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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.04.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-04-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940416028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894041602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894041602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-04
- Tag1894-04-16
- Monat1894-04
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Und jedenfalls, welche Erklärung zu dem Anträge auch vom BundcSrathstischc aus gegeben werden mag, wird die gemeinsame Demonstration gegen das Iesuitengesetz die seiadlichen Brüder aus einige Zeit zu einträchtigerem Handeln befähigen. Verhält sich der Bundesralh ablehnend, so giebt daS Sloss zu Agitationen, eröffnet er Aussichten, so giebt taS noL erwünschteren Stoff und rückt zugleich Herrn Hr. Lieber in das Licht eines weitsichtigen Führers, der bei den Debatten über den russischen Handelsvertrag mit Recht über Berlin nach Fulda und Rom geblickt und durch seine Zu- mmmung zu diesem Vertrage der römischen Diplomatie Aelcgenbeit zu einer erfolgreichen Einwirkung aus die welt liche Diplomatie des deutschen Reiches verschafft bat. Die beutige Verhandlung des Reiches ist daher von ganz besonderer Bedeutung. Mögen auch jetzt die Ossiciöscn versichern, der Bundesralh werde entschiedene Stellung gegen den Antrag nehmen, so liegen doch Thalsachen vor, welche diese Ver sicherung in eigcnthümlichem Lichte erscheinen lasten. In Preußen läßt sich die Regierung die Mitwirkung des EmtrumS bei der „Ordnung" der evangelischen Kircken- versassung gern gefallen und tbut überhaupt das Gegenlbeil von dem, was zur vollständigen Spaltung des „festen TburmeS" fuhren müßte. Und noch Ausfälligeres trägt sich in Bayern zu, wo der Streit im ultramontanen Lager bekanntlich am Heftigsten, die Spaltung am Weiteste» gediehen ist. Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb darf sich Gras Kourad Preysing mit dem Gedanken tragen, im Jahre 1805 den deutschen Katholikentag, dessen Hauptzweck natürlich sein wird, die feindlichen Brüder wieder zu ver söhnen und unter die alte Leitung zurückzuführen, nach München zu verlegen. Der Gras, der beiden letzte» Reichs- lazSwahlen in seinem angestammten Sitze in Niederbaycrn einem ganz unbekannten Bauernbündler unterlege» ist, hat bekanntlich in voriger Woche in einem katholischen Vereine in München die mit stürmischem Beifall begrüßte Äeußcrung zethan, daß, wenn die Katholiken Münchens nur wollten, sich Mittel und Wege finden ließen, den Katho likentag für daS Jahr >895 nach München zu verlege». Schon im Jahre 1890 sollte dort der Katholikentag statt- siaden. In der Landtagssession 1889/90 war ein klerikaler Ansturm von unerhörter Heftigkeit gegen das Ministerium Lutz erfolgt. Der Katholikentag sollte, wie die Drahtzieher derEentrumSpartei damals wünschten, dem Ultramontanismus in Bayern noch weitere Stärke verleihen. Zn der Bevölkerung benschte bereits starke Erregung. Da wandte sich der Prinzregent direct in eineil Handschreiben an den Erz bischof von München und gab seine Auffassung dahin kund, daß er im Interesse des inneren Friedens die Abhaltung des Katholikentages in München nicht wünsche. Dies Handschreiben erging obne Wissen des Minister präsidenten von Lutz, der von diesem Schritt in hohem Grade überrascht war und ihn