Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.04.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-04-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940413024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894041302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894041302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-04
- Tag1894-04-13
- Monat1894-04
- Jahr1894
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Vez«g».Vrei- tz, d« Hauptexpedition oder den im Stadt, »qtrt and den Lorortev errichteten Au». Ladestellen » bg « h o l t: vierteljLhrlich 4.50. tn« »urioao: monatlich 7.S0. fpieMorgen-Ausgab« erscheint täglich'/,? Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentags S Uhr. Ledartion und Expedition: ! ». ! unanterbroche» lbend« ? Uhr. ktt« klcmm's Ssrti«. (Alfred Hatz«), UniversitätSstraße l, L- ,i« Lösche. ssatharinenstr. 14, pari, und Ataigsplatz 7. Abend-Ausgabe. Anzeiger. Lr-an für Politik, Localgeschichte, Handels- nnd GeschLftSverkehr. TagMM AnzeigenPreiA die «gespaltene Petitzeile SO Psg. Reklamen unter demRedactionsftrich (4ga« spalten) 50-K- vor den Familiranachnchte» (k gespalten) 40 »h. Sröhere Schriften laut unserem Preis- verzrichniß. Tabellarischer und Zissernsatz nach höherem Taris. Sxtr«-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesürderung » M.—, mit Postdesürderung 70.—. Annahmeschluk für Äuzeizen: Abend-Ausgabe: Vormittags lO Uhr. Marge »-Ausgabe: Rachmittag« 4 Uhr. Sonn- und Festtag« srüh '/,S Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je rin« halb« Stund« früher. A»1«t«en find stets an die Erpediti«« zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. .N 187. Freitag een 13. April 1894. 88. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. Handel mit Portugal. Die Kaufleute und Fabrikanten, die mit Portugal in Geschäfts verbindung stehen, ersuchen wir, ihre aus einen Handelsvertrag mit diesem Lande bezügliche» Wünsche baldmöglichst und längstens bi» zum 15. d. M. schriftlich an »nsere Kanzlei, Neue Börse, Tr. ä,I, gelangen zu lasse». Leipzig, den 12. April 1894. Tie Handelskammer. A. Thieme, Vors. I)r. Gensel, S. politische Tagesschan. * Leipzig, 13. April. Tic Centrumsfrartion wird wenigstens vorläufig ihren Lieber behalte»; sie mag nicht als kopflose Fraktion ericheincn und er will nickt den Vorwurf der nltrainontanen Wähler schaft auf sich laden, daß er durch seinen Rücktritt den „festen Thurm" des (Zentrums zersprengt habe. Er hat daher an die „Westfäl. Volksztg.", welche seine vielbesprochene Erklärung veröffentlicht hatte, zeigende Zuschrift gerichtet: ... Es wird Ihnen nicht schwer falle», in Ihrem Blatte bekannt zu geben, dast jener Brief nur durch ein Mitzverständniß in die Presse kam und daß ich die mir dargebotene Friedens- Hand freudig sofort ergriffen und aus jede sernere öffentliche und private Auseinaildersctzuug verzichtet habe, auch jetzt aus nichts, das an den Bries sich knüpfen inag, antworten werde. Loben Sie mich nicht und thun Sie Ihr Bestes, daß die Andern den Tadel bald beenden ... Ich rechne aus Ihre Hingebung und hoffe nun endlich aus de» Erörterungen zu verschwinden. Mit freundschaft lichem Gruß ergebenst. Die Sprengung de« „Thurms" bleibt trotzdem Thatsache und deshalb kann auch von einer ferneren Führerschaft dcS Herrn vr. Lieber nicht eigentlich die Rede sein. Er kann nur den durch die Partei gehenden Riß zu verkleistern suchen, nicht aber beseitigen. Nicht einmal die Zurücknahme seines Einschlusses, „politisch zu sterben auS Gesundheitsrücksichten