Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.04.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-04-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940403023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894040302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894040302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-04
- Tag1894-04-03
- Monat1894-04
- Jahr1894
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Vezug-Pretr >» tz« tz»»»t«rp«düio» oder d« i» Stadt, bezirk a»d da» Bororteu erriibteten Aut- »«stell«» «bgeholt: vierteljährlich ^I4.S0. bei zweimaliger tägiger Aufteilung in« Haut >l bckO. Durch die Post bezogen für DeutfchlauL »ad Oesterreich: vierteljährlich ^ 6.—. Direkte tägliche lkreuzbandieuduag i»t Lull and: monatlich üill 7.SO. Li» Morgeu-AuSgab« erscheint täglich'/,? die Abend-Alt-gabe Wocheatagt b Uhr. Nedstrtto« »«> LrveLUio»: A»hem«e«,»ße 8. Lte Expedition ist Wochentag« unnnterbroche» gtäguet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Mialnr: vtt» «e»»'« S-rtt». (Alfred Universitätsstrab« 1, S- st» LS,che. »acharinenstr. 14, Part, und LS»ig«vlatz 7. Abend-Ausgabe. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- nnd GeschSftsvcrkehr. Anzeigen-Prei- dir 6 gespaltene Petitzeile 20 Psg. Reklamen unter dem Redaction-ftrich («ge spalten) öO-^, vor den Familiennachrichten (6 gespalten) 40^ Größere Schriften laut unserem Preis- «rzeichniß. TabeVarstcher und Ziffernjatz nach höherein Tarif. körtra-Beilagen (gefalzt), nur wnt der Morgen-Ausgabe. obne Postbesörderung 60.—, mit Postbejorderuug 70.—. Ännahmetchluß für Än;ei.^ea: Abend-Ausgabe: Bormitlag« 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag« 4Uhr. Sonn- und Festtag« früh '/,9 Uhr. Bei den Filialen und Annabinestelleii >e eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet« an die Erlteditiau zu richten. Druck und Verlag von E. Polz t» Leipzig. 168. Dienstag een 3 April 1894. 88. ZahlMg. Politische Tagesschau. * Leipzig, 3. April. Die .Hamb. Nachrichten" haben, wie wir gestern «Meisten, am Geburtstage deS Fürsten Bismarck erklärt, die Politik de» neuen «urfeS fei durch den Besuch de« Fürsten beim Kaiser und dessen Erwiderung nicht besser geworden. Damit werden die Polen gezpiß nicht einver standen sein; für sie ist Vieles „besser" geworben, und da die Zufriedenheit der Polen auch die Zufriedenheit aller übrigen guten Deutschen sein sollte, so müßten diese eigentlich samml und sonders Protest gegen die Behauptung der „Hamb. Nachr." cinlegcn. So hat an demselben Tage, an welchem im Reichstage die entscheidende Abstimmung über den russischen Handelsvertrag stattfaud, der preußische EulluSminister den Erlaß unterzeichnet, durch den der polnische Sprachunterricht — da« ist der polnische „Lese- und Schreibumerricht" — m den Volksschulen der Provinz Posen eingefübrt wird. KL Zusammenhang zwischen dieser Maßregel und jenem Beitrag bestand nach den von Herrn vr. Bosse unlängst im preußischen Abgeordnetenhause abgegebenen Versichern»^» durchaus nicht. Russischerseits wird man ihn ebenfalls nicht entdecken, und damit ist die Sache trotz der Nörgeleien der „Hamburger Nachrichten" und des AergerS des Zaren aus dem Kreise des internationalen Interesses gerückt. Auch