, »ach dem einmal die Entscheidung durch die voraiigegangenc» Verträge gefalle». Wenn kiese Stimmung auch auf dein rechten Flügel des CenlrumS vor herrscht, so bessern sich allerdings die Aussichten aus ein Z» standckoiinnen des russischen HaiidctsvertragS. Dieser Redner sowohl, als der Minister erntcien aus der Linken lebhaften Beisall, während die Rechte mit ibrem Mißvergnügen nickt zuriickbielt und entschieden mit Bebarrcn in dem Wider stand gegen die HandeksvertragSpolilik der RcichSregierung drohte. Die Verwirrung, die in Folge der kirchen pol irischen Secession in der ungarischen Regicrnngsmebrbeil ein- gerisscn nar, hat wieder einer zuversichtlichere» Slimmung Plan gemacht. Die Austritte haben autgebört, und die Wähler der Abgefallencn beginnen gegen diese Stellung zu neoiiien. So bade» die Fiumaner Wähler ihrem aus der Regierungspartei getretenen Abg Grasen Baitbnany, ob- wobt dieser in Fiume sebr beliebt ist, das Mißtrauen ausgesprochen. Auch gegen den sriibcrcn Minisler- präsldeiile» Grasen Szaparv ist in TemcSvar eine MißlraucnSkundgcdung im Werke. Uebcrbaupt beginnt man im Lager der Regierungsmehrheit die bisherige Zurückhaltung aufzugeben »nd der rührigen klerikale» Agi.ilio» kräftig cnlgegenzulrelen. Ermuihigend auf die btogiernngSpartki wirken auch die Vorgänge in den oppositionelle» Parteilagcrn. Als die für die ministerielle Kircbenpotstik ciiitrctende rabicale Gruppe EöivöS die Un- abhängigkeilSpartei wegen ihrer zweifelhaften Haltung verließ, war man überrascht, weit man geglaubt hatte, daß die Anhänger der kirchcnpvlilischcn Reformen die Gegner aus der Partei binauSdräag«,, würden. Es zeigt sich aber jetzt, daß die ursprüngliche. Annahme die richtige war und daß die Anhänger der kircheiipoiilischcn Reformen i» der Unabbäiigiglcitüparlei sebr zahlreich sind und wahrscheinlich die überwiegende Mcbrbcit bilde». Eine gewisse Gciingtbnuiig herrscht i» der Regierungs partei auch über das Mißgeschick, LaS der A pp on y i'scheu N a- tionalpartci dadurch zugesloßc» ist, daß eins ihre» eifrigsten Mitglieder, der Abg. Linder, wegen Betrugs mit kein Straf gerichte »> Eonslick gcratbcn ist. Die Ralionatparici gefällt sich in der Rolle des politischen Sittenrichters. Sie gcbcrtct sich, als ob sic die einzige makellose Partei wäre und die politische Moral gepachtet hätte. Als der Viccpräsidcnt des Abgeordnetenhauses Bokroß, welcher der liberalen Partei angebörlc, wegen Veruntreuung slrasgerichtlich belangt wurde und dem Unbeilsspruche angeblich durch eine tödtlichc Ver unglückung, wahncheinlich aber durch Selbstmord entging, bekam die Regierungspartei seitens der Organe der National- partci viel Hämisches zu hören. Nun bat diese Partei das gleiche Schicksal ereilt. Von weil größerer Bedeutung aber ist die, wohl nicht anzuzweifelndc Nachricht des „Pesti Hirlap", daß der Kaiser den Herren deS katholischen Magnaten-Easinos Kat sage» lassen, er ver biete ibncn, sich auf ihn zu bcrusen und seine» Namen bei ihren Agitationen gegen die Kirchen rcsorui als Deckmantel zu benutzen. In ihrer nnreblichen KampfeSweisc batten sie gelegentlich tcö ungarische» Katholikentags verbreiten lassen, der Kaiser sei im Herzen gegen jede Reform, und an dieser Thatsache werte daS Ministerium Wckerlc in die Brücke geben. Jetzt sind sie gründlichst dcSavouirt, und der kircken- poliiischcn