und seiner Familienvcrhältnisse wegen", bringt die Polemik ullramontancr Blätter gegen ihn zum Schweigen. Bekannt sich hatte Herr vr. Lieber a» die „Niedcrrhein. BolkSztg." geschrieben, seine Gegner in der eigenen Partei hätten nicht eine Ahnung von den „Leitmotiven der ganzen jüngsten Ecnlrumspolilit". lieber diese „Leitmotive" wurde durch den Hinweis aus Fulda und Rom die nöthige Klarheit ver breitet. Diesen Auslassungen gegenüber versichert jetzt die .Germ." zum zweiten Male: „Rom und Fulda haben mit den Handelsverträgen nichts zu thun gehabt, »iemals ist ein kirchlicher Factor bei den Be- ralhungen wie bei den Abstimmungen auch nur erwähnt worden, wir haben gestern und heute schon zahlreiche Centrums- obgeordnete darüber gesprochen, und jeder sagt uns, auch nur der Gedanke an irgend welche kirchliche Rücksichten sei ihnen nicht gekommen." Hier steht Aussage gegen Aussage. Aber Herr Lieber muß doch wobl am besten wissen, weshalb er für die Handelsvcrtragspolitik des Reiches eingetreten ist. Wenn er, noch dazu in einem in der Erregung geschriebenen Privat briefe, behauptet» er habe damit nach Fulda und Rom den Beweis führen wollen, daß das Ecntrum im neuen Reichs tage nicht die demokratische Partei des nackten unfruchtbaren Widerspruches sei, so liegt kein Grund vor, ihm nicht zu glauben. Dagegen handelt die „Germ." höchst wahrscheinlich nach dem Grundsätze: Wenn du es gethan hast, so leugne es ab! Man wird es aber Herrn Lieber gewiß nicht ver- zeil>en, daß er in einer schwachen Stunde zu offenherzig ge wesen ist. Auch aus diesem Grunde ist anzunehmen, daß Herr Lieber im Centrum seine Rolle auSgespiell hat. Wie weit aber die Taktik des -Herrn Lieber in der Frage dcS -Handelsvertrages mit Rußland aus kirchcnpolitische Angelegen heiten von Einfluß gewesen ist, wird inan wohl schon bei der auf den nächsten Montag angesetzten dritten Lesung des Jesuitenantrages im Reichstage sehen können. Zu der „kladderadatsch"-Angelegenheit wird dem „Hann. Eour." ans Berlin geschrieben: „Im Auswärtigen Amte ist man, wie wir aus wohlverbürgter Quelle initzutheilen vermöge», nach reiflicher Uebertegung zu dem endgittigen Entschluß gekommen, gegen den „Kladderadatsch" keine Anklage zu erheben. Es haben inehrsache Besprechungen mit unseren ersten juristischen Autoritäten über die Frage statt- gesunden, ob es gerathener sei, die Hilfe der Staatsanwaltschaft gegen den „Kladderadatsch" anzurusen oder von einem Klageanträge Abstand zu nehmen. Uebereinstimmend ist dem Reichskanzler gerathen worden, von einer Klage abzusehen. Wen» es auch keinen Augenblick zweiselhast wäre, daß gegebenen Falls schon aus formalen Gründen eine Vcrurtheilung erfolgen würde, so wäre — noch der Meinung deS Auswärtigen Amtes — der Endzweck jedes Protestes, unbedingte Aus- klärung zu dringen, in diesem Falle ausgeschlossen. Man glaubt zu wissen, daß die Redaction des „Kladderadatsch" kein belastendes Material in Händen habe und auch nicht in Händen haben könne, daß sie aber die Möglichkeit hat, dadurch, daß sie diesen oder jenen Zeugen laden läßt, Personal-Angelegenheiten zur Sprache zu bringen, deren streng secreter Charakter eine Besprechung auch nicht bei verschlossenen Gerichtsthüren verträgt. Eine Auskunftsverweigerung würde dann als da« Ern- geständniß der Schuld ausgebeutet werden, deshalb will man, wie gesagt, keine» Klageantrag stellen, souder» „Las Urtheil über das Vorgehen des „Kladderadatsch" der Allgemeinheit überlassen". Wenn der „Kladd." sortsahren sollte, öffentliche Behauptungen aus- zustellen, ohne