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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.02.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-02-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940216026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894021602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894021602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-02
- Tag1894-02-16
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Man darf daher wohl dessen, daß die Mehrzahl der keulschcn Lanvwirlhr den an sie ge richteten mahnenden Werte» des Fürsten bezüglich ihrer Stellung zu dem Veutsch-russischen Handrlsverlragr ein willigereSGebör schenken, als den ausreizenden Agitationen der Führer de« „Bundes der Landwirthc" und der .Kreuzztg.". Ganz zweiselloS ist der Artikel der „Hamb. Nachr", über den ein in unserer beuligrn Morgenausgabe mitzetheillcS Hamburger Telegramm bereits kurz berichtet hat, direct auf den Allkanzler zurückzu- führen; er verdient daher genaueste Beherzigung Aller, an die er gerichtet ist. Er lnüpfl an an die folgende Auslassung der die Interessen der rheinisch-westfälischen Industrie ver- lretendcn „Rhein.-Wcstfäl. Zlg": „Der Handelsvertrag zwischen den, deutschen und dem russischen Reiche ist ein Erfolg der russischen Diplomatie, welchen sie freilich weniger ihrer eigene» Geschicklichkeit, als der Nothloge ver dankt, in die sich die deutsche Diplomatie Rußland gegenüber durch den deiitl'ch-vslerreichischen Handelsnerirag vom Jahre 1892 gesetzt batte. Das Mißgeschick der deutschen Diplo- inati« liegt nicht darin, daß Rußland zugesianden wurde, war idm zuaejtanden werde» mußte, sonder,i darin, daß Gras Eaprivi Oesterreich-Ungar» zugcstmiden hatte, war er nicht hatte .zugestehen solle» und nicht zuzugestehen brauchte. Die Ermäßigung der Grtrcidrzöllc aus8,00^ Lester re ich-Unaarn gegen- über war der größte handelspolitische Kehler, der deutscherseits ge,nacht werden konnte. Alle maßgebenden industriellen Itrciie NheinlandS-WestsalenS von Bedeutung waren seinerzeit einig, daß der deulsch-ösierreichische HandelSverirog unan nehmbar sei. weil die Industrie angebliche, aber nicht zugesianbene »ud am allerwenigsten erbetene Bortheiie ablehnen »nüsse, di» durch Opfer der Laudwirthschaft erkauft würden. Wir sind e« gewesen, die Leu Satz: „Die deuticbe Landwirtvschast muß Opfer bringen" im Namen der rdeinisch-wesifalüchen In dustrie aufs Acußerst? zurückgcwielen haben. Unsere Schuld ist e- uicht, wenn in dem Anli-Eariel-ReichStag, in jenem Reichstag, der in den Annalen der deutschcn tsEichichtr einst die ihm gebührende Ccnsiir siiide» wird, eine servile Mehrheit sich fand, dir mit Hurrok dem -eulsch-i'Nerreichgcheii Handelsvertrag zustimmte. Tie Land- wirthe dcS Ostens, dcS Westens und deS Lüde»- haben dlcserhalb ihr« »igeiicii coiijervotiven und CentruinS - Abgeordneten, welche damals in blinder .Hast die HandclSverträge annahmen, zur Rechen- schast zu ziehe». Ohne die konservative und uilramouioae Liebedienerei gegenüber dem Grasen Eaprivi hätte die damalige Majorität nicht zn Staude tominen können. TeS Deutschen Reichs Brrather Hallen sich sagen müssen oder wenigstens sagen tonnen, baß der russische Finanzminister den wundesten Pune» des deutsch-ösierreichischen HandelSverlroaeS, nämlich den durch diesen Beitrag gcschasseneii deutschen D sserentialzoil ans russisches tSetretde, zum Anlaß nkhmen werde, um seiner seits die deinsche Ausfuhr nach Rußland dlsserencirt z» behandeln. Gras Eaprivi glaubte aber, in den Differentialzöllen auf das russische