Action der Regierung ist ein mächtiger Vorschub geworden. Von französische» Preß st im men über den Besuch deS Fürsten Bismarck in Berlin sind nur wenige nachzu tragen: es ist ein Ercigniß, das die Franzosen peinlich be rührt, dessen Bedeutung i>e aber angesichts der mächtigen Wirkling, die cs in Deutschland übt, nicht leugnen können. Ter „Temps" schreibt: „Die Gegner deS Herrn v. Eaprivi im ReickSiagc scheinen sich cinziibildcn, daß die Versöhnung sich obne Einwilligung dieses Staatsmannes vollzogen babe oder daß sie seinem Anseben einen töbltichen Streich versetzen werde. Alle diese Einbildungen geben wabrscheinlich herben Enltälischliiigen entgegen. Es wirb offenbar in Zukunft einen Belisar weniger in Deutschland geben — falls nämlich diese berühmte Aussöhnung länger vorhält, als die Flasche Wein des Kaisers." „Eclair" sagt: „Es scheint, daß die drohende Prophezeiung deS Fürsten „der König wird mich Wiedersehen- jetzt in Erfüllung gebt, denn der Kaiser hat sich mit ilun versöhnt in einem Augenblick, wo er seiner Hilfe bedarf." Baron de Eourcel, der ehemalige Botschafter in Berlin, dessen Urlbeit über deutsche Dinge mit Reckt in Frankreich geschätzt wird, bat sich also geäußert: „Ick glaube, daß man das Richtige trifft, wenn man an- »iniint. der Kaiser habe den Fürsten Bismarck nicht bin- scheidc» lassen wollen, obne vorder mit ihm versöknl zu sein. Diese Bersöbnuiig war überdies der Wunsch der Nation, und rem Hai der Kaiser Rechnung getragen. Er konnte den Man», der in dem Gedächtnis; des Volkes eine so hervor ragende Stelle eiiinimmt, nicht ins Grab steigen lassen, ohne ibm vorder die Hand gereicht zu haben." — Varon de Eourcel hat damit das allein Richtige getroffen. Siebt man voq der cynisch bcratiSfvrderiircn Sprache des chauvinistischen „Jour", eines fast mit Ausschluß der Ocssenttichkeit erscheinende» KrakcblblällchenS, ab, so darf wietcrboll mit Gcnugtduuog conslattrt werden, daß die Pariser Presse dem großen bisto- rischc» Ereignis;, das wir der eigensten Initiative Wilbelm'S II. verdanken, so ziemlich gerecht zu werden verstauben har. Die Besetzung von Timbuktu durch Obcrstlirutcuaut Bonnier erregt i» Paris großes Ausscbcn »nd wird sehr verschicken bcuribcilt. Tic Evlvnialschwärmcr feiern sie als Großibat und erwarten von ibr eine gewaltige Steigerung des Ansehens Frankreichs in Afrika; die Nüchternen weisen ans die geringe Bedeutung bin, zu der Timbuktu Kerabgcsunken sei, »nt fürchten, das; die TuarcgS, die begonnen baden, sich Frankreich anzunäbcrii, nun wieder mißtrauisch und feindselig werde» würden. Bonnier, Oberst Archinard'S Nachfolger nnd >n kesse» Geiste gebildet, bat, wie der „Voss Ztg." auS Paris geschrieben wirk, auf eigene Faust gehandelt und seine Anweisungen überschritten. Grodet, der neue Gouverneur des Sudan, halte ibm gleich bei seiner Ankunft in Afrika be sohlen, zu bleibe»,wo er gerate sei, und in keinem Falle vorwärts zu gebe», ebc er neue Befehle erkalten. Bonnier bat sich daran nickt gekehrt Allerdings begründet er sein Vorgehen mit der gcsäbrdclen Lage der französischen Nigcrsloiillc, von der eine Abtbciluiig am 2d. Tcccmber durch die TuaregS vernichtet worden sei. Diese hatte vor einigen Jahren euicn Vorstoß bis Kabara, de», wenige Kilometer von Timbuktu gelegenen Hasen dieser Stadt, gemacht, dock war nicht bekannt geworden, das; sic sich in »euerer Zeit noch einmal so weit vorgewagt. Sicher ist, das; die Wegnabme von T»ibliktu den Fanatismus aller sudanischen Mohammedaner ansachen wirk, die diesen Handelsplatz, getreu den alten Uebcrtieserunge», noch immer als einen heiligen betrachte». Auch aus die Sakarastämme und Südmarokko wird der Rückschlag nicht auSbleibc», und die Franzosen dürsten mehr Arbeit in jenen Ländern bekom- Feuilleton. Auf und nieder. 