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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.07.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-07-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940714027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894071402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894071402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-07
- Tag1894-07-14
- Monat1894-07
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Extra-Beilage» (gesalzt), »ur mit der Morgen.Aufgabe, obne PostbesSrderong 60.—, mit Postbesorderung ^l TO.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Marge n-Au-gabe: Nachmittag- 4 Uhr. Sonn- und Festtags früh ' ,9 Uhr. Bei den Filialen und Annahinestellen je eiua halbe Stund« früher. Anzeigen sind stet- an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig ^- 356, Zur gefälligen Beachtung. Unsere Expedition ist morgen Sonntag, den 15. Jnli, Vormittags nur bis Uhr geöffnet. Expedition lies I-elprlxer l^xedlattes. Sonnabend den 14. Juli 1894. 88. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig. 14. Juli. Antnüpfend an die widerspruchsvolle Mittheilung des „Hambg. Corresp." über die Organisation des Handwerks schrieben wir gestern: „Wenn überhaupt ein Sinn in diesem Widerspruch ist, so kann es nur der sein, daß die Freund« des Besähigungsnachweises es selbst in der Hand haben, den Bundesrath zur Nachgiebigkeit zu nvlhigen. Gelingt eS diesen Freunden, eine Mehrheit im Reichstage sür ihre Forderung zu gewinnen, so wird der Bundesralh aus politischen Gründen seine sachlichen Bedenken fallen lassen. Jeden- falls wird man eS nach dieser officiösen Kundgebung den Freunden des Befähigungsnachweises nicht verdenken können, wenn sie den Reichstag mit Petitionen bestürmen." Unsere Auffassung wird durch die heute vorliegende „Kreu»eitung" bestätigt. Die „Kreuzzcitung" findet die Auslastung deS „Hamb. Corr." nicht unklar; ihr scheint die selbe „den Parteien im Reichstag, die wie die Deutsch- conservativen und das Ccntrum stets daö Interesse deS Handwerkerstandes vertreten haben, den Weg sür ihr Borgehen bei der eventuellen Berathung ziemlich klar an zu deuten*. Mit anderen Worten: Für die Deutsch- conservativen und das Centrum muß jetzt die Parole lauten, einen Beschluß des Reichstags zu Gunsten des Befähigungs nachweises herbeizUführen. Angesichts dieser Sachlage ist eS dringend zu wünschen, daß die Mittheilungen des „Hamb. Corr." unzweideutig als nicht von der Regierung ausgehend gekennzeichnet werden. Sie sind geeignet, die Hoffnung eines Theiles der deutschen Handwerker auf die Einführung deS Befähi gungsnachweises und der Zwang-innung zu beleben, und darum eben wird eS zur Pflicht der Regierung, kundzugeben, daß sie mit dieser pudlicistischen Leistung nichts zu schaffen hat. Denn wie immer man über Zwangsinnung und Befähigungs nachweis denken mag, zweierlei wird man zugeben niüffcn: einmal, daß die starre Erwartung dieser Gewerbebcschränkungen die geschäftliche Energie vieler Handwerker lähmt, zweitens, daß die Aussichten, auch nur die Zwangsinnung ins Leben rufen zu können, sehr gering sind. Sollte, was uns ausgeschlossen scheint, der „Hamburger Correspondent" in diesem Falle wirklich osficiöS sein, so würde er doch »ur Auffassungen der preußischen Regierung wiedergeben. Daß sich die mittelstaatlichcn Regierungen bereits zu Gunsten der Zwangsinnung ausgesprochen hätten, ist sicher nicht der Fall, und daß sie eS thun werden, höchst