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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.04.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-04-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940409026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894040902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894040902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-04
- Tag1894-04-09
- Monat1894-04
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Da« erforderte nicht nur die internationale Höflichkeit, sondern ergab sich auch aus der persönlichen Freundschaft, die beide Monarchen mit einander verbindet. Weniger nahe lag die Zusammenkunft Kaiser Wilhelm s mit dem König von Italien in Venedig Auch König Humbert steht mit Kaiser Wilhelm in einem nahen FrcundschaftSverhältniß, aber er hatte doch keine so directe Veranlassung, diesen in Venedig zu empfangen, auch wenn ein Besuch der alten Dogenstadt in der Absicht seines hohen Berbündeten lag. Dadurch gewinnt die Begegnung in Venedig eine größere Bedeutung, als die in Abbazia. Sie beweist aufs Neue, daß jede Speculatwn auf die Uneinigkeit der hohen Bundesgenossen keinen Boden hat und daß der Dreibund nach wie vor in voller Kraft besteht, auch wenn sich durch die anscheinend ernsthafte Abkühlung der russisch-französischen Freund schaft die Nothwendigkeit eines solchen Friedensbundes einigermaßen vermindert hat. Noch mehr würde freilich die gegenwärtige friedliche Constellation ans Licht treten, wenn die wiederholt aufgetretene Nackricht von einer Begegnung des Zaren mit Kaiser Wilhelm sich bestätigen sollte. Selbst von französischer Seite vermag man die Möglichkeit einer solchen früheren oder späteren Begegnung nicht in Abrede zu stellen. Muß man sich doch auch selber sagen, daß die Zustände im eigenen Lande nicht« weniger als dazu angelhan sind, den Zaren zu einem thatsächlicheu Bündniß zu ver locken, und wenn man russischerseitS, wie eS scheint, vor Allem daraus auSgegangen ist, durch die Drohung mit einem französischen Bündniß einen Truck auszuüben, so hat man sich eingestchen wüsten, daß man nichts weiter damit erreicht bat, als eine neue Organisation des deutschen Heeres hervor- zurusen, die unsere mititairische Mackst noch weiter in hohem Maße verstärkt. So hat Rußland denn schließlich das bessere Thett erwählt, durch den Abschluß eines Handelsvertrages die alten Beziehungen zu Deutschland wieder auszufrischen. Sollte aber auch eine Begegnung des Zaren mildem deutschen Kaiser unterbleiben, so steht doch, wie trotz des angeblichen Fernbleibens deö russischen Thronfolgers von denHochzeits- scierlichkeiten in Coburg osficiös versichert wird, seine Ver lobung mit der Prinzessin Alix von Hessen in naher Aussicht. Damit aber wird sich wieder ein nahes verwandtschaftliches Band zwischen den Häusern Hohcnzollern und Oldenburg- Romanow knüpfen, da die Mutter der Braut eine Schwester der Kaiserin Friedrich war. Je verworrener unsere inneren Verhältnisse sind, um so tröstlicher ist die Gewißheit, daß unsere auswärtigen Beziehungen nichts zu wünschen übrig lassen und uns gestatte», unsere inneren Kämpfe ohne Störung von außen durchzusechten. Was die,.