vom deutschen Standpunct läßt sich kaum mehr etwas über sie sagen. Allenfalls daß die „Grenzboten" an dem nicht eben durchsichtigen Styl des Erlasse» mäkeln werden. Man darf dies im Voraus als kleinliche Bemängelung kennzeichnen, denn eine Verfügung, welche die Ausbreitung der polnischen Sprache bezweckt, braucht nicht in classischem Deutsch geschrieben ;u sein, lieber den Inhalt der Verfügung können sich nur deutsche Chauvinisten abfällig äußern. Der polnische Sprach unterricht ist nur „zur Förderung deS Religionsunterrichts" eingerichtet. Das steht im Erlaß und darum ist nickt zu be fürchten, daß die Kinder von ihrer in preußischen öffentlichen Schulen vermehrten Kenntniß der polnischen Sprache einen profanen Gebrauch machen werden. Es wäre dies geradezu illoyal. Aus diesem Grunde hat es auch nichts zu sagen, daß der polnische Unterricht auf Kosten des in deutscher spräche ertheiltea eingerichtet werden muß. WaS die deutschen katholischen Kinder anaeht, so ist der Wall, der sie vor Verpolung schützt, hoch und, wie der Minister sagt, „fest". Rur solche Kinder, welche den Religionsuntcr- ncht ans der Mittel- oder Oberstufe in polnischer Sprache erhalten, dürfen zum polnischen Sprachunterricht zugelassen werden. Außerdem, man denke, ist der Antrag deö „polnischen BatcrS" erforderlich. Nun können Wohl die deutschen Kinder, welche schon bei dem Eintritt in die Schule durch geistlich« Einwirkung theilweise stark verpolt sind, durch den polnischen Prosanuuterricht in erhöhte Gefahr gerathen, ihr BolkStbum cin^lbüßen; auch da» Polenthum der antragstellenden Väter wird häufig nicht echt sein. DaS Beispiel der Bambcrger, sowie anderer deutschen Einwanderer katholischen Bekennt nisses zeigt eS ja, daß der Klerus systematisch aus die Ausrottung deS deutschen Wesens hinarbeitct. Aber einer großen und gebildeten Nation, wie die deutsche, braucht eS schließlich nicht so sehr darauf anzukommen, ob in einem entlegenen Winkel des Reiches ein paarmal Hunderttausend slammcsgenoffen dir alte Sprache behalten oder nicht. Die eifersüchtige Wahrung deS nationalen Besitzes ist überhaupt eia Kennzeichen der Einseitigkeit und Zurückgebliebenheit. Da- Sprichwort „Reichthum macht nicht glücklich" gilt auch hier. Mögen Andere neue Schätze raffen, wir Deutsche geben, wie Johann der muntere Seifensieder, gerne die Beutel Goldes zurück, durch die uns ein mürrischer Alter um die Leben-freudigkeit betrogen hat. Immer wieder taucht das Gerücht aus, der Rest der Neichslagssesston werde ein unerwartet rasche? Ende finden. Angesichts der Thaisache, daß dieser letzte Abschnitt der Session für die Erledigung der RcickSfinanzreso rm, d. h. derjenigen Aufgabe bestimmt war, welche die Thron rede vom 6. November v. I. mit allem Nachdruck i» den Vordergrund stellte, Kat eS allerdings überrascbcn müssen, daß dies Gerückt aus allerlei Andeutungen in ofsiciösen Blättern seine Nabrung sog. In der Thronrede hieß c» in Bezug aus den Plan einer anderweiten Ordnung tesRcichSsinanzwescnS: „Die bisherigen Erfahrungen haben bewiesen, daß ohne Schädigung des Reichs und der Einzelstaaten eine Auseinandersetzung zwischen denselben nicht länger binauSgeschobcn werden kann." Nach jenem Gerüchte aber müßte man annebmcn, daß die verbündeten Regierungen selbst jetzt die Initiative zu einer solchen Hinausscbiebunz ergreifen würden. In der Sache selbst kann dafür ein Grund nicht gesunden werden, ebensowenig in der parlamentarischen Geschäftslage. Ange nommen selbst den Fall, baß die Entwürfe über die Tabak steuer und die anderweite Ordnung des ReickSfinan^wesenS in der Commission und im Plenum durch alle Stadien hindurch einer gründlichen Einzelberalhung unterzogen würden, so ließe sich der Abschluß der Session bis Mitte Juni reckt wohl erreichen, ein Termin, der in der Geschichte deS Reichs tags doch nicht gerade unerhört ist. Der Hinweis auf die chronische Beschlußunfäbigkeit des Reichstags ist kein durch schlagender Einwand; wollte mau ihm entscheidendes Gewicht beilegen, so müßte man den Parlamentarismus im deutschen Reiche überhaupt aufgeben. Weil somit nach dieser Seite hin ein Grund für die angebliche BerschiebungSabsicht nicht gesunden werden kann, so ist es nicht zu verwundern, daß die Gegner der Finanzresorm in dem Gerüchte den Rückzug der ver bündeten Regierungen vor der Opposition erblicken, daß sie sogar einen ausdrücklichen Verzicht der Regierungen auf ihre über die Erhöbung der Börsensleuer hinausgebcnden Pläne erwarten. In dieser Erwartung werden sie sich, nach allen u»S zu- gehendcn Nachrichten, nun allerdings getäuscht sehen; die verbündeten Regierungen denken nicht an einen solchen Verzicht, vielmehr wird in ihren Kreisen auf daS Bestimmteste erklärt, daß selbst eine ausdrückliche Ableknung der Tabakfabrikalsteuer und des FiuanzrcsormplancS die Wiedereinbringung derselben in der kommenden Session nicht verhindern würde. Indeß, das sind FragenderZukunft;einstweilen handelt es sich darum,waS inden nächsten Wecken geschehen soll, und hier kann man sich bis auf Weiteres nur an die wiederholt abgegebene feierliche Er klärung halten, daß die verbündeten Negierungen auf der Durchberatbung ihrer auf die Finanzresorm bezüglichen Vor lagen bestehen. Nach der Ansicht der Opposition ist das gleichbedeutend mit der radikalen Ablehnung alles dessen, was über die Erhöbung der dem Plenum vorliegenden Börsen- und Lotteriesteuer hinauSgeht, und wenn man die Haltung der Een- trumSprcffc betrachtet, so sollte man das auch annekmen. Da indeß daS Ccntrum oder wenigstens der Herrn Lieber folgende Flügel desselben gerade in letzterer Zeit wiederholt in demonstrativer Weise den Reichskanzler unterstützt hat, der ReichSsinanz- reformplan aber in erster Linie durch de» Reichskanzler ver treten werden muß, so wird man doch noch adzuwartcn baden, ob das ganze Centrum die radicale Opposition seiner Presse mitmachen wird. Ueber die Ursachen der jüngsten Unruhen auf Lamoa liegen jetzt genauere Meldungen vor. Danach batte der neue Oberrichter Idc niedrere unbotmäßige Häuptlinge zu Geld- und Gefängnißstrafen und zu Straßenarbciten ver- urtheilt. Ihre Anhänger begannen eine» offenen Ausstand. Sie erklärten, die Europäer besäßen kein Reckt, sich in rein innere Angelegenheiten zu mischen. Zuerst tödtcten sie einen Beamten. Darauf sandte König Malietoa Truppen gegen sie aus. ES kam zu mehreren hitzigen Geseckie», in denen die Truppen des Königs allerhand Grausamkeiten vcrüblen. Sie verstümmelte» einen Gefangenen, brannten Häuser nieder und schändeten Frauen. Den Gefallenen schlugen sie die Köpfe ab. Es ist zwar gelungen, eine allgemeine Waffenruhe berbeizusühren, aber eS ist wenig Hoffnung aus dauernden Frieden vorhanden, da die Unzufriedenheit unter den Eingeborenen um sich greift. Nach einem au« englischer Feder stammenden Bericht aus Samoa wären die Eingeborene» hauptsächlich darum aufsässig, weil sic sehen, wie die Consuln ihren König, der ihnen aufgebrungen wurde, bei dessen Wahl sie keine Stimme batte», wie einen „dummen Jungen" behandeln. Mit der gemeinsamen Controle der drei VerlragSmächtc sei eS nichts. Die Interessen der drei Consuln seien nicht dieselben. Es beständen drei ver schiedene Regierungen: die königlich samoanische Regierung, die von den drei Consuln, dem Präsidenten deS StadlralkeS von Apia und dem Oberrichter controlirt werde; die zweite sei die Consular-Rcgierung und die drille die Municipal- Regierung Unter solchen Umständen sei den Eingeborenen gegenüber kein einhei llicheSRegim nt möglich. Diese englische Kritik der S a m o a - A c t e w»b auch in Deutschland ziemlich allgemein gebilligt und verlangt, daß der Vertrag auf gelöst und die Verwaltung der Inseln einer der Vcr- tragSmächle übergeben werde. In England ist man natür lich der Meinung, eS gebe keinen anderen Ausweg, als das; Samoa und Tonga »ul Neu Seeland vereinigt werden, und die anderen beiden Mächte, Deutschland und die Vereinigten Staaten von Nordamerika, sich zurückzögen. Zum „Zurück- ziekcn" bat Deutschland aber durchaus keine Veranlassung, denn es ist bekannt, daß au Kopfzahl und materiellen Interessen dem deutschen Element aus den Samoa-Inseln, daS englische und amerikanische zusammengenommcli, nicht im Geringsten die Waage halten. Deshalb plaidirt auch die deutsche ColonialgescÜschaft in einer Resolution für die Her stellung eines ausschließlich deutschen Regiments auf Samoa, als das einzige Mittel, die umfangreichen deutschen Handels- und Plantage-Interessen vor fernere» empfindlichen Schädigungen zu bewahren Zu diesem Zwecke wäre die Ein leitung diplomatischer Verhandlungen mit Großbritannien und den Vereinigten Staaten nöthig, doch dürste bei der „Gebelaune", in welcher sich die deutsche Eolonialpolilik zur Zeit befindet, wenig Hoffnung aus eine energische Wahrung der deutschen Interessen Vorbauten sein. Die Wahlen zur Zweiten Kammer in de» Nieder landri» beginnen am 10. April, die Stichwahlen finden am 24. April statt; die neue Kammer tritt am lk. Mai zu sammen. Der Wahlkampf, der gegenwärtig in vollem Gange ist. ist einer der lebhaftesten und bedeutungsvollsten, welche die Niederlande bisher gesehen haben. Bekannllich balle Minister Tak van Poortvliet vor Kurzem die Kammer aufgelöst, weil er voraussah, daß die Liberalen, zu denen der Minister selbst zählt, seinen Gesetzentwurf, betreffend die Einfübrung deS allgemeinenWablrcch IS, nicht so unterstützen würden,daß er der Annahme desselben in der Kammer sicher sein konnte. Die liberale Partei verlangte als Vorbedingung der Aus übung deS allgemeinen Wahlrechts das Vorhandensein von Kennzeichen eines gewissen bürgerlichen Wohlstandes (Zahlung einer minimalen Wohnstcuer). In der Tak'schcn Vorlage haben lctzlere einen nur negativen Ausdruck gefunden, eS genügt, wen» der zukünftige Wähler keine Unterstützung aus öffentliche» Cassen bezieht, selbst der aus Kosten der Gemeinde verabreichte ärztliche Beistand schließt von der Wahlfäkigkeit nicht aus, so daß also so ziemlich alle volljäbrigcn Nieder länder mit Ausschluß der von der Verfassung selbst gegebenen Kategorien zu Mäklern gestempelt würden. Jetzt haben die Wähler selbst zu entscheiden, ob daS Land daS allgemeine Wahl recht nach Tak'schem Muster — denn der von Tak zurückgezogene Gesetzentwurf wird der neuen Kammer wieder vorgelegl werden — baden soll oder nicht. Die Entscheidung wird zweifellos zu Gunsten des allgemeinen Wahlrechts aussallen, denn es stellt sich immer deutlicher berauS, daß die liberalen Wähler -ast durchweg mit der Haftung ihrer Abgeordneten nickt ein verstanden sind, und die liberale Parteileitung hat dein immer ungestümer werdenden Drängen von »nie» her nickt mehr zu widerstehen vermocht. Die „Liberale Union" bat durch ein Rundschreiben als ihre Willensmeinung zu erkennen ge geben, daß man mil dem Minister Tak durch Tick und Dünn zu gehen bade, ja, sie bat Letzterem selbst einen Blancocrcdit eröffnet, indem sie sich zum Voraus mit jeder Veränderung, die Tak noch in seinem GesctzcScntwurs anzubringcn für gut finden würde, einverstanden erklärt hat. Das beißt mit anderen Worten: die liberale Partei ist mil Sack und Pack ins radicale Lager übergelaufen, denn die einzelnen Wablvcreine haben sich be eilt, der von der CcntraUeilttng auSgcgcbencn Losung zu folgen. Die Ueberbleibscl der alten liberalen Partei, welche nach diesem HäntungSproeeß »och einen Kammcrsitz erwerbe» werden, dürsten i» einer Mielhkutsche bequem in die Kammer fahren können. —Noch ein anderer Umschlag der Stimmung ist zu melden. Während die radicale Presse bisher jede Handlung der Königin-Rcgeutin, namciillich die Be setzung der höheren Commandostellc» im Heere, in der schärfsten Weise kritisirt und den verderblichen Einfluß der Hojaimospbärc in allen Tonarten beklagt batte, wird ihr jetzt, nachdem sie der Auslösung der Kammer zugestimmt, Weihrauch gestreut, uud die „Fremde" ist plötzlich zum er klärten Licbtiug deö Volks geworden. Ja, cs wird von dieser Seile sogar geplant, der bald ihren hergebrachten Besuch in Amsterdam abstaltcnden Königin bei ihrer Ankunft von Seiten der Arbeiter und der bisher vom Wahlrecht ausgeschlossenen Volksclassen eine Huldigung darzubringen, wie sic dem oranischcn Königshaus«: noch niemals zu Thcil geworden sei. Man sicht, cs webt jetzt ein ganz anderer Wind. Die Sp irituoscnsragc in Amerika hat im Staate S üd-Karolina zn blutige» Conslictcn zwischen Staats gewalt »nd Bürgerschaft geführt. DaS neue SpirituSgesctz, daS den Verlaus von ^pirftuS zum Staatsmonopol macht, wurde durch persönlichen Truck deS Gouverneur« Tillman, der ein feuriger Anhänger der Maßregel ist, turckgesetzt, erregte aber gleich anfangs, namentlich wegen der damit ver bundenen Haussuchungen nach heimlich sabricirlem Brannt wein großen Widerstand und zahlreiche Unruhe», die am Sonn abend in Darlington den Gipselpunct erreichten. Zahlreiche in die Wohnungen cindrinzende Polizisten wurden nicdcrgcschossen, der Rest zog sich schutzsuchend in cm sumpfiges Gelände zurück. daS von de» Anfrübrern alsbald ccrnirt wurde. Die Lage entbehrt, auch nach amerikanische» Begriffe», nickt des Ernstes: über zwei besonders compromittirte CvunIicS ist seiten» des Gouverneurs der Belagerungszustand verhängt worden. Miliz truppen sind auftzeboken, die aber zum großen Theil dem Gouverneur die Hccrcssolgc verweigern, weil sie mit den Ausrührern snmpalisiren. Der Fall erscheint um des willen ccmplicirl, weil eS sich »m in Fleisch und Blut überzegaiigene Anschauungen der amerikanischen Be völkerung hantelt, welche mit der Schärfe deS Gesetzes verfolgt werten, und weil der Mißmuth hierüber schon seit Langem in den Gemülhern der Leute geherrscht und sic allmählich um alle vcriiüiiflige Ueberlegung gekrackt zu haben schein!. Tic politische Lage erscheint auch oknebi», infolge des Zwiespalts zwischen dem Präsidenten Cleveland und den Silbcrmänner», sowie der Unsicherheit deö ArbeitS- markteS, gerade verworren genug, um derartige Zwischenfälle als höchst unliebsame Zugaben charafterlsiren zu müssen. Medea. tin bürgerlicher Roman von Wilhelm Wolters. Nachdruck verboten. ?I (Fortsetzung.) freilich . . . aber eS giebt noch einige andere nicht loeniger vortreffliche, die mehr nach meinem Geschmacke sind!" lachte Paul. „Ich werde Martha allmählich ein- weibcn in diese meine Welt, eine reiche, köstliche, herrliche Leit, über die sie staunen soll!" „Nun, aber . . „Wir sangen nicht gleich mit Zola an, haben Sie keine Angst, Schwiegermama . . . Nathan soll unser erstes Dichter- Bibelstndium sein!" Frau Reiche war offenbar mit Paul nicht einverstanden, und Paul lenkte das Gespräch in ein anderes Fahrwasser, in welchem eS merkwürdigerweise nach gar nicht langer Zeit bei einem niedlichen, rosigen Dinge anlangte, da» seit vier Wochen da- Entzücken Aller erregte, die e« im Hause einer jung verheiratbeten Bekannten Martha'S im Steckkissen liegen gesehen. Kleine Kinder kommen mir vor wie Kaulquabben", leckte der freudetrunkene Paul. Aber auch in diesem Puncte schien Frau Reiche keinen Spaß zu lieben. „McdeenS Gora", dachte Paul, „in sechs Wochen muß Hochzeit sein, sonst ver schütte ich'- hier in KolchiS noch ganz und gar." Er drängte, Martha nach Tisch hinüber zu den Seinen führen zu dürfen. E- war freilich nach Frau Reiche - gestrengen Ansichten durchaus nicht schicklich, daß sie vor der Veröffentlichung der Verlobung allein zusammen gingen, doch, was sollte man tßm>? Frau Reiche war zu angegriffen, als daß sie die Be- gleittma hätte übernehmen können, Herr Reiche mußte in« Geschäft und Mar in die Schule. „Aber auf keine» Fall Arm iu Arm!" „Gewiß nicht!" Sie athmeten Beide auf, als sie hinaustraten in'» Freie und sahea einander glückstrahlend in die Augen. Dann gingen sie, um Niemandem zu begegnen, auf langen Wegen außen um die Stadt Kerum. An eiuer Ecke stand ein kleiner mit Möbeln beladener Haudwagea io Hellen Flammen ueben dem verzweifelt dreiu- sch«w»Lv, KKHrer. Heuer", fugte Martha, „bedeutet Glück." „Bist Du abergläubisch?" „9a". „Das wirst Du Dir aber abgewöhnen müssen." „Ich glaube, ich werde es nicht können." „Auch mir zu Liebe nicht?" „DaS weiß ich nicht." „Du bist wirklich meine kleine Medea", scherzte Paul, „aber . . . wie ich ein Kolcher war auf KolchiS Grund, sollst Du nun eine Griechin sein in Griechenland ... in ein neue-, schönes, freie» Geistesleben werde ich Dich einführen . . „Ich versiebe Dich nicht." .Last Du Medea einmal gesehen?" „Nein, ich bin erst ein Mal im Theater gewesen ... im Trompeter von Säkkingen." „Ach, Du Arme! Nun warte nur, Du sollst Dich Wun dern . . . daß Du Dich aber ja nicht etwa einmal in einen anderen Jason verliebst außer in mich!" „Bist Du eifersüchtig?" „Ja!" ries Paul, „ja, das bin ich. Tu, mein süßes Mädchen, daS bin ich oder könnte ich wenigstens sein! Eifersüchtig bis zur Raserei!" Martha sah ihn erschrocken an. „Fürchte Dich nicht", lachte Paul, „Du wirst mir keinen Grund geben." „Nein gewiß nicht." „Weißt Du wirklich nicht, wer der Herr mit dem glatt- rasirten Gesichte ist, der so oft mit Dir Walzer tanzte?" „Nein sicher nicht ... er hat sich mir natürlich vorgestellt, aber ich habe seinen Namen überbört." „Er hat Dir tüchtig den Hof gemacht." „Ja, da- hat er." „Ich baffe den Menschen." „Da ist er", sagte Martha, blaß werdend. Aus einer Quergasse bog, gerade auf die kommend, die hagere Gestalt de» Unbekannten, lächelnd und ging vorüber. „Ich könnte den Menschen erdolchen!" rief Paul, er stet- und überall dabei sein?!" ,D>enke doch nicht an ibn, was geht er Dich an?" „Siebst Du, da hast Tu'S nun ... der Aberglauben verliert, auch wenn wir ihn erkennen, doch darum seine Macht nicht über unS, sagt Lessing ... darum batte ich vorbin eigentlich gar kein Recht, mich über Dick lustig zu machen ... ich araere mich darüber, daß der Mensch unS gerade jetzt, bei unserem ersten gemeinschaftlichen AuSgange, begegnen mußte, Beiden zu- Er grüßt« „muß das ist auch Aberglauben, ebenso, wie ich eS abergläubisch für ein günstige-Zeichen hielt, daß ich Dich i» demselben Augen blicke sab, als ich daS erste Wort der Gedichte sprechen wollte... Was hast Du denn eigentlich damals gedacht?" „Daß es himmlisch sein müßte, von dem Manne geliebt zu werden, der so reden kann", entgegnete Martba leise. „Weißt Du denn eigentlich, was geliebt werden beißt? ... Ich wette, Du weißt'S nickt. Ich will Dir daS Wort eines Dichters sagen, daS Du Dir merken kannst für alle Zeilen, eS ist zugleich ein treffliches Rccept. Hamerling heißt der Dichter, und ASpasia das Buch, in dem eS steht." „Du wirst mich für recht dumm Hallen, ich bade eS nicht gelesen." „DaS schadet nichts, Du brauchst auch nickt Alle- gelesen zu baden. D» wirst meine Sckülerin sein, mit mir zusammen wirst Du lesen, waS Du noch nicht kennst, und was ich für Dich gut halte, jetzt bist Du mir so wie Du bist gerade geschenkt genug . . . Geliebt werden beißt gefallen! Willst Du geliebt werde», so gefalle . . . Und wann gefällt daS Weib? Vor Allem, wenn eS will! . . . Und womit muß eS zu gefalle» suchen? Mit Allem, WaS gefällt. Nicht lange wird eS fesseln, wenn eS bloS die Sinne bestickt, nickt lange, wenn eS bloS die Einbildungskraft bezaubert, oder den Geist anspricht oder daS Herz rübrt — eS muß das Alles in sich zu vereinigen wissen, eS muß, um cS mit einem Worte zu sagen, liebenswürdig sein . . . doch, mein Herz, mein Herzenskind, Du hast >a solch Reccpt nickt nothig, ohne Hamerling und ohne ASpasia bist Tu ja eben gerade so.. (Fortsetzung folgt.) Elli-a Silström. b2j Roman von H. PalmS-Paysen. N»chrrv« vertuen. (Schluß.) Die Sorge um den Neffen hatte Herrn von Hochstedt schwer genug heimgesucht, batte Schatten aus daS eben ge wonnene Glück geworfen, daS ja auf Erden niemals eine dauernde Vollkommenheit erdalten soll. Er trug cS leichter, weil Ellida seine Angst miltragen half, sein Zagen und Hoffen lheiltr. Sie war nach jenem unseligen und doch so glücklich endenden Tag von ihm gleich andern Morgens in die Familie Delponda zurückgesüdrl und dort mit großer Herrlichkeit, wie ein endlich heimgekehrtrS Kind empfangen worden. An Frau Delponda hatte sich eine iu jeder Beziehung auffällige Veränderung vollzogen, im Acnßcren, wie im Wese». Die Krankbeit batte den Körper der so robuste» Frau stark mitgenommen. Sebr viel inagcrcr und noch blaß, war sie ikrcr jungen Hausbewohnerin cnl- gegengetreten mit aufrichtig empfundener Freude, in die sick frei lick viel Beschämung. Reue und Rührung mischte, die ihre Lippen zucken und ihreAugcn feuckr machte,als sie daS hochherzige, von idr immer lieblos behandelte Mädchen in die Arme schloß. Dock fand die bekehrte Frau seitdem genügende Gelegenheit, daS Ge- sckebenc und Versäumte durch inütterliche Fürsorge und ehrlick empfundene Herzlichkeit wieder gut zu macken. Der Intendant konnte sein Kleinod wohl behütet bei ibr zurücklassen. Nächst Werner durste die überraschte Frau, der er vor Kurzem noch begreiflicherweise tief gezürnt, ibm die ersten Glückwünsche cntgcgcnbringcn. Warum Gerbard ve» Hochstedt zur selbigen Stunde nickt zugleich auch seinem Freunde zu begegnen wünschte, stclS cinZusaiiimcnIrcffen mit ihm zn vc> niciten suckle, dicFrage hätte crnuralleinzubeantwortengewußl. Die nächsten Wvchc» batten ibm neben der llnruhe und Angst um den Neffen viel Arbeit im Amte gekrackt, dein Ver langen seines Herzens dagegen selten Befriedigung gcwäbrl. Ost konnte nur ein rrieslicker Gruß Ellida vo» seinem Wodlcrgeben Kunde geben, vereinzelte Male nur eine Begegnung, ein Wiedersehen sic beglücke». Natürlich batlc er sein geliebtes Mädcken sofort seines Postens entbunden »nd das Ausstattungs stück, an da- sich sür ibn so qualvolle Erinnerungen knüpfte», vorläufig vom Repertoire gestrichen, auch.sein EnIlassnngS- gesuch eingereicht und zu gleicher Zeit seine Verlobung ver öffentlicht. Wäre eS nach ibm und nicht nach gesetzlichen Be stimmungen gegangen, so hätte er ihren bisherigen, ihm licb- gewonnenen Namen lieber noch über dem seinigen erblickt, als den der von Brackt, »nd in späteren Zeiten unterließ er cS selten, neu gewonnenen Bekannten und Freunden mitzulbcile», daß sein Weib, sein Ein und Alles, sein Kleinod, seine Perle, wie er sie zu nennen liebte, eine Tänzerin gewesen, die den Namen Silsiröm z» Koben Ebren gebracht habe. Neben allen diesen zukunsrentscheidenden Ereignissen unter handelte Gerhard von Hochstedt auch noch mit den Erben eines Rittergutes, da- ibm immer schon wie ein Itbaka vor der Seele geschwebt. Dort wollte er mit seiner Ellida ein harmonisches »nd glückliche- Dasein sübren, wenn der Höchste eS so bestimmt batte. Freilich gab es noch viel zu schaffen biS dahin, doch wie er beute schrieb — cS war ein Sonntag im Monat März, an dem die Aerzte den siech darnieder- liegenden jungen Officier außer Gefahr erklärt hatten — nur
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite