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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.03.1894
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-03-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940328013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894032801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894032801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-03
- Tag1894-03-28
- Monat1894-03
- Jahr1894
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Tabellarischer und ZiMnjap »och höherem Tarts. Grtra-Beilaße« <ges«l,t). aar «n der Morgen-Ausgad«, ohne Postbesörderaag >l 60.—, mit Postbesörderaag X 10.—. Znnalimeschluß fir Zazeige«: Abend-Ausgabe: vormittag« 10 Uhr. Morgea-Busgab«: Nachmittag« 4 Uhr. Sonn- uad Festtag« früh Uhr. Bei den Filialen und AnnadmefleLen i« eia« halbe Stund« früher. Naieige» sind stet« a» di» Nrpeötttaa za richte». vrack und Berlag von S. Pol» ia Leip»ig. l5K. Mittwoch een 28 März l8SL 88. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. Dekarmtmaüimig, Me An- »ad Abmeldung der Fremden betreffend. Mit Rücksicht auf deu bevorstehenden Beginn der Oftermesse bringt da« Unterzeichnete Polizetamt dt« nachstehenden Bestimmungen de« Meldereaulana« mit dem Bemerken in Erinnerung, das jede Vernachiilssigung dieser Vorschriften Geldstrafe dt« »u KV » oder eutjprechende Huststrafr nach sich »trht. Zugleich wird bekam» gegeben, Last srilen der hiesigen Handels kammer ilb«r den Frrmdeadefuch während der dte«lätzrt«en vstrrmeffe »» ftatlstischeu Zmeckrn etngehead» Erhebungen an- gestellt werden sollen, uad daß deshalb den für di» diesjährige Oslermess« «usjugebendrn Frrinden-iilnmeldezetleln noch rin be sondere«. von der Handelskammer ausgestellte« Farmatar btlgrgeben ist, welche« alle au« Autaß der Messe diertzer lammenden Fremden »ugletch mit dem Anmrldejettel tdnallchst genau au«»uf»Uen Hoden. Dt» Besitzer »an Gasthasea und Her» derge«. sowie die sonstigen Luartierwirth«. »rlche an «etz- kremde »ermlettzen, »erden dierdurch ausgefordert. ttzren Bedarf an diesen desondrren Anmelde,»ltein für die dies jährig, vstermeffr h,i dem Volt,eiamt adrr de« B»»irl»° mrldestelen, »aseldft die Formular, »am 28. diese« Monat« an Unentgeltlich adgegeden merden, ,n entnedme«. Die Na- and Abmeldung der Fremden kann sowohl auf di HaUdtmeldeamt Ablh. n, Dollzeigebäudt. Wächterstrabe s 2. Stage, und zwar an Wochentagen in der Zeit von 8 bis 18 Uhr Bor- mittag« und von 8 bi« 6 Uhr Nachmittag« uad an den Sonntagen in der Zeit von '/,11 bi» 18 Uhr vormittag«, wie auch aus sämml- licheu BejtrkSmrldrftelle« (Polizeiwachen) und zwar an Wochen, tagen ia der Zeit von 8 Uhr vormittag« bi« l Uhr Mittag« uud von 4 bi« 7 Uhr Nachmittag« uud an den Souutageu t» her Zeit von V,ll bis 12 Uhr vormittag« erfolgen. Leipzig, am 24. März 1884. Da» Polirciamt der Stadt Letpzi«. v. L. 1180. Bretschaeider. A«s»«> au« dem WelderegUlati» der Stadt Leipzig vom 4. Drcrmber 1890 K. 18. Jeder in einem Gasthafe oder in einem mit Herderas- drrrchtigung versehenen ähaitchen Hause rinkehrende und über Nacht bleibende