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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.07.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-07-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940716020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894071602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894071602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-07
- Tag1894-07-16
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Vy»-S-Pre» tz« »«pterpeditio« oder de» t» Sickd». »kr «d de» Bororlen errichtete« An«- « I» «» K ^ I 1 7 4 .^1, Abend-Ausgabe. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- vnd Geschäftsverkehr. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reclamen unter dem Redactionsstrlch (4 g» spalten) 50-H, vor den Familiennachrichte» (6 geipal len) 40 >4- Lrvher» Schriften laut unserem Preis- verzetchniß. Tabellarischer und Zissernsatz nach höherem Tarif. Ertr«»V»tlagr» (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe. ohne Posibesörderung >4 60—, mit Postbessrverung ^ 70.—. Annahmeschlub für Anzeige«: Abend-Ausgabe: Bormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Sonn- und Festtag- früh '/,9 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine Halde Stunde früher. Anzeigen sind stet» an di« Srtzedtttaa zu richten. Druck und Verlag von <k. Polz in Leipzig ^-359 Montag den 16. Juli 1894. politische Tagcsschau. * Leipzig. 16. Juli. Da< „Berliner Tageblatt" bringt in seiner heutigen Nummer folgende Deutschland angehende Meldung zur korea nische» Angelegenheit: „In der hiesigen chinesischen Gesandtschaft wurde, wie wir ersahren, vor drei Lagen »in Telegramm au- Peking empfangen, laut welchem England, Frankreich, Rußland und Deutschland die Vermittlung in der koreanische» Streitfrage gemeinsam übernommen Hütten. In Folge dessen glaubt man in hiesigen chinesischen Kreisen nicht »«ehr an die Wahrscheinlichkeit eine- Krieges mit Japan, sondern vielmehr an da- Zustandekommen einer Ver ständigung." Daß die Reichsregierung der koreanischen Verwickelung nicht „mit den Händen in der Tasche" zusehen werde, ist an dieser Stelle vor einigen Tagen schon angedcutet worden. Vielleicht ist die obige Meldung der richtige Kern jener sonderbaren Nachricht, welche die „Jnd. belge" jüngst aus Berlin sich melden ließ. Danach sollte die englische Regierung den Wunsch geäußert haben, in den vstasiatischen Wirren vo» der deulichen Regierung diplomatisch unterstützt zu werden aus Grund einer geiiieinsam zu vereinbarenden Operationsbasis; das Londoner Habinet werde in einem solchen Entgegenkommen TeulschlandS eine Eom pensalion sür die loyale Hallung Großbritannien- in der Eongo- streitfrage sehen. Wir haben schon neulich geäußert, daß wir trotz aller Erfahrungen, die man mit englischen Staats männern hat machen müsse», da« englische Eabi»et einer solchen Taktlosigkeit nicht sür fähig halten. Bon einer „Eompensation", welche die deutsche Regierung der englischen wegen der Congostreitsrage schuldig sei, kann im Ernste gar nicht die Rede sein. Das Reich hat gegenüber dem vertrags widrigen rnglisch-congolesischen Abkommen lediglich fein guics Recht gewahrt. Irgend ein Grund, für die in diesem Falle durch die Sache und die Berhältnisse gebotene Nach giebigkeit Englands sich erkenntlich zu zeigen, liegt schlechter dings nicht vor. Aber auch im Allgemeinen besteht für Deutschland nicht die geringste Veranlassung, der englischen Jnteressenpolilik dienstbar zu werden, vor Allem nicht in der koreanischen Streitfrage. Wollte Deutschland liier die diplo matische Unterstützung Englands auf Grund einer mit dem englischen Eabinel vereinbarten LperationSbasi- gewährleisten, so hieße das von vornherein gegen Rußland, das bekannt lich hinter Japan steht, Stellung nehmen. Daß die deutsche Diplomatie diesen Fehler um der schönen Augen England- Willen begehen wirb, glauben wir gerade wegen de« Aus- gange-, den die englisch-conHolesische Angelegenheit genommen hat, nicht befürchten zu muffen. Zn den Abtrünnigen, die im vorigen Jahre dem EentrumS- diplomaten I)r. Liebe» die Heeresfolge aufsagtcn, gehört be kanntlich auch der westfälische Bauernkönia, Freiherr von Lchorlemer-Atst. Er hat sich wegen der Militairvorlage vom Eentrum getrennt und ihm nach der Auflösung de- Reichstage- in einigen westfälischen Wahlkreisen bejondeee Eandidaten entgegengestellt. DaS kann ihm der radikale UltramontaniSmu» »i Westfalen nicht verzeihen. Als daher die in Bochum erscheinende ultramontane „Wests. VotkSztg." hörte, daß der Kölner LocalauSschuß für den Katholikentag Herrn von Schorlemer eingeladen habe, aus dem Katholikentage in öffentlicher Versammlung zu sprechen, unv baß dieier bereitwilligst zugcsagt habe, sprach sie die Erwartung a»S, daß der Kölner LocalauSschuß bei „diesem heillcn Punkt" mit größter Vorsicht und Umsicht zu Werke gehen werde. Daraufhin greisen jetzt die „Germ." und die ultramontaae „Köln. Volkszta." dir „Wests. BolkSztg." gemeinsam an. Die „Germ." schreibt: „Die Generalversammlungen der Katholiken Deutschland- sind kein« politischen Parieiloge, sie tagen unter der katholischen Devise: „1u uoeeErll» unitu», in ckubu» lldertn», in omni du, oarilna." Mag Freiherr v. Schorlemer-Alst im vorigen Jahre in seiner Stellungnahme zur Militairvorlage und in der Ausstellung von Gegenkandidaten gegen die Eandidaten de- Eentrum- in der Provinz Westfalen im Gegensatz zur Lentrum-partet sich befunden und manchem treukatholiichen Herzen bittere- Leid verursacht haben, so ist da» kein Grund, ihn von der Theil- »ahme an den Generalversammlungen der Katholiken Deutsch land- auszuschließen. War doch auch im vorigen Jahre Frhr. v. Schorlenier-Alst zur Würzburger Generalversammlung in aller Form eingeladen, wenngleich er dieser Einladung keine Folge leisten konnte, und sich entschuldigt». E- hat dieser Angriff aus Frhr». v. Schorlemer-Alst in der „Wests. Volksztg." nicht nur in den west» -tischen, sondern auch in den rheinischen Blättern sogleich di» chärfste Zurückweisung ersahren und weithin große Entrüstung her- vorgerusen, was sehr begreiflich erscheint. Die Stellung der Eentrum»- presse in diesem von der „Wests. BolkSztg." mit unglaublicher Tact- losigkeit geschaffenen „Streitfall" ist eine einmüthig veruriheilcnde." Der Eifer, mit dem hier dem Abtrünnigen die Hand der Versöhnung ei.tgegengestreckt wird, läßt daraus schließen, daß die teilenden Geister de- Eentrum- sich mit der Hoffnung schmeicheln, Herrn von Schorlemer-Alst, und mit ihm die Ballestrem, Huene, Schalscha und Genossen, wiederzugewinnen, den Riß im EentrumSlurm wieder zu verkleistern. (Kauz grundlos scheint uns diese Hoffnung nicht zu sein. Freiherr von Schorlemer hat bereitwilligst zugesagt, aus dem dies jährigen Kotholikentage zu sprechen — während er im vorigen Jahre dir Einladung zum Katholikentage ablebntc. Sehr möglich, daß Iw. Lieber, mit der BunteSrath-entschridung bezüglich der Redemptoristen in der Hand, trotz all' der voraugegangencn Mißerfolge vor dem Frhrn. von Schorlemer wieder Gnade findet. Auf diese Weise könnte die Spaltung im Eentrum, von der man vielfach heilsame Wirkungen sür unser politisches Leben sich versprach, wieder einmal