Geireibe ein ichiieidigeS Mittel zu haben, »in Rußland zu weitgehenden Zugeständnissen an die deutsche Industrie zu nöidigen, und war daher nicht wenig überrascht, als Herr Witte, loeil entfernt, sich nöthigen zu lassen, als Antwort aus die differentiale Zollbchandliing Le» russilchen Getreide« die russischen Zölle »in -<> Proccnt Teutichland gegenüber crködte. Deutschland beantwortete Liese Maßregel wiederum mit einem Zollzuschlag von ÜO Procent — und der sogenannte Zollkrieg war fertig . . . Mit sehr wenigen (?) Zugeständnissen an die deulsch« Industrie hat Rußland die e» mäßigten ipelreidezöllc, welche daS Deutsche Reich freiwillig Oesterreich-Ungarn, sodann gezwungen allen andern Staaten wir Ausnahme vv» Rußland eingeräumt hatte, nun auch für die russische Landwirrhschaft eingcheimsl. . Da« Blatt de« Altkanzler» stimmt Viesen AuSsübrnngen völlig bei und macht besonder« tirconsrrvaliven Parteien, „denen die Wahrnehmung rer lanowirlkschaftlichen Interessen in erster Linie obliegen sollte", sür die »überstürzte An nahme" dcS deutsch-österreichischen Vertrags vcranlwertlich. Ader der Inspirator der „Hamb. Nachr." bleibt bei der Ber- urtbeilunz des nach seiner Ansicht früher gemachten Febler« nickt steden, sondern fragt, wa« die Vertreter der Landwirth- schast in ihrem eigensten Interesse jetzt ;u tbun haben, um sich vor noch größeren Nachldeilcn zu schützen. Und dies« Frage beantwortet er mit der dringenden Mahnung, es nickt zu einer Zerstörung der bisherigen Solidarität zwischen Industrie und Landwirthschast kommen zu lassen, die dar Schlimm st e sein würde, was bei der jetzigen Lage der Dinge überhaupt noch geschehen könnte. Diese Mahnung begründet er folgendermaßen: „Wir sind die Ersten aewesen, die seinerzeit mit zu spät an- erkannlen Gründen schwerstwiegender Art von der Annahme de« österreichischen Handelsvertrag« odgemahnt habe». Unsere Warnungen, da» Deutsche Reich nicht in dieser Weife dem Allianzsiaale tribut pflichtig und da« BItndniß unpopulär zu machen, nicht ungezählte Millionen sicherer deutscher Zollemiiahmc» prriSzugeben und die deutsche Landwirthschait zu schädigen, sind noch in Aller Gedächtnis,. Aber wir geben ru. daß, nachdem die Iollherabsetzung durch die weiteren Be rtrügeunddieM ei libegün st igungSclausrt allena n derenStaaien gegenüber Ihaisitchlichetngrireten ist,dieAusrectiterhaltungde»Differentialzölle« lediglich ausrussischeSGetreideprastischenWerlh kaum noch hat.Wie der rulsischeFinanzinlnistergesagihat. isteS ziemlich gleichgiitig, ob man an einem Behälter, der nicht voUloufcn soll, an dem man aber schon zwölf Löcher dem htnein- drängende» Wasser geössnet hat, das noch vorhandene dreizehnte Loch verschlossen hält oder nicht; mit andere» Worten: ob da» überflüssige russische Getreide seinen Weg nach Deutschland direct nimmt oder dir Ausfuhr au» den Staaten ergänzt, die unsere« Eon- ventionaltariseS thclthastig, ist einerlei....Wirseheneiner genauen Prüfung de« russische» Vertrages im Reichstage ent gegen. Fällt sic so aus. daß der Nutzen, den die Industrie von leiner Annahme haben würde, rrheblich größer ist al« der Schaden, welcher die Landwirthichast Labei träfe, so wird cS Sache der letzteren sein, Erwägungen darüber anzu- stellen, ob es nicht im Interesse der Ausrechterhaltung der Solida rität der productiven Stände nützlich sei, zu erklären: Wir, dir Landivirtd», erachten unS zwar durch den Vertrag mit Rußland geschädigt, aber gegenüber demNntzen, den er sür dir Industrie Hot, lasten wir unsere Bedenken zu- rücktreten. Wir glauben, daß dies gegebenen Falls ein Ausweg nuS