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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.03.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-03-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940329027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894032902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894032902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-03
- Tag1894-03-29
- Monat1894-03
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Bis dahin kann noch mancherlei geschehen, was den Be sprechungen der beiden Monarchen eine bestimmte Richtung giebt. Jedenfalls ist eS verfrüht, sich der Besorgnis; hinzu geben, eS werde in Helsingsors zu einer neuen „heiligen Allianz" kommen, durch welche Deutschland gezwungen werden lönne, nach russischer Methode Alles zu bekämpfen, was in den Verdacht kommt, umstürzlerische Pläne zu verfolge». Begreiflich ist es freilich, wenn sich in der deutsche» Presse Stimmen erbeben, die entschieden gegen eine Annäherung an Rußland sich verwahren, wie sie in den Kopsen russischer „Reformatoren" sich mall. So schreibt die ullramvntane „Köln. VolkSztg.", die doch sonst vor einer frischen und fröhlichen Reaktion keine Scheu trägt: „Es handelt sich also nach russischer Auffassung um eine neue „heilige Allianz", zu deutsch um die Organisirung des inter nationalen Polizeikampses gegen SocioliSmu« und Anarchismus. Religion und Monarchie sind dann gerade gut genug, um den Polizeislock etwas „idealistisch" auszuputze». Hat Rußland wirklich das Bedürsniß, die Religion gegen den Nihilismus ins Feld zu führen, so möge cs gefälligst daheim mit der Pflege und Förderung der Religion ansangen, stall die katholischen Polen ihres Glaubens wegen blutig und barbarisch zu verfolgen und die deutsche» Protestanten aus alle Weise zu drangsaliren. Wer jo zu Hause in religiöjen Tiugen wirthschastet oder wirthschasten lägt, wie der Zar, der ist Loch kaum berufen, Len andern Staaten Vorschläge über die Bekämpfung des Anarchismus durch die Religion zu machen. Und was die Monarchie angeht, so würde das außerrussische Europa sich eine Monarchie nach rujstjchcni Muster sehr entschieden verbitten. Also scheint uns Rußland nicht berusen, „im Rahmen religiöser und monarchischer Grundsätze" einen Kamps gegen Socialismus und Anarchie anzuregcn. Daß man den Anarchisten aus inter- nationalem Wege noch energischer als bisher zu Leibe gehen könnte, daß namentlich Eng l a nd genötdigt werden könnte, die Gastfreundschaft gegen die Anarchisten etwas einzuschränken, soll nicht bestritten werden. Am Besten wäre es, die Annäherung, die der Handelsvertrag herbeigesührt hol, würde benutzt, um eine sriedlich-sreundliche Regelung der politischen Fragen anzubahnen, welche die Völker jetzt zu der Vermehrung der Rüstungen bis ins Unerträgliche veranlasse». Hörten die Völker aus, immer fieberhafter für den Krieg zu rüsten, so könnten sie ihre Aufmerksamkeit und Arbeit den socialen Aufgaben zuwendcn, zu deren Lösung sie dann auch die materiellen Mittel gewännen, während die stetige Vermehrung der Militairlosten sic wirlhjchastlich ruinirt und schon dadurch dem Socialismus und Anarchismus immer neue Anhänger zusührt. Was nützt es uns schließlich, wenn wir, was ganz un wahrscheinlich ist, die Umsturzpartcieii mit religiöser und Monarch!- jcher Polizei unterdrücken, aber uns durch den Militarismus ebenso zu Grunde richten, wie der Sieg des revoiutionaircn Prole tariats es thun würde?" Vorläufig aber braucht man sich, wie gesagt, einer Bc- sorgniß nicht hinzugeben. Und auf alle Fälle befindet sich Deutschland einer etwaigen Abmachung in Helsingsors gegen über in ganz anderer Lage, als dem Handelsverträge mil Rußland gegenüber. Nicht einmal im Bundcsralke würde sich eine Mehrheit für Pläne ergeben, wie die „Köln. Volközlz." sic fürchtet, und im Reichstage Hallen solche Projekte auf die verfasiungsmäßigcZustimmung cinerMehrbeiterst recht keine Aussicht. Wenn übrigens, wie die BerlinerOssiciösen auch heule wieder versichern, die leitenden Berliner Kreise eS nicht für nölhig halten, internationale Maßregeln gegen die Anarchisten anzurcgen und eine nach Berlin einzuderusende Ant, Anarchisten- conserenz in Vorschlag zu bringen, so denkt sicherlich auch kein Mensch daran, gerade mit Rußland eine Allianz zur Bckämpsulig von SocialiSmus und Anarchismus nach rus sischer Methode abzuschließen. Wie im Reichstage nach der Osterpause die Partei conjtcllatio» sich gestatten wird, läßt sieb »och nicht über sehe». Einstweilen bat die Handelsvertragskrise ei» ziemlich chaotisches Durcheinander zurückgelassc». Ta ist den» aller dings die Frage von Bedenlung, in welcher Verfassung die einzelnen Parteien der nächste» Zukunft entgcgengehen. Wie gewöhnlich, bat sich unter diesem Gesichtspunkte die »alionalliberale Partei der liebenswürdige» Auf merksamkeit der Presse aller Farben zu erfreuen. Der Umstand, daß in den Abstimmungen zum russische» Handels verträge fast ein Drittel der nalionalliberalcn ReicbStags- fracticn sich von der Mebrbeil der Parteigenossen geircuiit hat, muß den politischen Gegnern dazu dienen, die Partei als in Heller Auflösung begriffen darzusteUen. Selbst in ossiciösen Auslastungen hat mau von dem Riß gesprochen, der infolge des russischen Handelsvertrags durch die Cartcl- parteicn gehe. Aus die uationalliberale Partei angewandt, entbehrt diese Auffassung jeder Berechtigung. Tie national- liberale Partei hat, wie allgemein bekannt, in Bezug auf die Stellung zu den Zollfragen stets volle Freiheit walten laste», von der Ueberzeugung ausgehend, daß eine ganz Deutsch land umsastende politische Partei aus die Tauer nicht von Bestand sein könne, wenn sie nicht einander widerstreitende wirthschaftliche Interessen in ihrem Sckwoße zu ertragen im Stande wäre. Lediglich um eine verschiedene Auffassung der bei dem russischen Handelsverträge in Frage kommenden wirthschaftlichcn Interessen aber hat cs sich bei dem AuS- einandergchen der nalionalliberalen Fraclio» i» dieser An gelegenheit gehandelt. Herr Richter hat von Sclavenkette» ge sprochen, welche ein großer Theil der nationattiberalen Fraktion »ach sich schleppe. Es mag ja sein, daß in einigen Fällen sich »alionalliberale Candidalen dem Bunde der Landwirthe gegen den russischen Handelsvertrag verpflichtet haben, um dadurch den Sieg eines Gegners der Mitttairvorlage zu ver hüten. Man kann ein solches Verfahren verschieden be- urtheilen; jedenfalls ist eS aus auf der Hand liegenden patrio tischen Gründen sehr entschuldbar. Die große Mehrheit der jenigen Nalionalliberalen aber, welche gegen den russischen Handelsvertrag gestimmt haben, ist notorisch durch ein Ver sprechen nicht gebunden gewesen, sonder» hat sich lediglich nach ihrer wirthschasllichen Ileberzeugung entschieden. Die Absicht der Richter'schen Darstellung ging dabin, unter den Nalionalliberalen im Lande die Austastung zu er wecken, als ob ein Drillet