unwahrscheinlich. In Bayern z. B. dürfte die Regierung ganz anders denken, als der rührige heimische Zünftler Biehl, der beiläufig be wirkt ein Gewerbe, das er gemäß der früheren bayerischen Zunftordnung erlernt, mit einem anderen vertauscht bat, das er nicht erlernt, dem er sich aber, Dank der Aufhebung der Zunftordnung zuwenden durfte. Die neuere Geschichte des Münchener und Nürn berger Kunstgewerbes, übrigens ebenso des Stuttgarter und Karlsruher, predigt so laut die Nothwendigkcit der freien Niederlassung; die technischen Fortschritte und ihre wirtb- schaftlichen Früchte sind so mit Händen zu greisen, daß die Regierung sich zur Rückkebr zu den alten Formen der Be schränkung kaum wird entschließen können. Es ist zudem sicher, daß, wen» vielleicht die bayerische Abgeordnetenkammer mit einer knappen Mcbrbeit — eine andere ist ausgeschlossen — ilirc Negierung ausfordern sollte, einen Vorschlag auf Einführung der ZwangSiiinung im Bundesrathe zuzustimmen, die Kammer der ReickSrätbe, also die natürliche und thatsächliche Vertreterin des conservativen PrincipS, mit einer an Einhelligkeit grenzenden Mehrheit den entgegengesetzte» Wunsch laut werten lassen würde. Auch von der Geneigt heit Sachsens, Württembergs und Badens zur Einführung des Zwangsinnungswesens hat man nicktS gehört. Durch die Kleinstaaten aber wird die preußische Regierung die Mittel staaten in einer solchen Angelegenheit zweifellos nicht majo- risiren wollen. Während sich die Zahl der boycotttrtcn Brauereien gemäß den Beschlüssen der Ol Volksversammlungen vom 1l. Juli mehr als vervienacht hat, ist die Zahl derjenigen Brauereien, welche sich der hiesigen Socialdemokratie zur Verfügung ge stellt haben, nach der im „Vorwärts" veröffentlichten Liste bereits von 19 aus 14 gesunken. Wenn man bedenkt, daß unter diesen 14 Brauereien fast nur kleine sind, so wird man es begreiflich finden, daß in den erwähnten social- demokratischen Versammlungen fast überall darüber Klage geführt wurde, daß die zielbewussten Genossen sehr häufig beim Genuß .von Boycott-Bier betroffen worden sind. Interessant ist auch die Miltheilung, welche ein Arbeiter in einer der Versammlungen am Mittwoch machte: daß in der boycottfreicn Brauerei von Reichenkron (Charlottcnburg) die Brauergesellcn kaum so viel Lohn erhalten, als in bcycottirten Brauereien die unge- lernten Arbeiter. ES eraicbt sich hieraus, baß die Socialdemokratie mit ihrem Boycott diejenigen Brauereien bekämpft, welche die höchsten Löknc zahlen und diejenigen be günstigt, welche die niedrigsten Löhne zahlen. Dies Alles zur Ehre der großen Partei sür Wahrheit und Recht! Die Klerikalen Oesterreichs haben seit der Ablösung der slawisch-klerikalen Aera Taaffe durch das Coalitions- ministerium Windischgrätz, in dessen ParlamentSmehrbcit die deutsche Linke den Hauptbcstandtheil bildet, ihre Schul forderungen. die ihnen am meisten am Herzen liegen, zurückgestellt. Sie haben sogar jetzt auf die Abhaltung des üblichen Katholikentages, d. h. klerikalen Parteitages, im Interesse der Eintracht in der Coalilion, die noch jehr der Befestigung bedarf, verzichtet. Bon dem ultramontancn Partei flüget und den „christlich-socialen" Klerikalen, die zu den Anti semiten halten, wurden sie deshalb lebhaft angegriffen. Nunmehr ist ihnen niemand Geringerer als der Papst zu Hilfe gekommen. In einem Schreiben an den österreichischen Episkopat billigt Papst Leo XIII. die Etatsrcde des CulluS- und Unterrichtsministers Nr. MadeySki in der Budgetdebatte, die den Extrem-Klerikalen sehr mißfallen hat. Der Papst spricht mit Ausdrücken der Anerkennung von den Grundsätzen des Unterrichtsministers MadeySki, der in seiner Rede die Er sprießlichkeit deS Zusammenwirkens von Staat und Kirche in elbischer und humanitärer Hinsicht hcrvorgeboben, aber zugleich ausdrücklich betont hatte, daß auch beim Bestände der gegenwärtigen Volköschulgesetze eine sittlich-religiöse Er ziehung des Volkes möglich sei. Das wird bekanntlich seit dem Verdammungsurtheil, daß der Vorgänger Leo'S XIII., Pius IX.. über diese Gesetze gefällt bat, von den Ultramontanen a»- daS Heftigste bestritten. Die Ultra-Klerikalen haben auch gleich nach der Rede des UnterrichtSminifterS in allen Tonarten gegen dessen Voraussetzung protestirt, daß die Partei bereit sei, sich mit den bestehenden Schulgesetzen abzufindc». Das die Ultramontancn deSavvuirende päpstliche Schreiben ist, wie die „Schles. Ztg." auSsührt, ein neuer Scbachzug jener Politik, burch welche der jetzige Träger der Tiara seiner Kirche viele verlorene Stellungen wieder zurückgewonnc» hat, und die darin besteht, daß er daS friedliche Ein vernehmen mit den herrschenden Staatsgewalten sucht und sich mit zwingenden Thatsacheu weltkluz abzufiuden versteht. In oer Aera Taaffe hat cs Papst Leo unterlassen, die österreichischen Ultramoinane» in solcher Weise zu eut- muthigen. Die damaligen Verhältnisse waren so geartet, daß sie den klerikalen Bestrebungen mit der Zeit große Erfolge zu versprechen schiene». Die Klerikale» wurden damals nickt gezügelt, sondern angeeifert, und Unterrichtöminister Gautsch, der ihnen kiel wohlwollender gesinnt war als der liberale Pole MadeySki, batte einen sehr schweren Stand gegenüber der klerikalen Ungeberdigkeit. Der Zusammenbruch der Aera Taaffe und daS Erstehen einer Parlamcntömehrheit, deren Kern die Deutschlibcralen bilden, drohte alles von den Klerikalen in der Aera Taaffe Errungene wieder in Frage zu stellen, falls die klerikale Partei außerhalb der Coalition zeblieben oder auö derselben gedrängt worden wäre, wozu eS soinmen müßte, wenn sic fortfabreu würde, ihre extremen Schulforderungcn weiter zu verfolgen. Um eine starke Zurück drängung des klerikalen Einflusses zu verhüten, stärkt Papst ?co die gemäßigte und coalitionSfreundlicke Richtung in der klerikalen Partei, der offenbar die Ausgabe zugedacht ist, durch AuSbarren in der Coalition zu verhindern, daß ihre liberalen Bestandtheilc daö Heft ganz an sich bringen. Die sranzösischc Gesetzgebung war unmittelbar vor dem tragischen Ercigniß des 2t. Juni inmitten einer Revision deS Gewerkschaftsgesetzes und einer Revision der Einkommenbefteuerung in Stockung gerathen. Nach dem die staatsrechtlichen Schwierigkeiten in Folge der Mord that von Lyon überwunden sind, entwickeln sich aus der ganzen breiten Basis der stcuer- und socialwirtbschastlichcn Fragen, die eben zurückgestelltcn Schwierigkeiten zu un- geabntem Umfange. Die in der Kammer maßgebenden Gruppen waren vor Monatsfrist beim GewerkschaftS- gesctz vor dem Einfluß der anSrangirtc», zum GastwirtbS „Berufe" iibergegangcneii Arbeiter mit zweideutiger Scheu zurückgewichcu. Der Beschluß erster Lejung, wonach nur Arbeiter, die ibr Gewerbe thatsächlich ausüben, zur Gewerkschaft berechtigt sein sollten, wurde in schwächlicher Weise dahin abgeändert, daß nur diejenigen als Personen die ihren Berus aufzeacben babcn, zu betrachten seien welche denselben 9 Jahre hindurch nicht auSgeübt haben Aber auch alle diejenigen sollten fernerhin zur Gewerk schaft berechtigt sein, die ihren Arbeiter-Beruf aus von ihrem Willen unabhängigen Ursache» ausgegcben hätten Damit wäre selbstverständlich der Einfluß jener gcwerbö mäßigen Hetzer, die wir auch in Deutschland als Flaschen bierbändler Siegel und Bunte, als Gastwirtb Zubcil und Birk, als Cigarrcnhändler Meist u. s. w. in reicher Auswahl kennen gelernt haben, gesichert; und jeder von ihnen, namentlich die ehemaligen Bergarbeiter, wissen haarsträubende Geschichten davon zu erzählen, wie sie ganz gegen ihre» Willen auö der Arbeit hätten scheiden müssen. Ehe dann die Pariser Kammer Gelegenheit hatte, in der zweite» Lesung sich zu entscheiden, nach welcher Rich tung hin sie dem Gewerkschaftswesen die Wege der Ent Wickelung bestimmen wolle, ereignete eS sich allerdings, oaß sie zunächst gcnöthigt war, über ein Gesetz zur Abwehr anarchistischer Umtriebe sich schlüssig zu mache». Wenn diese letztere Frage der Gesetzgebung entschieden ist, dürfte auch die französische Kammer daS Verlangen nach Fcrienruhe empfinden, so daß die Gewerkschaftsgesetzgebung bis zum Herbst Rübe babcn wird. Dann wird jedoch dieser Gesetz entwurf zunächst und dringlich zur Tagesordnung gestellt werde», und von nicht geringem Interesse wird eS sein, in welcher Stimmung alStann die Kammer dem socialistischen Be gehn?» »ach weitestgehender Rücksicht auf die socialistischen Gastwirthe und Kleinhändler gegenübertritt. Der Minister präsident vom Mai, der als Vertreter einer entschlossenen Tonart bei der ersten Beratbung deS GcwcrkschaftSgesetzcS zu Falle kam, ist inzwischen Präsident der Republik geworden und cheint seinen ganzen Einfluß dah-n aufzubieten, baß die franzö- ischeSocialgesetzgebunginorganischemZusammen- h an g und im großen Zuge sorlgesübrt werde. Von ihm geht der Gedanke auS, eine allgemeine Arbeiter-Pension gesetz lich einzurichle», der ebenfalls schon zu den Umriffen und Grundzugcu eines Gesetzentwurfs gereist ist. In Verbindung mit der raschen und wie man wohl sagen darf nachdrücklichen Abwehr deS Anarchismus, welche soeben gesetzlich und durch die Verwaltung in Frankreich organisirt wird, gewährt dies immerhin den Eindruck, alö ob die Republik in diesen Zeiten schwerer Heimsuchung sich der StaatserhaltungSpflichten und der socialrcformatorischen Aufgaben deS modernen Staates gleichermaßen bewußt wäre. Sie kau» recht wohl einen Beweis dafür erbringen, wenn sie in der obcnberührten Frage der Gewerkschaflsverfassuug an dem Eindringen nicht zuständiger, lediglich der Aufreizung und Vcrbctzung dienender „Führer" vorbcugt, also den Arbeitern eine Selbstverwaltung ibrcr Interessen anheimstellt, und wenn sie andererseits zum Schutze der Arbeiter gegen unverschuldete Noth endlich diejenige Belastung der Pro- duclionS kosten riskirt, die i» Deutschland im Lauf der letzte» zcbn Iabrc fast schon bis au die äußerste Grenze der Möglichkeit der Production auferlcgt sind. Allerdings muß anerkannt werde», das; die gegenwärtigen Kinanzschwierig- kcitcu und daS uuverbältnißniäßizc hohe Maß Steuerdclastung in Frankreich die Möglichkeit der Durchführung besonders zu erschweren scheint. Aber eS wird wobl auch richtig sein, daß bei Fortdauer der gegenwärtige» socialwirthschasllichen Zu stände die Protuetivilät und damit auch die Stcuersähigkeit deS Landes nur zurückgehc» könne. Tie Anuabine des deutsch-französischen Abkommen'.» über das Hinterland von Kamerun in der Pariser Tcputiricnkammer gicbt dem ossiciösen „TempS" Anlaß, nochmals zu betonen, das; bei allen den Verhandlungen, welche dem Abschluß dieses Vertrag» vorangegangen seien, die deutsche Regierung die größte Loyalität an den Tag gelegt habe, wie dies ja auch in dem Bericht« Francis Charmes' zu Tage getreten sei. DaS Blatt fügt hinzu, diese Bcobachtniig dürfe »m so mcbr hervorgehobcn Werken, alö Frankreich zu bäufig bei befreundete» Regierungen und solchen, die Anlaß hätten, sich geleisteter Dienste zu er innern, „einen charakteristischen Mangel a» Höflichkeit con- statirc» müsse". Wobin diese Spitze zielt, ist nicht im erste» Augenblick klar. Italien und England werde» im ossiciösen Frankreich schwerlich zu den „^o»voinvn>o»t8 cköolsrös umis' gezählt werden, eS scheint also, daß man mit dem Benehme» Rußlands nicht zufrieden ist, mit dem man übrigen« in der Bekämpfung dcö englisch italienischen Abkommens Hand in Hand gehen will. Dabei scheint man in Paris daraus zu rechnen, daß durch den gcnaiiu'.cn Vertrag außer de» Interessen Frankreichs und Rußlands auch solche Deutschs landü berührt würden, und daß daher zur Regelung der infolge jcncö Vertrages ausgetauckten Fragen Unterhand lungen zwischen de» bctbciligtcu Mächten cingeleitct werden könnte». Von deutscher Seile ist jedoch bereits unzweideutig erklärt worden, daß man gegen ras betreffende Äbkommcn nichts einznwcudcn habe. Die gerühmte Loyalität kann daher FeniHetsn. Die alte gute Zeit. Eine Erzählung aus Niedersachsen von Greg. Samarow. 25j Nachdruck »erbeten. (Fortsetzung.) „Sich selbst und ein anderes Herz dazu", warf der Thierarzt ein, „daS doch Wobl noch etwas mehr gelitten haben mag als Sie; denn es mußte verkümmern in enger Haft eines beschränkten Daseins, während Ihnen daS große weite Leben und aller Glanz und alle Ehre der Welt Ersatz boten sür einen weggeworscnen Traum. Doch nichts für ungut, Herr Graf» daS ist nicht meine Sache, daS gebt Ihr Gewissen an. Sie wissen ja, daß ick, nie verurtheile und daß ich Ihnen ein treuer Freund fürs Leben gewesen bin. — Nun also — jenes Kind, von dem wir sprechen, bei dem ist eS ander- geworden, sie hat eine Noth, eine große Noth, sie braucht einen Freund, der mit mächtiger Hand ihr helfen soll und der es auch vermag, darum rede ick, darum muß ich mein Wort, da» ich Ihnen gab, erfüllen." „Nun, jenes Kind?" fragte der Gras, angstvoll in des ThierarzteS Gesicht blickend. „DaS arme Herz", sagte Bergen, „das einst so warm und so hoffnungsvoll schlug wie daS Ihrige, hat in frommer Entsagung die Einsamkeit ertragen — jenes Mädchen, daS ich einst bleich und zitternd von Ihnen Abschied nehmen sab, ist ein treue- und sorgsames Weib geworden und geblieben biS »um Ende — ihr Mann war der GcrichtSschreiber Morstein und ihre Tochter ist die Nichte des Dechanten von Landersen, jenes bleiche, zarte Mädchen, das Tag und Nacht das Leben Ihre- Sohnes behütet." „O mein Gott", rief der Graf, das Gesicht mit den Händen bedeckend — „darum also, darum", sagte er kraftlos in einen Sessel niedersinkend, „darum bewegten mich die Blicke ihrer Augen so rätbselhaft!" „Nun, Herr Gras", fuhr der Thierarzt fort, „die arme Anna ist nicht in Sorgen um da» tägliche Brot, aber sie ist in Noth um höheres, um heiligeres — sie liebt, wie ihre Mutter einst liebte, und wird geliebt, wie ihre Mutter einst geliebt wurde, aber da steht die Welt dazwischen mit ihrem kalte« Stolz und ihrem starren Hochmuth, wie sie einst zwischen Ihnen und der armen Todteu stand, und diese Noth und dieser Kummer bricht ihr das Herz. Vielleicht wird sie nicht so stark sein, wie ihre Mutter eS war, der aber, den sie liebt, der wird vielleicht stärker sein, als Sic eS einst waren, er wird vielleicht meinen, daß eS nicht die wahre Kraft sei, sich der Welt zu beugen, sondern ihr zu trotzen, er wird vielleicht denken, daß der Liebe des warmen Herzens, die ja von Gott kommt, höhere Pflichten gehören, und dann wird eS doch immer ein großes Unbeil geben, er wird der Welt verloren sein und sie? Ihre Mutter nahm daö Leben auf sich in einsamer Entsagung — sie wird vielleicht wie eine geknickte Blüthe dem Tode sich beugen. DaS, Herr Graf, ist die HcrzenSnoth deS armen KindeS — ich kann ibr nicht Kelsen, meine Macht ist da zu Ende, darum komme ich zu Ihnen, wie Sie es mir besohlen haben, und sage Ihnen: jetzt ist »ilfe nöthig, jetzt bedarf sie eines Freundes, eines warmen reundeS, nicht mit dem Munde, nicht mit der Hand, sondern mit dem Herzen. Ich habe meine Schuldigkeit getban, tbun Sie jetzt, was Gottes Stimme, die ja in jedes Menschen Brust spricht, Ihnen befiehlt." Der Graf saß lange schweigend da und blickte starr vor sich nieder. „Und", sagte er dann, den Tbicrarzt mit durchdringndcm Blick fixirend — „was meinen Sie, daß diese Stimme mir sagen wird und sagen soll?" „DaS weiß ich nicht", antwortete Bergen. „Gottes Stimme spricht zu jedem Menschen durch das Sprachrohr seiner eigenen Seele. WaS ich meine, das ist dasselbe, was ich damals gemeint babe, als am WaldcSrande da drüben die Arme, die nun unter der Erde rubt. Ihnen mit thränenden Augen und brechendem Herzen nachsab, gerade so wie jetzt die arme Anna auf daS bleiche Gesicht Ihres Sohnes nicderblickt, besten Leben sie tapfer und treu gegen den Tod vertheidiqt hat." „Sie sind hart. Bergen." ' „Nur auf hartem AmboS schmiedet man das Eisen, und harte Feilen geben dem Edelstein sein Licht und seinen Glanz." Ter Gras ging mit großen Schritten auf und nieder. Dann blieb er vor dem Thierarzt stehen und sagte: „So schätzen Sie mich dem festen Eisen und dem edlen Gestein gleich?" „Thäle ich daS nicht, Herr Graf, so würde ick Sie nicht achten und ehren, wie ich eS Ihne, so wäre ich nicht Ihr treuer und ergebener Freund geblieben durch all die Iabre, — habe ich je etwas von Ihnen verlangt, habe ich mich jemals ehrsüchtig zu Ihnen gedrängt, Herr Grass? — Wer wie ich nicht» will, der meint c- ehrlich." Der Gras drückte ihm die Hand. „DaS thun Sie, Bergen, aber der Mensch stcbt wie der Baum, da, wohin ihn Gott gepflanzt, und er kann nicht andere Blüthen und Früchte trage», als er sie aus seiner Nalur hcrvortrcibt." Wieder stand der Graf eine Zcitlang. sinnend. Dann blitzte sein Auge wie drohend auf. Heftig fast und rauh rief er: „Und wenn ich fest und bart sein konnte wie daS Erz, daS edle Gestein — warum soll mein Sohn weich und schwach sein — warum soll er nicht können, WaS ich gekonnt, und warum soll die Tochter nickt leiden, WaS die Mutter hat leiden müssen — was würde jene sage», wenn sic herabblickcn köynte, und wenn sie dann säbe, daß ich jetzt weich bin. während ich damals hart war? Bei Gott, vor meinem eigenen Gewissen könnte ich daS Leit, das ich ibr auserlegte und das >ch selbst ans mich nahm, nicht mehr verantworten, wenn ich jetzt in weichem Sinne verurtbcilte, WaS ick damals that, wenn ich die eiserne Nothwendigkcit, die mich zwang, nicht mehr anerkennen wollte." „Vergangene Schuld, Herr Graf, läßt sich nicht ungeschehen machen, aber sie läßt sich sühnen, und die Sühne ist die Ver söhnung und die Vergebung — da schwindet der Fluch." „Ter Fluch!" sagte der Graf finster, „ja, ja, eS ist ein Fluch, ein furchtbares Berhängmß, daß mein Sobn diesem Mädchen begegnen mußte. Aber nein", ries er dann, sich stolz und hock ausrichlend, „nein, eS ist dennoch kein Fluch! — Wo wären die alten Geschlechter, die stützenden Berge der Gesellschaft, wenn sie nicht von Geschleckt zu Geschlecht stark und muthig auswärts gestiegen wären per nspera »ck »stra, unbekümmert, ob bier oder dort im brennenden Glan; der Sonnenhöhe eine vergängliche Blütbenlaude verdorrt. Nein, Bergen, nein, eS kann, eS darf nicht sein! — WaS ich sür jenes Mädchen thun kann, soll geschehen — fordern Sie das Kostbarste, daS Höchste, ich werde nicht zögern, aber da« Eine nicht, und sollte mein Sohn auch heute noch meinem Willen trotzen, er wird sich zurechlsinden, der Geist seiner Ahnen wird mächtig werden in ibm, sund er wird tragen, was ick getragen habe." „Für die arme Anna, Herr Graf", sagte der Thierarzt ausstebcnd, „fordere ich nicht«, nichts, als das Eine, WaS Sie ihr nicht geben wollen." „Was ich nicht geben kann", fiel der Graf ein. Der Thierarzt fuhr fort: „Sie bedarf nicht- und ich schwöre Ihnen, sie weiß nicht» von dem Allen, nichts von dem verbängnißvollcn Band, daS sie mit Ihnen vcrkuüpst, nichts davon, waö ich Ihnen heute gesagt. — Ick bade meine Schuldigkeit getha», ich bin ge kommen und babe Ihnen gesagt, daß jene« Kinv mit schwerer Noth ringt und einer helfende» Hand bedarf, das Uebrige ist Ihre Sache." Er »ahm seinen Hut und wollte geben. „Bergen", sagte der Graf, „bleiben Sie — hören Sie!" „Nein, Herr Graf, ich bleibe nicht, ich höre nicht. Zu sagen habe ich nichts mehr, rathcn darf ich nicht und will eck) nicht und bitten kau» ich nicht. — Der Gras von Bergholz muß wissen, was er seinen Ahnen und seinem Stolz und was er der Erinnerung an seine Liebe und der Hoffnung aus seinen Sohn schuldig ist." Mit kurzem Gruß hatte der Thierarzt das Zimmer ver lasse». Der Gras stand allein. „Der Erinnerung an meine Liede, der Hoffnung aus meinen Sohn!" sagte er finster, „und WaS bin ich mir schuldig und Derjenigen, deren Bild jene Erinnerung wieder vor mir auf- slcigen läßt? WaS sic gelitten und wa« ick durchgekämpft, soll eS verloren sein, wenn ich jetzt in weicher Rührung meine eigene Vergangenheit mit der «chuld eines Verbrechens belaste." Er trat an seinen Schreibtisch und in Gedanken versunken nahm er wie mechanisch den ersten der dort liegenden mit der Morgenpost cingcgangeiien Briefe. Es war ein Schreiben deS Domherrn von Ledebur, welcher millheille, daß Seine königliche Hoheit tcr Herzog vcn Cambritge in acht Tagen dem Fürstbischof seinen Betuch angekündigt babe. Der hoch- würdigste Herr wolle den Herzog mit aller ibm gebührenden Ekrc empfange» »nt wenn er auch nicht mehr als Fürst und Lehnsherr seinen Hof halte, so hoffe er doch, daß der Graf und die Gräfin ihm die Freute »lachen würden, bei ihm zu erscheine», um an der Spitze deS Adels deS HockstislS HildcS- beim mit ihm den Vertreter deS Königs von England und Hannover zu begrüßen. „Ich kann die Bitte nicht abschlagen", sagte der Graf, nachdem er das Schreiben gelesen, „eS wäre unartig gegen den würdigen fürstlichen Prälaten und auch eine Unart gegen den Herzog, wenn auch in dieser Zeit mein Herz sich nach Einsamkeit sehnt. — An der Spitze des Adels tcS HochstistS HildeSbeim — ja, ja, da ist mein Platz, der Platz, den mir mein Name und die Geschichte meines Hause» giebt und den gar Mancher mir beneidet, aber Niemand zu bestreiten wagt. />
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