gleichzeitig auch öffentlich die vermeintlichen Beweise beizubringen, werde im „ReichSanz." eine amtliche Erklärung erscheinen, welche di« oben angesührtea Gründe, die gegen einen Klageantrag sprechen, auseinandersetzt." Die Redaction des „Hann. Cour." bemerkt hierzu: „DaS mag ja Alles recht diplomatisch sein. Wir vermögen diesen Erwägungen aber trotzdem nicht zuzu stimmen. Da wegen der Beleidigung jedes Schutzmannes die Gerichte in Bewegung gesetzt werde», muß diese Enthaltsamkeit hier, wo es sich uni die Ehre höchster Beamten des Reiches handelt, zu Mißdeutungen Anlaß geben, ganz abgesehen davon, daß damit ein Präcedenz- fall geschossen wird, der aus einen gewissen Theil unserer Presse sehr ver- sührerisch wirken könnte. Eine Gerichtsverhandlung mil Zeugnis- Verweigerung wäre allerdings werthlos; aber so fürchterliche Ding« werden ja bei der Abberufung der Herren v. Radowitz, Schützer und Moser nicht passirt sein, daß das mächtige deutsche Reich eine Be- sprechung vor Gericht „unter Ausschluß 'der Lessentlichkeit" nicht würde vertragen können." In den leitenden Kreisen scheint man aber wirklich da mächtige deutsche Reich für sehr schwach zu halten, sogar für so schwach, daß es nicht einmal eine authentische Mit- thcilung über das verträgt, was Generalmajor Spitz dem Verleger des „Kladderadatsch" über den großen Intri ganten gesagt haben soll, den man im Verdachte habe, der Inspirator des „Kladderadatsch" zu sein. Daß gerade diese Aeußerung vertuscht und dadurch die Welt geradezu gezwungen wird, sich ihren eigenen Ver« zu machen, ,st das AUerbesremdlichste an der ganzen Behandlung der Sache. Das Ergebniß der gestrigen Abstimmung des ungarischen Abgeordnetenhauses über das Civilehe- zesetz stellt sich nochgünstigrr heraus als anfänglich gemeldet wurde. Von 413 Abgeordneten stimmte» nämlich Ml für die Vorlage, dagegen IW, so daß die Mehrheit 175 (nicht l65) Stimmen beträgt; abwesend waren blos 35 Abgeordnete, ein Fall, dessengleichen seit langen Jahren nicht vor gekommen ist. Somit vereinigte die Vorlage eine aus allen Parteien zusammengesetzte Mehrheit von fast drei Viertheilen aller Stimmen. Neben den treu gebliebenen Mitgliedern der Rechten stimmten für die Vorlage fast die ganze äußerste Linke und einige Anhänger Apponyi'S. Das Festhalten der äußersten Linken ist um so höher anzuschlagen, als die rückschrittlichen Bestandtheile der Partei noch vorgestern Abend verzwciselteAnstrengungen machten, ei» anderes Ergebniß herbeizusübren und sogar mit Sprengung des Parteiverbandes drohten. Alle diese Anstrengungen waren vergeblich. Danach darf mil Reckt der heutige» Abstimmung, wenn auch nicht eine abschließende, so doch jedenfalls eine weit gehende Bedeutung beigemesien werden. Im Verlaus der nächsten Wochen erfolgt die Einzelberathung im Azeordnetenhaus, dann Anfang Mai die Verhandlung im Oberhaus, wo das Schicksal der Vorlage in kurzer Zeit entschieden sein wird. Die Regierung hofft bisher, auch im Oberbau- die Mehrheit zu erlangen. Allein selbst wenn das Oberhaus bei einem Widerstand verharren sollte, würde die Vorlage durch >aS Unterbau- neuerdings beschlossen und der Ersten Kammer zugeschickt werden, so daß diese schließlich doch nachgeben müßte. Die Verkündung dcS Abstimmungsergebnisse- wurde von der Mehrheit mil rauschenden, nicht enden wollenden Beifallskundgebungen begleitet. Der Regierung wurden stürmische Ovationen dargedracht, immer von Neuem ertönte der Jubel und dauerte fort bis zum SitzuiigSschluß. Ungeheuerer Beifall erscholl auch, als der