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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.04.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-04-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940420021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894042002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894042002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-04
- Tag1894-04-20
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100.- l».- »7,« I 163.- ! «6,- W3L, >93.« «,- 119,40 88.16 nr.ro 33- ! 75.- 63,7» 113.- io8.ro 98.50 374.7L IS».— 137,3» 311.— 344- 80,- ss.ro 69,- 133.7r 109,- 63.- 222.— 109,- 384- 192,- 19S.- 138,- 85,— 230.S0 56,- 38.ro 93.50 96.- »1.10 8080 I63.S0 163,— 318.10 316.10 31S.1S 137.10 81.30 197.- 117.7» 133 — IS7S0 186.— 131.2» 8S — 103.65 330 — 141,56 r 76.50 76.30 314 — 143.7» 97.80 95,16 6I.II 9.92, 36,56 17.20 86,36 417.50 39S0 - 34375 28050 107 S0 337.50 198 — 7156 317.3» 103 45 61.14 134 58 4983^ 9.93 61.14 I^4>« 133,— 100.— SckIuL» IS'4 64 59', 1b'.. 68'« 41 I 58': 33», den 37. 1634, 1»^« 14. 38'. 1,96 56 >33,— 33.10 84.- 83 — 33.37', > 85,96 383.— «,I» II'. 3337 »33 531 IS3-. 371 11S>« VezugS-PreiS tz Haiwtexpedition oder den im Stadt. Mck den Bororten errichteten Aus. AUj^e, abgeholt: vlertet,üyrl,ch ^14.50. kg «i»oliger täglicher Zustellnng w« 2» üLO. Durch die Post bezogen für l-,nchlaid und Oesterreich: vierteljährlich . 8—. Direct« tägliche -reuzbaodlenduag W1 Ausland: monatlich 7,bO. «eviokgrwÄusgabe erscheint täglich '/,7Uhr, di« -iead-Lusgab« Wochentag« ü Uhr. Abend-Ausgabe. Ledürtion und Lkpe-itiou: z,»anne«M»sse 8. »» ^ä! ion ist Wochentag» ununtrrbroche» von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Filialen: ktt» Me»»'« Sorli«. (Mfrr» Hatznld UniverfitätSstroße 1, L«i« Lisch-. Kit-arin erste, 11, Part, und KSuigSplatz 7. MipMer TagMak Anzeiger. Lrgan für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. Anzeigeu'Pret- die 6 gespaltene Petitzrile 20 Psg. Reklamen unter demRedactionsstrich («ga» walten) vor den Familiennachnchleu (6 gespalten) 10^. Größere Schriften laut unserem Preis- «erzeichaiß. Tabellarischer und Zifiernsop nach höherem Tarif. Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesärderung ^ 60—, mit Poslbesörderung ,/L 7V.—. Annahmrschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bonnittags 10 Uhr. Margen-AuSgade: Nachmittag« 1 Uhr. Sonn- und Festtags sriid ' ,9 Uhr. Lei den Filialen und Annabmesiellen i« eine halb« Stund« früher. >»r-i«en sind stets an die Srtzrditi«» zu richten. Druck und Berlag von E. Polz in Leipzig. Freitag den 20. April 1894. 88. Jahrgang. politische Tagesschan. * Leipzig, 20. April. Nachdem der Reichstag gestern das Gesetz zum Schutze der Waarrnbezeichnungen in dritter Bcratinmg an genommen und auf die Versicherung des StaatösccrctairS ttr. v. Boettichcr, er werde sich ernstlich bemühen, daß dem H-use in der nächsten Session eine Vorlage über die Be kämpfung des unlauteren Wettbewerbes zugehe, den . m zweiter Lesung auf den Antrag deS Abg. Noeren an genommenen tz. 15d wieder beseitigt hatte; nachdem ferner das Brieftaubengesetz und die Stempelsteuer- Vorlage, die letzter^ mit einigen Abänderungen der Beschlüsse zweiter Lesung, definitiv genehmigt worden waren, war für diererbündeten Regierungen der rechte Moment zur Schließung der Session gekommen. Zm Namen dieser Regierungen gab der Reichskanzler Graf Caprivi den Mitgliedern des Hauses folgende Erklärung mit, die zugleich ein Zeugniß und eine Mahnung ist: „Geehrte Herren! Die Erwartung der verbündeten Regierungen, der Reichstag werde bereit sein, durch Zustimmung zu den vor- gelegten Steuergesetzeutwürsen die Mittet zur Deckung der Soften der Heeresverslärkung, sowie zur Durchführung einer Aiianzreform zu gewähren, welche die Matricularbeitröge in ein besseres Verhältnis zur Ueberweisung an die Einzelstaaten setz«, hat leider für die gegenwärtige Tagung aufgegebe» werden «üsien. Der Gesetzentwurf, betreffend die Erhöhung der Stempel- en, hat nur zum Theil die Zustimmung des Reichstags unden. Auch die Borlage, betreffend die Erhebung einer abakfabrikatsteuer, hat zur Zeit wenigstens bei der mit der Vorderathung derselben betrauten Commiision Annahme nicht gefunden und es läßt sich auf eine zustimmende Beschluß, iasiuog im Plenum des Reichstages unter den gegenwärtigen Verhältnissen nicht rechnen. Damit ist aber die Mög lichkeit ausgeschlossen, noch in dieser Session die zur Durch iühruug der Steuerreform erforderlichen Mittel zu gewinnen. Die verbündeten Regierungen halten indeh mit aller Ent- schiedenheit an der Auffassung fest, daß es im natio- natea «nd finanzpolitischen Interesse des Reiches und der Bundesstaaten geboten ist, zur Erhaltung eines geordneten Finanzwesens die Sicherstellung vor der wechselnden Einwirkung der Ansprüche der Reichs Verwaltung und der Bundesstaaten herbeizusühren. Zu diesem Zwecke läßt sich der Plan, die eigenen Einnahmen des Reiches in vermehrtem Umfange nach Maßgabe des Bedürfnisses zu vermehren, nicht aufgeben. Die Regierungen werden deshalb nach dem Wiederzusammentritt des Reichstags von Neuem mit entsprechende» Borschlägen hervortretcn in der Hoffnung, daß dann eine Verständigung über die Reform und die Beschaffung der dazu nöthigen Mittel erzielt werden wird." Vorher batte der BundeSratb, wie bereits telegraphisch gemeldet worden ist, den Beschluß des Reichstags, be- irefsend die Aufhebung des IesuitengcsetzeS, an den zuständigen Ausschuß verwiesen. In diesem Ausschüße, der gleich dein Plenum des BundeSrathS nun auch bald Ferien machen wird, wird der Irsuitenbeschluß deS hoben Hauses einstweilen begraben sei»: zur Entscheidung wird er schwerlich kommen, bevor der Reichstag in seiner nächsten Zession ausS Neue vor die Fragen gestellt ist, die in der ab- gelausenen Session ungelöst geblieben sind. DaS ist auch eine Erklärung, die den Abgeordneten mit auf den Weg ge geben ist. Daß in Preußen die Regierung und die Conser vatiren lieber »lit dem Centrum gehen, als selbst mit den gkmäßizlen Liberalen, haben wir schon wiederholt hcrvor- gehobcn. Besonder- deutlich ist daS in der Commission des Abgeordnetenhauses, die über die Abänderung deS evan gelischen Kirchengesetzes berathen sollte, hervorgctreten. ES wird darüber berichtet: „Schon die erste Sitzung der Commission zur Vorbereitung des Synodalgesetzes am Dienstag zeigte sehr geringes Entgegen kommen der aus Conservativen und Centruin bestehenden Majorität legcnnber der auS den anderen Fractionc» sich bildende» Minorität Obgleich diese erste Sitzung bereits 24 Stunden nach crsolgler Wahl der Coinmission statliand und in der Commission von Seilen der Herren von Eynern, Frbrn. von Zedlitz, EnnecceruS u. A. der lebhafte Wunsch aus Materialbeschaffung für die Berathunge» der Commiision geäußert wnrde — ein Wunsch, dem schließlich die Commission'zustiinmte —, schlug der Vorsitzende Herr Heydebrand von der Lasa vor, unter Vermeidung jeder Gencraldiscussion sofort in die CpecialdiScussio» cinzutrelcn. Dieser Vorschlag und der dem Wunsche, Zeit sur die Durcharbeitung des Materials zu gewähren, entgegengesetzte Widerspruch ries eine lebhafte, aus die vielfachen Schwierigkeiten und die Bedeutung des Gesetzes ein- chcnde Discussion hervor, welche mehrfach in das Gebiet einer fteneraldiscussion Übergriff, schließlich aber damit endete, daß der Vorsitzende aus seinen Vorschlag verzichtete und somit die nach der Geschäftsordnung vorgeschricdene Generaldiscussion der nächsten Sitzung Vorbehalten blieb. In der gestrigen (Mittwoch.) Sitzung richlete zunächst der Abg. Haake (nat.-lib.) an den Cultusniinister eine Anfrage, welche von diesem beantwortet wurde. Nachdem sodann Herr Knörcke (dfr.) seine Ansichten über die Vorlage ent wickelt halte, begründete der Abg. 1>r. EnnecceruS einen schon in der ersten Sitzung vorläufig angemeldelcn Vorschlag, auf welchem die sür alle Parteien gleich wiinschcnswerthe, den Friede» i» der Kirche erhaltende Einigung möglich sei. Er legte zunächst die zehn verschiedenen Kategorien von Fragen dar, in welchen sich die liberale oder gemüßigt-liberale Richtung in der Kirche, sowie die liberalen und gemäßigt-liberalen Parteien deS Abgeordnetenhauses durch den Gesetzentwurf beschwert fühlen, hob die hohe Bedeutung, welche die Einigung über dieses Gesetz auch für die Gegner haben müsse, hervor und erklärte, in acht dieser Fragen, so schwer eS ihm werde, den Standpunkt der Gegner acceptiren zu wollen, wenn diese dasür in zwei Fragen, allerdings de» sür di« Liberalen wichtigsten, dem Wahlrecht und dem Gelöbnisse, ihrerseits nachzugeben bereit seien. Aus diese warme und versöhnliche Rede erfolgte — obgleich der Abg. Weber auf die Nothweudig- keit irgend einer Antwort ausdrücklich hinwies — keine Cr- tvidcrung, nicht nur keine materielle, sondern auch keine formelle Antwort. Aber nicht nur die conservativ-ultramoutane Mehrheit, sondern auch der Minister vr. Bosse hielte» die Rede keiner Aut- wort werth, und man trieb die Rücksichtslosigkeit so weit, di« allge meine Erörterung sofort nach dieser Rede zu schließen. Hieraus erklärte der Abg. vr. EnnecceruS Namens der Commissions Mitglieder seiner Fraktion, daß dieselben nach der in dem Verbalten der Gegner hervorgetretencn Gesinnung keinen Werth mehr daraus legen, an den Verhandlungen der Commission noch weiter theilzw nehmen. Die national-liberalen Mitglieder der Com. Mission verließen dieselbe darauf. Der Vertreter der frei sinnigen Partei, Abg. Knörcke, schloß sich dieser Erklärung an. Dieser Bericht bedarf schwerlich eines CommentarS. Hatte schon im Plenum deS Abgeordnetenhauses daS Bündniß der Deutschconservativen mit dem Centrum in der Frage der evangelischen Kirchenversaffung Entrüstung erregt, so hätte man doch ein so rücksichtsloses Verhalten nicht sür möglich gehalten, an, wenigsten von einem CultuSministcr, der lebe chicanöse Anfrage von CentrumSmitzliedrrn einer Antwort würdigt. Von ihm werden nach diesem Vorgänge die Ultra- montaucn mindestens ebensoviel wie von seinem Vorgänger erwarten dürfen. Kein Wunder, daß sie immer sicherer au die preußischen Stimmen im BundcSrathe sür die Aushebung deS IesuitengesetzeS rechnen und immer energischer aus die Beseitigung deS ihnen verfaßten Finanzministers vr. Miguel dringen. In den Beziehungen des österreichischen CoalitionS Ministeriums und der deutschen Linken ist die erste leichte Trübung zu constatiren. Iuslizministcr Gras Scbön- born hatte vor einiger.Zeit in Preß fachen eine Bcrsügung erlassen, welcbe mit der Versicherung begann, daß die Regie rung das lebhafteste Interesse an einer kräftige» und freie» Entwickelung der Presse babe, aber dann Maßnahmen an- geordnet, welche die bisherige ConsiScationS-Praris empfindlich vcrsckärsen, da von jetzt ab bei Beschlag nahme einer ZeituiigSnunimcr die einzelnen beanstandeten Stelle» deS betreffenden Artikels nur „in der Regel" namhaft gemacht werten sollen, während VieS früher ausnahmslos geschah. Durch die neue Praxis wird cS den ZeilungSberansgebern in den meisten Fällen unmögtich ge macht, sofort eine zweite Ausgabe obne die Gefabr abermaliger Cousiscalio» zu veranstalten, da sic nicht immer sofort wissen können, an welchem Artikel resp. welchen Stelle» desselben die taatsanwaliikbasien Anstoß genommen babe». Allerdings soll „in der Regel" die Nanibaftmachung einzelner Stellen erfolgen, verweigert wird sie, wenn das Entgegenkommen der Preßpolizeibebörde von einem Herausgeber oder Redakteur mßbranckt" wird, wenn derselbe gegen die Behörde zu dcmonstriren" sucht, indem er im Falle der Eonsiscalion in der zweiten Ausgabe den Raum deS beanstandeten Artikels leer läßt, oder mit dem einzigen Worte „EonsiSeirt" überdruckt rc. Danach wird die Bekanntgabe der ConsiScationsgründe von der Ansicht abhängig gemacht, welche sich die Behörde von dem Woblvcrbaltcn, beziehungsweise den demonstrativen Ten denzen eines RedacteurS oder HeitungSherauSgcberS bildet. Eine derartige devormundenke Praxis kommt einer so weil gehenden Befchränkung der Preßfreiheit gleich, daß dagegen auch die gemäßigten Parteien Stellung zu nehmen gezwungen waren. Tie Vereinigte Deutsche Linke hat dies auch getban. Sie bat durch den Abg. vr. Ruß die ungewölm lich peinlick'e Ucberraschung der Partei über die Schön born'sche Verfügung zum Ausdruck gebracht und einem jungtschechischen aus Wiederaushebung des Erlasses bezweckenden Antrag zugestimmt. Begreiflicherweise hat dies in den Re gierungSlrciscn große Bewegung bervorgeruscn, und eine» Augenblick lang bekundete der Iustizminister sogar die Absicht, zurück; »treten, was weitere Folgen sür den Bestand der Coalitionsrcgierung zur Folge gehabt hätte. Es scheint indeß, daß beiderseits eine Uebereiluna vorgekommen ist, und dies sowohl die Regierung als auch die Linke einsiebt. Graf Schönborn hat erklärt, sein Erlaß sei mißverstanden worden, er werde in Kurzem der gesetz licheu Regelung der Augelcgenbeit nabe treten, und die Parteien haben darüber ihre Befriedigung ausgesprochen. Somit ist der Zwischenfall erledigt, aber er zeigt, wie leicht die Herbeiführung einer Trübung in den Beziehungen zwischen der Linken und der Regierung >st, und daß man in Zukunst daraus wird bedacht sein müssen, Unvorsichtigkeiten zu vcr meiden. Die in ganz Belgien, besonder- aber in Antwerpen, mit aller Kraft geleitete Bewegung gegen die von der Regierung geplanten l andwir t hschast l ich en Schutzzölle scheint bereits den Erfolg zu haben, daß die Regierung von diesen Zöllen nur noch dic>enigen auf Butter, Margarine und Hafer beibehalten will. Die Gerste soll freigclassen werden, um den Antwerpener Handel nicht zu schädigen, da diese Getreide art vielfach zur Füllung von Schiffsladungen verwandt wird uno die Schisse einen anderen Hasen anlauscn würden, wenn dieser Bebels ausbören müßte. Die klerikalen Blätter sehe» zum Theil ein, daß jene Zölle ihrer Partei die städtischen Arbeiter, nunmehr auch Wähler, abspenstig machen würden — In der Kammersitzung am 17. kamen bei der Be ratung deS CavitelS össenlliche Arbeiten durch die Abgeordneten Ncujea». Ianson und HanfscuS die großen Mißbräuckic in den Ziegeleien von Boom und Umgegend zur Sprache. Die Redner führten auS, daß daS Trucksystem in ausgedehnter Weise bei den dortigen erbärmlichen Löbnen von den Arbeit gebern cingeiübrt sei, und tue kleinen .Kinder in mißbräuchlicher Weise überangestrengt würden. Die Fragesteller wünschten Aufklärung, ob die bestehenden Gesetze mißachtet würden und od die- die Ursache der Auflehnung und der Ausschreitungen der Ziegelardeitcr sei. Leider »nißle dies bejaht werden. Nachdem Bccrnacrt »och aus die Nützlichkeit von ArbeitS- inspcctorc», die vor Allem daraus zu sebcn Kälten, daß die Arbcitergcsetzc auSgeführt würden, hingewiesen batte, gab Minister de Bruyn die gewünschten Aufklärungen und erklärte, daß die Regierung alle Anstrengungen gemacht habe, um daS in Boom und Umgegend i» allgemeinem Schwange stehende Trucksystem auSzurotlcn, daß dies ader »och nicht voll- kündig gelungen gewesen sei, und daS Trucksystem besonder- »och in Boom gcblübt habe, als der AuSstanb auSgebrochen sei. Gegenwärtig sei cs aber vollständig geglückt, die Läden der Arbeitgeber seien geschlossen worden. ES würden in der dortigen Gegend vier Industrie- und ArbeitSrätbc ge bildet. Hoffentlich werden diese mit allem Eifer daraus bin- arbeiic», daß jene dort herrschenden Mißbräuche abgestelll und die Arbcilgeber mit aller Strenge dazu angehalten werden, die bestehende» Arhcitcrgcsctze, die auch daS Trucksystem ver biete», zu beachten. Jedenfalls ist frittier seitens der Negie rung hier nicht da- Nötbige geschehen. — Tie Regierung hat das umgearbeitelc Wahlgesetz vcrtheilc» lassen. Tic Kam mern haben bereit- Titel I bis .'i, welche die Aufstellung der Wählerlisten regeln, angenommen. Tic folgenden Titel i diS 9 enthalten die früheren VorsGrifle» mit der AuS- nähme, daß die Vorschrift über die verhältnißinäßige Ver tretung satten gelassen wird. Seit einiger Zeit macht der frühere sranzöstschc Minister deS Inner», FlourcnS, im „Figaro" diplomatische „Entbiilliingc»", die ihm, da er wieder eine aclive politische Rolle spielen möchte, einen patriotischen Nimbus verleihen solle», von der Pariser Presse aber sehr kühl aus genommen werten und auch in deutschen Blätter» wegen ihres legendären Charakters wenig Beack'tung gesunden habe». Gegenwärtig har er sich des „Falle- Sclinäbcle" be mächligt, und wenn er bei dieser Gelegenheit ausführlich daS Auf treten Boulanger'S.tcr im April 1887 aus Anlaß de- Lchnäbelc falle- zum Kriege drängte, ausführlich schildert, so gicbt er aller dings nur ThalsächlichcS, freilich längst Bekanntes, und wenn er mitlheilt, der damalige Präsident der Republik, IuleS Grevn, habe in versöhnlichem Sinne gewirkt, so erscheint das durchaus nicht »nglaubliaft. wenn er aber daran sest hält, daß Schnäbcle ans französischem Gebiet verkästet worden sei. so steht das im Widerspruch mit den Thatsachc». FlourcnS bat, und daS wirft aus seine Behauptung ein sonderbares Lickt, s.Z. die ibmvon deiltschcrSeite bereitwilligst angebotencUntersuchung an Ort und Stelle abgclehnt; aber durch diese wäre eben zweifellos erwiesen worden, daß die deutsche Version die richtige war. Andererseits nimmt FlourcnS für sich da- Verdienst in An spruch, daß er obne vorherige Millheilnnz an den Präsidenten der Republik oder an de» Ministerpräsidenten die an den Commissar Schnäbcle von deutscher Seite gerichtete Ein ladung zu einer Zusammenlunst, die Schnäbcle veranlaßt hatte, die Grenze zu überschreiten, »ach Berlin mit- tbeileu ließ, wodurch dann der deutsche Kaiser ver anlaßt wurde, direct die Freilassung Schnäbete'S an- > zuortncn. Zutreffend wird hervorgchoben, daß der Zar e»»oo ! 4» <l«e -Var», <t da», »af <t«r ts »>« ,t» -M Feirrlletsi,. Medea. 221 Ein bürgerlicher Roman von Wilhelm Wolters. YNaSdruck verbalen.) (Schluß.) Wie fremd» wie weit hinter sich liegend kam ihm der Name Anita vor ... und doch, welch' neue Selbstvorwürsc ries er in ihm wach. Selbstvorwürsc doppelter Natur ... Auch in ihr, der Freundin reines, schuldloses Leben batte er mit frevelhafter Hand gegriffen ... Wie war cS möglich, je wieder gut zu machen, Ivas er allein verschuldet? ... Zugleich mit der furchtbaren Quittung zündete Paul die Karte an und sah zu, wie Beides zu Asche verbrannte. Wenn doch auch alle die letzten Wochen zu NicktS vernichtet werden könnten ... Allerlei Gerüchte durchliefen die Stadt. An verschicdent- lichen Kaffretischen steckte man wispernd die Nasen zusammen und zerbrach sich die Köpfe. „Er hätte doch lieber sollen die Ida heirathen", sagte die Frau Präsident. „Ich habe es ja von Anfang an gesagt", sagte Herr Willrich. „Das?"' fragte Martini, sich mit einem Rucke auf seinem Drehsessel umdrrbcnd. „Nun ja, heirathen und heirathen ... da« ist eben ein llnterschied ... e« paßt eben nicht Jeder dazu ... wo daS beiderseitige Wohlwollen fehlt... schlechte, pessimistische Ein flüsse verderben am Ende den Besten ... eS könnte sich Mancher daran ein Exempel nehmen ..." „Ich würde Ihnen empfehlen, sich als optimistischer Un glückSrabc zu rtabliren." „Ich bitte.. .' „Sch wa», lassen Sie mich ungeschoren", brummte Martini, Warf die Scheere aus den Tisch und ging hinan«. Al« drei Wochen vergangen waren, vergaß die Stadt über riaer neuen causv cllbkrs di« alte Eine« Tag« erhielt Paul vom Arzte bei seiner Anfrage die Mitthrilulzg, daß Martha ziemlich wieder krrgestellt sei. kr Hab« sie zur Erholung aus einige Wochen nach dem tzüden geschickt. ^ Wohin?" fragte Paul erregt. Genauer kann ich e« Ihne« nicht an- „Rach dem Süden? Wol ,>«hi»? Imke». Gens geben", erwiderte der Arzt, Paul durch die Brille firirend, „ein bestimmte« Ziel habe ich nicht verordnet... Es ist übrigens nöthig, daß jede Gemüthsaufregung vermieden werde..." Paul verstand. „Wissen Sie, lieber Förster", sagte Martini» „es wird gut sein, wenn Sie nach all den äußeren und inneren Kämpfen etwa- für sich thun. Sie haben mir einmal erzäblt, daß Ihnen die See so gut bekomme. Reisen Sie also nach dem Norden. Ter Winter wird