beseitigt werben. Da« hätte mit seinem Votum der Bundesrath gethan l Die parlamentarische Lage in Englnnd ist noch fast die gleiche, wie zu Beginn de« Ministeriums Rosebcry: die Regierung hat immer noch keine feste und sichere Majorität und muß sich fortgesetzt mit den denkbar kleinsten Mehrheiten begnüge», um sich am Ruder zu Hallen. Immerhin muß man zugestehen, daß dem Eabinet doch eine längere Dauer beschirden ist. als es anfangs den Anschein halte. Es wird da- natürliche Ende der Session erreiche» unv bis dahin schwerlich noch eine Niederlage erleiden. Fast zwei Jahre sind nun die vorgeschrittene» Liberalen am Ruder, ohne im demo kratischem Sinne mehr geleistet zu haben, als elwa eine au- Whig- der alten Schule bestehende Regierung ebensalls zu Wege gebracht haben könnte, und doch halten die Ministeriellen trotz aller von Zeit zu Zeit hervorgetretene» Anzeichen von Mißmuth noch zusammeu. Rosebery versteht c» eben vor züglich, aus zwei Schultern zu trage» und durch neue Ver sprechungen und Abschlagszahlungen seine politischen Gläubiger zu beruhigen und bei Geduld zu erhalten. UebrigenS sind die Anhänger de-CabinetS recht bescheiden geworden; so haben sich am Donnerstag die Walliser Secessionisten durch das Versprechen versöhnen lasse», daß die Enlstaatlichung der Walliser Kirche zu allererst in der nächsten Session an die Reihe kommen solle. DaS Versprechen mußte allerdings besonders feierlich gegeben werden; dafür hebt es sich aber thatfächlich selbst wieder auf; denn auch die Autiparnelllten galt eS zu beschwichtigen, und diese» ist daher verheißen worden, eine neue irische Landbill solle in der nächste» iLrssion zuerst aus die Tagesordnung gesetzt werden. Um den Widerspruch auS- zuglcichen, wurde schließlich erklärt, die beiden Vorlagen sollen >»>i passu gefördert werden. Bedenkt man aber, daß dies chon in dieser Session mit der Walliser Kirchenbill und der -orlagc zu Gunsten der auSaetriebenen irischen Pächter ge- chehen sollte, und daß schließlich doch nur die letztere noch zur weiteren Verhandlung kommen wird, so kann man sich etwa denken, wie eS in der nächsten Session gehen wird; lehen hinter jeder auf Irland bezüglichen Bill doch 80, hinter der Walliser nur 30 Stimmen, auf weiche Rücksicht zu nehmen ist. Da- sind keine gesunden Verhältnisse. Ueber da- gegen den Kaiser von Rußland geplante jüngste Attentat werden noch folgende Einzelheiten gemeldet: In der Kirpitschnaja in Petersburg wurde ein polnischer Student, Lehrer bei den Kindern einer hochgestellte» Dame, aut welchen gelegentlich anderer kürzlich vorgenommer Ver haftungen Verdacht gefallen war, verhaftet, nachdem eine während seiner Abwesenheit i» seiner Wohnung adgehaltenc Hausdurchsuchung daö Vorhandensein einer Bombe englischen Materials und des dazu gehörigen Sprengstoffes ergeben halte. In der Wohnung wurden ferner ei» anderer Student und ressen Schwester, auf welche die Polizei schon längst ahndete, gefunden und verbastet. Die jetzt aufgesundene Bombe ist die dritte auS England nach Petersburg gesendete, von der Polizei gefundene u»d beschlagnahmte. Nach der vierten — nach der Melkung der Londoner Polizei wurden nämlich auS London vier Bombe» nebst Spreng stoff nach Petersburg befördert — sucht die Polizei eifrig. Die Verhafteten wurden nach der Festung Schlüssel burg gebracht. Hier befindet sich auch die Mehrzahl der früher Verbasiete». Die Untersuchung wird sehr geheim be trieben. Dieselbe hat zur Evidenz erwiesen, daß ei» Anschlag aus das Leben de-Zaren für verschiedene Gelegenheiten vor gesehen war. Auch bei Borki befürchtete man eine neue