nicht billigte, weil er darin die Möglichkeit verhängnißvvller Eonsequenzen sah. Kurze Zeit daraus trat Freiherr vou Lutz zurück, sein Nachfolger im llllltusministrrium wurde der Polizeipräsident von Müller, vermnthlich ver Verfasser jenes Handschreibens. Der Katholiken tag unterblieb damals; der Erzbischof und Graf Preysing halten zwar alle Hände voll zu thun, um die murrenden und revoltircnden Geister in derEentrumSpartei niederzubaltcn, aber es gelang doch. Wen» jetzt Graf Konrad Prevsing, der ein ebenso überzeugter Klerikaler wie cinsiußrcichcr Mann ist, für den Katholikentag in München 1895 cinlritt, o läßt dies um so tiefer blicken, als auch seine Motivirung :ine bestimmte Meinung nabclezl: Man könne nicht Alles agen, führte er ans, aber er verweise bock ans die Tbat- ache, daß der Regent beim Tode Wiiidthorst'S für die Marienkirche in Hannover eine Hobe Summe gespendet habe; hierin liege ein Beweis der Anerkennung für baS Wirken Windthorsl'S im Sinne des föderativen Princip'S. Graf Preysing würde schwerlich in dieser Weise sprechen, wenn er niä't seiner Sache ganz sicher wäre und nicht ganz bestimmte Anbatlspunctc für die Meinung hätte, der Prinzregent werde jetzt nichts dagegen baden, wen» in München derVersuch gemacht würde, das zerrissene Eentrum zu leimen und ibm neue Kraft zuzujübre». Auch die demo kratische „Franks. Ztg.", die bekanntlich die wärmsten Gefüble für das Eentrum »n Herzen trägt und deSbatb mit den bayerischen Illtramontane» lebhafte Fühlung unlerhätt, glaubt versichern zu dürfen, daß der Prinzregent jetzt gegen die Abhaltung des deutschen Katholikentages in München »ickts cinzuwenden habe. Andererseits beweist die Opposition, welche l)r. Sizt im „Vaterland" im „Interesse tcS Friedens" gegen das Projecl macht, daß dieser ullramontanc Sonderbündler den Zweck des Projektes sebr genau cinsieht. Wird aber an der maßgebenden Stelle Bayerns dem Versuche, taS Eentrum zu einigen und zu kräftigen, Vorschub geleistet, so liegt jedenfalls auch der Gedanke nicht allzufern, daß der zweite deutsche Bundesstaat, den Windthorst so gern als katholische Vormacht in Denkschland pries, der EentrumSsraction des Reichstags eine» einigende» und kräftigenden Sieg gönnt, der ja für Bayern, wo die Jesuiten durch LandcSgcsetz aus geschlossen sind, keine dirccte» nachthciligcii Folge» baden würde. Auf die Stellung, welche die bayerische Regierung zu dem Iesuitcnantrag nimmt, bars man daher besonders gespannt sein. lieber die Kammerwal,len in den Niederlanden schreibt unser Rotterdamcr Mitarbeiter unterm II. April: „Die fortschreitende Zersetzung der historischen Partei geb itde zieht eine große Anzahl Stichwahlen nach sich, denn m nicht weniger als 30 Distrikten blieb der Kampf uncnt- sck,jeden. ES sind bis jetzt 32 Anbänger und 38 Gegner beö Ministeriums gewählt, während sich das Verhältnis; in der aufgelösten Kammer auf 10 zu 60 stellte. Trotz starker Agitation war die Wahlbetheiligung mancherorts ziemlich lau; eS wurden für die Wahlrechtserweiterung »ach dem Entwurf der Regierung inSgesamml 88 831 Slimmcii, meist in den ländliche» Bezirken und im proslanlischcn Norden, und gegen dieselbe 75 943 Stimmen, vorwiegend in den größeren Städten und im katholischen Süden, abgegeben. Ein sicheres Bild der Parteigruppirung werben erst die am 24. dieses MonatS statlsintciiden Stichwahlen bringen, und cS steht zu erwarten, daß die Regierung aus