83s Roman von Edwin Heinz. tAlle Rechte Vorbehalte».) (Schluß.) Im Publicum flüsterte man erst leise, auf der Treppe lauter und aus der Straße schrie man es fast, daß man von dem Ausgang des ProcesseS sebr befriedigt sei, daß das arme Mädchen ein Opfer der Zeit sei, daß — Bankdirector Trübe der anständigste Mensch und der beste Bürger sei, und daß cS dem Runge ganz Recht wäre, wenn man ibm sein loses Maul stopfe. Tie Meinung schlug vollständig um. Die ein zelnen Zuhörer trugen es zu den verschiedenen Frühschoppen >n der Stadt, Jeder war derselben Meinung, Keiner Hane etwas Anderes erwartet, nur der Runge und der Hager, daS seien die Verläumker. Bankdirector Trübe habe immer ein Herz für die Handwerker gehabt, freilich solchen Bummlern wie Runge und Wucherern wie Hager könne er nicht- geben. Es sei schändlich, solche Aeußcrungen zu tkun, der Rechtsanwalt habe Recht, der gute Ruf der Stadt leite darunter und jeder sei zu seinem Tbcil an diesem guten Ruse inleressirr, ihre Geschäfte, ihre Familien litten selbst darunter. UebrigenS habe man ja gleich gewußt, daß alle« Schwindel sein müsse, was Runge sagte. Die Zeitungen brachten ein gebende Berichte über die Berbandlung und vollendeten die Weißwaschuna Trübc'S. ES hätte nicht viel gcseblt, da wäre rin findiger Kops aus die Idee eine« Fackelzuges für den Bankdirector verfallen. Als zwei Tage später die amtliche Bekanntmachung vom Eoncur« Runge'S erschien, hatte kein Mensch mehr Mitleiden mit ibm und als in derselben Zeitung«- nummer die Verbastung Hager'S wegen Betrug und Wucher mitgetheilt wurde, freute man sich darüber. Wildenhain war aus einige Zeit verschwunden. In der Familie des Bankdirector« war man naturgemäß über den AuSgaag deS ProceffcS hocherfreut. Es wurde be- rathschlagt, ob man die Zeit deS schönen FrübberbsteS zu einer Reise benutzen sollte, man kam jedoch von der Absicht zurück. Die Sitzungen deS Stadtverordnetcncollegium» be gann» wieder und r< hätte daher einen schlechte» Ein druck gemacht, wenn Karl Trübe den Sitzungen nicht bei- gcwohnt hätte. Durch die sichere Hand Westpbal's kam Ordnung in Julius Trübc'S Angelegenheit. Mit Hilfe der Bankgelder war das Schlimmste abgcmendet und vor allem Julius Trübe zur rubigen Arbeit zurückgcsübrt worden. DaS Runge'scke Haus kaufte Karl Trübe und Zimmermeistcr Ludwig hielt daS scinige, wenn auch mit vieler Noth. Als die Julius Trübc'schcn Hypotheken geregelt waren und als die Häuser später vcrmietbct wurden, da stellte sich noch ein ganz hübscher Ucberschuß heraus, der am meisten dem Assessor Berger zu Gute kam. Man hatte sich auch bemükt für Julius Trübe neue Druckausträge zu bekommen und seine Buchdruckerei florirte wie cbedem. Die Hochzeit Bcrger's mit Melanie konnte daher ganz ut aus einen Tag im November angesetzt werden. Berger alte manchmal über den Ebarakter Milli'S nachgedacht und der Frage nachgegrübclt, ob sie