Katastrophe bei der Einfahrt der Züge und der Einweihung der Erlöser-Eapelle. Dank dem uinfichtigtn und rücksichts losen Eingreifen General Tscherewin'S wurde jedoch einem etwaigen Unglücke rechtzeitig vorgebeugt. In Petersburg ist General-Lieutenant v. Wahl unermüdlich »nd mit Erfolg thätig, so daß die nihilistische» Drohungen, die bevorstehenden Festlichkeiten würden fürchterlich enden, gewiß nur leere Drohungen bleiben werde». — Auf die sittliche Entrüstung, mit welcher der englische Premierminister die Anklage SaltS- bury'S, England sei der Herd aller antidynastischen Ver schwörungen unv dir Armaturwerkstätte de- Anarchismus, vor wenigen Tagen zurückwicS, fällt durch die Entdeckung, daß nicht weniger al» vier Bomben, die sür den Zaren geladen waren, au» London den Weg nach Petersburg gefunden haben, ein recht bezeichnende- Licht. Die vom norwegischen OdelSthing bekanntlich an- enommenen Vorschläge der Storthingcommission, «treffend dicUmgesialtilng des gegenwärtigen unionellcn EonsulatSwesenS, gehen i» ihren wesentlichsten Puuclen dahin, daß eine große Anzahl der jetzt bestehenden schwedisch- norwegischen Eonsulate in Europa, in Anbetracht de» geringe» Nutzen-, den dieselben Norwegen bieten, auf gehoben werden soll, während andererseits im Interesse de» norwegischen Handels eine Vermehrung der Eon- sularvertrctuiige» in Amerika Platz zu greifen hätte. Unter de» Eonfulaten, deren Streichung der Ausschuß be antragt, siguriren diejenige» in Kopenhagen, Hclsingör, Lübeck, HelsiugfvrS. Riga, Lcitb, Antwerpen, Lissabon »nd Genua. Allerdings möchte der Ausschuß auf eine consularische Ver tretung Norwegens nicht in allen der genannten Städte voll- tändig verzichten, sondern empfiehlt sür Antwerpen, Lissabon nd Genua die Ersetzung der Eonsulate durch Viceconsulate. Die von dem AuSschufse in» Auge gefaßte Reducirunz der EonsulatSposlen, beziehungsweise deren Umgestaltung in Eonsular-Vertretungen niedrigeren Range-, würde elbstverständlich auch eine bedeutende Verringerung LeS gegenwärtig im Eonsulardienste verwendeten Beamtcii- prrsvnalS zur Folge habep. Zur Zeit zählt dieses Personal 758 Functionaire, von welchen 618 durch de» chwebischen Minister des Auswärtige», allerdings erst nach erfolgter Berathuug mit der norwegischen Regierung, ernannt werben. Was die Kosten der zu einer ausschließlich nor wegischen zu gestattenden Eonfularvertretung betrifft, berechnet der Ausschuß diesetbeu mit ungefähr 579 000 Krone». Hierzu würde der Staatsschatz 153 000 Kronen beijiUraaen haben, somit annähernd die gleiche Summe, welche Norwegen gegenwärtig zur Erhaltung der gemeinsamen chwedisch-iiorwcgifchen Eoufutar-Vertretung beisteuert. Der Restbetrag wäre durch Abgaben der SchiffSrdekereien zu decken, welche ca. 20 Oerc per Tonne für Segelschiffe unv ca. 60 Lere per Tonne für Dampfschiffe zu entrichte» hätten. Der Ausschuß zieht dem Wunsche Ausdruck, daß die Neu ordnung des EousulatSwesen« schon am 1. Januar 1895 in Kraft trete. Wir haben den bulgarischen Nachrichten von den bei jeder Gelegenheit in Sofia sich wiederholenden Demon strationen gegen Stambutow wenig Bedeutung bei gemesse», sie gehe» von Gegnern des gestürzte» Ministers aus und verfolge» lediglich den Zweck, glaube» zu mache», der Schöpfer Bulgariens habe sich als ein solcher Schurke ent puppt, daß eS kaum »och möglich sei, ihn vor der Wuth der Bevölkerung zu schützen. Jmiuerhin konnte die Stetigkeit, mit welcher diese Nachrichten von Sofia aus in dzc Presse lancirt wurden, bei den der Verhältnisse Unkundigen die Meinung erzeuge», eS müsie doch etwas a» der Sache sein, »mal gegcntheilige Meldungen bisher nicht Vorlagen, lm so werthvvller ist eine ossiciöse Sofioter Mit- tbeiluntz der „Pol. Eorr.", welche betont, daß jene Demonftratione» nicht aiinähernd von dem Belang seien, wie eS von gewisser Seite dargestcllt wird; so sei eS z. B. notorisch, daß die jüngsten Kuiidgcbungc» vor Stamhulow'S Hau- ausschließlich von unreifen Burschen ausgesübrt wurden, gegen welche man selbstverständlich nicht mit Waffen gewalt habe cinschrciteii könne». Keiner der Thcilnchmer an de» Loyalität- Kundgebungen vor dem Palais und jür de» Ministerpräsidenten hätte etwas mit dem lächerlichen Spectalet vor Stamhulow'S Haus zu thun gehabt. — Mittlerweile fährt der „Otb Gentleman" der Bericht erstatter der „Nowoje Wrem ja" mit seinen Mittheitungen auS Sofia fori. Auf dem Bahnhose wurde „Old Gentleman" dem Prinzen Ferdinand vorgestcllt und hatte mit ihm ein Gespräch, woraus nach der „Köln. Zkg." Folgendes hervorzuhebeil ist: Der Berichterstatter sagte, geschichtliche Fehler seien nicht durch einen Federstrich zu verbessern, und die Harmonie zwischen zwei cnlzweiten Staaten werbe nicht in einem Tage hergcslellt. Der Prinz erwiderte, die Slirn in Falten legend: „Ich leugne nicht, daß Rußland viel ltrjache zur Unzufriedenheit in den letzten acht Jahren batte. Man forderte e- heran» und reizte cs ohne jeden Anlaß. Verschiedene Male sagte ich z» Slanibulow, dag eS so nicht ginge; doch verhallte» meine Worte wirkungslo-." — „Ich kann Hoheit nicht verhehlen, daß der Sturz Stamöulow» aus die ruisische Gesell schaft einen äußerst angenehmen Eindruck machte." „Die russische Gescllichait lhnt rechl, Slambuioiv nicht zu lieben! Warum aber war sie stet» gegen mich? Slambuivw war «S, der Rußland Die alle gute Zeit. Eine Erzählung auS Niedersachseu von Greg. Gamarow. 26s Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) „Und Sie, bochwürdiger Herr", fragte der Graf, „Sie verurtheilen mich?" „Ich verurtbeite Niemand, Herr Graf, der nicht gegen Gotte- Gesetz bandelt und mit seinem Gewissen im Reinen ist." „Da« bin ich", sagte der Graf ernst und stolz, „aber dennoch bedauere ick Die, welche unter dem für mich un erbittlichen und unabänderliche» Gesetz leiden müssen." Der Dechant antwortete nicht-; er schien jede weitere Erörterung adlebnen zu wollen. Die Gräfin kam. „Ich war einen Augenblick bei Ihrer Nichte", sagte sie, „dem guten Engel unsere« Hause-, icb empfehle sie Ihrer Sorgfalt noch mehr als meine» Sch», ibi» wird wobt die gute alte Johanna genügen, aber die arme Anna ist erschöpft von brr langen Unruhe und dem langen Nachtwachen." „DaS wird sich geben, Frau Gräfin; wir find hier auf dem Lande nicht verwöhnt", erwiderte der Dechant, „ich dedaurc nur, daß ich Ihne» in meinem einfachen Hause nicht mehr Bequemlichkeit habe bieten können." Die Gräfin drückte ihm dir Hand. „Ihr Hau«, bochwürdiger Herr, ha« mir mehr geboten und gegeben, als ich je in der Welt gesunden, und Sie werden mir ertauben, Sie und Ihre Nichte wiederzusehen." Der Dechant verbeugte sich und begleitete den Grasen und die Gräfin zum Wagen, an dessen Schlag die alte Johanna stand, mit unendlich liefen Knicksen sich von der Gräfin ver abschiedete und mit feierlicher Belbcuerung versprach, sür den jungen Herrn Baron zu sorgen. daß ihm nicht« adgeden solle. AlS der Dechant in sein Zimmer zurückgekehrt war, athmetr er erleichtert auf. „Ich danke Dir, mein Gott", sagte er, die gefalteten Hände erhebend, „daß Du die- junge Lebe» hast erkalten wollen — ich danke Dir auch", fügte er so recht von Herzen hinzu, „daß Du mir den Frieden meine« Hause« wirdergegeden bast, führe