eine Majorität, aber freilich eine sehr geringe, vielleicht von 4 bis 6 Stimmen, wird rechnen können. Im Zusammen bang damit dürste die Periode der lleberraschungcn nock, nickt beendet sein. Einerseits wird daS Eabinet die Unterstützung der demokratischen Ealviniste», welche aber im schroffen Gegensatz zu dem bisher vom Minister Tak vertretenen Standpunkt an der Zulassung der Analphabeten festbalte», nicht entbehren könne», und andererseits wird, wenn die Ent scheidung in einer so wichtigen Frage wie die WahlrechtSauS dehnung mit nur wenigen klimmen Majorität fällt, voraus sichtlich die erste Kammer ihr Veto cinlcgen." In bemerkenS- werther Weise äußert sich über die Zerfahrenheit der nieder ländischen Parleivcrhältnisse die Amsterdamer „Deutsche Wochenzeilung". Sie schreibt u. A: „Voraussichtlich wird cS sich in der neuen Kammer nur um einige wenige Slimmcu tiandcl», welckie die Enticheiduuai» HäiidkN haben, und einer solchen Kammer gegenüber kann fick kein Ministerium behaupten. Man betrachte nur die Zulonimeiisetzung: getrennte Liberale, Radicale, Antircvolulionüre, Katholiken, die sich stder neuen Regierungsvorlage gegenüber verschiebe». Angenommen, die Gegner Tal s erhielten eine kleine Maioritat, wo waren dann wirklich hervorragende Männer zu finde», die sich bereit er kläre», am Ministcrtisch zu sitzen, sich wie Wetterfahnen zu drehen und sich vom kleinsten Windstvhe wegblasen zu lassen ? Welcher Premierminister würde die Kunst verstehen, die Kluft innerhalb der liberalen Partei zu überbrücken? Und wenn Tak triumphirl und sein Entwurf angenommen wird, wgS dann? Die Resultate der jüngste» Wahlen dürften doch wohl die gröstten Optimisten unter den Radikalen überzeugt habe», daß ihre Saat »och nicht aufgcgangcn ist und daß die Neuwahlen den äußersten linken Flügel nicht in Aussch'ag gebender Weile verstärken würden. In beide» Fällen würde der Zustand somit ein kritischer bleiben. Tak va» Poorlvliet würde sich emer starken Minorität gegenüber sehen, die ih» über d:c erste beste Vorlage straucheln läßt, sobald ie Gelegenheit hiesür findet. Und diese wird wohl zu finden ei», da seine kleine Majorität aus eben so heterogenen Elemente» iestünde, wie die große Minorität der Gegner. Ein Blick aus die Zusammensetzung der vorläufigen 38 Gegner und 32 An hänger der Tatschen Vorlage spricht für unsere Annahme. Unter diesen 38 Gegnern befinden sich 14 Liberale, 3 Antircvolu- tionäre und 21 Katholiken; unter den 32 Anhängern 26 Liberale, 2 Nadicale, 3 -Antirevolutionäre und 1 Katholik. Wird die Kammer in ähnlichem Vcrhällniß completirt — was vorauszusehen ist — dann wird unsere Vermuthung zur Wahrheit. Tak van Poorlvliet, der Unbeugsame, wird dann geben, und Männer vom Schlage Heemskerk's werden das Staawschisf in ei» Fahrwasser bringe», wo keine eingreifenden Reformen, gefährlichen Klippen gleich, lauem." Leider ist es anläßlich der Pilgerfahrt der spaiiischrn Arbeiter nach Rvm in Valencia zu ernsten Ruhe störungen gekommen. Siebzehn Pilger wurden verwundet, der Bischof von Madrid erhielt einen Dolchstich durch die Soutane, und dem Erzbischof von Sevilla wurden die Scheiben feines Wagens zertrümmert. Diese Dinge sind in Len EorteS zur Sprache gekommen und mit Recht haben couscrvative wie liberale Politiker sich darüber entrüstet, daß die spanischen Behörden nicht im Stande gewesen sind, solch rohe Angriffe aus die GcwissenSsreibeit zu bindern. Dsi Mel dungen erwähne» nicht, ob bei der Gelegenheit auch eine Erklärung dieser Angriffe versucht worden ist, wie sic sich offenbar aus dem bcrauSsordernden Austreten der Pilger er- giebt. Die Beraiislaltung so kostspieliger Wallfahrten, die daS Gelb außer Landes tragen, sind an sich schon eine Heraus forderung, wenn sie in einer Zeit geschieht, wo ganze Landcs- thcile am Hungerluche nagen und durch bittere Roth zum Aeußerstcn gereizt sind. Auch wohnen gerade in Südsxanicn die Gegensätze hart beieinander. Dort hat der Rcpubli- kaniSmuS, selbst der Anarchismus seine Heimstätte dicht neben dem srommen Mariencultus. Die spanische» Behörde, hätten deshalb vorausschen können, daß die Hochrufe an' den Papslkönig, der die Parole jener Wallfahrer zu sein fckeint, hier als Herausforderung betrachtet werden würde», wic^ denn auch thatsächlich vor der Ankunft der Pilger in Valencia, ihrem Sammelortc, massenhafte Flugschriften gegen die „Römlinge" verbreitet waren» die unter dem Feldgcschrei: „Hoch die Verbindung zwischen Italien und Spanien, nieder mit der weltliche» Papsthcrrschaft!" zu K»»d< gedungen gegen die Wallfahrer ausreiztc». Die wüsten Aus schreitungen der Menge sind also erklärlich, wenn auch nicht entschuldbar, und jedenfalls hatten die EorlcS keine Ursache,sich, wie geschehe», den Kopf der italienischen Regierung darüber zu zerbreche», wie diese die Ordnung aufrecht erhallen wolle gegenüber Elementen, die sie selbst ihr inS Land schicken und die ihre Romsabrl beginnen unter Kundgebungen, die in Italic» gcqen daS Gesetz verstoßen. Mittlerweile sind über 7ooo spanische Pilger in Rom angckommen und haben gestern in der Basilika des Baticans der Seligsprechung Johann Davila DicgoS von Eadir beigewobnt. Es ist z» keinerlei Zwischen fall gekommen, die römische Bevölkerung hat sich mustcrhasi »»big verbalie» und wird dies auck weiter thnn, wen» die panische» Gäste genügenden Tact besitzen, um die nationalen Gefühle der Italiener nicht neuerlich zu verletzen. In einer der letzten Sitzungen des englischen Unter Hanfes brachte die Regierung den in der Thronrede an- gekündigle» Gesetzentwurf ein, wodurch das Wahlrecht und taS besondere Gesetz über die Wahlhandlung abgeänderl werde», wobt die willigste Vorlage, mit welcher daS Parla ment in dieser Session sich zu beschäftigen baden wird. Danach soll die Frist, während deren ein Bürger an einem Orte ansässig sein muß, um durch Eintragung in die Wähler listen daS Wahlrecht zu erlangen, einheitlich aus drei Monate bcrabgesctzt werden: gegenwärtig bestehen für die einzelnen Wädlcrclasscn verschiedene, längere Fristen. Die Bestimmung, wonacb diejenige» Bürger, die nicht zur directen Steuer cingesckätzt sind oder ibre Steuern nickt bezahlt baden, das Waklrcckt nickt erlangen können, soll wegfallen. Da in England und Wales auf die männlickc Bevölkerung von über 21 Iabren, die etwa- über »c»n Millionen Seelen beträgt, 4 800 ooo Wähler, in Schottland ans l 274 000 solcher Ein wohner 60«, «>oo und in Irland aus 1> .