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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.05.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-05-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940515027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894051502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894051502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-05
- Tag1894-05-15
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Reklamen uater dem Redactionsstniich <4ga» spalten) 50-4, vor den Familiennochrichte» (6 gespalten) 40 ^ Gröbere Schriften laut unserem Preis- »«jeichaib. Tabellarischer und lZiffernfatz nach höherem Tarif. Srtra-Veilagrn (gefalzt), nur mit der Morgen-«u«aade, ohne Poslb.-fordern», ^4 60.—, mit Postbesorderung .^l 70.—. Äanahmtschluß fir Anzeigen: Abead-Au-gabe: Vormittag« 10 Uhr. Marge n-Au-gabe: Nachmitta,;« 4 Uhr. Sonn, und Festtag« früh '/-K Uhr. Bei deu Filialen und Annahmestellen i« eia« halbe Stunde früher. A»teige» find stet« an di« Axpetzitta» zu richten. Druck und Verlag von S. Pol.z in Leipzig. 88. Jahrgang. politische Tagesschau. * Leipzig. 15. Mai. Uebermorgen nimmt bekanntlich das prk»f;ische Ab- gcor0nctenha»s seine Arbeiten wieder auf, von denen die Erledigung der Vorlage über die Laiidwtrthschafts- kammern der Regierung ganz besonders am Herzen liegt. Die gross das Interesse der preußischen Regierung an dem Zustandekommen dieser Vorlage ist, gebt aus der schon vorgestern mitgetkeilten Nachricht der „Köln. Volksztg." hervor, daß von Seilen dcs.landwirthschaftlichcn Miuistcriunis neue Vorschläge zur Regelung der Frage dcSWablrechtS auSgearboitct worden seien, welche für die »ach den Ferien wieder aus- zuiichmcndcn Comprvmißvcrkandlungen als Grundlage dienen sollten. Heute gewinnt cS den Anschein, als ob diese Vor schläge in den von dem conscrvativcn Abgeordneten Conrad eingebrachten Anträgen bereits vorlägen. Jedenfalls bat die Bcrmuthung der „Frcis. Ztg.", diese Anträge seien zwischen der Regierung und der conscrvativen Partei vereinbart, viel für sich. Nach diesen Anträgen soll die Wahl zu den Landwirtbschaftskammern das erste Mal durch die für diese Kammern wählbaren Mitglieder der Kreistage der Landkreise ersolgcn. Tie späteren Wahlen sollen nach den im Plenum abgclebntcn CoinmissionSbcschlllsscn vorgcnommcn werden. cS soll aber durch königliche Verordnung und mit Zustimmung der LaiidwirtbschaftSkammcrn die Wabl durch die KrciStagSabgeordneten beibehalten werden könne». Auch die sonstigen gesetzlichen Bestimmungen über das Wahlrecht sollen auf diese Weise für die einzelnen Kammern ab- zeändcrt werden können. Diese Vorschläge beruhen auf der Anerkennung der nationallibcralcn Auffassung, daß die ungeheure Verschiedenheit der laudwirtbschastlichen Ver hältnisse die einheitliche Verwirklichung eines so wenig auS- zcreiften Gedankens, wie der der LandwirthschastSkammcrn cS ist, nicht zulasscn. Tie Anträge ziehen aber auö der richtigen Erkenntniß nicht die richtige Folgerung, daß es den einzelnen GebietStheilen überlassen werden müsse, ob sie die Kammern überhaupt einfllhren wollen oder nicht. ?ie Conrad'sckcn Vorschläge besagen doch nichts Anderes alS: tie Gesetzgebung ist zurZeit nicht fähig, den Provinzen eine für sie passcndeOrganisationder Kammern zugebcn; sic octroyirt ihnen dieses Institut aber doch ausnahmslos und unter Zerstörung alt bewährter Einrichtungen und giebt sich dabei der Hoffnung bin, daß den Provinzen später etwas Besseres einsallcn werde, als ihr, der Gesetzgebung, eingefallen ist. In