Alle» glücklich hinaus und segne und behüt« un« Alle!" Er zündete sich seine Pfeife an und setzte sich mit einer Behaglichkeit» wie er sie lange nicht tmpsunden, in seinen ustuhl nieder. Aber er sollte die Ruhe nicht lange genießen. Die Thür öffnete sich, und Anna trat ein. Sie war bleich und ernst; aber ihre Haltung war fest und sicher. Auf ihren, Gesicht lag eine stille, last heitere Ruhe. „Du hast viel au-gestanden", sagte der Dechant herzlich; „aber Du hast Dich tapfer gehalten und verdienst, daß Gölte- Segen Dich aus Deinen Wegen begleite." „Da- hoffe ich, mein Onkel", sagte sie, „und habe eS nöthig: Eine Wohlfahrt habe ich dem Himmel zu danken; denn ich habe de» Weg zum Frieden gesunden und komme Dich zu bitten, daß Du mich auf diesen Weg führst." „Der Weg zum Frieden ist die Arbeit und treue Pflicht erfüllung, dazu wird sich Dir bald die beste Stätte öffnen, dir ein Weib finden kann: die Sorge sür Hau« und Herd." „Nein, me'» Onkel", sagte Anna, „da- ist eS nicht, ich habe geglaubt, als ich dem braven Marten mein Wort gab, daß ich ihm würde sein können, was er verlangt, eine gute Hausfrau und treue Lebensgefährtin — jetzt kan» ich eS nicht." „Jetzt nicht?" ries der Dechant, indem er nnmulhig seine Pfeife zur Seite stellte — „was soll da« wieder heiße», glaubst Du, daß der Graf weich werden würde, nein» »ein, davon ist nicht die Rede, eS bleibt Alle«, wie eS war, und der Baron wird sich wohl auch darein finden, nachdem da- aufbrausende Feuer aus so schmerzliche Weise gedämpft ist." .DaS ist e« nicht, mein Onkel, ich habe Dir gesagt, daß ick, zwischen mich und Hilmar eine »nübcrsteiglichc Scheidewand stellen wolle, da- soll geschehe», nur nicht so, wie ich . rbacht, ich habe schwer gerungen am Bett de« Kranken, aber ich kan» keinem Anderen gehört», ich kann keine Lüge vor dem Altar auSsprechen — o mein Gott, mein Gott» ich liebe ihn zu sehr!" „Was", rief der Dechant auffahrend, „da- verstehe ich nicht — wenn Du frei bteibst, so wird auch er wieder aus den alten Gedanken zurllckkommen — er ist trotzig und hat einen barten Kopf." „Ich will nicht frei bleiben, mein Onkel — die Scheidewand, die »ns auf Eiden trennen soll, will ich noch unüberwindlicher aufrichte» und mir den Frirdru sicher verbürge». Ich habe in der Pflege de« armen Kranken der irdischen Liebe gedient, der himiiilisck'tu Liede und Barmherzigkeit soll mein Lebe» fortan geweiht sein. Ich will den Sckileier nehmen, mein Onkel, bei den Ursulinerinnen in HildeSdrim. dem Dienste der Leibenden und Kranken soll die Kraft meine» Leben« gehören, so lange sie auSreicht, La habe ich keine Lüge, keine Verstellung nöthig, da wird mein Herz, daS allem irdischen Glück entsagt, den Frieden finden, und die Mauern de« Kloster« werden mich von der Welt scheiden, der sein Leben, sein Wirken und Strebe» gehört und gehören soll." „Welcher Gedanke!" rief der Dechant — „Tu bist pro testantisch." „Die christliche Liebe ist Allen gemein, mein Onkel, welche das Kreuz aus sich nebmen. — über den Pforten des Klosters erhebt sich ja das Kreuz, daö Zeichen des Leidens und der Erlösung. Du wirst mich belehren, mein Onkel, und vor Dir werde ich mein Bekcnntniß oblegen, daß mir die Zuflucht des Frieden» eröffnen soll." Der Dechant war ausgcstandcn und ging mit großen Schritten im Zimmer ans und nieder. „Also wieder keine Ruhe", sagte er, „immer derselbe Eigensinn der junge» Herzen, die gleich mit dem Leben fertig sind, wenn eS einmal nicht so geht, wie sie wollen! — Was bedeutet die Spanne Deine« Alter- gegen da« weite Leben, da« vor Dir liegt? — Bedenke, besinne Dich, eS ist ein schwere«, ein