wohl Beide glücklich würden. Er hatte ihr gleichgiltigcS Benehmen während der Krisis ihres Vater« scharf gerügt, doch halte sie sich nicht geändert, war aber auch nickt böse geworden. „Mar,- batte sie ibm gesagt, „Du tbust mir mit den Vor würfen Unrecht. Es ist wahr, ich habe die gesäbrlickc Lage meines Vaters ziemlich leicht genommen, aber ich bade damit Recht gebabl. Es ist wieder Alles gut geworden. Ich kann mich nicht eher über eine Sache erhitzen, als b>S ich mich mit ibr selbst zu befassen babe. Hier lag aber kein Grund für mich vor. Wäre mein Vater bankrott geworden, so wärest Du noch dagewescn, und hättest Du mir ab geschrieben, dann ... dann, Max, hätte ich geweint, gejammert, aber ich wäre am andern Tage irgendwo bingesabren und hätte mich als Magd verdingt oder als Kindergärtnerin, oder als Stütze — jedenfalls hätte ich gearbeitet. BiSder konnte ick da« dock gar nicht thun, ich hatte ja gar keine Gelegenheit dazu. So lange ich zu Hause bin. kann ick keine Stelle a»- nehmen und waS die HanSwirtbschaft anbetrifft, so kann ich so gut wie eine andere scheuern und waschen, Staubwischen und Kleider reinigen, dazu gekört wirklich keine große Kunst fertigkeit, und S i »eitern und Puymachen, davon versiebe ick auch soviel, als landläufig gebraucht wird und mehr. Dazu gehört ein guter Geschmack und eine sickere Hand ... und hast du nickt selbst meinen Geschmack gerübmt? . . . Bleibt noch da« Kochen . . . Proben davon babe ich dir gegeben. Mebr u tbun war mir nickt möglich, denn die übrige HauSwirlb- chasl sieht meine Mutter al« ihre Ausgabe an und läßt mich gar nickt dazu kommen. UebrigenS wirst du ja später selbst urlkcilen, ob ich zu viel gesagt babe. . . ." Und als er sie fragte, ob sic ihn wirklich liebe . . da ant wortete sie sebr aufrichtig im Tone der mit allen Formeln der Ebcmie, allen Regeln der Mathematik, allen Finessen der Grammatik aiifgefüiicrtc» „höheren Tochter": „Lieber Max, ich babe ein wenig vom Ebarakter der Tante Auguste. Mir bist Du mein Gott, zu dem ich aus- blicke, weil Du nicht dlos bübsch bist, sondern weit Du auch eine geachtete Stellung einnimmst und Deiner Frau eine ver schaffen wirst. Ich liebe Dich nicht bloS, ick achte Dich noch mebr und ich glaube, daS ist das beste Recept zu einer Ehe . ." Als hierauf Berger ein etwa« sauertöpfisches Gesicht machte und etwas vom Zauber der Liebe hören ließ, blitzte cs un heimlich auS ik,cn Augen, eine Kode Rötbc stieg in ihre Wangen, ihr Busen wogte, ihre Lippen schlossen sich fest unk sie sab ihn mit einem Blicke an. einem Blicke, der ik» zu ver zehren schien. Die ganze jahrelang unter eisiger Hülle an- gehäustc Sinnlichkeit kam darin zum Ausdruck. Ta staunte er, aber cS stieß ibn nickt zurück, magnetisch zog cS ihn an und glübende Küsse zeigte» ibm, das; seine Braut er suchte im Stillen nach einem Ausdruck, „bester eine junge Hexe als eine Montscheinprinzcssiii" dachte er, und schloß sie noch kräs'ligcr in seine Arme. Bei der Hochzeit war Frieda Brautjungfer. Sic war munter wie srüber, aber es lag wie c»> Hauch poetischer Verklärung über ihr. Sie wußte, ihr Vater backte jetzt anders über Eckart als früher und wenn ..., wenn seine Oper zur Aufführung gelangte und gefiel, kann mußte ihr Vater Ja sagen, denn er hatte es Karl Trübe und Frau Auguste versprochen. Sie zog sich auS dem summenden Kreis