achtzigjährige Paul Daniel sür das Gesetz stimmte. Daniel gehörte bereits 1818 dem Reichstage an und ließ sich trotz schwerer Krankheit vom Alsöld »ach Pest bringen und in den Saal tragen, um seine Stimme für das Gesetz abzugcben. TieKunde vom AhsliiiiinungS- resultat wurde auch von der Bevölkerung der Hauptstadt jubelnd ausgenommen. Dieser außerordentlich glänzende Sieg der Regierung muß eigentlich die liberale Partei in Ungarn einigermaßen beschämen, denn, wie man sich erinnert, batten dir anläßlich der Leichenfeierlichkcitcn für den 48er VolkS- tribunen Kossuth in Scene gesetzten Demonstrationen gegen das liberale Eabinet in den Reiben der Linken einen, wenn auch nur vorübergehenden, Kleinmuth erzeugt, der sich den schlimmsten Befürchtungen hingab. Immerhin müssen auch Diejenigen, welche von vornherein dem kirchlichen Liberalismus in Ungar» den sicheren Sieg prophezeiten — und wir haben immer zu ihnen gehört — gestehen, daß sie eine so bedeutende und auf alle Parteien sich erstreckende Mehrheit sür die Eivilche nicht erwartet hatten. Vielleicht schmilzt diese Mehrheit in einem späteren Abschnitt der Einzelberathung nicht unerheblich zusammen, aber cS müßten ganz eigenartige Zwischenfälle cin- treten, und die Regierung schwere Fehler begehen, wenn die letzte Mahnung Kosiuth'S an seine nächsten Anhänger, im Interesse der Freiheit und deS Fortschritts Schulter an Schulter mit den Liberalen den Kamps um das Ehegesetz durchzufechten, nicht wenigstens bei einem Theil der äußersten Linken nach haltig entscheidende Geltung behalten sollte. Jedenfalls wird der moralische Eindruck der gestrigen Abstimmung aus das Land tief sein, voraussichtlich aber nicht bloS aus das Land, sondern auch aus jene dem Throne naben Kreise, die seit Monate» unermüdlich einen tödtlichcn Mincnkrieg gegen das Ministerium führen. DaS Cabinet Wekerle hat sich zum Glück diesen heimlichen Feinden gegenüber als felsenfest in der Gunst des Monarchen stehend erwiesen. Man hat cS während der letzten Wochen mehr als einmal todt gesagt — und selbst viele seiner An hänger glaubten daran — aber, wenn nicht Alles trügt, w,rd cS noch eines langen thatkrästigen Lebens erfreuen rum Heile Ungarns und seiner freiheitlichen Entwickelung. Die Nation wird diesen Mann auch noch lange brauchen, denn auch wenn die Civilehe Gesetz geworden ist, wird der UltranioiitaniSmus de» Kampf bis aus- Messer weitcrsühren, um den verlorenen Posten wieder zu erobern. Die Aussprache König Humbert'S von Italien gegenüber dem Pariser Journalisten hat insofern ihr Gute- gehabt, als sie die französische Presse zu Acußerunaen des Hasses und der Verachtung gegen Italien veranlaßt hat, die an Offenherzigkeit nichts zu wünschen übrig lassen. Man ieht in dem „sreundnackbarlichen" Gcbahren de- Königs, das man in dieser Zeit tollster Rüstungen als unaufrichtig be- ;eich»et, lediglich ein Anleihemanöver sür das „bankerotte" Italien und giebt Umberto de» Rath, er solle, wenn er wirklich aufrichtig de» Frieden liebe, Crispi entlassen, sein Heer vermindern und aus dem Dreibund auStreten. Mit anderen Worten, die Pariser Boulevard-Politiker verlangen von Italien nichts Geringeres, als daß eS allen seinen Aspirationen als freie, große und mächtige Nation entsagen und sich Frankreich mit gebundenen Händen au«- li-fere. Diese Offenherzigkeit hat, wie gesagt, ihr Gutes. Sie zeigt, wessen Italien sich von Frankreich zu versehen hätte, wenn letzteres nicht durch die Macht der Verhältnisse im Zaume gehalten würde. Die italienische Kammerniehrheit müßte über Nackt