ernstes Gelübde, da- Du da so leichtfertig ab tege» willst, und da» leichte Gewebe de« Schleier-, da« Du auf Dein Haupt breiten willst, kann schwerer drücken «IS ei» Grabgewölbe, wen» die eigensinnige Aufwallung vorüber ist." „Nicht leichtfertig, nicht eigensinnig, mein Onkel, habe ich meinen Entschluß gefaßt, >cd habe lange darüber nackigc- tacht, und er ist unwiderruflich, selbst Du wirst mich nicht davon abbriiigen." „Geh' aus Dein Zimmer", sagte der Dechant ernst, „ich werde darüber Nachdenken — und auch Tu denke darüber nach." „Ich gebe, weil Du es befiehlst", sagte Anna ruhig, „aber ich habe »ack,gedacht, und mein Entschluß wird sich nicht ändern. — Ware ich leichtfertig, wie Du mir vorwirsst, so batte wohl der Gedanke in mir aufsteigen können, im Tode Erlösung zu suchen, aber ich will leben, doch «odt sein sür die Welt. — Du bist der Einzige, mein Onkel, der mir nahe sieht auf Erden, der mir auch künstig nahe stehen kann, da ich Erlösung IM Himmel »nd in der christlichen Liebe und Barmherzigkeit finde» will, darum bitte ich Tick, um Deinen Beistand und Deine Führung, damit ich den schweren Weg nicht allein zu gehen habe. Und khur eS bald, mein Onkel; denn ich will, ich darf Hilmar nicht Wiedersehen." „So geh", sagte der Dechant, „ged', ich gebe Dir heute keine Antwort, geh und Gott möge Dick und mich erleuchten." Anna beugte bemülhig da« Haupt und ging hinaus. „Da haben wir'«", rief der Dechant, als er allein war, „die Verwirrung hört nicht auf. Der Satrapa hat wohl recht, wenn er sagt, daß die Fraueuzimmcr im Hanse keinen Frieden dulden. — Verzeih' mir, Gott, wen» ich mich ver- süttdige, da- arme Kind leidet ja so schwer, aber thöricht ist sie doch, ganz und gar thöricht, vergafft sich in den jungen Baron, de» sic ein paar Monate kennt und von dem sic sich gleich hätte sagen können, Laß er nicht für sie ist, und da kann sic einen brave» Mann haben, wie ich ibn besser nicht für sie aussuche» könnte, und nun will sie Nonne werden und hat doch wobl noch nicht eine rechte Ahnung, was das heißt. — Du lieber Himmel, was hätte der gute Gott zu thun, wen» er all' der heißblütige» Jugend die Well nach ihrem Willen einrichtcu wollte! Wenn ihnen einmal ein Alout de- Schicksal« die Karte sticht, aus die sie ibrcn Kopf gesetzt habe», da»» wollen sie daS ganze Spiel de« Lebens gleich wcgwersen." Er seufzte tief aus und blickte unmuthig zum Fenster hinaus, aus die kable» Bäume draußen. Ta trat die alte Johanna ein und sagte, daß der Herr Baron Hilmar de» hochwürdige» Herrn bitten lasse, doch einmal zu ihm zu komme». Der Dechant drehte sich heftig um. „Auch da« noch", rief er, „weiß Sie nicht, daß ich nicht gestört sein will?" „Ach, Du lieber Gott!" ries die Alte erschrocken; „wie könne» nur der Herr Dechant so zornig sein — ich muß ja koch die Bestellung machen, und abfchlagc» können eS der Herr Dechant dock, auch nicht, zum jungen Herr» hinauf zu geben, der da allein liegt und wohl ein tröstliches und theit- »chineudcö Wort Werth ist." Der Dechant warf seufzend einen traurigen Blick auf seine auSgegangcnc Pfeife und sagte mürrisch: „Nein, abschlagen kann ich « nicht, aber eine Freude ist eS auch nicht; den» da werde ich dasselbe Lied in anderer Tonart hören." Er batte die letzten Worte leise vor sich hingesprochen, schob die Alte unwillig bei Seile und stieg zu Hilmar hinauf. Er gab seinem Gesicht, ehe er eintrat» einen freundlichen Ausdruck, aber dieser Ausdruck war erzwungen, und dem scharfen Blick de- Kranken entging die Verstimmung seine» WirtheS nicht. (Fortsetzung folgt.)
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