dem Dilemma sein und daß dadurch einer weiteren Ent- sremdung zwischen Industrie und Landwirthschast vor- gebeugt werden könnte." Ein besserer und beberzigenSwerthercr Rath kann der deutschen Landwirthschast nicht gegeben werden, als der bier von so berufener »nd wohlwollender Seite ertheiltr. Prüfen die Vertreter der Landwirthschast den deutsch-russischen Ver trag genau und ebne Borurtbeil, so müssen sie finden, daß bei der durch die früheren Verträge geschaffenen Lage die A n- nabme de» Vertrags einen wesentlichen Nachtveil ihnen nicht bringt und bringrn kann, Laß aber seine Ablehnung für viele und bedeutende Industriezweige rin schwerer, kaum zu verwindender Schlag sein würde, der nicht nur direct au" die Landwirthschast zurückwirken, sondern auch die Industrie taub gegen die berechtigten Klagen und Forderungen der Landwirthschast machen müßte. Und das Ware, wie daS Organ des Fürsten Bismarck mit Recht betont, das SchUminste, wa« der deutschen Landwirlh- schafl begegnen könnte. Dir Erörterung von Angelrgenheitcn »er Neichszrsetz- gebunA in den verschiedenen deutschen Landtagen nimmt einen mit jedem Jahr wachsenden Umfang an, und diese Uebcrzriffc können unmöglich zur Stärkung des Ansehens der Organe teS Reichs beitragen. Daß die Handels- und steuer- polilischen Fragen monatelang bevor die Reichsgeseygebung ich damit beschäftigen konnte, in den Landtagen obnc jeden praktischen Nutzen bin- und bcrgezer« wurden, steht noch in unersrenlicher Erinnerung. DaS Stärkste wuroe aber vorgestern im preußischen Abgeordneten Hause geleistet, wo fast eine ganze Sitzung mit einer völlig zweck- osen unk unfruchtbaren Erörterung der WäbrungSsrage zugebrackt wurde. In allernächster Zeit tritt die Wäbrungs- commission zusammen, im Reichstag, wohin die Sacke gestört, wird sie jedenfalls noch sehr gründlich behandelt werben. Was soll da eine vergreisende lange Erörterung in einem Landtag? Unser Parlamenlari-mus leidet ohnehin an lieber- Production und an Uebrrsätligung tc« Publicum«, sowie an übergroßer Ausdehnung der Sessionen. Wohin soll cS kenn führen, wenn über Alles unk Jede« und immer von Neuem mil denselben Wendungen und GesicktSpuiicten in allen möglichen ganz unzuständigen Körperschaften verhandelt wird! Mit Recl't bemerkte der Finanzminister I>i. Miguel: „Ich tan» nicht verhehlen, daß ick' ben Eindruck bekommen bade, daß cS schon an sich bedenklich ist, daß die einzelnen Landlage ohne besondere Veranlassung, wie es jetzt Sitte wird, sich mit den reinen Reickssragen beschäftigen. Diese Richtung, die jetzt sehr überhand nimmt, ist um so bedenklicher, wenn kiese Debatten gar keinen bestimmten praktischen Zweck verfolgen. Es ist an und sür sich gefährlich, in drn Parla menten so ohne bestimmte Anträge unk Beschlüsse zu reden. Hier aber diese gewiß sehr interessante und vielleicht sür Manchen auch kehr lehrreiche Debatte zu führen, hat doch keinen anderen Zweck, als daß diese Debatte im besten Fall im Reichstag noch einmal wiederholt würde." I>» uuiiarischcn Abgeordncteuhausc wird zu Anfang der nächste» Woche die entscheidende Beratduug über das Gesetz, betreffend die obligatorische Eivilebe, be ginnen. Bereits in diesem Augenblicke ist jedoch die Aus stellung deutlich zu unlersckeiden, welche die einzelnen Par teien in dem Streue »ebmen werden. Auch da- Stärke- verhällniß der beiden Lager kann mit annähernder Genauigkeit fcstaestellt werde». Die Regierungsvorlage dürste mil einer Mehrheit von etwa hundert Stil» men durchgeben. Allerdings ist diese Mehrheit so zusammengesetzt, daß aus sie nur >m Augenblicke der Abstimmung