der Gäste zu ihrer mütterlichen Freundin zurück. Dort war ibr am woblsten. Sie konnte cs Milli nickt vergessen, daß sie ibren Fritz früher so schlecht gemacht batte, sie konnte aber auf der anderen Seite ihrer Schulsreundin den letzten Dienst der Märchen- sreunkschaft nicht versagen. Immerhin war sie recht srob, als sich das Brautpaar entfernt batte und sie mit Frau Auguste Trübe, die ebenso wenig mit dem Herzen bei dem Feste war. sich entfernen konnte. Sie sehnte sich nach Hause in ihr stille- Kämmerlein, wo sic ibre Gedanken und Gefühle nach Großiiiutterart einem Tagebuch anvertraule, da« für sie schon viele wichtige Gebeimnisse und Gedanken enthielt, die der großen Welt recht unverständlich und gleichgiltig gewesen wären. De» größten Raum in dem Buche beanspruchten die Be trachtungen, warum ihr Vater sich gegen eine Verlobung mit Eckart sträube, warum er ihr überhaupt jeden Verkehr mit ibm verboten babe. trotzdem der junge Mann für seinen Verlag mebr den» je beickästigl war. Sie kielt idreS Vater« Gebot, nenn auch mit schwerem Herzen, und Fritz verehrte Frieda viel zu sehr, uni ibr ein Vergehen gegen daS Gebot kcü Vaters zuzuniulhcn. Und dennoch wußten sic genug von sich. Frau Auguste war ibr Dolmetsch, ein besserer als die Briespost. Von ihr erfuhr den» auch Frieda, daß Eckart'« Oper so gut wie angenommen sei und daß ibre Ausführung wahrscheinlich »och im Winter staltsiiidcn werde. Das war ein Jubel in ihrem Herzen, der nur getrübt wurde durch die Bemerkung ihres Vaterö, daß man schon viele Ope,n ausgesübrt bätte, die sich hinterher al« eitel Tunst erwiese» Kälten. Frau Auauslc batte Frieda reckt berichtet, ibr war cs von ihrem Manne erzäblt worden, der dem Thcatertircctor niit dem DisconI einiger Solowechscl über die tobte Saison binwcggcbvlseil batte und ibm auch sonst — für die Rettung seiner Ebrc durch Eckart, meinte er zu sich selbst — eine Beihilfe zur Aufführung der Oper gewährte. Endlich kam der Tag heran. ES war Ende Januar. DaS Hau« war voll, denn die Tbcaterdirection hatte für eine genügende Rcclamc gesorgt. Kühne und Frieda waren mit die ersten im Zuschauerraninc. sie saßen in einer Parterreloge. Frieda s Herz war zum Zerspringen. Ihr Valer batte ihr kur; vor den. Besuche der Borstellung gesagt, daß er in einer Unterredung mit Eckart diesem die Annäberung an seine Tochter gestattete, wenn er auS der Oper fick ein ab schließendes günstiges Unheil über Eckarl'ü musikalische Zukunft bilden könne. Ein Klopsen des Tactstocks, noch liier »nd das Schließen der Tbürcn. Rausche» der Kleider, Finstern, Zettelknittern, noch cm Klopsen . . der alte Eapellmcistcr bebt den Stock und die Ouvertüre beginnt. DaS Publicum lauschte, Frieda blickle unverwandt nach ibrem Vaier. ber still wie auS Stein gemeißelt dasaß. Frau Auguste wisckle eine ganz, ganz kleine Tbräne aus ibrem Auge, als sic bier in barmvnischer Ton fülle dasselbe Moliv zu hören bekam, das sie schon einmal ehört batte. Karl Trübe ließ die Neubeit als empsänd>icher aie auf sich wirken und Willy zupfte etwas nervös an seinen Handschuhen, er Kälte sie gern schon jetzt zerklatscht. Die Ouvertüre war zu Ende, ein schüchternes Klatschen waate sich hervor, da« auf ein energische« Pst bald ver schwand. Der erste Act begann, dir Ernleitung konnte nicht
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