Fremd» ist vom Bastwirth oder Quartieraeber, und zwar, fall« er dar 3 Uhr Nachmittag» anlouunt, noch am Tag, der Ankunft, andrrnsall« aber am solgeadra Morgen spätesten« bi« lO Uhr beim Meldeamt des Poiizetamt« Abth. H oder der Polizeiwache de« betreffenden Bezirks schriftlich mittelst de« vorgeschriebenen und für jeden Fremden besonders auszusüllen- den Formular« anzumelden. Befinden sich in Begleitung des Fremden Familienmitglieder, Dienerschaft oder sonstige Personen, jo sind dieselben aus dem nämlichen Zettel mit zu verzeichne». Zu- die Abmeldung sogenannte Ild sie länger al« 3 Tage hier verweilen, spätesten« am 4. Tage, von erfolgter Ankunft an, vom Ouartterwirth beim Meldeamt Adth. II oder der betreffenden Polizeibezirkäwache mündlich oder schriftlich mittelst des vorgeschriebenen Formular« anzumeiden. Bei den etwa in Privathäusern Wohnung nehmenden Metzfrnnden jedoch hat dies» Anmeldung in jedem Falle, auch wenn sie nur eine Nacht hier blieben, und zwar binnen 24 Stunde» von der Ankunft au. det« Mridea«» Adttz. II» als auch in jeder der VaUieidezirtSwachen zu geschehen. In gleicher Weise ist di« Abmeldung binnen 3 Tagen, bei Metzfremde» binnen 84 Stunden von erfolgter Abreise de« Fremden oder etwa erfolgter WohnungSänderuag an zu bewirken 8- 16. Bet de» nur »inen Monat oder weniger sich hier aus haltenden Fremden bedarf eS in der Regel der Vorzeigung oder Niederlegung einer Legitimation nicht, doch bleibt der Fremde jeder zeit verpflichtet, sich auf amtliche« Srsordern über seine Persönlich- keil au«zuweisen. Fremde, welch« länger hier verweilen wollen haben sich in der Regel in ähnlicher Weise zu legitimste», wir 1 ia K. 1 bezüglich der Einwohner vorqeichrieben ni, ß. 18. Für rechtzeitige An- und Abmeldung der Fremde» haste» nicht nur diese selbst, sondern auch dst betreffenden Oaartterwtrttzr, welch« Fremd« bei sich »afnehmen. Lekanntmachung. von Freitag, den 36. Mär, d. ). av wird zur Vertilgung der Raiten in den städtischen Schleuste» Gift ausgestellt werden Wir fordern deehaib die Besitzer oller im Stadtbezirk« gelegenen Grundstücke, be». deren Verwalter. dirrdnrch ans, in ihren Grund- litcken, namentlich aber in den Privatschleußen, aus gleichzetttgr Vertilgung der Ratten bedach! zu sein. Leipzig, de» 83. Mir, >884. Der Rath der Stad» Leipzig lo1L46. vr. Tröndiin. De. Gumpert. Bekanntmachung. Bei den Aparcaffen Leipzig-Linden«» und Lripzig-Plagwitz werden vom 8. April diese« Fahre« an die Geschätwstunden sür den Verkehr mit dem Publicum i» der Weise vermehrt, daß die Sparraffr Veip,«g-L1nde»a» täglich von 8—12 Uhr Vormittag«, die Lpareaff« Lrtp,tg-Plag»ttz täglich v«n 2—ü Ulst Nachmittag« ntt ist. ipzig, den 84. März >894. Der Rath der Stadt Letpzt». U». 