über die Kircheiipoluik ein Verlaß ist. Ganz ausgeschlossen erscheint somit die Möglichkeit nicht, daß die Regierung gelegrntlich einer andere» Frage entweder in der Minderheit bleibt oder eine so kleine Mehrheit erlangt, daß sie ihre Stelle kaum mebr zu behaupten vermag. Einem solchen Unfälle ist eine Re gierung mil geringer Mehrheit stet« auSgcsetzt, allein man darf den oppositionellen BuukeSgeiiosicn des EabinelS immerhin so viel politischen Tack zulraurn, daß sie die Negierung wenigstens so lange schonen werden, bis sie die kirchen- volitischcu Reformen unler Dach »nd Fach gekrackt hat. Da« wird wohl noch geraume Zeit dauern, und sür die Zukunft wird dir Zukunft selber sorge». — Tic Führung der Eoaliticn, welche sich gegen die Nesormgrsetzc der Re gierung gebildet hat, ist ictz» unbestritten in den Händen des Grafen Äpponyi, teS ObmannS der Nationalpartei. Nnr dadurch, daß der conservalive Politiker sich den Anschein gab, daß er in dielen Puneien sich mit der liberalen Regierung berühre — die NegierungSpreffe hat idn denn auch dri jrdrr Gelegenheit gebührend belobt —, vrrmoa te er an der Spitze «mrr Partei zu bleiben, die ebensoviel Liberale wie Junker und Ultra- 88. Jahrgang. montane in sich vereinigt. Jetzt stellt eS sich heraus, daß er sich so ziemlich aus demselben Slandpunct befindet, wie die Bischöfe und die ullramontanen Magnaten. Zum Führer der Nationalpartei taugt Gras Apponyi hiernach nicht mebr, und in dieser Erkennlniß hat er sich denn daran gemacht, eine neue conservalive Partei zusammen zu schmieden. Bis zu einem gewissen Grate ist das ihm auch gelungen; dir Zeit ist jedoch noch fern, da eine conservalive Regierung in Ungarn einzitben wirk. Da« Ebaratieristische an dem letzten Pariser Bomben attrutat verdient nochmals besonders hervorgthoben zu werden. Ravachol wollte Richter und Staatsanwälte, die einen Anarchisten angellagt und vrruriheilt batten, in die Lust sprengen, der Kochtops in der Rue de« Bon« Ensanl« sollte die EarmaupGesellschaft beimsuchen, dir mit ibren Arbeitern im Kriege lag; Vaillant batte e« aus die Minister und Abgeordneten abgeseken, die er in seinem Schwachsinn für die berrsckenden wirthschastlicken Zustände verantwortlich machte. Henrv-Breton — diesen Doppelnamen scheint der Verbrecher vom EafS de» TerminuSkotcl schon länger geiübrl zu baben — balle keine andere Absicht al« die der teuflischen Zerstörung aufs Gerakcwobl. Die Schurken, welche die Bomben im Liceolbealer warfen, hatten immer noch cine Art ÄuSwabl getroffen; sic zielten auf die Parquetsitze, die wobl nur von reichen Lcnten eingenommen wurden. Honen machte nicht eiiinial dielen Unterschied: er schleuterteseineBombo in ein Eas«, dessen Gaste fast ohne AuSnahmc dem Ktein- bürgerthni» angeboren. Fast alle Berwundete sind Venn auch arme Leute, tlrine Angestellte, Kellner, Zeichner, Hand werker. DaS ist daS unendlich Gemeine des an sich schon verabsckeuungöwürdigen Verbrechens. — Von besonderem Interesse sind die Nachrichten über die Herkunft de« Mord- buben. Er ist Ver Bruder von FortunS Henrtz, der augenblicklich ,n Elairvaur eine dreijährige Gefängniß- strafe wegen Ausreizung zum Morde ahbüßl, und ein Sohn de« EomniiinemitglicdcS Henry, der s. Z. in contumaciam r»m Tode vrruriheilt wurde und in Spanien gestorben ist. An Vorbildern i» der eigenen Familie Kat «s also dem Anarchisten Henry nicht gesebll. Wenn die Partei ganger brr Eommunc, die in der französischen Depunrten- kammer unlängst noch den Aufstand vom Iakre 187l vrr- derrlichtrn, die anarchistischen Verbrecher von sich absckürteln möchten, so zeigt