> Millionen Männer 7 >5 00» Wähler komnien, bleibt also noch ein großer Spiel raum für weitere demokratische Bersuche; »ach Abzug der Vcrurtbeilten, Geisteskranken und sonstigen politisch Un mündigen könnten noch t 20» »0» Briten zu Wählern gemacht werden. Wenn der Entwurf durchgehen sollte, was nock zweifelhaft ist, wäre eine solche Erwettcrunz so gut wie voll- ogc». Bei allgemeinen Wahlen soll der bisherige Brauch, ie an verschiedenen Tagen vorzunchmeii, gesetzlich abzeschasft werten; der einzige allgemeine Wahltag soll nach erfolgter Auslösung des Unterhauses in dem Ausruf zum Zusammen tritt des Parlaments bestimmt werden, und zwar auf den zweite» oder dritten Sonnabend „ach dem Erlaß dcö Aufrufs. BiSbcr vcrtl,eilten sich die Wahlen aus zwei Wochen, was die üble Folge hatte, daß der Ausfall der ersten Wahlen vielfach bestimmend für die später zur Wahlurne berufenen Bürger wurde. Zwischen dem Erlaß der Proclamation und dem Husam»ic»trilt des Parlaments sollen anstatt 35 Tage, wie bisher, nur 20 Tage liege», und schließlich soll nach dem Gesetzentwurf jeder Wähler nur in ei»cm Wahl- kreis stimmen könne». (Ein Mann eine Stimme.) Der Führer der Opposition, Balfour. besprach die Einzelheiten der Vorlage und führte aus, die Regierung möge vorher die größte jetzt bestehende Ungleichmäßigkeit, nämlich die Ver tbcilunz der politischen Macki, einer Reform nnterziehcn, so daß thatsächlick die öffentliche Meinung des Landes sich widcrspiegcle. Es kommt kies aus die Forderung einer andere» Einthciluiig der Wahlkreise hinaus. Die erste Lesung war niit Balsonr'S Rede beendigt; die übliche An »alunc in dieser Lesung greift der Zukunft des Entwurfs nicht vor. Am 23. d. M., findet die zweite Lesung statt. Das Blatt der Regierung dcS brasilianischen Staates Rio Grande do Sut ...V l-ock-ra«.»»" spricht sich über die liiipartciischc Haltung der deutschen Diplomatie in Brasilien sehr anerkennend in einem etwas schwülstig ge schriebenen Artikel ans, dem wir folgende Stellen ent nehmen: Acnßcrsl wobltb»end für daS brasilianische Volk ist das tactvolle ritterliche Benehme» der deutschen Ver- Feitillrtsn. Medea. Ein bürgerlicher Roman von Wilhelm WolterS. tNochdruck verboten.) l8> (Fortsetzung.) Dieder wechseln die Paare und wieder. Und wilder und wilder dreht sich Paul. „Pause!" ruft Cläre und sinkt in einen Stuhl. Anita faßt mit der Hand den Thürpsostcn. ihr schwindelt, ihre Wangen glühen, ihre Stirn glüht, alles Blut strömt ihr vom Herzen in die Schläfen und sluthct zum Herzen zurück, daß cS schier zu zerspringen droht... was ist das? ... Luft... Sie öffnet die Thür nach dem Garten und schlüpft hinaus. Paul wirst einen Blick auf Martha und Willrich, die mit dem Rücken nach der Thür im Gespräche vertieft sitzen, und einen aus Karl und Cläre. Auch diese sind miteinander beschäftigt. Langsam geht er durch die Küche nebenan in den Hof und rennt um das Hau- herum. Im Laubengange knistert der Kies. Da» ist sie. Mit angehaltencm Atheni, rin Wilddieb, der aus der Fährte des Rehs schleicht, schreitet er ihr nach. DaS unbedeckte Haupt an eine Säule des GartenlempclS gelehnt, steht sie da und schaut hinaus in das Land. Durch die dunkele» Wolken bricht daS weiße Mondlicht, spiegelt sich glitzernd drunten im Flusse und schimmert auf den Thürmen m der Kerne. Die Lust ist schwül. „Anita!" Seine Stimme bebt. Seine Brust keucht. „Sie erschrickt. „Sehen Sie, wie sckön", sagt sie lächelnd. „Ja ... schön ..Abgebrochen, heiser stößt er e» heraus. „Da liegen Sie... die Thürme von Korinth ..." .Löa« ist Ihnen?!" „Was mir ist?" Sein Auge gleitet verlangend über die schöne Gestalt vor ihm. „Und da- weißt Du nicht, Kreusa?!" Sie tritt einen Schritt zur Seite. „Sie . . . sind . . . krank..." „Nicht fliehen! . . . Ich lasse Dich nicht!" ruft er, ihre Hände