1164. vr. Tröndiin. Ass. Lampe. geöffnet Lest Dermiethung. In den am 1. April d. I in den Besitz der ReichS-Postverwaitung übergehenden Grundstücken Grimmaischer steinweg Nr. 3 und Post- strap« Nr. 4, 6 und 8 sind zu verrnielden: 1) im 3. Stockwerk des rechten Seitengebäudes de« Grundstücks Grimmaischer Stemweg 3: große, gut beleuchtete Geschässträume mit »ujammcn eiwo 280 gm Bodenflächr, vom 1. October d. I. ob, 2) im 4. Stockwerk des Bordergebände« Grimmaischer Steinweg Nr. 3 »ine Wohnung, bestehend an« 3 zweifenstrigen Zimmern und reichlichem Zubehör, vom i. October d. I. ad und 3) »n 4. Stockwerk de« Grundstück« Posistraße Nr. 8 «ine kleine Wohnung, irsiehend au» 1 Zimmer und 2 dämmern, sogleich oder päler. Meldungen wegen Besichtigung der Räume und MiethSgesuche ind an da« Kaiserliche Ponaml l am Auguslusplatz (AuSkunftS- telle, Eingang im Poslhoil zn richten. Trr Kaiserliche Pdcr-Poftdtrector» Geheime Lber-Postrath. Walter^ Lonnabkild, den 31. Mär, er., von Uormittag« lO ühc an solle» i,„ Geickiäftszmimer de« Proniaiitamte« zu Leipzig. Pleißen- bürg, Tdurinhau«, 2. «lock, eine Parti» Noggrnktete und Uehr- mrhl öffentlich an den Mcistdicteiidcn gegen ivsortige Baarzahiung uerneigert werden. Leipzig, am 28. März 1894. »öntgltche« Proviantamt. Diebstahls - Bekanntmachung. Gestohlen wurden lau« hier erstatteter Anzeige: 1) ein Sommerüherzieher, ziemlich neu, von schwarzem «heviot, mit schwarzem Wollatiassutlrr, einer verdeckten Reihe Honiknüpfe und Sloffheukel mit der Firma „k. Lumaun, Vaipria", nin 24. d. M.; 8) eine kleine Hol,kiste mit der Aufschrift ,.?nul ?iwou", euthalsta» 2 Öpertzempen, 3 Nachthemden, 1« Taschentücher »nd andere Leidmäsch«, sämmtlich „L. 8." ge,., am ll. d M.; 3) »tue Wa»e»pia»r, ziemlich groß, mit dem Zeichen „ll. Laaist", uad 3tz Stück Hoitt»sädlr, am 11. d. M.; 4) 16 Stück leer» Petroleumsäffer vom 21. zum 82. d. M. Etwaige Wahrnehmungen über den verblieb der gestohlenen Gegenständ« oder über de» Thäier sind ungesäumt bei unserer Lriminal-Abtheilung zur Anzeige zu bringen. Leipzig, de» 87. März 1884. Da» Pottzrtaml «er Stadt Letp,iz vretschuetder. Ml. Oe^sntliods Hanä6l8l6k?an8lLlt. krott»«, 4o» 3*. Ulrr. krNü 7 vkr, doninnt ckio ^nk»»h«o- prflknuL io äer T«krlt,»»ukii»sllull», eu vesthvr «ioli lli- bereit« »vuemellleteo, oorrie die ooeb nuruwelllevcken Tekril»»«, mit Neorelbkockee renwbev, plloetltek eiuruLniivv knden. ^nwelckuoxeo kür den eiizfLkrlxen, tuedreis'ieo'iokattlledea Oae»»o rrercko» im ll»nks cheoer Wocke »Iviebkell!» ent^e^en- ^»»omwaa. vmrl ^Volirniir, lliroctor. Zweite Ltä-tische Fortbildungsschule für Knaben. Zum Bezirk« der zweiten Städtischen Fortbildungsschule für Knaben gehören die an folgender Linie liegenden und die von ihr eingeschlossenen Straßen und Plätze Alt-Leipzig«, sowie Lcipzig- ikonnewitz und LeiptigrLSHnig: Schieußiger Weg, Karl-Tauchnitzstraße, Obsimarkt, König«, platz, Roßplatz, König«straße, Johannisthal, Linnöstroße Die Anmeldange« aeu etntrrtender Schüler werden i« TchuigrdSude au der Scharuhorftftrotzr in der Zeit von Montag, deu 2.» di« Donnerstag, den k. April d. -., von lO bi« 1 Uhr und von 4 bi« 6 Uhr «ntgegengenommen, und zwar am 8. »nd 3. April solcher au« Alt-Leipziger Schule», am 4. der au« de» Schulen zu Leipzig-Tonnewitz und Leipzig-Lößnig und am S. April der von auSwSri« kommenden. Auch hat in derselben Zeit die Adiurldiing derjenigen Schüler zn erfolgen, weich« ia andere Schulen ausgenommen werdev oder Leipzig verlassen. Leipzig, deu 