sich jetzt von Neuem, in welch innigem Zusammenhänge der Anarchismus in Frankreich mit der Eommunebewcaung siebt. Diese Erkenntniß driagr in immer weitere Kreise. Man weiß, daß Henry, ehe er sich den Anarchisten m die Arme warf, zu den Socialisten. zur Gruppe der „Possidilisten" gekörte, »nv man erinnert sich, daß Vaillant einen ähnlichen EniwickrlungSgang durck- gemacht hat. Es ist deshalb nicht zu verwundern, wenn die Erbitterung aller Ordnung liebenden Elemente sich iw gleicher Weise gegen die Socialislcii, die „Apostel teS Morde«", wie die Anarchisten, die Mörder selbst, Wendel, klebrigen« muß, alü aus ein sehr bedenllichcS Zeichen, noch daraus bin grwiesen werden, daß die Pariser Bevölkerung sich wrniger beunruhigt unk aufgebracht zeigt, als man glauben sollte. Sie scheint sich nach den, imnier noch ziemlich flotten Be suck der großen Kaffeehäuser zu uriheilen, als an etwas Unabänderliches an den Gedanken gcwöbut zu baben, daß sie von Zeit zu Zeit derartige anarchistische Anschläge über sich ergehen lassen muß. die zudem in letzter Zeit mebv Schrecken al« Schaden angericktet haben. Be, einer solchen Gesinnung der baupistädnschen Bevöllorung wird die nächste anarchistitche Schanvlbat nicht lange auf sich warten lasten, und vielleicht kommt jetzt wieder ein Ravachol an die Reihe, Feuilleton. EUida Silström. 17) Roma» von H. Palmt-Paysen. Na-truck errieten. (Fortsetzung.) Der Professor wußte aus Erfahrung, waö er von dem Benehmen seiner Schwägerin zu Hallen batte. Tie Phrase von „trocken Brrd estcn" und von „blutig arbeiten der Hände" balle er, obne Laß sic sich'S hätte sauer werten lasten in ihrer geordneten Häuslichkeit, die allein seine Börse bestritt, schon zu hundert Malen gcbörl, srcilick in Verbindung mit der beule ausgesprochenen Idee niemals zuvor. Da- kochende Blut in ihr beruhigte sich meistens icbr bald, »»r wenn ihr an seiner Festigkeit ahgcvralllcr Wille sich auch nicht gerade fügte unv beugle, so würde derselbe doch auch nicht ibm ent- aegenhandeln. DaS wußte der Professor u»k> somit auch, daß sie sieb der armen Tänzerin nicht »aber», ibr nickt ei» Wort der Güte, geschweige denn cine Entschuldigung sagen würde. Der Professor cmpsand sür das arme Mädchen in dem Gedanken, daß eS. mit dem Stachel der unverdienten Kränkung un Herzen angcnblicklich traurig, vielleicht weinend im Stübchen saß, eine aufrichtige Tbcilnabme und zog die seiner Schwägerin ausgesprochene Absicht, statt ihrer die unangenehme Scene zn erklären, ernstlich in Erwägung, stand nach wenigen Augen blicken in der Tbat aus, bing fick' seine» Radmantel uni die Schulter», fehle sich seinen Sck>!apvbnl aus'S Haupt und trat in den Abend hinaus. Turch die Büsche schimmerte ihm ei» Lichtschein auS Ellira'S jetzt verhängten Fenstern entgegen. Ohne weitert Begegnung gelangte er in's Hau«, klopfte a» dir Tbür der Tänzerin »nd trat daun in die sauber gehaltene, von einem «igenthttmlich zarten, blumcnartigen Duft durch zogene Behausung. 20. Eapitel. Da saß sie, die arme, kleine Ellida, mit ganz bekümmertem Gesicht, da» Tbränenspnren zeigte. „Verzeihung, liebe« Fräulein", b»b der Professor etwa« verlegen an, denn in eine derartige Lagt war er sein Lebtag noch nicht geralhen, noch niemals in daS Heiligthum einer Mäkchrnbebausung eingedriingen, „verzeihen Sie, daß >ch Sie so spät störe. Ader r« drängt mich. Sie im Namen meiner Schwäger»» um Verzeihung zu bitten, deren stark au-geprägte ! !