einem solchen Zustande der Ratklosigkcit thut man doch wohl besser, ein allgemein verbindliches Gesetz über die Einrichtung von Kammern überhaupt Nicht zu machen und sich mit der sacultativen Einführung zu begnügen. Tic Anträge schützen überdies daS bäuerliche Element keineswegs vor der Majori- sirung durch den Großgrundbesitz, da die Vertreter der Städte bei den Kammcrwahlen und bei der Abstimmung über das Kammerstatut sich nicht bethciligen dürfen. Sic werden nur den Schein begünstigen, daß die bäuerlichen Besitzer die Folgen ungeeigneter Bestimmungen sich selbst zu zuschreiben hätten, anstatt die Gesetzgebung verantwortlich machen zu dürfen. Mit den LandwirthschaftSkainmcrn steht eS zunächst neck so: man weiß nicht, wie sie eingerichtet werden sollen, und bat keine klare Vorstellung, waS sic leisten sollen. Da empfiehlt cs sich doch sehr, der „Kreuzzcitung" zu folgen, die sich in ihrer letzten Ausgabe daS Wort der „Nationalliberalcn Corresp", cS käme auf ein halbes Jahr früher oder später nicht an, angceignet hat. Die Organisation und der Ausbau der Be festigungen der Schweiz, namentlich der deS Gotthard Massivs und der später beschlossenen von St. Maurice im oberen Rhonetbal, schreiten stetig vorwärts. Besonder- sieben die letzteren im Begriff, in eine neue Phase zu treten. Auch wurde mit den Vorstudien zur Befestigung von Lucicn- steig, dem östlichen Stützpunkte der Schweiz, begonnen. Nach Angaben der jüngsten Botschaft des BundcS- ratbs, betreffend die NachtragScredite für 1895, sind für die Gotlbardbcsestizung l l 887 000 Francs bewilligt worden. Bis Ende 1898 wurden hiervon lu 748 000 Francs verausgabt; cS verbleibt daher noch eine nicht veraus gabte Creditsninmc von «>89 ooo FrcS. Die Eretite sür die Befestigung von St. Maurice beziffern sich auf 2 88«» ooo Francs. Verausgabt wurden davon bis Ende 1898 I 769 20o Francs. Ter noch nicht verausgabte Betrag beträgt 58oooo Francs. Für die Vorstudien zur Bcrstärkung der Befestigungen von Lucienstcig sind 18 000 Francs bewilligt, wovon bis Ende deS vorigen Jahres 8000 Francs verausgabt waren, I2 000 Frcs. sind noch disponibel. Für Militairgleise in Göschcnen wurden 180 000 Francs bewilligt. Bis Ende 1898 waren davon 98 000 Francs verausgabt, so daß noch 87 000 Francs sür diesen Zweck disponibel bleiben. Wegen der Befestigungen von St. Maurice Kat der BundeSrath einen BundcSbcschluß beantragt, der ihn ermächtigen soll, die Organisation der Verwaltung und Vertheidizung der Besestigungen von St. Maurice bis aus Weiteres aus dem Wege der Verordnung zu regeln und durchzusühren. Zugleich soll dadurch der BundeSrath anfzcfordert werten, binnen einem Iabre einen Gcictzenlwurs über die betreffende Orga nisation vorzulegen. Für die Besoldung deS nothwcndigen BcamtcnpcrsonalS, sowie für die Bewachung und den Unter halt der Werke wird für das Zakr 1894 diesem Beschluß zufolge ein Credit von 50 000 FrcS. gewährt, und sür die Herstellung von Baracken zur Unterbringung von Ofsicicrcn und Mannschaften der FcstunzStruppcn nebst der SichcrbeitSbesatzung in den UnterrichtScurscn ein Credit von 80000 FrcS., sowie zur Beschaffung deS Cascrnen- InventarS für Unterkunftsräume ein solcher von 48 000 FrcS. bewilligt. Die Organisation der Gotthardbefestigung gelangte im Ständcralb zur Bcrathung, und man constatirte in ihrem Verlause mit Gcnugtbuunz, daß sich allmählich im In- und Auslände über die Bedeutung der Gotthardbefestigung eine glückliche Abklärung bemerkbar mache. Nicht aus dem Gott hard wolle die Schweiz Krieg führen, aber während sie viel leicht in der Hochebene zwischen dem Genfer See und dem Rhein zu kämpfen habe, solle Niemand ander- auf Len Gott hard in ihrem Rücken den Fuß setzen können. Der Stände rath genehmigte die Organisation der Gotthardbefestigung mit einigen ktiiwesentlichen Abänderungen in den Beschlüssen des Bunde-rathS; auch der Nationalrath hat seine Genehmigung ertheilt. Im Jahre l89l, kurz nach dem Auftreten deS eben wieder abgegangencn niederländischen Ministerium-, wurde eine aus 27 Mitgliedern bestehende ComMission ernannt, welche über die Möglichkeit und Zweckmäßigkeit der Trockenlegung der Zuidcrsce Bericht erstatten sollte. Dieser Tage bat die Commission ihre Arbeit der Oeffentlichkeit übergeben, und daS Resultat derselben ist kurz dahin znsammenzutassen, daß 2l Mitglieder sich sür die Ausführung deS Planes auS- sprachen, während 6, lediglich aus finanziellen Gründen, ein verneinendes Votum abgaben, alle jedoch den Standpunct vertraten, daß, wenn daS Werk überhaupt unternommen werden sollte, dies nur durch den Staat selbst zu geschehen habe. Der Vorsitzende der Commission war der Minister von Waterstaat, Lcly, der lange Iabre die Vorarbeiten sür den Plan geleitet hat. Auf den ersten Anblick scheinen die Aussichten auf Verwirklichung desselben durch den Rücktritt der Seele der ganzen Unternehmung ziemlich düster geworden zu sein, indessen machen sich gerade jetzt Gründe sür die Ausführung dieses Riesenwerkes geltend, die von Personcnfragen kaum berührt werden dürsten. DieseGründe sind aber sebr ernster socialer Art. Da nämlich innerhalb Iabrcsfrisl sämmtlichc größere, vom Staate unternommene Wasser und andere Baute», Canal- »nd Flußregulirungen:c. vollendet sein werden, so hört auch Erwerb und Verdienst sür viele Tausende von Arbeitern aus. und wenn der Staat hier nicht eintrilt, tan» würde das ohne dies schon bedenklich anzeschwollene Heer der Arbeitslosen in Wahrbast beunruhigender Weise vermehrt werten. Würde man 'ich also entschließen, mit der Trockenlegung eine» Anfang zu »lachen, so würde man nicht nur über ein vortreffliches und tüchtige- Arbeit-material verfüge», sonder» man würde dadurch auch einer gefährlichen Krise Vorbeugen. Allzu saugninischcn Hoffnungen darf man sich auf der anderen Seite aber auch nicht binzeben, da die Trockenlegung, die in 88 Jahren vollendet sein soll, nur eine schrittweise und allmähliche sein kann, so daß also die Vcrmchruuz der Arbeitsgelegenheit cbcnsallS nur in mäßigem Tempo slattsinde» würde. Tie Kosten sind aus 8l8 Millionen Gulden veranschlagt, während man bei der ungünstigsten Annahme aus den neu gewonnenen loo ooo Hektaren einen Erlös von 826 Millionen erzielen würde, so daß also der Staat immerhin noch ein gutes Geschäft machen könnte. Technische Schwierigkeiten stellen sich der Ausführung des Planes nicht entgegen, eS handelt sich allein um die finanzielle Frage, und zwar nicht um die Beschaffung der Mittel auf dem Wege eines Anlchens, was in Anbetracht der Finanzlage deS niederländischen Staates sicher keine Schwierigkeiten haben würde, sondern auch um die Ent schädigung der zahlreichen, bei der Zuidersecsischerci be theiligten Bevölkerung. Die letzten spanischen Rompilger sind wieder auf heimischem Boden eingetroffe», nachdem sie auf der Rückreise mit knapper Noth ihr Leben gerettet habe». Durch Ver schiebung de- Ballastes legte sich nämlich der Dampfer derart auf die Seite, daß bei dem hohen Seegang jeden Augenblick das Kentern deS Schiffes zu erwarten war. Grade zur rechten Zeit konnte man noch den Hafen von Cagliari erreichen, wo dann ein anderer Dampfer bestiegen wurde. Daß in Rom Alles glatt abgelaufen ist, ist wohl wesentlich dem Umstande zuzuschreibcn, daß von der italienischen Regierung die weise Vorsichtsmaßregel getroffen war, alle Waffen, die die Pilger mitsührten. in Gewahrsam zu nehmen Der Berichterstatter des „Imparcial" schreibt darüber wie folgt: .Vor der Ein schiffung sah ich auf dem Staden von Civitavecchia eine merkwürdige Scene. Vor der Thür des Zollamtes stand ein Tisch, an den die Pilger herantratcn und gegen Vorzeigung eines Scheines Gegenstände in Empfang nahmen, die ich nicht genauer erkennen konnte. Ich „äderte mich dem Tisch und sah nun, daß eS Waffen waren, die ihnen nach der Ausschiffung bei einer allgemeinen Durchsuchung abgenommcn worden waren: NavajaS von allen Größen, von der ein fachen „Ochsenzunge" bis zum Messer mit vier Klingen. Jeder erhielt die seinige zurück und begab sich dann a» Bord." Die Seele de- ganze» Unternehmen-, der Erzbischof von Valencia, ist zum Cardinal ernannt worden. Spanien ist nun Lurch fünf Cardinäle im heiligen Colleg vertreten, während cs bisher stets nur über vier versügt hat. Tie letzte Revolution io Brasilien hat noch ein recht fatale- Nachspiel, indem das Verbältniß der Republik zu Portugal wegen der Ausnahme Saldanja da Gama's und der ausjtändischcn Flottenmannschast aus die portugiesischen Kriegsschiffe ein äußerst gespannte- geworden ist. Wie schon telegraphisch mitgctbeilt wurde, hat Präsident Peipcto dem portugiesischen Gesandten die Pässe zuarstellt und die Abreo'e des brasilianischen Gesandten in Lissabon angeortnet. Bereits in seiner Ansprache bei Eröffnung dcs brasiliaiiischcn Congresscö hatte Peipoto dem Conflict offenen Ausdruck verliehe». Er sagte bei dieser Gelegenheit, daß Brasilien mit der ganzen Welt, ausgenommen mit Portugal, freundliche Beziehungen unterhalte. DaS gespannte Ver- hältniß zwischen Portugal und Brasilien sei durch die Ver- letziing deS Asylreck'tö seitens deS CapitainS der portugiesischen Corvcttc „Minkclio" herbcigcführt worden. Brasilien werde nicht ruhen, bis cS Genugthung erlangt habe. Zu einem Kriege zwischen den beiden Staaten wird cs nun wohl nicht komme», aber die sebr zahlreichen Interessen Portugal- wie einer in Brasilien bcsindlichcn Staatsangehörigen werden durch den Zwiespalt schwer geschädigt. Zudem batte Portugal auch noch mit Argentinien einen Conflict wegen der Wieder- einfangung entflohener Mannschaften der brasilianischen Schiffe, die aus energische Reclamationcn der argentinischen Regierung von dem portugiesischen Flottencommandanten sreigegcben wurden. So viel scheint sicher, daß Portugal nur eine inter nationale Pflicht erfüllte, als eS den Flüchtlingen Zuflucht gewährte. Die Befehlshaber aller übrigen fremden Schiffe hätten daS Gleickc« gcthan, wenn sich Saldanja da Gama an sic gewendet hätte. Waren die Aufständischen auch nicht als kriegführende Macht anerkannt, so konnten sie doch auch nicht als gemeine Verbrecher betrachtet werden, und nur in einem solchen Falle wäre die Auslieferung an die brasilianische Re gierung gerechtfertigt gewesen. Deutsches Reich. HH Berlin, ll. Mai. Der fünfte internationale Bergarbeiter Congrcß ist beute Vormittag «wie schon kur; telegraphisch gemeldet) durch den englischen UnterstaatSsecretair im Handelsministerium Burt als Alterspräsidenten eröffnet worden. Als Ucbcrsetzer der Reden sungircn zwei deutsche socialdcmokratischc Schriftsteller. Der große Concordia-Saal ist, wie bei socialdemotratischcn Congrcsscn üblick', dccorirt, an re» Galerien hängen große Kreidezeichnungen von Charles Fourier. Carl Marx, Thomas Morus, «Laint-Simon. Ferdinand Lassalle und Robert Owen. Auch der Wahlsprnch: „Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!" ist in deutscher, englischer und französischer Sprache angebracht. Schon vsr der Eröffnung deS CongresscS batten sich etwa 180 Zuhörer eingesunken, deren jeder einen ObuluS von 50 .s erlegen mußte. Anwesend waren auch die socialdemokratiscken ReichStagSabgeord- netcn Liebknecht, Singer und Schönlank. AlS Delcgirte sind angemeldet von Deutschland 40, England 89, Frankreich 10. Belgien 1 und Oesterreich 2, die auch zum größten Tbeit cingetrosfcn sind. Zunächst erhielt Singer daS Wort, der die Delcgirte» NamcnS der socialdemokratischen ReickStagS- sraction begrüßte und von dem großen Eindruck sprach, den der „Weltfeicrtag", der l. Mai, auf sie gemacht und unter dem sic sich noch befänden. NcichStagSabgeordncter Lrgien, der Leiter der Central GewerkschastScommission, sprach den Wunsch aus, daß sich die Bergarbeiter immer fester zu- iainmenschlicßen möchte», um dadurch auskömmliche Löhne und Freiheit und Gleichheit zu erlangen. Von ihnen, den Bergarbeitern, hänge daS ganze gesellschaftliche Leben ab. und wenn sic sich orgamsirtcn, dann sei das gesammte Proletariat organisirt. DaS Parlamentsmitglied Pickard, Vorsitzender des internationalen BcrgarbeitcrauSschusses und Leiter deS englischen ArbcitcrbundeS, erklärte, daß ibn die Begrüßung der Dclegirten durch die Gewerkschaftsvertreter sym pathischer berührt habe, als die der Parlaments- Feitillrtsn. 2m feindlichen Leben. ui Roman von I. Schwabe. (Fortsetzung.) c-Iachdruck »crbelkn) „Sie meint, daß dies Erdenleben nur ein Theilchcn unseres Gcsammtdaseins sei." „Und Sie?" „Ich meine cS auch. Auch mir will dies Leben für das Sterben einer edlen Mcnscbcnscele zu kur; erscheinen. Wie viele schöne Keime sür das Gute, Große bringen bessere Naturen in dieses Leben mit und wie wenigen davon ist ein Aufblühen beschicken. Ist nun Alles sür ewig vernichtet? Wird der Turst »ach Erkenntniß, nach Vervollkommnung, nach Wahrheit, so tief im Menschen ruhend nie gestillt, weil daS Erdcnlcbcn auch im glücklichsten Falle nicht dazu ausreicht? Sollten uns alle Näthsel unseres Daseins ewig ungelöst bleiben?" „Vermutbtick, ja; Sie scheinen übrigens zu den Leuten zu gekoren, die über den ewigen Rätbseln des „Lebens grünen Vaum" völlig übersehen und an seinen goldenen Früchten achtlos vorüber gehen!" Und die Baronin lächelte leise wie in tiescr Befriedigung und aus ihren schwarzen Augen fuhr ein kalter spöttischer Funken über Roses ernstes Gesicht. .Na, und was schreibt die kleine Mieze denn noch, die sich so gründlich auf ein ferneres Leben vorbereitet?" „Sie möchte mich gern noch einmal sehen vor ihrem Ende, sie bittet so flehentlich darum und ich zerbreche mir schon eben te» Kopf darüber, wie das Wohl einzurichtcn wäre!" „Sic zerbrechen sich wirklich den Kops darüber? Nun, daS ist schön! Sie denken wirklich daran? Ich muß mich sehr darüber wundern! In drei Tagen reisen wir, wie Sie sehr wobl wissen: wenn wir in sechs Wochen zurückkommen — vielleicht bleiben wir auch nock länger — wird da- Mädchen längst hinüber sein, wenn sie dock, jetzt schon anS Sterben denkt! Eine sebr überspannte Idee übrigen-, sich eine Freundin ;ur Gesellschaft zum Sterben zu verschreiben, wenn man weiß, daß diese Freundin andere Pflichten bat! Ich dachte, aus dem Sterbebette müsse man mehr Einsicht baten! — Will sie Ihnen da« Reisegeld schicken ?" .Sie denkt nicht dar»», gnädige Frau. Auch liegt meine Heimatk so nahe der ihrigen — ich könnte meine Eltern zu gleich einmal Wiedersehen, und wenn Sie in Baden ein gerichtet wären und gute Gesellschaft gefunden hätten — cs bandelt sich um wenig Tage nur und cS ist so schwer einer Sterbenden eine Bitte abzuschlagen!" „Sie hat die Schwindsucht?" .Ja" „Schwindsucht steckt an — Sie könnten sie mir leicht i»S Haus tragen!" „Die Entfernung ist doch zu groß und ich würde die größten Vorsichtsmaßregeln treffen." „Es will dennoch überlegt sein — ich vermisse Sie jetzt recht schwer. Besonders da ich die Jungfer doch nicht mit- nehmcn will — und wenn man sich einmal an Jemand gewöhnt hat. — Freilich wollte mich auch der Hauptmaun besuchen —. Aber schreiben Sie Ihrer Freundin noch nichts, noch gar nichts — das will sehr überlegt sein. — Ich möchte nicht unmenschlich erscheinen. — — Wir müssen übrigens nachher noch in die Kunstausstellung — cs ist ein neue- Bild von Uhde da und eins von Gabriel Mar. Ich liebe zwar Beide nicht, sie sind so albern schattenhaft, gespensterhaft, aber man muß sie doch gesehen haben!" Aber Rose schrieb doch einen eiligen, hastigen, kurzen Brief an Miezchen: „Ich komme, meine Mieze, ich komme! Zwar weiß ich »och nicht wann, aber ich konimc! Lasse Dein Leben«- sünklcin brennen, liebste Mieze, bis ich komme — ich komme sicher." Und dann rasch drei Zeilen von Erwin, der ihn von ihrer muthmaßlichcn Reise zu der Kranken unterrichten sollte. Daun machte sie sich sür den AuSgang mit der Gnädigen bereit. — Die Kunstausstellung war sebr besucht und sie trafen dort eine Menge Bekannte; auch den Herr Doctor Brandt und einen auSbündia gelehrten Musikprosefsor» der ibr jüngst einen langen Vortrag über den Cnlturwerth der Musik gestalten, sandcn sic vor dem Ubde'schen Bilde, sowie die Kran Geheime CabinctSräthin Excellcn; und noch einige angere Herren und Damen aus der Gesellschaft. Man freute sich unendlich, sich noch einmal vor der Abreise in die Bäder und Sommerfrischen zu sehen, man ging plaudernd von einem Saal zu andern, von einem Bild zum andern und Rose ging nur ganz mechanisch neben her und hörte eigentlich gar nicht- von dem Geplauder um sie her und schaute die schönen Bilder nur flüchtig an und dachte au die kleine Mieze und antwortete nur sehr zerstreut, wenn man das Wort an sie richtete. Da flatterte plötzlich vom anderen Ende de- Saales etwa« Lichte-, bei näherem Besehen, ein hellgrauer Sonimcrmantel, auf Rose zu und che sie sich noch recht besinnen konnte, umschlangen sie auch schon zwei weiche Arme und zwei frische Lippen drückten ikr einen herzhaften Kuß auf den Mund und nun erkannte sie klein Lulu, welche im Uebermaß ihrer Freude alle die Menschen umher nicht beachtet und lebhaft ausrics: „Nein, daS ist zu schön, daS ist reizend, daß ich Sie hier finde! Ich vergaß ja ganz, mir ihre Adresse geben zu lassen von Aline Winter, welche >a nun auch nicht mehr bei Haspe ist! Und ich bin auch nicht mehr da! Ja, und denken Sie nur, ich bin jetzt hier, seit drei Wochen schon bei Eduard Schulz in der Wallstraße! Was sagen Sie dazu? Wir, mein Lorenz und ich, hatten schon große Sehnsucht nach einander — da hat er mich heute besucht und wir beschlossen in die Ausstellung zusammen zu gehen und da muß ich Sie nun gerade treffen — ach, eS ist zu reizend! — Aber, ich habe Wohl etwa- Dummes gemacht?" schloß sie mit einem verlegenen Lächeln, als sie alle die spöttischen, boshaften, lächelnden und jedenfalls sehr erstaunten Gesichter sah. Nur die Baronin lachte nicht; ihr Gesicht erschien ganz gelb vor Aerger und Rose versuchte einen, Ausbruch desselben vorzubeugen, indem sie heiter und möglichst unbefangen sagte: „Ich bitte um Verzeihung wegen der Störung! Dies lebhafte junge Menschenkind hier ist meine kleine Freundin aus A. und so unmittelbarer Natur, daß cS ihr schwer werden würde, sich so verständig und gelehrt z» benehmen, wie eS die Schranken Weiser, gesellschaftlicher Mäßigung von uns verlangen." Lulu verstand Rose natürlich nicht. „Ja", sagte sic ganz wichtig „wir sind zusammen in A. im Geschäft von Conrad Haspe gewesen — die schöne Müllerin und ich! ES war ihre letzte Stelle." „Wer?" fragte die geheime CabinetSräthin Erccllenr und nahm ihr Lorgnon» Lulu'S reizende, elegant gekleidete Gestalt von oben bis unten zu betrachten. „Wer?" fragte auch der Musikprofeflor und sah erstaunt bald Lulu, bad Rose an. „Wer?" fragte auch Herr Doctor Brandt und klein Lulu antwortete, verwundert von Einem zum Andern schauend: „Die schöne Müllerin ? Wir nannten sie im Scherze so — führt sie den Namen nicht mit Recht?" „Und diese jung« Dame hier ist mit Ihnen zusammen in einem Geschäft gewest», als Ladenmädchen oder so etwas?" Excellenz fragt cs ganz tonlos und wirst der Baronin vor wurfsvoll fragenden Blick zu. „Ja", sagt Lulu ganz verblüfft, ob der feierlichen Rede, während E-celle»; die Baronin schneidend fragt: „Wußtest Du daS?" DaS Ganze war so komisch, daß Rose lacken mußte, trotz ihrer ernste» Gedanken. Aber Baronin that ihr leid. Diese batte natürlich nicht den Mutb zu sagen: „Ich habe mich für das junge Mädcken intercssirt; ich habe sie zu mir genommen, um sie einem Leben zu entführen, für da- sie zu gut war, aber ich hielt eS nickt sür nöthig, cS allsogleich in der Gesellschaft auSzuplautern au- diesen oder jenen Gründen ; ich bin alt genug zu wissen waS ich tbue und vertrete allezeit da- was ich tbue." So oder ähnlich hätte sie sprechen und sich und Rose gleich koch stellen können, aber sie that e- nicht. Sie stieß im bellen Aerger einige heftige Worte von grober Täuschung und Enttäuschung brrvor, denen sich edeldenkenke Menschen so leicht aussetzcn und sie stand dabei der ganze» viclcdlcn Gesellschaft so gedemütbigt gegenüber, daß Rose wirklich Mitleid mit ihr empsand, um ihrer grenzenlosen Schwäche willen. Sie »ahm deshalb klein Lulu an der Hand und sagte ernst und ruhig und doch mit so ungewollt stolzer Miene: „Wir sind i» der That zusammen im Geschäft von Conrad HaSpe in A. gewesen. Die gnädige Frau war so liebenswürdig zu glauben, daß ick i» ihrem Hause bester an meinem Platze sei, als hinter dem Ladentische: sic meinte aber, daß ich mich unbefangener in der Gesellschaft bewegen würde, wenn diese selbst nicht in das Gekeimniß meines LatcnmädchendaseinS eingeweibt sei. Ihr Staunen und Ihre Verwunderung zeigt mir, daß sie Recht daran that. Zu schämen aber habe ick mich nicht wegen jener Thalsache: Frau Baronin weiß auck. daß eS in meinem Leben keine dunkeln Flecken giebt, sonst würde sie mich gewiß nickt in ihr HanS ausgenommen haben. — ES tbut mir aufrichtig leid, daß die gnädige Frau soviel Rücksicht auf mich nehmen zu sollen geglaubt hat —" „Rücksicht für Sie", brauste die Baronin aus —, „welche Unverschämtheit! lind dann sich zusamnicnnebmend und ibre kleine Gestalt zu bobcitSvollcr Größe emporznreckcn sich be mühend, sagte sic so bohnvoll wie möglich: „Wollen Sie nicht auch den Liebsten Ihrer lbcnrcn Freundin begrüßen ?" „Gewiß, sehr gern, wenn Sie gestalten. Dieser Liebste ist übrigen- wohlbestelltcr RrgiernngSbanmeister und wird meine kleine Freundin in aller Kürze beimführen." ,WaS Sie da sagen!" höhnte die Baronin w«itrr> „U»d
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