25. Mürz 1894. vr. 8to«rl. Dem Worikertag zum Gruße! t. Erst verbältnißmäßig spät haben die deutschen Historiker sich in dem Beschlüsse periodischer Bersammlungen zusammen- gefunden. Ter Evngreß, der vor einem Jahre in München abaedaiten wurde, war der erste, und er bedurfte einer so lebhaften und eigenartigen Anregung, wie sie in den von höchster Stelle in Preußen vrrlautbarten Ansichten über die Stellung der Geschichte im nationalen Unterricht gegeben war, um den Gedanken an einen Eongreß, an eine gemeinsame Aussprache der Historiker überhaupt zu wecken. E« ist das bezeichnend genug. Intime Kragen der Wissrn schaft lassen sich auch dann, wenn sie von den weitrsttraqendrn Folgen sind, besser in kleinen Kreisen erörtern: stellen Kragen zur Discujsion, welche da- Berdällniß einer Wisscnschaft zum Ganren, zum Boiksleden überhaupt betreffen» so bedarf es der Au«cinandersetzu»g im Großen. Es kann nickt geleugnet werden, daß solche Fragen gerade für da» Gebiet der Ge fchichtSwissrnschaft bestehen und fortdauernd bestehen werden in der Pflicht, sie anzuregen und ihre Lösung vorzubereitrn liegt eine Ausgabe des Historikertages vor, die von keinem andern Organ in gleicher oder ähnlicher Weise gelöst werden kann. Und diese Aufgabe ist öffentlicher Natur; sie recht fertigt es, wenn wir an dieser Stelle den Historikerlag ganz anders, als sonst sachivifscnschaftlichr oder technische Eongressc ausdrücklich willkommen heißen. Auch das Programm des jetzt zusammentretendcn Tage« enthält unter drei ausgestellten Themen zwei, dir tief in dir Streitfragen unseres GeisteSlebenseinführen. Sollam erstenTagc dirStclluilgter a lt enGes ch ichte im ge lehrten Unterricht erörtert werden, so wird damit eine der wichtigsten Positionen berührt, welche die humanistische Wellanschauung im Kampfe mit der naturwissenschaftlich-empirischen Weltanschauung noch fest behauptet. Besitzt die alle Geschichte in ibren einzelne» Geschehnissen wie im Verlauf ihrer BcrsassungSentwickeluiig in der Thai den besonderen erziehliche» Werth, der ihr zugeschricden wird? Bedarf cS zum Bersländniß der Gegenwart und zur Verschönerung und Beherrschung des modernen Lebens der jenigen Keniitiiiß der alten Geschichte, di« bisher in Len höheren Schulen vermittelt wurde? DaS sind Fragen, die neben vielen anderen hier aufgeworfen werden können und deren cndgiltige Beantwortung in dem einen oder andern Sinne eininal von größter Bedeutung sür die geistige Entwickeiuns unserer Nation sein wird. Nicht minder werden große nationale Interessen durch die Verbandlungen des zweiten Tage- berührt. Man weiß, daß die Geschichtswissenschaft beute in einer tiefen Umbildung be griffen ist. Bor dem Jabre >870 ist es vornehmlich das Ideal einer lang ersehnten, nur aus dem Wege äußerer Voiitik zu erreichende» uationalen Einheit gewesen, dem die deutsche Geschichtschreibung gedient bat, soweit sie nationalen Interessen zubrwandt war. Da- ließ sie vornehmlich iu äußerer poiilifchrr Geschichte aufgehen. Und da« um so mehr, als da« ganze Geistesleben der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts, wir auch dir AnschauungSgade ihres größten Historikers, Ranke-, vornehmlich dem Person iichen in der Geschichte zugewendet war. In allrdei» inachic sich nach 1870 je länger je mebr ein vollkommener Wechsel gellend. Da- inner« Leben der Nation galt e« jetzt auszugcstalien; die vergangenen Stufen dieses Leben« kennen zu lrbre», ward Ausgabe der nationalen Geschichtschreibung, lud eine Wandlung der allgemeinen geistigen Anschauungen, welche sich nicht mehr mit der Kennlnißnabnit de« buuten Spiel« historischcrKräste an der politischenAußenscitc derBergangenheit begnügte, sondern daraus drang, die tieferen, eigentlich gruuk legenden Kräfte der Entwickelung kenne» zu lernen, seeundirte dieserUmgcstaltung. So trat die politischrGeschichte zurück: bisher dicGeschichle überhaupt, wird sie ein Tbeil der geschichtlichen Wissenschaften. Neben ihr aber entwickelte sich writ kräftiger als bisher die Geschichte des Geisteslebens in Kunst, Literatur und Wissenschaft, und säst völlig neu trat aus den Plan die Erforschung dcS Volksleben- ui Wirtschaft und Gesell schaft. So sind di« neuen historischen Probleme vor nehmlich wirtbschastStjeschichllichen, socialgeschichtlichrn, ver waltungSgeschichllicke» EharakterS. Ihrer Erforschung, die eine Notwendigkeit darstellt sür die Fortschritte des nationalen Geisteslebens überhaupt, können aber nickt mldr die alten Einrichtungen dienen, die sür die politisch- geschichtliche Forschung getroffen waren. Für diese war, so weit sie dem Mittelalter zugewandt ist, eine Samiiilung der älteren darstellenden Historiker zur deutschen Geschichte, wie sie in dem großen Unternebmen der Lluuumvnl» Ovrmaaiuv biswriea vorliegt, anfangs als Hilfsmittel nolbwendig und leiblich ausreichend erkannt worden; für spätere Zeiten waren die politische»Acteiibestände der hauptsächlichsten, an der äußeren Entwickelung belheiligten Mächte einzusehrn. Für die neue» Ausgaben dagegen gilt es jetzt hinabzusleige» in die Tiefen localer und territorialer selbstständiger Entwickelung; dem stille» Werden des Bauernstandes ist nicht minder nachzugeheu wie der ge räuschvolleren Entwickelung deS städtischen Bürgerlblinis. und die Entfaltung landcSberrlichen ReginienleS in den Einzeft staateii muß auS dem intensivste» Studium der BrrwaltungS acte» begriffen werden. Eö sind Ausgaben, die nicht mehr in einheitliche»! Institutionen oder Veranstaltungen für den Um sang des deutsche» BollstbuiuS oder de- Reichs gelöst werden können: cS bedarf hier der Organisation inten ftver Arbeit an allen Orten, in jedem Staate, jedem Lande. Dementsprechend haben sich schon heute fast in allen territorialen Eentren uusercr nationalen Entwickelung besondere landcSgeschichtliche Institute, die im Einzelnen aber verschiedene» EharakterS sind und sein könne», entwickelt oder sind wenigstens im Entstehe» begriffen. Sie zu veranlassen, bei allen Verschiedenheiten immer wieder die gemeinsame» GesichlSpuncte ibrer Ausgaben ins Auge zu fassen, ibre Er fahrungen anSzutauschen, kurz, zwar gelrennt zu marschireu, aber gemeinsam zu schlagen, ist eins der wichtigste» Interesse» der nationalen