fassend. Ich sehe den König-reif an Deiner Stirn ... D, D» bist'-, Kreusa, die mir die Götter bestimmt..." „Sie find wahnfinmg I" sagt sie «ad will sich lo-reißen. „Ja, wahnsinnig", keucht er. läßt ihre Hand frei und umschlingt sie mit beiden Armen. Sie zuckt zusammen, ihre Arme fallen matt hinab, ihre Augen schließen sich, ihr Kops sinkt an seine Brust. Wild, glühend küßt er sie aus die halb geöffneten Lippen. Der Mond verschwindet. Ein fahler Blitz zuckt über den Himmel, grollend ballt der Donner von den Bergen wider. Sie schlägt die Augen aus, heftet sic groß, wie au- einem tiefen Schlafe erwachend auf ihn und richtet sich in die Höhe; er weicht zurück, sie fährt sich mit der Hand über die Stirn und läuft den Laubengang hinunter. In den Blättern raschelt der Wind. Mit beiten Händen greift sich Paul wild in'S Haar und starrt hinan- aus die Berge und die scriien Lichter. Dann geht er langsam durch den Laubengaug, um daS Hau- herum, durch den Hof, durch die Küche. Ein gelber Schein huscht über die schwarzen Fenster öffnungen. „Haben sie gesehen?" ruft Willrich. „Und da ist auch schon der Donner. Ich wußte eS ja, daß wir noch ein Ge witter bekommen würden." „Ja. es ist die höchste Zeit, daß wir gehen", sagt Karl. „Frau Wirtbin, die Zecke!" „Wo hast Du denn Deine Rose?" fragt Eläre Anita. Erschrocken greift Anita an ibre Brust. Fort . . . „Gräme Dick nicht", tröstet Cläre, „nur nicht etwa suchen, morgen bekommst Du eine schönere." „Wir wolle» machen, daß wir rasch hinunter kommen, dann setzen wir über und fahren mit der Pferdebahn." Eilend steigt inan hinab. In eine Ecke de- überfüllten, raffelnden, schwankenden Wagens gedrückt, sitzt Anita. Ihr gegenüber Paul. Müde, stumm fährt inan dahin. An Anila'S Hause trennt man sich. „Nimm doch da« Anerbieten an, da- Dir Herr Willrich gemacht", sagt Martha, al« sic mit Paul allein ist, und hängt sich zärtlich an seinen Arm, „thu's mir und dem Kinde zu Liebe." Paul fröstelt eS. „Ich will sehen . . ." Tief in der Nacht noch brennt die Lampe bei ihm. XX Anita ging den hallenden, finsteren Hausflur hinunter. Kam da nicht Jemand hinter ihr?! . . . Sie rannte die Treppt hinaus und riß in die Klingel. Erschrocken blickte die schwarze Dienerin in Anita s sieber- glühende« Gesicht. „IesnS EbristuS! Was ist Dir?" „Nichts. Was soll mir sein ? Ich bin zu rasch gegangen." Anita'S Stimme klang barsch. „Ich will Thec kochen", sagte Nurse» gekränkt. Anita nestelte erregt den Hut von ihrem Kopfe und warf ibn aus daS Tischchen »n Vorsaal. „Ich brauche keinen Thec. Ist Mama zu Hause?" „MrS. Maxwell ist bei Mrs. Huntington . . . Sage doch, was Dir ist, Anita, Tu bast Dick erkältet, Du bist krank, ich sehe Dir'S an, ganz gewiß krank." „Nein. Laß mich. Wenn Mama kommt, melde mir'S. Hörst Du, Nurscy?" Nursey sab mit ihren große» schwer»,üthigen Augen be sorgt aus ihr Kind. „Es wird spät werden, es ist viel Gesellschaft." „Einerlei." Anita zerrte die Handschube herunter, legte sie zu dem Hute und ging nach ibrcm Zimmer. Kopfschüttelnd trug Nurscy ibr die Lampe nach. ES war traulich in Anila'S kleinem Gemache. Durch den Schirm der Lampe strömte rosiges Lick«. Anita schritt ein paar Mal im Ziuinicr hin und her Bor dem Spiegel blieb sic sieben. Sic ballte die Fäuste. „Ehebrecherin!" rief sic mit blitzenden Äugen, mit heiserer, harter, zornersticktcr Stimme. Dann lief sic nach dem Waschtische und wusch sich das Gefickt. DaS Blut