ßlatztzeri»tza1sch"-Affai»e betrifft, so bat bekannt lich dieser Tage die „Kreuzzeitung" erklärt, die Nachricht der „Post", daß im Reichstage eine Aussprache über die Angelegenheit beabsichtigt werde, begegne starken Zweifeln. Man wisse nicht recht, in welcher Form die Sache zur Sprache gebracht werden und zu welchem Zwecke eine solche DiScussion dienen solle. Sie hätte vielleicht beim Etat deS Auswärtigen Amtes berührt werden können, aber im jetzigen Stadium eine solche Interpellation zu stellen, würde sich auS formellen und materiellen Gründen nicht empfehlen. Die Absicht, eine Interpellation hcrbeizusübren, möge gut gemeint sein, eS würde aber sckwerlich den Interessen des Landes dienen, daß diese Angelegenheit eingehend im RcickStage er örtert werde. Dazu bemerken beute die „Hamb. Nachr", das Organ des Fürsten Bismarck: „Wenn der Reichstag nicht das Forum ist, solche Ding« zu erörtern, dann btiebe doch nur der gerichtliche Weg übrig, vor dessen Betreten aber in inlpirirten Correspondenzeu gleichfalls ge- warnt wird. Wie soll denn nun die Sache erledigt wer den? Soll die Thatsache bestehen bleiben, daß gegen hohe Beamte des Reiches Monate lang die schwersten Beschuldigungen über ihr dienstliches Verhalten un gestraft und unaufgeklärt veröffentlicht werden konnten, während die Beleidigung eine» Schutzmanns durch einen trunkenen Kutscher zum Gegenstände officirller Bcrsolgung gemacht wird? Der Reichstag bat zweifel- loS Las Recht und die Pflicht, die Regierung zur Aufklärung über dies» Vorgänge sowohl, als auch über die von ihr selbst beabsichtigte Stellungnahme auszufordern. Andererseits ist aber auch bei einem gerichtlichen Verfahren durch den Aus schluß der Oeffentlichkeit hinreichend vorgesorgt, daß Staats- interesseu nicht unnöthig Schaden leiden. Unterbleibt jede Action derRegierung, so dürste die daraus erwachsende dauernde Schädigung ihres Ansehens leicht eine un gleich größere sein, als sie bei einer gerichtlichen oder gar parlamentarischen Verhandlung möglich wäre." Da Graf Caprivi Ratbscklägen seines Vorgänger« unzu- änglich ist, so sollte wenigsten« im Reichstage sich Jemand nden, der die Mahnung des Altkanzlers nicht in den Wind schlüge. In Frankreich diScutirt man gegenwärtig deS Langen und Breiten die — Abrüstungsfrage. Der „Eclair" z. B. hat eine Anzahl hervorragender Persönlichkeiten au« verschiedenen Kreisen interviewt. Ein Senator T. verhalt sich nicht ablehnend zur Abrüstungsfrage. Er meint nur, nicht die gegenwärtige Generation werde dieses Werk durchführen. „Sie erinnert sich noch. In der Zukunst wird man vielleicht vergessen." Und er schließt mit dem Stoßseufzer: „Ja, wenn Elsag-Loth- ringen nicht wäre!" Die Aeußerung deS Senators bedeutet immerhin einen Fortschritt. Sie läßt die Möglichkeit zu, daß die zukünftige Generation vergessen könnte. Das ist schon längst eine der wesentlichen Hoffnungen Derjenigen, die an den Frieden glauben. General Jung sagt, die Aussicht auf die dauernde Möglichkeit des Friedens scheine ihn weniger in Erstaunen zu setzen, als vordem. Emil Zola, der noch vor vier Wochen den Krieg für unvermeidlich hielt, äußert: „Ich glaube fest daran, daß der Krieg immer weniger wahrscheinlich wird." Der Prediger Hyacinthe Loysön tritt natürlich rückhaltlos für den Frieden ein. Er will Elsaß-Lothringen wieder haben, „wie alle Franzosen", aber im friedlichen und nicht im kriegerischen Wege. In diesem Ton lassen sich auch die Uebrigen vernehmen. Was aus die Aufrichtigkeit dieser Fr«edenSst»mmen zu geben ist, läßt sich an den im Osten Frankreichs geplanten militairischen Ncu- formationen und Befestigungen ermessen. Beide«: da« Zur schautragen einer friedlichen Gesinnung und die kriegerischen Vorbereitungen an der deutschen Grenze, sind weiter nicht« als der Ausfluß der Unsicherheit und der abermals beginnenden Jsolirung seit der Erkaltung der franco-, russischen Beziehungen und der deutsch-russischen Annäherung. — I Biel erörtert wird in der Pariser Presse der Umstand, daß! die anarchistischen „Buben der Thal" ihre Taktik insofern geändert haben, als sie nicht mehr bestimmte Indi viduen aus den oberen Zehntausend oder die Vertreter der Gesetzgebung beziehentlich der Executive, das heißt einzelne Bourgeois, Abgeordnete oder Polizisten trifft, sondern daß man die Gcsammtheit der besitzenden Claffen zu schädigen, dadurch zu terrorisiren und zu Concessionen an das Proletariat zu veranlassen sucht. Das läßt sich aber kaum zweckmäßiger erreichen, als dadurch, daß man den Pariser Bourgeois da trifft, wo er am empfindlichsten ist, am Geldbeutel. Daher die Störung deS VerkchrS- lebens, speciell des Fremdenverkehrs, auf welche eS die Anarchisten in letzter Zeit offenbar abgesehen haben. Sic Wersen mit auffallender Conseguenz ihre Bomben in Hotels, Kirchen, CafeS und Restaurants. Die Theater sind bisher nur durchZusall verschont geblieben. Attentate auf die Eisenbahn und einmal aus einen Pserdebahnwagen sind gleichfalls zufällig mißglückt. Hotelbesitzer, Theaterdircctoren und Gastwirthc machen die verzweifeltsten Anstrengungen, um die Bombenwerfcr von ihren Etablissements fernzuhalten. Bahnhöfe, Pserdcbabn- stationen und OmnibuSbureaux werden auf da« Peinlichste überwacht. Vergebens! Der Schrecken ist einmal in die Massen gefahren. Die Hotel« zeigen Lücken, wie sonst um diese Zeit noch nie; die Restaurants, welche so wie so schon unter der Ungunst der Zeiten zu leiden haben, warten vergeblich aus die Kundschaft Derer, die nicht ausschließlich kommen, um sich in möglichster Eile und möglichst sparsam satt zu essen, die Schauspieler in den Theatern spielen entweder vor leeren Bänken oder aber vor einem Publicum, welches sich zu sieben Achteln au« Leuten rccrutirl, die gar nicht in den Verdacht kommen können, als hätten sie ihre Plätze bezahlt, und die Statistiken der Eisenbahnen beweisen, daß der Zufluß der Fremden, namentlich der Ausländer nach Paris mit jeder Woche ab nimmt, während mit jeder Woche mehr Pariser, weit vor der sonst üblichen Zeit, die Hauptstadt verlassen. Einen so kläglichen Winter, ein so trostlose- Frühjahr für da« Pariser Geschäft, wie Heuer, hat eS seit den Jahren der Belagerung und der Commune nicht gegeben. Im rngltschrn Unter Hause dürsten sich im Lause dieser Woche die Debatten lebhafter gestalten. Heute findet die Be- rathung de« Schiffsbau - Programmes der Regierung statt, am Mittwoch wird Palmcr'S Antrag aus staatliche AlterSunter- stützung weiterberathen und am Donnerstag soll die Wahl- regsstrirungS-Bill eingebracht werden. Aus der schottischen Debatte, in welcher der Dalziel'scheHome-Rule-Antrag zur Annahme gelangte, ist BemerkenSwcrtheS auS Balfour'S Oppositionsrede nächzutragen. Der Redner wicS in seiner schlagend sarkastischen Weise auf die Differenzen hin, welche im Cabinet über die schottische Frage herrschen. Der Premier habe neulich die Verantwortung für die Ansichten des schottischen Minister« Trevelyan ,n dieser Angelegenheit ab- gelchnt. Da der liberale Letter de« Hauses, Harcourt, sich während der Debatte entfernt hatte und die Ministerbank überhaupt nahezu verödet war, durste Balfour mit Recht die Frage aufwersen, ob denn das HauS über eine so t wichtige BcrsaffungSsrage entscheiden könne, wenn alle seine I natürlichen Führer zu Bette gegangen seien. AuS all dem I ergiebt sich, daß, obwohl Dalziel'S Antrag durchgegangen, eine RegicrungS-Bill zur Ausführung deS UnterhauSbeschluffe« tauge auf sich warten lassen wird, wenn sie überhaupt kommt. Bei den bis jetzt auSgefochtenen Ersatzwahlen haben die Gladstoneancr und Nadicalen ihre Mandate, allerdings mit 'tark reducirtcu Mehrheiten, behauptet. Die geringste Ein buße erlitt Arthur Brand, der Sohn de« verstorbenen Sprechers deS HauseS, in WiSbeach (Cambridgeshire); er verlor gegen 1892 intr vierzehn Stimmen. DieS günstige Ergebniß ist zum guten Theile — sagen die Gegner — der chonen Stimme des Mr. Brand zu verdanken, welche die Mäkler, nieist Arbeiter, mit ihrem Gesang bezauberte. Um die Stimmen der Arbeiterschaft wirbt die liberale Partei, wie da« Ministerium gegenwärtig überhaupt mit einem vor her nie gekannten Eifer und man darf einer Aera arbeiter- rcundlicker Gesetzgebung entgegensetzen. DaS ist auch' der einzige Weg, den das Hliiinsterium, nachdem die irischen Stimmen sich als unzuverlässig erwiesen haben, noch ein- schlagen kann, um sich am Ruder zu halten. Die Experimente, die mit den EinigungSämtern, dem Acht-Stundeutag u. A. gemacht werden sollen, verdienen auch außerhalb England« aufmerksam beobachtet zu werde». Die Radikalen in Norwegen haben ihren Ansturm gegen die Union mit Schweden erneuert. Dieser Tage bat die radicale Mehrheit deS StorthingS dem Kronprinzen die Apanage bis auf Weiteres eingestellt, und am Freitag haben die Vereine, welche der Linken angehören, in einer Resolution die Durchführung des bekannten, ein besonderes ConsulatSwescn fordernden Storthing - Beschlusses verlangt und ihrem alten Wunsche nach einem eigcnen norwegischen Ministerium de« Auswärtigen von Neuem Ausdruck gegeben. Ein Novum ist die Sperrung der Kronprinzen-Apanage, welche, wie erinnerlich, »n Vorjahre schon zugleich mit der- königlichen Civilliste erheblich herabgesetzt worden ist. Die Sperrung erfolgte, weil der Thronfolger angeblich geäußert haben soll, eS würde für Schweden nur ein militairischer Spaziergang über di: Kjölcu sein, um in Norivegen Ordnung zu schaffen. Nimmt der Kronprinz diesen Ausspruch wieder zurück, dann tritt ev wieder i.i seine Bezüge. Eine Erklärung deS Thronerben ist bisher nicht erfolgt, dock wird in schwedi schen Blättern versichert, er habe nur geäußert, eitz Feldzug gegen Norwegen würde nur eine Promenade sein, aber e« sei besser, ohne eine solche auSzukommcn. Auch der conservative StaatSminister Stang suchte die gefallene Bemerkung lediglich al- aus die nor wegischen Armeevcrbältnisse bezüglich zu deuten, die der Radi- caliSmuS verwahrlost habe. Die« mag richtig oder unrichtig sein, unvorsichtig wäre die Aeußerung auch iu diesem Falle, und eine Erklärung wird erfolgen müssen, sonst gewinnen die Radicalen bei den diesjährigen Wahle» Oberwasser» und waS bei dem norwegischen Charakter dieser AuSgang für Folgen aus das UnionSvcrhältniß haben kann, ist kaum zweifelhaft. Tic Frage der Errichtung einer sogenannten Nordischen Eisenbahn, welche die russische Hauptstadt mit dem äußersten Norden verbinden soll, wird fortgesetzt von den russischen Blättern besprochen. Man weist auf die strate gische Bedeutung der projectirten Bahn hin, die, 800 Werst lang, hauptsächlich der Anlage eines KriegShafenS an der Murinanküste dienen soll. Diesem Krieg-Hasen wird in Rußland eine weitgehende Bedeutung bcigemessen Der unter li." im „Grashdanin" schreibende hohe russische Marine- Functionair meint, ein Kriegshasen am Murman mache die Feurllrtsn. Medea. Ein bürgerlicher Romau von Wilhelm WolterS. iNachdruä Verboie».) 1LI (Fortsetzung.) Martha ging in's Kinderzimmer, in welchem die kleine einjährige Lore mit lachende.» Lallen auf dem Fußboden umherkroch. Sie achtete des Kindes nicht. Sic zerriß das Papier, daS ihr Paul mitgcgebcn, öffnete das Fenster und warf die kleinen Stückchen hinaus. Der Wind trug sie davon. Sic schloß daS Fenster klirrend wieder, setzte sich davor und starrte durch die Scheiben. Ihre Wangen glühten, sie biß die Zähne zusammen. O, sie wäre am liebsten gleich aus und davon gelaufen vor Schmerz . . . Wie gut war sie doch gewesen gegen Paul, wie sanft, wie zart, wie hatte sic sich zusammengenommen, nicht heftig zu werden, zu- sammcngenommcn, Alles richtig zu machen, und er batte sie fortgeschickt — wegen eines ausgelassenen Wortes ... Fortgcschickt wie immer zu dem Kinde. Fortgeschickt, wie gestern Abend im Schauspiele die Medea vom Jason fort geschickt wurde, weil sie das Lied nicht lernen konnte, da« chr Creusa gelehrt... Wie oft nicht hatte Paul sie scherzend seine Medea genannt . . . Wenn Paul sie auch nicht mehr liebte, wie Jason die arme Medea'?!... O, dann ... nein, pfui, WaS für häßliche Gedanken ... Er hat so viel zu denken und zu thun, das macht ihn heftig und übelgelaunt... Ach ja, dies Leben! ES ist nicht so leicht, wie sie sich'« gedacht... Wie batte Paul dock» ehedem so schön gesprochen von seinem guten Kameraden, und nun, da sie der gute Kamerad sein wollte, stieß er sie von sich, weil sie nicht gleich Alle« so begriff, nicht gleich Alles so thun konnte, so genau tbun, genau so thun, wie er eS in seinem doch so viel längeren Leben studirt, gelernt — weil sie ein Wort vergessen, da- er dictirt... weil er ihre Schrift nicht leiden mochte... O, diese infame Schrift ... Sie war auch wirklich furchtbar Läßlich ... Paul batte Reckt, daß ihn diese Krähenfüße verdrossen ... Ach Gott, ja, sic war ein dumme« Ding ... wo sollte Paul die Zeit heroedmen, so rin albernes Kind immer und immer wieder zu belehren? ... Dir kleine Lore war bis an die Mutter herangekommen, guckte mit verlangenden Augen zu ihr empor und suchte sich au Martha'« Kleide auszurickten. Martha faßte da« Kind mit beiden Händen' hob c» hoch in die Höbe, daß eS laut «ffjauchzte, preßte r« an sich und küßt« e« wild. „Du. Du bist doch mein Beste» auf der Welt!" rief sie und ging plaudernd und lachend, die Kleine auf dem Arme, in der Stube hin und her. Vor dem Fenster blieb sie stehen und sah hinaus aus die Saatfelder, welche der Frühling seit ein paar Tagen grün gefärbt hatte. Die Sonne lachte über den Höhen. „Sieh, Kindl", sagte sie, „da oben auf den Bergen, ganz oben, wo die Kirschbäumc stehen, ist Dein junge« Mütterchen, als Du noch gar nicht auf der Welt warst, gerade vor zwei Jahren zum ersten Male mit dem Papa gegangen. Papa! Sage 'mal: Pa—pa!" „Bah", ries daS Kind lachend. „Nein: Pap—pa!" »Bah.« „Du bist ein dummes Kindl", schmollte sie und setzte da« Kind auf den Fußboden nieder. Sie batte mit einem Male Lust bekommen, ein wenig in diesem Sonnenscheine draußen zu wandeln, der sie an eine glückliche Zeit erinnerte. Sie klopfte an die Wand, zum Zeichen, daß das Mädchen aus der Küche nebenan kommen sollte, und hieß dieses bei dem Kinde bleiben. „Ich bin in einer Stunde wieder da." Bor der Thür von Paus« Arbeitszimmer horchte sie eine Minute. Wie gern hätte sie hincingeauckt und ihm Adieu gesagt. DaS war auch so etwa« Hübsche- gewesen in der ersten Zeit, dies oftmalige Adieu am Tage bei jedem kleinen AuSganze. Aber das war längst vorbei, jetzt hatte Paul streng verboten, daß sie ihn störe. So ging sie denn vorüber. Als sie hinunter auf die Straße kam, war ihr da« Verlangen nach dem einsamen Spaziergange draußen im Freien schon wieder entschwunden, und sie beschloß, in der Stadt eine kleine Musterung über die Schaufenster abzuhalteo. In der Prager Straße fiel ihr Blick zufällig auf einen Glaskasten an der Wand, dessen Scheiben in der Sonne blitzten. Sie blieb stehen und betrachtete die an der schwarzen Innenseite angehefleten Papiere: „So schrieb ich vor Beginn de« Unterricht«. Albert Nocke.« stand da. „So schrieb ich nach der dritten Stunde. Albert Nocke.« „So schrieb ich nach der zehnten Stunde. Albert Nocke.« Ein Gedanke durchblitzte sie. Da« war ja herrlich! Die hatte sie nur bi« aus den heutigen Tag noch nickt auf diesen Gedanken kommen können! Wie oft war fi« schon an dem Kasten vorüdergrgauge», ohne ihn eine« Blicke« zu würdigen. Köstlich! Schon nach der dritten Stunde hatten sich die grotesken GebirgSzacken diese« Herrn Albert Nocke in eine angenehme Wellenlinie verwandelt! Und nun gar nach der zehnten war nicht« mehr von dem früheren Urzustände zu erkennen! WaS ist denn einfacher, als eS diesem- Albert Nocke gleichzuthun?! „Hugo Rost", stand in goldenen Schnörkel lettern über all den Proben seiner trefflichen Lehrmethode. „Lehrer für Schönschreiben, zwei Treppen. Cirkel- und Einzelstunden für Herren und Damen." Martba war glück lich. DaS soll eine Ueberraschung sein für Paul! Eine himmlische Ueberraschung! Eilends stieg sie hinauf. Ein hübsche-, dralle-, verschmitzt dreinschauendcS Dienst mädchen führte sic in einen kleinen Empfangssalon. »Herr Rost wird gleich kommen." Nach ein paar Minuten öffnete sich dieselbe Thür wieder, durch welche die Kleine hinauSgegangcn war, und herein trat mit dem bekannten Lächeln um die schmalen Lippen — der glattrasirte Unbekannte, der einst in der VoluptaS vergeblich um sie geworben. Er stutzte ein wenig, aber faßte sich sogleich, verbeugte sich und fragte in verbindlichstem Tone: „Gnädige Frau wünschen?" Mein Gelt, dachte Martha, was soll ich antworten? Wenn sie geahnt, daß eS dieser Mensch sei, der ihr zu ihrem Glücke verhelfen solle, sie stünde nicht hier. Was würde Paul sagen, wenn er eS wüßte? Bei seiner rasenden Eifer sucht gerade auf diesen Menschen! Die Kehle war Martba wie zugeschnürt, nicht«, rein gar nicht- wollte ihr einsallcn, nicht der geringste Borwand. „Ich... ich wollte mich nach Schreibstunden erkundigen", stotterte sie endlich. Herr Hugo Rost batte lächelnd und regungslos auf die schöne, junge Frau vor ihm geblickt, die sich abmübtc, ein Wort zu finden. Er wußte nicht, waS in diesem noch immer mädchenhaften Weibe, welche- ihm damals der Andere vor der Nase wcggeschnappt» verging, aber daS sah er, wie peinlich ihr da« jedenfalls unbeabsichtigte Wiedersehen war, und er weidete sich an ihrer Verlegenheit. „Ich bin sehr erfreut, gnädige Frau«, erwiderte er mit einer leichten Neigung seines kurzgeschorenen Haupte«, „ich denke noch mit großem Vergnügen au die wenigen Minuten, die eS mir vergönnt war, mit Ihnen zu verbringen." Martha hätte gern entgegnet, daß sie nur, durchaus nur auS Unwissenheit zu ihm gekommen, aber die Zunge wollte den Gedanken nicht wiedergeben. Sic schwieg. „Ich darf Sie wobl bitten«, fuhr Jener mit süßem Lächeln fort, „sich einzuschreibro.« Er holte au« einem Puttchen «ia Buch heraus. „Ich wollte vorerst nur die Bedingungen . . .« stammelte Martba erröthend. „O, gnädige Frau", unterbrach er sie. indem er das Buch öffnete und auf das Pult legte, „die Bedingungen sind die coulantesten ... ich habe schon Manchem in dieser Weise ge holfen ... auch verschiedene Ihrer Bekannten aus der Bolupta« sind »irine Schülerinnen gewesen . . ." Martha erschrak. „Ich . . . möchte ja nicht . . . daß irgend Jemand etwa« davon erführe . . . e« . . . sollte . . eine Ueberraschung sein . . . sür meinen Mann . . ." „Ganz unbesorgt, gnädige Krau . . . also Einzclstundn» natürlich . . Er hielt ibr die eingctauchte Feder hin. Sie zögerte. Aber ein Blick aus den grauen Augen diese« Menschcn, der da vor ihr stand wie Wurm vor der armen Luise, zwang sie, sie wußte nicht warum, die Feder zu er greisen. Sie bätte sie gern zu Boden geworfen, aber ein unwiderstehliche« Etwas zog ibrc Hand aus'« Papier. Sie schrieb. ES war ibr, als habe sie sich den, Teufel verschrieben. „Wünschen Sie gleich beute zu beginnen?" „Nein, nein", entgegnetc sic hastig, „ich werde dieser Tage kommen . . ." „Nachmittags oder Vormittags?" „Einerlei . . „Nun dann . . . Nachmittags von fünf bis sechs viel leicht . . „Ia, ja . . ." Martba brannte der Boden unter den Füßen. Roß Mephisto begleitete sic hinaus, sie rannte die Treppe hinunter, als ob sie verfolgt würde. Erleichtert atbmetc sie unten aus. Nein, nein, nie und nimmer wird sie wicderkommen, bleich morgen wird sie ihm abschreiben, irgend ei» Hindermß ist eingetreten, sie muß verreisen, waS weiß sie, e« ist ja einerlei... Schnellen Schritte« eilte sie nack Hause. Leise schlick sie sich an Paul s Arbeitszimmer vorüber in die Kinderstube, al» ob sie rin Verbrechen begangen habe. Heftig preßte sie ihr Kind an die Brust. Dan» ging sie wieder hinaus, klopfte an Paul s Thür und öffnete. „WaS willst Du?" fragte Paul, von seiner Arbeit aus blickend. „Sckilt nicht, schilt nicht!« flehte sie, „ich mußt« Dich nnr einmal sehen, nur einmal sehen . .. bist Du mir noch böse ?« „Nein, ich bin Dir nicht böse«, erwiderte Paul zerstreut, „geh nur, geh." Sie flog durch das Zimmer, drückte Paul einen rasch« heißen Kuß auf die Lippen und huschte glückstrahlend davon. (Fortsetznng folgt.)
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