ihrer Vertretung im Reichs tage sich vollständig im Schlepptau deS Bundes der Land- wirlhc befände, und dadurch Verwirrung und Uneinigkeit in die Partei zu tragen. Und die „Kreuzzeilung" ging sogar so weit, das Ausscheide» deS Herr» Dr. Hahn auö seinem Hospitanlenverhältniß zur nalionalliberalen Fraktion als den Anfang einer große» Secession aus der letzteren zu behandeln. Greller hätte allerdings die vollständige Verkehrtheit der Austastung nicht beleuchtet werden können. Die national liberale Fraktion hat, wie die „Nat.-Lib. Eorr." heule noch mals constalirl, Herrn I)r. Hah» einstimmig zum Aus scheiden aufgcsordert, und zwar deshalb, weil er durch die Art, wie er sich an der Agitation des Bundes der Landwirthe betbeilizte, seine Nichtzugehörigkeit zur nationaltiberalcn Partei bewiesen hatte. Damit hat die Fraktion zugleich einstimmig ihre Berurtheilunz dieser Art der Agitation auSgesprocken. Ibr Bestreben, für praktische Maßregeln zum Wollte der Landwirtbschasl einzutretcn, wird dadurch nickt beeinträchtigt: aber das politisch-demagogische Treiben, mit welchem die Leiter des Bundes der Landwirlbe den Zwecken der Kreuzzeitungssaiiatiker dienen, bat die Fraction mit wünschcnSwertbcster Deutlichkeit und mit erfreulichster Einmülbigkeit von sich gewiesen. Die Gegner dürfe» daher überzeugt sein, daß die nationallibcrale Fraction des Reichstags nach de» Ferien so einig wie nur irgend eine andere Fraktion aus dem Plane wieder erscheinen wird. Wenn auch der soeben zurückgetrctene belgische Ministerpräsident Becrnaerl, mit Leib und Seele dem Papsttb»», anhängend, mehr als einmal i» wichtigen Fragen die höchsten Interessen des Staates denen der Kirche geopfert und »amcnltich in der Schulpolitik eine» geradezu zersetzende» Einfluß geübt bat, so erfordert doch die Gerechtigkeit, daß man die Verdienste des CabinetS Beernaert, das zehn Jahre lang unter den schwierigsten Verhältnissen die Geschäfte geführt, »ach cmteren Richtungen hin anerkennt. In auswärtige» Angelegen heiten hal eS sich eine geachtete Stellung in Europa dadurch erworben, daß eS die neutrale Politik des Landes folgerichtig vertreten bat. Es darf seinen Antbcil am Ruhme der Be gründung des Eongostaates beanspruchen, seiner umsichtigen Politik ist auch der Umschwung zu verdanken, daß die bisher gieichgittige Bevölkerung der Schöpfung des Königs ibr In teresse zugewandt hat. Seine Finanzpolitik war klug und ersolgreich, und Belgien dankt ihm die Maasbefestigunge», die Bersastungsrevision und das erweiterte Stimmrecht. Als Heiittiischuh an einer übermäßig starken klerikale» »nd schuyzöllneriscben Mehrheit bat es dem Lande, dessen Industrie keinen Schutz bedarf und dessen Landwirtbschasl einen verbätlnißmäßig geringen Tkeil des Nabrungsbedarss der Bevölkerung ausbringt, den Dienst geleistet, zehn Jahre lang wenigstens den Getreidesoll abzuwehren, wenn eS auch in einer schwachen Stunde den EensuSwäblern, die cs vertrat, Flcisch- zölle bewilligte. Der von ihm mit dem deutschen Reich ab geschlossene Handels- und Schifffahrtsvertrag gereicht beiden Theilen zum Segen. So ist cs auch erklärlich, daß König Leopold, in religiösen Dingen ein ziemlich lühter Monarch, dem Ministerium Beernaert, und insbesondere dessen Führer, stets unverkennbare Beweise seines Wohlwollen« gegeben hat. Beernaert war ein ausgezeichneter Staatsmann, er beherrschte fast bis zuletzt nicht minder die katholische Rechte wie das Ministerium, dessen Seele er war. — Iustizniinister Lcjeunc war der erste belgische Minister, welcher, unbekümmert um baS Partcigctricbe, die Justiz aus den Parteibandcn loStöste und schöpferische Reformen in das Leben ries. Tie bedingte Bcrurlbeitung und Haftentlassung, die neue Regelung der öfsenltichcn Armenpflege, die Fürsorge für die verwahrloste Jugend, für Landstreicher und Bettler, die Entfernung der jugendlichen Uebcttkäler aus den Gcf'äiiginssen und ihre Sondererziehung in staatlichen Anstalten und eine Fülle neuer bahnbrechender Iustizgcsetze kennzeichnen seine Wirksamkeit, die den gesammtcn Richterstaiid mit einem neuen Geiste er füllen wollte. Bon dem neuen Ministerpräsidenten de Bürtet weiß man noch wenig; er ist ein Hosmann, ein guter Akvocat, ei» gesiniiungötüchtiger, schutzzcllneriscker Klerikaler, der von seinem staatsmännischen Geschick bisher Beweise noch nicht erbracht hat. In einer ganzen Reihe von Eardinatsragen ist er ein Schüler Beernaert's, weshalb ihm gleich schwere Eonflicte mit der Rechten bevorstcben. Die Terroristen der sranziifischcnSocialdemokratic, durch ihren neulich an dieser Stelle gekennzeichneten Erfolg in LullinS kühn gemacht, versuchten unmittelbar darauf einen ähnlichen Gewaltakt in Rive-de-Gier a Rhone in Scene zu setzen. Diesmal jedoch kamen sie an den Unrechten. Der in Rivc-dc-Gier bestehende Fachverein der Glas arbeiter batte eS mißfällig vermerkt, daß ein neuer Ankömmling im Orte, der als Arbeiter in die Glas bläserei Rich arme eintrat, cs ablehnte, sich in den Fachvcrcin pressen zu lasten. Darob große Entrüstung unter dem Arbciterpcrsonal der genannten Fabrik, die in der Zumutl'ung an den Inhaber gipfelte, den widerspenstigen Arbeiter sofort zu entlasten, bei Strafe deS Generalstreiks. Herr Richarmc behauptete, statt wie sein schwachmüthiger Eollege von Oullins vor der Rotte zu Kreuze zu krieckon, sein gutes Recht und schützte den in jeder Hinsicht tüchtigen Arbeiter. Daraus allgemeiner Aus tand. Herr Richarme beantwortete diese Maßregelung mit der kategorischen Erklärung, er werde, wenn nicht binnen 24 Stunden die Arbeiter an ihr Werk zuriickkcbrten Hämmt licke Oescn auSblasen lassen, deren Reactivirung, nebenbei bemerkt, einen Zeitraum von nicht weniger denn sechs Wochcu beansprucht. Da die Arbeiter auf ihre Macht pochten, so ließ Herr Richarme seiner Drohung unmittelvar die Aus übrung folgen. DaS batte die Gesellschaft nicht erwartet. Angesichts dieses Beweises von Energie wurden die Streikenden sehr kleinlaut und thun seitdem, als wäre der Anstoß zum Streik nicht von ihnen, sondern von de», Fabrikanten auSgcgangen. Ter Fachvercin ist in großen Nötben. Er kann den Streikebeschluß unmöglich noch lange durchführen, bittet er aber um Frieden, so istS mit seiner Autorität bei dem großen Hausen ein- für allemal zu Ende. Nun solle» die auswärtigen Genossen helfen, aber die machen ihm für sein unbesonnenes Ansbegekren noch obendrein die bittersten Borwürse — kurz, der Hergang zeigt aus das Schlagendste, wie viel davon abbängt, daß die Arbeitgeber mit Rübe, aber auch mit aller Entschlossenheit und Conscquen; ungcbörige Zumuthuiigen ihres ArbeiterpersonalS a limine abweiscn. Auch aus den Mangel an Einheitlichkeit in der Leitung der socialdemokratischen Bewegung in Frankreich Wersen die beiden Vorfälle ein bezeichnendes Licht. Mit der Untersuchung der englische« Arbeiter- Verhältnisse war vor einiger Zeit eine königliche Arbeitscommission, d. h. cin Parlamentsausschuß beauftragt worden, der nunmehr