> ,s!Z "1^ "M EinbildunaSkraft bei dem vorhin stattgesuodenen Zusammen treffen de« Herrn von Hochstedt niit Ihnen ein höchst fatales Mitzverständniß herbeiaeführt- Ich weiß zwar nickt genau, ahne eS nur, welcher Art die Kränkungen gewesen sind, die Sie, mein liebe- Fräulein, ungerechter Weise zu erdulden gehabt habe»; aber wie dem auch sei, rechnen Sie meiner leicht erregte», etwa» unduldsamen Schwägerin den Irrthum und die unüberlegt bervorgesprudeltcn Worte nicht allzu hoch an, »nd ich bitte Sie herzlich — suchen Sic dieselbe» zu vergesse»." Der gute Professor, der die« mit unendlich freundlicher und inniger Stimme bervorgebracht, batte dem jungen Mädchen dabei die Hand cntgegengestreckt. Ellida'» leicht versöhnlicher Sinn wurde turch die große Güte, Milde und Gerechtigkeit de- von ihr förmlich verehrten Gelehrten sofort umg-wandelt, ihre Entrüstung und Bitterkeit entwaffnet, ibr Schmerz, überall und immer wieder dem schwärzesten Mißtrauen zu begegnen, gelindert. Ei» süße«, halb traurige«, halb glück liches Lächeln flog über ihre Züge. „Wie gern", rief sie, „wie gern vergesse ich alle Krän kungen, wenn Ihre Schwägerin fortan eia wenig besser von mir denken möchte, »nv wie froh macht mich Ihr Kommen!" Sic rückte geschäftig einen Stuhl heran, befreite den Professor von seinem Hut, den er in der Hand hielt, und bat ihn, Platz zu nehme». „Ich danke, danke", rnigegnetc er, nur die Lebne de« Stuhle« ««rührend »nd stehen bleibend. Er wußte nicht reckt, ob er die peinliche Sacke fallen lassen, oder weiter erörtern sollte Ihre sein empfindende Natur hals ibm über die augenblickliche Unentschlossenheit binweg. „Sic sinv mir dem Herrn Intendanten bekannt?" lenkte sie ab. „Sehr genau, er ist eia Jugendfreund von mir." „Ob!" Ellida dachte sofort an da- peinliche Erlebniß auch mit diesem, wie auch er ihrem Tbun die schnödeste Be rechnung untergeschoben, wie tief er sie gekränkt, wie schwach» voll er sie beurtbeilt halte, und daß e« ihr eine Wobltbat sein würde, im Bewußtsein ihrer Reinheit und Schuldlosigkeit idm ihre Unrrschrcckenbeit nud ibren ganzen Stolz zeige» zu dürfen Einen Augenblick blitzte der Gedanke, der Wunsch durck ihren Kops, rurck- den Professor, durch diesen seinen Freund ibm eine Aufklärung zukommen zu lasten; aber ihr Respect, ihr weibliche« und veschrideue« Empfinden gestattete die« nicht. Si« richtet« da« st«,«ad -«senkt«, dom Lampenlicht h«ll L O üiülI, i beschienene Köpfchen aus und sagte nur; „Da« überrascht und freut mich sehr." „Und Sie wohnen hier gern?" fragte der Professor und blickte in den, kübsch eingerichteten, von Ellida sehr ordentlich gehaltenen Stübchen umher. „Nirgend« könnte ich besser wohnen. Hier» nebenan in dem groge» Zimmer, daö »ach dem Garten hinanSgeht", — sie öffnete die Thür dahin — „halte ich mich an, meiste», am liebsten auf. Tort mache ich meine Uebungen schon in aller Frühe des Morgen«, den» es werden augenblicklich große Anforderungen an mich gestellt." Der Professor wurde durch diese Worte wieder daran er innert — er war immer geneigt, cS zu vergessen —, daß er sich einer an der Bühne thäligen Tänzerin gegenüber befand. Ellida zeigte in ihrem Wesen und in ihrer Haltung eine große, ihrem Berufe sonst wobl scrnliegende Eiiisackbeit »nd Natürlichkeit, die sie gar nicht anders, nur viel anmutbiger noch als andere Mädchen bürgerlichen oder aristokratischen Stande« erscheinen ließ. In seinem Gekächtniß tauchte» auch die Aeußerungen de» Intendanten aus, wie er den Berus diese« Mädchen« wie diese Mädchen selbst beurtbeilte, und unwillkürlich lenkte er von den Gegenständen de« Zimmer« sein Auge ab und auf die Bewohuerin desselben, die nach Meinung Anderer, wenn auch noch nickt jetzt, so dock vielleicht in Kurzem sür „rin verlorenes, bescholtene- Geschöpf" angesehen und von der Welt dementsprechend behandelt werden würde, kiese« Mädchen mit der fremdklingenken, melodischen Spracht, mit dem traurig zärtlichen Wohllaut in dem vollen, warmen Stimmchen, mit dem bellen Gesicht, aus dem so rosig die Gtiundbeit-Hlülbr und eine unbeschreiblich anziebende Weib lichkeit zuni Ausdruck kam. Schade, schade! Ob sie nickt abzulcnken wäre von dem abgründigen Wege ihrer leichlsrrtigen Kunst? „Versuche e« doch — versuche e« dock!" widerhallte e« in seinem Obre. Bei sehr lebhaftem Denken zeigte sich der Prosestor leicht äußerlich unruhig. Und so auch jetzt. Er batte den Stuhl, hinter testen Lehne er stand, bereit« alle möglichen Wendungen und Drehungen macken lasten, jetzt schob er ihn an den Tisch heran, setzte stch und griff nach einem kleinen schwarz ein gebundenen Büchelch«», mit dem seine Finger mechanisch zu spielen begannen. ,Sie scheinen Ihre Kunst sehr zu lieben — wir sprachen bereit« einmal davon — und deren Gefahren rntweder nicht zu kennen, oder nicht zu fürchten", erwiderte rr. Ellida nahm nun anch Platz. Sie setzt« stch ihm gegen über und richtete ihren denkenden Blick voll unv forschend aus ihn. Immer sprach ma» ihr von Gefahren und Abgründen, so auch dieser liebenswürdige, milde Mann. „Ach", sagte sie mit einem kleinen Seufzer, „ich wüßte nickt, waS iv lieber tbäte al« — tanzen. Und warum und wovor sollte ick mich fürchten? WaS schwachen Seelen gc fährlich ist, ist für einfach Vernünftige oft gar nickt vorhanden. So lange ich mir selbst treu bleibe, gicbt'S keine Gefahren für mich." „So lange nicht — doch auch ber Festeste kann straucheln Konnten Sie den» nicht« Besseres lernen, mein liebe« Ltind, al« tanzen?" „Nicht« Besseres, denn ich kalte nickt« für besser." „Ich glaube", sagte er kopfschüttelnd, „daß Sie Ihr Glück La suchen, wo eS nickt zu sinken ist." Sie läckelte sorglos. „DcS Glückes, Andere zu erfreuen, dessen bin ich doch sicher", sagte sic einfach. Die Lippen mußten verstummen vor solch' rübrendem Denke» und Fühlen. Der Prosestor war überdies kein Mann der Dialektik, besonders nickt auf diesem Gebiete, denn trotz keiner vorgerückte» Iabre batte rr das Glatteis der Lebens nickt kenne» gelernt, um in ber rechten Weise daraus hin weisen unv erfolgreich davor warnen zu können. Ihr jetz! wörtlich da« Unheil des Intendanten zu wiederholen, wie er über die Tanzkunst und deren Iüngerinnen tackle, da« hätte er nicht über- Her; zu bringen vermocht, dennoch aber wollte er, er kielt es a»S wirklichem Interesse für die» Mädchen für eine Notkwenvigkeit, etuaS davon hindurckleuckiten lasten. Aber auch hier trat ibm eine großartige Unbefangenheit ent gegen, eine A.issastung, die bei aller Idealität Nachdenken und cine auffällige geistige Reise verricth; auffällig deshalb, weil Ellida doch noch sebr jung war. „Ich weiß c«". sagte Ellida, „daß in ber sogenannten Gesellschait die eckten Eigenschaft» eines Menschen eine nur geringe Geltung bade» und daß die Kunst. — jede «bunst, mehr oder minder gegen Vonirtbeile zu käinvsen bat. Im Mittelalter standen die Musiker mit den Abdeckern und Scharfrichtern, mit ben Büitelu. Todtengräbern und Gauklern auf einer und derselben Stufe, unv ibr Gewerbe ward ein unehrliche« genannt. Ganz ist der robc BarbarismuS auch beute noch nickt au-gemerzt. Nickt die GcifieSgrößc macht aristokratisch Auf Dichter, Denker und Künstler, sind sie in niedriger Sphäre geboren, wird mitleidig bcrabaesehen. Ich weiß »«. Auch ich werde »ichl für voll angr'eoen, ich mag
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