allen ihren Patriotismus vergessen haben, wenn sie angesichts de- gekenn- eichnelcn Verhaltens der Pariser Presse ihrem Finauzaus- chuffe beipstichtcn wollte, der auf Rosten der Schlagfertigkeit von Heer und Flotte sparen will, und nickt vielmehr mit Herrn Crispi sich aus den Standpunct stellen würde, daß unter keinen Umständen an deni ohnehin im knappsten Rahmen »ormirten Etat des nationalen WekrorgauismuS gerüttelt werden darf. Diese richtige Erkenntniß scheint sich auch bei den Deputaten allmählich Bahn zu breche», und man braucht daher noch nicht alle Hoffnung aus ein schließlicheS Einver nehmen von Cabinet und Kammer auszugebcn. Dem englische» Untcrbausc hat Lord Cromer seinen jährliche» Bericht über die Verwaltung Egypten« vor- aclegt. Der Butgetüberschuß, der nur auf etwa «ine halbe Million Pfund veranschlagt worden war, beträgt doch beinahe ?/< Millionen. Cr wäre noch höher gewesen, wenn die Hat tu»g dcS Khcdivs nicht eine Verstärkung der englischen Truppen in Cgypte» erfordert hätte, die sich auf 50 000 Lstrl. belief. Die Lasten der Fellahs sind erleichtert worden, indem die Landsteuer in Oberegypten vermindert und die Lctroi in elf Städten abgeschafft worden ist; daneben hat die Regierung weitere größere Geldsummen für die öffentliche Erziehung bewilligt und Vorkehrungen zur Abwehr der Ein- älle der Derwische getroffen. Die Staatsschuld ist im ver gangenen Jahre ui» 898 0«»» Lstrl. cgyptischer Währung ver mindert worden; etwa eine Million Pfund, die bei der Um Wandlung der Staatsschuld erspart wurde, schlägt Lord Cromer vor, sür die Erbauung von Wasserbebältern in Oberegypten zu verwende». Dazu ist aber die Einwilligung der Mächte nölhig. Die Fahrgelvcr aus den Eisenbahnen sind herabgesetzt worden nnd die Zahl der Passagiere gestiegen; ebenso be friedigend lautet kcr Bericht über die Rechts- und Polizei- vcrwaltung; 28l Sclavcn sind im Jahre befreit worden. Nur über den Epccutivdicnst ist Lord Cromer begreiflicherweise etwas unznsricden, i» dessen Verwaltung unbesugterweise von der egyptischcn Regierung eingegrisien worden sei, und er giebt dem Rhediv einen nicht nlißzuverstchenden Wink, indem er Nachdruck daraus legt, daß Egypten vor allen Dingen politische» Friedens bedürftig sei, um die nöthigen Reformen auSzufübren^ daher sei ein harmonisches Zusammenwirken der europäischen und egyptischcn Elcmcntc i» der Ver waltung von der höchsten Wichtigkeit. Er bossc, daß beide Theilc in Zukunft einig zusainmcnarbciten würden, um die Medea. Ein bürgerlicher Roman von Wilhelm Wolters. tAaKenick verboten.) 1S> (Fortsetzung.) Die Flügelthüren zum Nebenzimmer hatten sich anfgethan. Man ging zum Tbee. Durch die geöffneten Thüren der Loggia strömte die milde Abendlust herein. Der Hosrath behielt da- Wort. Um zwölf Uhr küßte man Frau von Testow zum Ab schiede die Hand. „DaS nächste Mal aber einen Deutschen", drohte sie lächelnd. „Mit Vergnügen", erwiderte Paul. Zwischen Martha und Anita schrill Paul durch die Nacht. Wenig wurde gesprochen. In ihm wogte es und stürmte es. „Ich danke Ihnen noch einmal sür Ihre Unterstützung", sagte er, als man an Anitas Hause angckommen. „Sic war vielleicht unrecht", erwiderte Anita, „vielleicht nehme ich meine Unbedachtsamkeit noch zurück." „Ihren Frcimulb können Sie nicht zurücknehmen." „Jedenfalls werde ich noch über die interessante Lösung nachgrübeln . . . Aber ich habe zu danken, besonders Ihnen, gnädige Frau, für Ihre freundliche Begleitung." „O, bitte", wehrte die schweigsame Martha. Anita verschwand. „Es ist beiß", sagte Paul mit