seinen Bericht veröffentlicht Kat. Die in demselben enthaltenen positiven Vorschläge sind ziemlich dürftig. Die Einsetzung industrieller Gerichts höfe zur Entscheidung in allen Streitsachen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern wurde nicht befürwortet, vielmehr das Wirken freiwilliger VerglcichSkammern und Schiedsgerichte für ausreichend erachtet. Auch die Bil dung eines A r b e i t S m i n i st e r i u m S wurde von der Mehrheit des Ausschusses nicht empsoblc». Ferner gab in Bezug aus die Frage, ob den Hauptursackcn von Arbeitern u Sstä »d en vorzubcugcn sei, der Ausschuß sein Gutachten dahin ab, daß derartige ArbcitSzwistigkeitcn durch Gesetze nicht au) der Welt geschafft werden könnten. Tic Einführung deS Achtstundentages wurde abaclebnl, die Abkürzung der Arbeitszeit nur für Frauen und Kinder, sowie in gesundheitsschädlichen Industrien für zweckdienlich erklärt. In entschiedenem Gegensatz zu diesen Beschlüssen sieben die Anträge der Minderheit der Eommissio», die dem nächst in einem Minderbeitöbericht veröffentlicht werden sollen. Beite Berichte werden dem englischen Parlament vorgclegt werden, voraussichtlich in Verbindung mit ent sprechenden Gescpcövorschlägcn der englischen Regierung. — Der Beschluß der englischen Staatswerkst ättcn sürArmce und Marine, in ihren ArbeitSbelricbcn den Achtstundentag Feitilletsii. Medea. Ein bürgerlicher Roman von Wilhelm Wolters. Ni-truck verbeten. Äs (Fortsetzung.) „Nein, wahrhaftig", protestirte Paul, „cS war entzückend!" „Nun, dann haben wir doch hoffentlich das nächste Mal wieder das Bergnügen . . ." „Diese Erlaubniß ist cS, um die ich bitten wollte ... ich würde hinzusügen: als MitgliedS-Äspirant, wenn ich nicht wüßte, wie besetzt alle Stellen ..." „O, da wird allemal Rath geschafft", sagte die Frau Präsident warm, „für Sie allemal! ... Ich werde eS sofort meinem Mann ... ich bcdaure nur, daß er gerade in diesem Augenblicke beschäftigt ist . . . aber . . ." „Mir wurde bereits die Ehre zu Theil . . ." „Es genügt übrigens vollkommen, wenn Sic sich bei mir iielden," (Paul war davon überzeugt), „mein Mann selbst ivird Sie Vorschlägen, und ich bin versichert, Sie werten keine schwarze Kugel zu befürchten haben . . ." „Bei solcher Fürsprecherin allerdings . . ." „Sie werden sich gewiß bei uns wohlsühlen . . (so lange, bis ich sie heimgesührt, ergänzte Paul in Gedanken, dann adc!) „Wir haben eine Menge junger Mädchen . . ." „Ich hatte neulich schon das Vergnügen, einigen der selben . . „Gcnz recht . . ." fuhr die Fra» Präsident dazwischen, die eine unüberwindliche Abneigung gegen zu Ende geführte Sätze besaß, „jetzt besinne ich mich . . ." ,» . . »crgcstellt zu werden . . ." „Sie lenzten ein paar Mal" (der Frau Präsident schien das Gedächtniß wiederzukommen) „mit der Tochter meiner Freundin, du verwittwclen Frau Rentier Langlotz . . " „Endlick, endlich", dachte Paul. ,Fangloy, das war die Andere." „Emer sehr liebenswürdigen Dame", bestätigte er, sich verbeugend, „ebenso wie . . . ihre Freundin, Fräulein Reiche und . . „Reiche . . . Reiche ... ist mir ganz unbekannt", unter brach ihn die Frau Präsident, wie von einer plötzlichen Ein gebung erleuchtet (Paul biß sich aus die Lippen), „aber gräulem Langlotz . . . Ita ist nicht gerade hübsch . . „Stimmt", dachte Paul und versuchte durch ein heuch lerisches Murmeln einer gegentheiligen Ansicht Ausdruck zu verleihen. „ . . doch in der Schönheit liegt ja nicht der Werth des Menschen . . „Gewiß nicht", versicherte Paul, indem er einen Ansatz zum Ausstichen machte. „ . . und eS ist eine junge Dame aus sehr guter Familie ... aus wohlhabender Familie . . „Hm, hm." Paul erhob sich. „Ich würde mich freuen, Sie recht bald wieder einmal bei mir zu sehen, wir leben zwar sehr einfach, aber ein paar gute Freunde ab und zu . . ." „Wenn ich Hessen dürfte, zu diesen gezählt zu werden ..." „Jedenfalls aus Wiedersehen in der Voluptas ... ä profros: Singen Sie?" „Ich bedauere." „Doch Sie spielen vielleicht? Elavier oder Violine?" „Auch das nicht . . . aber . . ." (wie ein Blitz fuhr eS Paul durch den Kopf, er hätte aufjubeln mögen bei dem Ge danken!) „wenn . . ." „Nun?" fragte die Frau Präsident erwartungsvoll. ^ „Das Einzige, was ich an unbedeutenden gesellschaftlichen Tugenden zur Verfügung zu stellen hätte", erwiderte Paul mit erzwungener Gleichgiltigkeit, „wäre, daß ich ein kleines Gedicht leidlich vorzutragen im Stande bin . . ." „DaS ist ja bimmlisch!" „Ein schwacher Ueberrest von Studien früherer Tage..." „Entzückend! ... Nein, nun lasse ich Sic nicht loS, als bis Sie mir in die Hand versprochen haben, unser nächstes Fest zu verberrlichen ... Unser Eoncert ... unser letztes . . wir haben dann nur noch einen Bazar für die innere Mission ... Es hal sich zwar schon eine junge Dame ge meldet, die Tochter unseres Schriftführers, die wir berück sichtigen müssen, aber das thul nicht«, da« Programm wird um so reichhaltiger werden . . also, nicht wahr. Sie thun mir . . . uns die Liebe . . etwa« recht Dramatisches, recht .. . so .. so . .." Die Präsidentin focht mit den Händen in der Lust herum. „Ihnen zu Liebe mit Vergnügen", schmeichelte der falsch- züngige Paul, dessen ganzer Humor zurückgekebrt war, „trotzdem ick mir gelobt habe, nie wieder öffentlich zu sprechen .. „E( ist ja gar nicht öffentlich ... ich habe ihr Wort!... Sie schicken, neui, bester. Sie bringen mir die Titel der Ge dichte reckt bald, etwas Dramatisches ... nicht? . . . damit wir die Reihenfolge fcstftellcn können . . . und dann, Herr Doctor . . ." (ihre Stimme nahm einen schüchtern flehende» Flötcnlon an) „ich darf Sie doch ... ganz unter uns darum bitten . . . daß Sie ein paar kurze Worte schon im Voraus über den Bazar ..." „Sicherlich, sicherlich dürfen Sie das, ich stche ganz zu Ihren Diensten .. " Paul verbeugte sich, küßte der Frau Präsident die Hand, durchmaß den Dorsaal, diesmal nicht ohne seine Kniescheibe in unliebsame Berührung mit einem unsichtbaren harten Gegenstände gebracht zu haben, riß nach vergeblichen ander wcitigc» Versuchen seinen Ucbcrrock durch Sprengung deS Aufhängers von dem kunstvoll verschnörkelten fchwarzc» schmiedeeisernen Haken herunter, wurde von der bcrbcieilc»- teil Fee Hinausgelasien und stürmte ins Freie, einen harm los mit seinem Bündclckcn unterm Arme gerade vorübcr- lrottendcn Schneidermeister fast über den Haufen rennend. Mit langen Schritten eilte er über den Platz und schwang sich aus den vorbeifabrendcn Pferdcbahnwagcn. Welch' »ncrwartclc Wendung, dachte er, während er dem „amerikanischen" Viertel zu heimwärts rollte, Marlini'S, des WeibcrhasserS, Fra» Schwertlci» ist doch zu etwas gut ge wesen! Sie kennt sie nicht und bat mich sofort dem Mauer blümchen bestimmt ... Um so besser jetzt ... Wir wolle» ihre Kreise nicht stören ... So wird man wenigstens an Unrechter Stelle zischeln und tuscheln und der schönsten, zarteste» Poesie nickt mit seinem Getratsche den Blütbenstaub von den Flügeln wischen, ebc sie sich noch cnlsalten konnte ... Lasten wir die Well ans falscher Fährte spüre». wenn'S der Fra» Präsident so beliebt, indessen ich ... O, sprechen will ich, sprechen — wie noch nie in meinem Leben! ... Etwa« Dramatisches wünscht meine neue Freundin! Haha' ... Pfeffer, alte Kokette, willst du sagen ... Sei unbesorgt ... ich werde schon etwas zu finden wissen ... aber nicht in deinem Sinne, nicht für deine Sinne ... Ein anderes Herz will ich rühren mit anderen Tönen, als du sie begreifst, und ich werde eS rühren! Inzwischen vertieslc sich auch die Frau Präsident, die nicht ahnte, in welch respectwidrigen Ausdrücken der undankbare, charmante junge Manu ihrer gedachte, in angenehme Be trachtungen. Ihr Blut wallte Dieser plötzlich vom Himmel geschneite intercsianle, liebenswürdige, galante, braungelockte, jchlanke Redakteur mit dem Ickönen braunen Schnurrbarte, dem tadellos sitzen»«« Gebrocke, dem zierlichen kleinen Fuße, rer aristokratischen schmalen Hand Mil der dienstbereiten Fever, das war eine unerwartete Bekanntschaft ganz nach ihrem Ge- schmackc in jeder Beziehung. Ein Protöge, der ihren äugen bticklichcn Günstling und Pagen, den kleine» Maler Zondi, trotz seines stets gehorsame» MiiiiicdicnstcS und seiner Geschicklich keit im Vortrage von Bänkelsängerliedern total i» den Schatten stellte Daß er sich für die kleine Langlotz interessirte. war zweifellos. Sieh einmal an, die Ida ... halte eS nicht für möglich gehalten ... Nun, da soll Feuer dahinter gemacht werden ... Gleich heute Nachmittag muß ich hin ... Im Frühjahre Verlobung, im Herbste Hochzeit ... nur nicht lange fackeln, das taugt nichts ... Sie werden ein gutes AauS führen, ein Paar, wie'S nickt besser zusammenpasscn konnte ... das wird wieder einmal eine Sache, die ich fertig ge bracht haben werde! ... Die gute Langlotz hat wirklich alle Ursache, mir dankbar zu sein ... Denn trotz ihrer paar Groschen ... bei der Figur ... na ... Und die gute Frau Horn ließ sich in die Kissen eines Lebnstukls nieder und ver sank i» süße ZilknnslSträlimcrcien über die Vcrtrautenrolle, die sie sich bei diesem intercsiantcii, hübschen, galanten jungen Manne mit dem schönen Schnurrbarte spielen sab, bis die knarrende» Doppclsohte» ibrcS Gatten, der von seiner all »lorgentlicken Sitzung in Grcll'S Weinstube» kam, sie in die rauhe Gegenwart zurückricscn. „Gute» Tag, meine Liebe", sagte Herr Horn, indem er sich ein paar keriintcrgesallcne graue Haarsträhne a» die Schläfe klebte. „War Jemand da?" „Niemand für Dich", entgegnen: die Liebe, ohne sich nach ihm umzlisehen. „V Herr Redakteur Förster von der „Neuen Dresdener Presse" bat sich für die Voluptas angemcldei. Ich habe ibm zugesagt, daß er einstimmig angenommen wird." „Wenn Du eS wünscht, meine Liebe ... Ist sonst nock etwas?" „Die Wasserleitung ist schon wieder caput." „Da will ich doch gleich mal nacksebcn", erwiderte der Präsident a. D. und begab sich in die Küche. m. Ter Festsaal im Hütel de DrcSde, welchen die VoluptaS zum Schauplätze ihrer geselligen Vergnügungen erkoren, war in zwei Hälften gethcilt, eine sreundlichlichte, farbenfreudige und eine nachtschwarze düstere, durch wenige Uinformsterne erhellte: die des schonen Geschlechts aus den Stiiblrcibe» vorn und die dahinter, in welcher, einer Eoiitrolvcrsammlung von Kellnern ähnlich, die Herren Ausstellung genommen. Nur die mitwirkenden Künstler genossen de- Raummangels
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