Gcschichteforschung. Eine Verständigung oder wenigstens eine Anregung in diesem Sinne soll vcrsuchl werden in der zweiten Tagung des CongresscS, in der von Referenten aus de» verschictenfte» Tbeilen des Vaterlandes, auch a»S Oesterreich, über Stand und Bedeutung der landes- eschichtlichcn Studien gesprochen werden wird. Und die "ickligkeit des Gegenstandes soll schon am Tage vorher nach ges Wi SS ^enilletsir. Don sonnigen Lüften. MiGrlmerr-Brieft »ou Karl Böttcher. NochdriXk »eitet«». XI. Messina, 16. Mär». Siciliea hat Hunger I . . . Wer Länder oach ihrem Appetit rintbeilt, naterscheidrt übersatte, gutgraäbrte, kaum befriedigte und — hungrige. Sicilien, der wundersame Gotte«garten, mit Trauben und Lorbeer ans dusligen Höhen, mit Granaten und goldglühenden Orangen, dielet seinen Kindern kein Brod .... Sicilien bat Hunger! . . . Seit acht Tagen ziehe ich auf der Insel herum — in Nrinen, vom Sonnenbrand gerösteten Dörfern, in schmutzigen, an hohen Berglehnen hängenden Städtchen, in todestraurigen, von Schwrselmineo verpesteten Gegenden ... WaS von socialem Leben an mir vorbeidrfilirt — Jammer uad Elend In den Köpfen spukt noch der kaum niedrrgeworfrne volksaufruhr, welcher da« Laad mit über sechzigtausend Soldaten stillte und e« noch heute im kleinen Belagerungs zustand erhält. Nicht etwa ein Aufruhr gegen die Regierung — o »ein: diese biedern Siciliauer sind zumeist könig-treue Leute — vielmehr gegen die Masse der wuchernden, kehi- adschaeidendea Großgrundbesitzer, welche, gleich einem mit hunderttausend Pserdekräftea arbeitenden Pumpwerk» die Insel aulsogrn. All' jene armen Leate, erregt durch di« mit Aufruhr ge schwängerte Atmosphäre uud voll von den frischen Er innerungen an die Ereignisse der letzte Monate sind mit theilsam. . . . Ach, eine wilde Zeit! Reden werden gehalten, vernünftige Vorschläge erwogen, Beifallsstürme entfesselt. Auch Maul helden fehlen nicht; gutmülhige Philister packt Begeisterung die Herzen erhitzen sich an hochtrabenden Phrasen. Hurrah, vorwärl«!... Bald daraaf in Dörfern und Städten Trommelwirbel Befehl de« Prisrcien: .Alle Versammlungen sind verbotenl Der Brlagrrangtzzustand ist proclamirt!" ... Nu» lodert r« »ild empor, da« Feuer de« Aufruhr«. Militair rllck« an. El tz»»»t za heiße, Gefechten. Borgestreckte Flinten mit schimmernden Bajonnettru, Knattern der Gewehrsalven, in deren Pulverdamps so manch' mulhige Stimme erstickt. Kugeln pjriferGn die L)rangengärten. Tobte und Verwundete aus »> .. . _ , s beiden Seiten. ... Warum? ... Ach, warum? Sicilieu hat Hunger!... Nun im Lande rin« furchtbare Situation. Immer und immer begegne ich aus meinen Kreuz« und Querzügen großen Gesa»gc»c>i-Tran-porlen .... Die Hände an den Gelenken mit dicken Eisenklaminern aneinander ge schraubt, uulrr den Ellbogen lang«, die ganze Menschcnherte zusammenhalteud« Keilen, ringsum Earabinieri mit quer- ausgeketzten Dreimastern und aufgepflanzlen Bajonetten — so geht e« schwitzend, trippelnd, schnaufend dahin im Sonnen brand der staubigen Landstraße. Da« ist der Austausch der Waare zwischen den einzelnen Gesängnisscn, welche jetzt, nach dem Aufruhr, vor» Männern, Frauen und Kindern über füllt sind. In kleinen Nestern sah ich noch keinen Markt, auf dem nicht rin Schwarm von Gerichtsvollziehern Zwangsaucrionen veranstaltete: Auktionen von altem Gerümpel, tbeuren Ne- ttquien de« HauSball«, geerbt von den Eltern oder mühselig zusammengespart. Massen von herumhockendro arbeitslosen Menschen bilden mit leeren Taschen und hungrigem Magen .Zum ersten! . . Zum zweiten! . . . Der Gerichtsvollzieher ruft cS mit über da« Pflaster. Kaum daß Einer enschen bilden da- Publicum. . . . Zum dritten!' . . . schnarrender Stimme bietet. In jedem Ort überfallen mich Horden von Bettlern. — Jeder ein Pack Lumpen, Fetzen, Locker, au« dem eio bobl- wangige«, rrdsahle« Gesicht mit großen, glanzlosen Augen und irgend rin verstümmelter Körpertbril herausstarrt — Prttler- borden, wir sie höchstens die verrufensten Gegenden des Sckmerzerpreßte Seufzer, Lamentationen die Obren, Ubcrbrülll von dem mit einer ^andbewegunz nach dem verzerrten Mund Schauerwort: .Hunger! Hunger!"... Und wenn ich, scheinbar gleickgiltig, weitergebe, weil rin einzelne« Portemonnaie solche Noth nicht lindern kann, glotzen mir Gesichter mit dem Ausdruck der Verzweiflung nach. Labei beobachtete ich, wie der beständige Anblick so viele» Elend- da» theilnebmeode Empfinden mehr und mebr abstunipst, da« Herz verhärtet.... Ach da« Leben ist »ft recht grausam! Ein gleich finstere« Resultat bei einem Blick aus den Fruchldoveu diese« Zauderlanve« ... Herrliche Arcker, welche Orient« kennen, wimmern mir in bedeutuna-vollen berauszcstoßenrn unter der schönen sicilianischen Sonne fünfzig- und seckzig- sältig tragen könnten, liegen verödet. Mächtige, die Berg lehnen hinaufsteigcnde Weinberge mit ibren stellenweise ein- geslürztcn Mauern sind sich selbst überlassen. Parkanlagen mit pappelhohen, dunkelnden Eyprcssen verkümmern hinter ibren Gittern. Große ertragSfäbige Landstrccken bleibe» un- bepflanzt. „Wozu arbeiten?" Lenke» die meisten dieser Leute, „wenn die Arbeit nicht einmal den gewöhnlichsten Hunger stillt!" Ja — aber e« gicbt doch Geld sür dir Arbeit!... Geld?... Was Jbr denkt!... Tie wackern sicilianischen Großgrundbesitzer haben entdeckt, daß mit Lohnzahlungen an Arbeiter die schönsten Suinmcn vertrödelt werden. Wenn diese Arbeiter für ihr Tagewerk in Naturalien entschädigt würden — es wäre viel prak tischer ... Nun bekomm» der arme Tagelöhner nie Geld in die schwieligen Hände. Nack Beendigung seiner wochenlangen Arbeit wird ibm sein Lobn in einem Ouantum zumeist minderwerthigem Getreide entrichtet. Benölbigt aber der arme Tenfrl einmal a»fS Dringlichste haare- Geld — viel leicht in Form eine- Vorschusses — so erkält er eben wieder Getreide — einen Gelreidevorsckuiß . .. WaS wollt Ihr? Sr kann sich ja nack einem Käufer umschen!... Reichlich mit Getreide auSgestattet, zieht er nach Be endigung seiner Arbeitszeit nach Hause. Kaum betritt er mit diesen .Schätzen" — nein, mit dem mühselig verdienten .Lohn" sür monatelang«» Arbeiten — den beimatblicke» Boden, so kommen die Maulbsolvaten und verlangen, daß er diese .Einfuhr von Lebensmitteln" versteuern soll. Woher jetzt da« Geld nehmen?... In trüber Zwangslage muß er einen Tbeil seine« .Lohne«" verschleudern, um den übrigen Theil nach Hause tranSportiren zu können. WaS sie essen, diese Armen? Sie gehen ins Grüne, in Orangenhaine nad Eilronengärten, und nehmen, wa» sich findet. Eine solche Eristcuz bezeichnet der Siciliauer al» .Lebensweise ohne Salz" ... Wo sie schlasen? Zumeist unter freiem Himmel, aus Stroh. Wenn e» regnet, haben sie den Wind zum Abirocknen. Auch für .besser situirle Leute" deckt sich der Tisch täg lich nur einmal — Abend« gegen seck« Uhr. Wa« da auf marsckir«, ist nickt« weiter als eine Kräuter- oder Brotsuppe, rer einige Orangen nackkugeln. Ich mag in diesem Musterland Hinblicken, wohin ich will — überall uud überall trübe sociale Bilder uad Alle« drunter und drüber Der kleine Bauer verdient im ganzen Jahr durchschnitt lich sechshundert Lire, muß aber davon gegen vierhundert Lire Steuern zahlen. Er hält sich einige Esel — sie müssen versteuert werden; er schafft sich einen neuen Ackerpflng an — muß versteuert werden; sogar für Brot muß er .Ver brauchssteuer" entrichten. In der lieben Rechtspflege bat sich das Heer der Processe derart vergrößert, daß die Gerichte aus Jabre hinaus be schäftigt wären, wenn sic nicht die bis jetzt vorliegenden Fälle summarisch behandelten. In EalaScibetta böre ich auf dem kleinen Markt drei abgehärmte, zerlumpte Frauen Wimmer» Ihre Männer sitzen seit sechs Monate» im Gesängniß, ohne daß man weiß, warum. . . . Flotte Bankerotte sind a» der Tagesordnung. In Vallelunga, einem Oertcken von etwa viertausend Einwohnern, gab eS im Monat Drcembcr ei» bundertdreiundneuiizig Fallissements . . . Sicilien, die« blendende Zauberland, bas ist eine Atmosphäre für Recht? anwälle und Gerichtsvollzieher! Ja den Schauergegcnten der Schwefelminen müssen die Arbeiter sogar sür die Betriebskosten de« Bergwerk« aus kommen. Die Beträge sür Reparaturen der pustenden und keuchenden Maschinen werden ibnen vom Lobn abgezogen. Es ist unmöglich, von der ganzen fürchterlichen sicilianischen Mißwirthschast auch nur in flüchtigen Umrissen eio Bild zu cnlwersen. Die Großgrundbesitzer haben von den kaum vergangenen wirren Monaten de« Aufruhrs nickt« gelernt. Sie dämmern weiter in ihrer unersättlichen Geldgier. Alle VermitlelungS versuche, die Lage des armen, am Bettelstab wankenden Volk« zu verbessern, prallen ab an der Habsucht dieser Herren. Wobl aber haben sie neuerding- wiederholt Versammlungen abaeballc» und ihr Talent in dem Antrag zusaiumengesckossen: .Ter Staat möge dem bisherigen Verhältnisse zwischen Grund besitzern und Arbeitern gegenüber neutrat bleiben" .... Di« liebe Ausbcuterei soll also üppig weiter wuchero, wenn die- überhaupt »och möglich wäre. So ist die ganze sicilianische Wirtbschaft morsch, faul, ab gelebt. Die Ba>vnette mußten sie jetzt wieder stützen, mußten dem faden Zauber von Neuem etwas Glauz verleiben Aber — aus wie lange? .... Der italienische «taat weiß nicht» wie er mit der Insel zurechtkommeo soll. Sicilien hat Hunger!...
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