müder Stimme und ließ den Arm, mit dem er Martha geführt, sinken. Sic gingen nebeneinander weiter. „Ich bin außer mir!" fubr Martha plötzlich auf. Paul wandte fick, nach ihr. „Wie konntest Du da- thun? Alle Welt muß ja glauben, daß wir unglücklich sind, daß ich eine schlechte, eine schreckliche Frau bin! So hast Du gesprochen!" „Ich redete nicht von uns." „Die Leute werden eS aber denken!" „Das verstehst Du nicht. Ich bin nicht der Einzige, der diese Meinung vertritt. Und eS ist nun einmal meine Meinung." Martha biß die Zähne aufeinander. Uebrr den dunkele» Himmel huschten gelbe Lichter dahin. E< wetterleuchtete in der Ferne Der alte Ruldruck der Wildheit lag i» Martha « Gesichte, als sie Paul „Gute Nacht" sagte. Keine Hand wurde gereicht, ohne Kuß ging sie hinein in'S Schlafzimmer. „Mcdea! Medea!" knirschte Paul. Er zündete sich selbst eine Lampe an und trug sic auf seinen Schreibtisch. Alle bösen Geister in seinem Innern waren durch diesen heutigen Abend entfesselt worden. Ja, einem Jason glich er, der in unbegreiflicher Verblendung der Barbarentocktcr sich ver mählt und nun — Creusa wiedersah, das Königskiud, die Jugendgefährtin, die ibm zugcdacht! Ja, wie eine Jugend- gesahrtin erschien sie ihm, Anita, die Wahlverwandte seines Herzens, die er liebte mit aller Gluth stürmischer Jugendkrast liebte! Nicht länger mehr konnte er sich - verhehlen. Nicht Martha, dies Kind, wie er in einem Wahne geglaubt, nein, Anita war das Weib, das ihm gehörte! Sie war die arme Mädchensecle, die dürstend und verschmachtend gleich ihm durch'- Leben ging, weil sic ihm sich nicht vermählen konnte, mit dem sie ehemals vor Gott eins gewesen! wie sic dastand unter all diesen heuchlerischen Puppen, licht und stolz! Die Einzige, die ihn begriff! Wie glücklich hätte er doch sein können und nun . . . dahin, dahin ... alle Seligkeit dahin, sür ewig dahin . . . Paul sprang auf. Er rannte nach dem Bücherregal und riß ein Buch heran-. Wie er cS oft Hilfe suchend getban in Nächten der Verzweiflung, wie er cS damals gethan, ehe er sich mit Martha verlobte. Einen gelben Band. Auch einer von den Russen, über die er heute mit so flammender Begeisterung gesprochen. AleranverHcrzenS, des großen RrvolutivnairSRovellensragmcnt „Die Pflicht vor Allem". Er schlägt das Buch aus. Ta steht es, zwei kurze, inhalt-furchtbare Zeilen: „Rach zwei Wochen waren sie verheiratbet. Nach zwei Jahren waren sie unglücklich." „Warum hat er eS damals nicht erfaßt, das Warnungs wort?! Damal», als ikn dir unselige, talmudischc Welsheil cingelulltü Zu spät! Mit wildem Schwünge wirft er das Buch weit von sich. Flatternd fliegen die höhnenden Zeilen zu Boden. „Die Pflicht vor Allem", ja, ja, leicht gesagt! Gut predigen haben sie, diese rothrn Titelbuchstaben, die ihn groß und aus dringlich anglotzcn, daß er sie nicht wieder loS werden kann. Häbmisch, wie ein boSbastcr Höllenspuk liegt eS auSeinander- aebreitet dort auf der Diele und schielt mit rothrn Augen zu ihm heraus. Die Pflicht vor Allem! . . . Ach, Lin Elend ist ««, geboren zu sein! . . . Was werden sie hinter ihm her getusckelt haben heute Abend . . . Daß er es ihnen auch so gezeigt bat, was er so lange i»> JWnerstcn verborgen! . . . Daß er sich so hat kinreißen lassen! DaS ist cS ja, was die Zorncsadcr aus seiner Stirn schwellen macht! . . . Recht bat sie ja, die ahnungslose Martha ... Ob auch sie cS weiß, Anita? . . . Nein, nein, sic weiß eS nicht . . . Und sie dars'S nicht wissen, nicht ahnen, Niemand, Niemand darf es wissen, das unglückselige Geheimnis; . . . Zwei Uhr