drang ihr aus den wundgcricbcnen Lippen. Und wieder wanderle sie auf und ab. Dazu also hat es komme» müssen! ... DaS ist das Ende dieser schönen Freundschaft! . . . Freundschaft? . . . Als ob sie'S nicht gewußt, nur zu gut gewußt, nicht hätte wissen müssen, daß cS keine Freundschaft war, keine Freundschaft sein konnte! AlS ob sie nickt mit sehenden Augen biiieiligeraniit wäre in'S Feuer! Um die Flamme geflattert, immer näher, immer näher, mit versengten Flügel» noch, bis sie ersaßt werde» mußte! . . . Ehebrecherin! Ehebrecherin! Das war taS Resultat ihrer Lebensarbeit aller ihrer Kämpfe, ihrer Selbsterziehuna, ihres Ringens nach Freiheit, nach Wabrbeit! Wo war die Stimme in ihrer Brust geblieben, die sic lenken scllte, warnen, führen?! Weggeblasen, ausgelöscht vom Hauche eines MäanermundeS! Psui! Psui! Pfui! . . . Sir stampfte mit dem Fuße auf den Teppich, daß kleine Wölkchen dünnen Staube- ibr um die Knöchel schwebten. Rein zu denken im Wachen und im Träumen hatte sie sich gemüht, seit sie zu denken sich erinnern konnte, die leiseste Gedankensünde mit chwercr sclbstaufcrlcgtcr Buße gebüßt, sich kasteiet für ein unbedachtes Wort . . . und da tam der erste Mann, ein Man», der einer Anderen gehörte ... die erste sündige Berührung seiner verlangenden Hand . . . und gelähmt, erstickt aller Wille, sich ihm bingcgebeii zur ehebrecherischen Umschlingung, zum ehebrecherischen Kusse ... Pfui! Pfui! ... Und der Bruder ist cS, der Bruder der Freundin, der sie ihr Leben vcrdanlt . . . da» ist daS Entgelt dafür! Wie eine gemeine Buhlerin in'S Netz gelockt hat sie ibn! Mit schönen Worten, mit Begeisterung, mit großprahlerisckcn, gleiß- nerischen Empfindungen — o, daß sic sich doch die Zunge auSreißen könnte! In einem Sturm zu sieben, halte sic sich gewünscht, jetzt war er gekommen, der Sturm . . . mebr erlebe» sollte sie, balle Cläre gesagt, damit sic schreibe», könne . . . jetzt batte sie erlebt . . . O, Cläre, Cläre! Wie soll sic ibr jemals wieder unter die Augen treten? . . . Sie schlug die Hände vor'S Gefickt und setzte sich aus den Stubl an ihrem Schreibtische. Cläre. Cläre! . . . Tie Blumen aus dem Balcon vor Cläre s kleinem Salon nickten, ack, diese Blumen, die ibr schöner tunkten, als die sckönftcn Blumen der Well, und ei» liebes Gefickt neigte sich über sie. eine zarte Hand glitt leise über ihre beiße» Wange», unr eine traute Stimme nannte sic „Meine Kleine" Schluchzend ließ Anita den Kops aus das braune Tuch der Tischplatte sinke». Nein, sie war nickt mebr Cläres Kleine . . . Eine andere Hand balle die ibre gepreßt, ei» anderer Mund ihre Lippen geküßt, und sie hatte cS »ickl gehindert, nickt gehindert — weil . . . weil . . . weil sie den, welchem diese Hand und dieser Mund gehörte, liebte... ja, weil sic ibn liebte.... Sie sprang auf. Was soll sie thun? . . . Wa- soll das werden ? . . . Fort . . . fort . . . fort auS dem Bannkreise dieser Augen, dieses Munds . . . sort . . . Es klopfte. „Wer ist da?" Nursey'S runde» Gesicht blickte herein. „MrS. Marwcll ist gekommen." „Gut." Sic strick sich daS Haar glatt über der gewölbten Stirn, ausreckt ging sie hinüber in - Eßzimmer. „Mama, ich möchte Tir etwas sagen." „So spät?" MrS. Marwell Warf einen verwunderten Blick aus Anita. „Geb, Nursey, ich werde Dir klingeln, wenn ich Dich brauche." Traurig schlich Nursey hinaus. (Fortsetzung folgt.)
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