Kraft von Ihnen verlangen." Paul gab dem Drängen des Freundes nach und reiste ab. XXVl. lieber die duftende rothe Haide von König BörnS Hünen grab-Insel, auf der er vor Jahren schon einmal Stärkung gesucht und gefunden, wanderte Paul einsam hin und her. In Westerland« altem Dorfe, in dem kleinen, hinterm Grün der Bäume versteckten Hause de« alten weißhaarigen, blau äugigen Thomsen batte er sich einquarticrt, im selben Giebel- zimmcrchen mit der niederen weißtackirtcn Holzdecke und den meergrünen Wänden, da« er ehedem bcwobnt, und in dem ihn die alten, colorirten, frommen Bilder, über seinem Bette Lionardo'S Abendmahl mit der dänischen Unterschrift, und die „christliche Barmherzigkeit" über der kleinen Kommode wie alte Bekannte begrüßten. Er mied den Strand mit seinem lauten Treiben, er brauchte Einsamkeit zu seinen Zwiegesprächen mit sich selbst. Nach Wenningstedt, wo e« schon leerer geworden, pilgrrtc er, dessen „Sächsischer Hos" ihn seine« Namen- wegen beimathlich anmuthrte, und wo di« „Ente mit den Hübner- süßen" und die »Hatona" am Giebel, die «inst da« Galion eine« am Strande zerschellten Schisse« geschmückt, wie damals als Raritäten dem Gaste gezeigt wurden. Und nach Keitum, dem schönen stillen, grünen Gartendorfe am Wattenmeere, wanderte er hinüber, wo er einst im „Landschaftlichen Hause" mit de« Wirth« schlankem Töchterlein lustig geplaudert und in der Küche die mit Bibelbildern bemalten Dandfließen an gestaunt; aber er ging nicht hinein in die Honoratioren stube, in der ihn va« schwarze Ledersopha früher so oft de« Mittag« empfangen, soodrr» ließ sich vom Wirthc da« Essen in den Garten hinaus unter dir Birnbäume bnugen. Der Wirth erkannte ihn und erzählte, daß seine Tochter weit unten im Süden, im badischen Freiburg an einen Vetter, der dorthin verscklagen worden, verbeiratbet sei. Im Süden, dachte Paul. Auch ihm war Sonueuschein und Lachen nach dem Süden entflohen... Boa der Höhe de« rotheu Kliff« spähte er hinan« in da« endlose Meer; bis nach Hörnum Odde trieb e« ihn. wo wilde Strandgesellen viclhundertjährigen Raub und Mord an bedrängten Schissfahrcrn verübt, wo in dunkel» Nächten die Geister der Erschlagenen umgehen. Wie Schnecgebirge ragten die weißen zackigen Sanddünen um ikn in der weiten, öden, großen Einsamkeit, die dünnen Gräser zitterten ini Winde, die Brandung rauschte, weißgelbc Giscktflockcn singen an, in'« Land herein zu spritzen, schriller» ängstlicher Möwen schrei ertönte über ibm, und durch da« flirrende, raschelnde Stieben des „SaanstasS" und daS Rollen der brandenden Wogen klang c« wie ein ferne« trotziges Murmeln au« alten, untcrgegangenen Zeiten: „Frei ist der Fischfang, „Frei ist die Jagd. „Frei ist der Strandgang. „Frei ist die Nacht, „Frei ist die See „Aus der Hörnumer Rhee." Aber alle Einsamkeit und alle die Großartigkeit der Natur konnte ihm die Ruhe nicht bringen; Stunde um Stunde hörte er Nacht« den Glockenklang der wunderlichen alten Großvateruhr mit dem Monde im Zisserblatte drunten aus dem stemgepflasterten Vorplätze seiner Wohnung und daS Rascheln der Zweige, die der Wind unablässig gegen das Fenster trieb. ES war, als ob Alle« ihn erinnern sollte an sein au«- einandergeriflcnes Leben. „Wenn ich wiederkommc, so wird'« aus meiner Hochzeits reise sein", hatte Paul damals beim Abschiede im Scherze zu Frau Therese Thomsen gesagt, und die erste Frage der alten war nun gewesen: „Allein?" Ja, allein ... und warum allein ... Der armselige Bühnenarbeiter, mit dem er auf einem seiner einsamen Spaziergänge zusammentras und der ihm erzählte, daß ihn daheim, auf der kleinen Insel Sandstrom, von welcher er zur Arbeit auf Wochen herübergekommcn, Frau und Kinder erwarteten, mahnte ihn. Lustig kutschirtc rin offenes Doctorwägelchen die Landstraße dahin, der Arzt und seine junge Frau saßen lächelnd aus dem Lederpolster, ein gefleckter Hund trottete hinter ihnen her. Bor einem Haufe hielt da« Gefährt, der junge Mann sprang heraus, und die Krau nahm freudestrahlend den Zü>ei in dir Hand, bi- Jener von seinem kurzen Krankenbesuch« wiederkam. Lange stand Paul und sah dem weiter rollenden Wagen nach... * Schon begann der Herbstwind rauher vom Norden herein zublaseu» und Paul dachte au die Rückreise. Er batte sich eine« TagcS doch binabgewagt auf den brcttcrnen Wandelgang am >Ltra»dc, auf dcni nur noch ge lichtete Reiben sonncngcbräiinter Gäste, in PlaidS und Tücher gehüllt, schweigend die salzige Lust einsogen. Draußen lag ein große« Segelboot, da« von Munkmavsch kerumgckommen war, eben zur Absabrt bereit; die letzte Lustfahrt in See sollte unternommen werken. Paul sprang in eins der kleinen Boote ain Strande und ließ sich hinüberrudern Der Wind wurde stärker, große Sturzwellen begannen über da« Teck zu spritzen. Paul nahm den Hut ab. Die Kühle that ihm wohl. Auf und nieder hob sich da« Boot, immer tiefer vor ihm hinab, immer höher hinaus- Die Wolke» am Horizonte wurden grauer. Der OberbootSmann gab daS Commando zum Wenden. Paul stand in der Mitte de« Schiffs, nicht weit vom Mast und blickte vor sich hinaus in'S Weite. Da sah er plötzlich ganz vorn aus dem Deck zwei Fraucngcstalten ... daS Herz schien ibm still zu sieben. Wild flatterte daS sreigelassene große Gaffelsegel im Winde, sich mit einem Rucke wieder bläkend »nb in mächtigem Schwünge von links nach recblS hcrüberdrebend, den ge wattigen Segelbaum unten um den Mast mit sich herum schleudernd. „Nieder!" schrie eine dröhnende Stimme. Pani hörte nicht«, er sah nur nach vorn. Da tras ibn etwas wie ein schwerer Hammer mitten aus die Stirn, einen Augenblick noch sah er bärtige Gesichter und Wolken durcheinander ge- mengt und körte den gellenden Schrei einer bekannten Stimme, dann wurde cS Nacht um ihn ... xxvn. WaS war nur da«? Paul öffnete ein wenig die Augen und versuchte zu er kennen, was da vor ihm lag. Aber e- war ihm ganz u» möglich. Irgend etwa« ungeheuer Schweres hatte man ihm aus den Kops gelegt, er begriff cS gar nicht, da« ibn am Seben verhinderte. Er träumte wobl nur. ES war ein un erquicklicher Traum, und doch konnte er sich nicht au- ihm wachrütteln. Ties unten in einem Keller lag er, Arme und Beine an den Steinboden srstgcbunden, und auf dem ganzen Körper Steine... da- Athmeu wurde ihm so entsetzlich schwer, und der Stein aus dem Kopse zerpreßt« ihm fast die Stirn... er wollte rufen, aber er konnte nickt... er schloß die Augen wieder. * Wahrscheinlich hatte man den Stein von seinem Kopfe weggcnommcn, c« war ihm ordentlich kübl und angenebm auf der Stirn ... sonderbar ... eine weiße Hügelkette zog ch am Horizonte hin . . . mit Wegen ... rothen, langen "egen, die kreuz und quer liefen... in der Ferne rauscht«
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