schlägt'« draußen. Surrend, ein bekannter Klang. Rief da nicht noch etwas? . . . Er horchte auf. Nein. Schweigen, nichts als Schweigen ringsum. Nicht- als der Tactschlag der Uhr, der GrabcSniahnerin . . . Und dock . . . Ein wundersamer Ton drang leise durch die Stille der Nacht. War daS nicht drüben im Schlafzimmer? Paul geht hinüber. Auf dem Bettrande sitzt Martha. Angekleidet. Sinnend starrt sie vor sich hin. In dem kleinen, alten hölzernen Bettchen, in dem Paul selbst einst gelegen, aufgerichtet steht da- Kind. Durch die Gittcrstäbc deS Verschlag« lacht eS hindurch »u der Stummen, Tbeilnabmslosen, unermüdlich, sie zu wecken! „Guckuck! Guckuck!" Die Diele knackt unter Paul. Das Kind wendet den Kops nach ibm. „Papa!" Es ist Paul, als ob man ibm an'S Herz greife. „Du noch aus?" fragte er Martha. Martha blickt in die Höh. „Ich wartete auf Dich. Ich will mir Mübe geben, Dich ganz verstehen zu lernen. Hast Du mich lieb?" Hat sie seine Gedanken belauscht? „Ja", sagt Paul mit erstickender Stimme unv küßt sie auf die Stirn. Sie lächelt glücklich. „Guckuck!" ruft daS Kind. Paul nimmt cS zu sich empor, küßt eS und setzt eS wieder nieder. .Feg' Dich schlafen, Martha, auch ich komme gleich." „Gute Nacht." „Gute Nacht." Er geht. An den Thürpfosten gelehnt, die Augen mit der Hand bedeckend, bleibt er stehen drüben. Dann hebt er langsam Las Buch vom Boden Er ist unglücklich geworden, rer Held dieser russischen Geschickte» untergcgangcn in Pflichterfüllung — aber dennoch, dennoch ... „Die Pflicht vor Allem!" XVIU. „Was drückt nur Paul?" fragte Karl nack einem Abend«, den er mit Lein Jugendfreunde allein beim Weine verbracht, Cläre „Ich finde ibn verändert. Sein alter Humor ist ganz verloren gegangen. Wenn ich daran denke, waS wir zusammen für ätreickie auSgesührt!" „Er bat viel durchgcmacht in seinem Lebe», darum ist er ernster geworden, und jetzt, glaube ick, versenkt er sich allzu sehr in die Sorge um die Znkunst. Zwar nach meiner Ansicht mit Unrecht, aber er läßt sich nicht« ausrede» Diese unausgesetzte Pbantasiearbeil greift ihn an Er gönnt sich keine Ruhe. Und tan» kann ich doch wohl ein wenig von seiner jetzigen Stimmung auf meine Rechnung setzen . . ." „Wir sind merkwürdig auseinander gekommen in den sechs Jahren. Ick begreife eS nicht, wie man sich so die Gegenwart vergrämt» kann durch Gedanken an Das, wa« wcrdcn wird Mir ist « doch auch nicht immer leicht geworden, aber ich habe stets daS Heute tüchtig abzuiiutzen gesucht und mich um das Morgen erst gekümmert, wenn - Zeit war." „Er ist eben eine andere, zartere, sensibclerc Natur al« Tu, aber seine Stimmungen wechseln auch, manchmal ist er wieder ganz hock oben, und das tröstet mich, wenn ich ihn gedrückt sebc. Die Dichter sind alle so. wie ich gelesen habe. Vor der Arbeit nnd während der Arbeit sind sic krank und oft ganz unleidlich. Es muß erst heraus an« dem Blute, was sie quält Und wem sie - dann los sind, und sie haben gar Erfolg damit, dünken sie sich wie Könige. Und Paul steckt gerade jetzt wieder tief in einer solchen Arbeit" „Oder ist er vielleicht mit seiner Frau nicht glücklich? Er ist manchmal so barsch, so kurz mit ibr. Er hätte koch allen Grund, zufrieden zu sein ? Eine so hübsche, eine so liebe Frau! Eine so lustige Fra»!" „O, ick glaube nicht, daß es die- ist. Denn ich weiß, daß Martha Paul mit einer merkwürdigen Leidenschaft liebt, daß er sür sie geradezu Alle- ist, mehr als Vater, Mutter und Kind . . ." „Dana wäre er ja ein Unmensch» rin Sioux, wen« er
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite