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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.07.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-07-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940724028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894072402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894072402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-07
- Tag1894-07-24
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Vez«-S.Pre»» tz, H» Hanptrxpedltton oder de» lm Stadt- h^trk «d d» Bororten errichtete» -tu», aabrstelle» »bgeholt. vierteljährlichst 4.50, bei »wedanUaer täglicher Zustellung ins -au« > bchO. Durch die Post bezogen für leullchtand und Oesterreich: vierteljährlich M g.—. Direkte tägliche Kreuzbandiendung i^ Lntlaud: monatlich 7.50. Di»vkorgeu-Au-gabe erscheint täglich'/,7 Uhr, di« Äbeud-Lu-gabe Wochentag« 5 Uhr. Ledacttoa «ad Expedition: JohanneSgafie 8. DstLkVeditioo ist Wochentag« ununterbrochen zetffuet von früh 8 bi« Abend« 1 Uhr. Filiale«: ttt» «e»»'« lAlsre» Hahn), UutversitätSstrabe 1, Lant« L-sche. tatharineustr. 14. Part, und König-Platz 7. Mbend-AusgaVe. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- nnd Geschäftsverkehr. Slnzeigerr-Pret- die Sgespaltme Petitzeile SO Pfg. Recl amen unter dem Redaction«strich (4 g»' spaUeu) 50vor den Familieunachrichten (6 gespalten) Gröbere Schriften laut unterem Preis verzeichnis. Tabellarischer und Ziffernjatz nach höherem Tarif. Srtra-Veilagrn (gesalzt), nur mit der Morgen.Ausgabe, ohne Postbesürderung >4 60.—, mit Postbesörderung >l 70.—. Ännatimkschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Mo rg« a-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Sonn- und Festtags früh ",9 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein» halb« Stunde früher. Anreise« sind stet« an die Expeditt«» zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig ^374 » Dienstag den 24. Juli 1894. 88. Jahrgang Amtliche Bekanntmachungen. Steckbrief. Der Handarbeiter Paul Richard Tobias au« Groß-Döbern, welcher wegen schweren Diebstahl« hier verhaftet war, ist am Sonn, tag, den 22. Juli diese« Jahres, Morgens aus hiesigem Gefängnisse entwichen. E« wird um Verhaftung und Transport des Tobias nach hier gebeten. TobiaS war bei der Flucht nur mit Hemd, Hose und Weste bekleidet. Nähere» Signalement kann nicht angegeben werden. Bitterfeld, den 23. Juli 1894. Königliches Amtsgericht. Bekanntmachung. In dem ConcurSverfahren über das Vermögen der Ersten Schlesischen Wattir - Leinenfabrik. Mechanische Weberei Ottsrsdnvb L Oo. zu Fricdland, Kreis Waldenburg, ist Rechts anwalt Steiner am 18. Juli 1894 seine« Amtes als Concursver- walter entlassen und Rechtsanwalt und Notar Friederici zu Waiden- dura zum Concursverwalter ernannt. ES wird ferner gemäß 8 78 der Concursordnnng ans den 20. August 1804, Vormittags 10 Uhr, eine Gläubiger.Versammlung berufen, in welcher Rechtsanwalt Friederici an Stelle des nach Sachlage hierzu ungeeigneten Rechts- anwaltS Steiner über di« Verwaltung des Letzteren den Gläubigern Rechnung legen wird. Die Rechnung wird mit den Belägen und den Bemerkungen des Gläubigerausschusses spätestens drei Tage vor dem Termine aus der Gerichtsschreiberei zur Einsicht der Betheiligten niedergelegt werden. Soweit in dem Termine Einwendungen nicht erhoben werden, gilt die Rechnung als anerkannt. Friedland, Reg.-Bez. Breslau, den 22. Juli 1894. Königliches Amtsgericht. Politische Tagesschau. * Leipzig, 24. Juli. In der deutschen Presse mehren sich die Stimmen, welche die Anwendung der schärfsten Mittel gegen den böswilligen Schuldner Griechenland verlangen. Diese Erscheinung ist um so erfreulicher, als sie nicht allein und nicht hauptsächlich ihre Ursache in der schweren Schädigung hat, die den deutschen Besitzern griechischer Staatspapiere droht, sondern auch in der an Verhöhnung streifenden Art. die der griechische Minister präsident den deutschen Ansprüchen gegenüber für angemessen hält. Indem Griechenland weniger bietet, als «- notopr zu leistt». vermag, bekundet eck. ^l»e Mißacht deutschen Gläubiger, und dieser Umstand enthebt die öffentliche Discusston der Nothwcndigkeit, die Pflicht der Reichsregierung zu äußersten Schritten in allen Fallen zu behaupten, wo inländische Besitzer fremder Staatsschuldverschreibungen Bcnachtheiligungcn erleiden. Diese Pflicht aus der Bestimmung der Reichsverfassung, welche besagt: „Dem AuSlande gegenüber haben alle Deutschen gleichmäßig Anspruch aus den Schutz des Reichs", herzuleiten, ist ein rechtlich zweifelhaftes und praktisch bedenkliches Unter nehmen. ES liegt darin, wie die „Nat.-Lib.-Corr." mit Recht betont, eine stärkere Verlockung zu leichtfertiger Credit- gewährung an creditunwürdige Staaten, als sie sich der weitherzigste fremdländische Finanzminister zu Schulden kommen lassen könnte. Eine Garantie für den richtigen Eingang der zwischen deutschen Geldgebern und auswärtigen Schuldnern ursprünglich vereinbarten Zinsen kann das Reich unmöglich übernehmen. Griechenland gegenüber ist aber, wie gesagt, der Hinweis auf Artikel HI der Reichsverfassung überflüssig, denn hier bandelt eS sich nicht allein um eine materielle Schädigung. Und da das Interesse des Reiches an dem Scbutze der deutschen Gläubiger fremder Staaten außer Zweifel steht, so bietet die moralische Seite des griechischen Falles die Gelegenheit, „ein Excmpel zu statuircn". Die Frage, ob Deutschland gegen den aller Scham baren Bankrottirer mit Abbruch der diploma tischen Beziehungen und Entsendung von Kriegsschiffen nicht allein Vorgehen sollte, falls England und Frank reich die Mitwirkung verweigern, scheint nicht ohne Berechtigung zur Erörterung gestellt. AIS der einzige europäische Großstaat, welcher im Mittclmecr keine directcn politischen Interessen wabrzunehmen hat, könnte gerade Deutschland gegen Griechenland eine über diplomatische Vor stellungen hinauSgehende Action entfalten, ohne daS Miß trauen und die Eifersucht der Mächte zu erregen. Es kommt hinzu, daß, wie man zutreffend hervorgehoben hat, Deutsch land an der Einfuhr nach Griechenland nur schwach betheiligt ist, mithin von einem Abbruch der Handelsbeziehungen nicht empfindlich berührt würde. Ob ein gesondertes Vorgehen Deutschlands möglich ist, vermag bei dem Allen die Oefsentlichkcit nicht zu beurtheilen. Jedenfalls dürste sich die ReichSrcgierung der Sympathie der ganzen Nation ver sichert halten, falls sie in die Lage käme, einmal zu zeigen, daß die Eifersucht der Großen keine unbedingt sichere Deckung für die Frechheit der Kleinen bietet. Wiederholt sind durch die Presse Angaben über den enormen Auswand der Locialdeuiokratie gegangen. Die Summe von l9 Millionen Mark wurde als diejenige genannt, mit welcher der Etat der „Prolctarierpartei" balaneire. Wir haben von diesen Ziffern nicht Notiz genommen, nicht etwa, weil die socialdemokratiscbe Beflissenheit, die Richtigkeit ab zuleugnen, für uns etwas Ueberzcugendes gehabt hätte, sondern weil wir eine derartige Ausbildung des EontributionSwcsenS für unmöglich hielten. Stark erschüttert wird diese Ansicht durch einen kürzlich im „Vorwärts" wiedergegebenen Aus weis über die Einnahmen und Ausgaben, die die Social demokratie in der Zeit vom 4. März bis zum 4. Juli d. I. in vier Bezirken des 6. Berliner Reichstagswahlkreises zu verzeichnen gehabt hat. Es wurden vereinnahmt in der Schönhauser Vorstadt 2353 .^, in der Roscnthalcr Vorstadt 2985 .Xl, im Stadttheil Wedding 14 133 und im Stadt- theil Moabit 3797 Die Ausgaben deckten sieb, abgesehen von einem Bezirke, wo sie hinter den Eingängen um 1299.F zurückblieben, im Wesentlichen mit den Einnahmen. In einem ein igen Wahlkreise sind also innerhalb 4 Monaten über 23 999 eigetriebcn und. annähernd auch verausgabt worden^. «IW « UNltzWW MW > lllffM«M>Wmz eines JahreSdrittclS einer JahreSeinnahmc von 79 999 entspricht, um ihn horrend zu finden. So viel wie diese Partei in einem einzigen Wahlkreise und in vier Monaten ihren Anhängern auferlcgt, bezieht kaum eine andere im ganzen Jahre auS dem ganzen Reiche, und besitzt Wohl auch keine bürgerliche Partei an Gesammtvermögen! Im Lichte dieser Zahl gesehen, verlieren die Angaben über die Verausgabung von nahezu einem Dutzend Millionen für Gehälter, Diäten u. s. w. stark von ihrer Unglaubwürdigkcit. JedensallS ist dargethan, daß die socialdemokratische Partei regicrung eine sehr kostspielige und die von ihr auserlegte Steuerlast eine schwer drückende ist. Dabei ist eS mit diesen directcn Steuern noch lange nicht gcthan. Von Unternehmungen wie die Berliner socialdemokralische GenossenschastS bäckerei, also einem Betriebe für die Herstellung von NahrungS Mitteln, hat die Partei indirect Nutzen gezogen, indem sie, wie man erfuhr, das Bestehen hochbezahlter Sinekuren für Getreue zuließ, während allerdings die arbeitenden „Genossen" über schlechte Entlohnung und Behandlung zu klagen batten. Die grundsätzliche Opposition, die die Socialdcmokratie der Aus schreibung von Steuern durch den Staat entgegensetzt, erklärt sich nach dem Allen ungezwungen aus der Maxime: „vte-toi cks Ist, guo jo iumolto". Wenn portugiesische Blätter meinen, die Streitfrage zwischen Deutschland nnd Portugal betreffs Kionga, das bekanntlich im südlichen Zipfel von Deutsch - Ostafrika liegt, werde zum Gegenstand einer „Vermittelung" ge macht werden, so ist darauf zu erwidern, daß eS zwischen Deutschland und Portugal in diesem Falle gar nichts zu ver mitteln giebt, Kiong a gehört vertragsmäßig Deutsch land. ES besteht somit deutscherseits gar kein Anlaß, aus schiedsgerichtliche oder sonst irgendwie geartete Vermittelungen einzuzchcn. Gegenüber der englischen Darstellung, daß fünf deutsche Kriegsschiffe — nach einer anderen Version drei — in der Kiongabuchl erschienen seien, ist daraus hinzuweisen, daß Deutschland in den ostasrikanischcn Gewässern nur einen Kreuzer („Seeadler") und ein Vermessungsschiff, die „Möve", har und daß das sogenannte Kreuzcrgcschwadcr („Arcona", „Alexandrinc", „Marie") sich in Süd-Amerika befindet; die drei Schiffe haben den Hasen von Rio de Janeiro in der Zeit vom 7. bis 21. Mai verlassen. Es könnte sich bei der Activn in der Kiongabuchl also nur um die Kutter der Schutztruppc oder um bewaffnete Zollsahrzeuge gebandelt haben. Die Besetzung ist aber überhaupt nicht unter so großer militairischcr Machtcntfaltung vor sich gegangen, sondern einfach durch einen Officicr und 29 farbige Soldaten vor genommen worden. Später ist auch der Gouverneur, v. Scheele, zur See dorthin gegangen, und zwar aller Wahrscheinlichkeit nach begleitet von einigen der kleinen Dampfer, die zu Zollzweckcn und zur Verhütung des Sclaven- handels dienen, denen man aber nicht Wohl die Ehre anthun kann, sie als Kriegsschiffe zu bezeichnen. Wie den „Bcrl. N. N." bestätigt wird, ist die Besetzung auch aus dem Grunde erfolgt, um dem ununterbrochenen Waffen- und Munitions schmuggel aus dem portugiesischen Gebiet ein Ende zu machen, der schon lange die Ausmcrksamkcit der deutschen Behörden auf sich gezogen batte. Oberst v. Scheele hatte von seinem Vorhaben nach Berlin telegraphisch Mittheilung gemacht. Wie über London berichtet wird, hat der Reichskanzler ein von portugiesischer Seite verlangtes Schiedsgericht be reits abgclchnt, und er wird dabei wesentlich durch die Erwägung bestimmt worden sein, auch jeglichen Schein zu vermeiden, als ob Deutschland selbst sich seines Anspruchs auf Kionga nicht sicher sei. Trifft die Nachricht zu. so wird über die in diesem Falle entwickelte Energie und Präcision der Eütscderdmrg in allen Kreisen, denen an der Zukunft unsere« ostasrikanischcn Besitzes gelegen, mit lebhafter Befriedigung guittirl werden. — Der „Hamb. Eorresp." äußert zu der Angelegenheit: „Der einzige dunkle Punct ist zur Zeit die Behauptung, Portu- gal habe 1886 das Kiongagebiet dem Sultan von Zanzibar mit den Waffe» in der Hand abgenommen. Danach wäre also im Jahre 1890 beim Abschluß des Vertrags zwischen dem Sultan und der Reichsregierung das Kiongagebiet nicht mehr Eigenthum des Sultans gewesen. Ter am 30. Januar I8!>0 seitens des Sultans mit der deutjch-osiasrikanischcn Gesellschaft abgeschlossene Küslenvcrtrag enthält nur die Bestimmung, daß der Sultan der Gesellschaft alle Gewalt, welche ihm aus dem Fcstlande und in seinen Terri- tonen und Tependenzen südlich vom Umbasluß zusieht, über- trage. Ter Vertrag zwischen dem Sultan und dem deutschen Reich bezeichnet als Gegenstand der Abtretung das der deutsch- ostasrikanischen Gesellschaft verpachtete Küstengebiet. Daß dieses nach deutscher Auffassung auch das Kiongagebiet umfaßt, ergiebt sich schon aus einer bereits im Jahre 1892 deutscherseits erfolgten Reclamation Äiongas und daraus, daß Portugal in seiner ab lehnenden Antwort sei» Besitzrecht lediglich auf den deutsch-portu- giesischen Vertrag von 1886 stützte, wobei nur übersehen ist, daß dieser zwischen Deutschland und Portugal abgeschlossene Vertrag über die Abgrenzung der beiderseitigen Besitzungen sich unmöglich aus das im Besitz des Sultans von Zanzibar befindliche Kionga- gebiet beziehen konnte." Der österrcichisch-iingarischc Minister des Aeußeren Graf Kalnotn soll, wie die nicht selten officiös bediente Wiener „MontagSrcvue" meldet, entschlossen sein, ehebaldigst in den Ruhestand zu treten. Er werde nur noch das ge meinsame Budget in den Delegationen vertreten und dann voraussichtlich noch während der Dclegationentagung von seinem Amte zurücklrcten. Ta die Delegationen sich Mitte September versammeln, würde Kraf Kalnoky also nur noch zwei Monate in dem Ministerhotel am BallbauSplatz rcsikiren. Als Ursache seiner AmtSmüdigkeit bezeichnet daö genannte Blatt Kalnoky'S Haltung gegenüber der ungarischen Eivilehc, der er Anfangs nicht zu- slimmte, während er später dafür einlrat. Im Lause der ungarischen Kirchciidcbatlen mag allerdings zwischen Wekerle und Kalnoky eine Periode der Entfremdung sich geltend ge macht haben; ob die Verhältnisse sich aber inzwischen so weiter entwickelt haben, daß. wie ein Blatt be hauptet, Kalnoky dem ungarischen Ansturm nicht lange mehr werde Stand halten können, daS wird mit Recht bezweifelt werden iniissen. Gras Kalnoky ist seit dem 2l. No vember 1881 Minister für die auswärtigen Angelegen heiten der österreichisch ungarischen Monarchie. Wen» die Ankündigung der „Montagsrcvne" in Erfüllung ginge, so würde er diesen Posten gerade dreizehn Jahre lang bekleidet haben. Sicher ist sein Rücklrilt indessen noch keineswegs, wenigstens behauptet daS „N. W. T", dem man Beziehungen zum Finanzininister Plencr nachsagt, Graf Kalnoky denke nicht daran, zu teinissionircn. In Deutschland würde man sein Verbleiben im Amte nur mit Freuden begrüßen, denn Kalnoly ist stets als ein aufrichtiger Freund eines innigen Zusammengehens der Dreibundinächte crsundcn worben. Wegen der Be setz n n g Kassalas durch italienische Truppen wird eS zu diplomatischen Weiterungen nicht koinnicn, da die Besitzergreifung der für Italien so ungemein wichtige» Grenz stadt gegen Abessinien bereits in de», am 15. April zwischen England und Italien über die Abgrenzung der beiderseitigen Einflußsphären vereinbarten Protokolle vorgesehen und auch das Recht der Psortc gewabrt ist. In dieser Beziehung hat, wie im heutigen Morgenblatl gemeldet wurde, Unterstaats sccretair l,Grcy im englischen Uutcrhause beruhigende Er- Närungen abgegeben. Der in Betracht kommende es. 2 jenes Abkommens lautet: „Die italienische Regierung ist ermächtigt, im Falle sie das im Interesse ihrer inilitairijchen Situation zu ihn» genölhigt sein wird, Kassala und die Umgegend bis an den Atbara zu be setzen. In keinem Falle darf jedoch diese Besetzung im Norden und Nordoste» über nachstehende Linie hinaus ausgedehnt werden: Vom rechte» Ufer deS Atbara, gegenüber von Gos Rejeb, geht di« Linie in östlicher Richtung bis zum Durchschnitt des 39. östlichen Meridians von Greenwich; von da wendet sie sich gegen Südosten, passirt nach 3 Meilen im Süden die aus der Karte markirten Puncte Filik und Mctkinab und holt die im Artikel 1 erwähnte Linie »ach 2.5 englischen Meilen, welche längs dieser Strecke zu messen sind, wieder ein. Tie beiden Regierungen sind indeß darüber einver standen, daß jede vorübergehende militairische Besetzung von an, grenzendem Territorium, das in diesem Artikel namentlich aus» geführt ist, die Rechte der egyptische» Regierung aus besagte Land- striche unberührt läßt, daß jedoch diese Rechte nur so lange juspendirt bleibe», bis die egyptische Regierung im Stande sein wird, den fraglichen Tistrict bis zu der im Artikel 1 angezcigten TemarkaiionS» Thermidor. 3s Erzählung von Julius Kehlheim. Nachdruck verbot«». (Fortsetzung.) Der einzige Punct, in welchem Madame Bonterre den Rath ihrer praktischen, mütterlichen Freundin Margot be folgt hatte, war der, daß sie dem Heranwachsenden Mädchen mittheilte, daß eS nicht ihre leibliche Tochter sei, sondern c.ne arme Waise» deren sie — Fanchon — sich am Sterbebette der Mutter erbarmt hatte. MargotS ehrlicher Sinn bestand auf der Enthüllung der Wahrheit dem Kinde gegenüber. Sie hoffte durch dieselbe die Keime deS Hochmuths und der Selbstsucht, welche sie frühzeitig unter der Hülle gewinnender Liebenswürdigkeit und angcborner Grazie bei dem Mädchen wabrzunehmen glaubte, zu ersticken und den gönnerhaften Schülerstolz, welchen Adrienne bisweilen Mama Fanchon gegenüber hervorzukchren liebte, zu dämpfen. Gleich bei ihrem Eintritt kam eS Mutter Margot vor, al- ob nicht Alles sei, wie eS sein sollte. Fanchon kam ihr erhitzt und mit gerötheten Augenlidern entgegen. Adrienne saß mürrisch zusamniengekauert auf der Staffel, nKlche zu dem Fenster binaufsührte, dem gewöhnlichen Platze Fanchon S, von dem au« sie in einem gegenüberhängenden Spiegel alle die in« Hau« Tretenden sehen konnte. So hatte sie vorher auch Margot bemerkt und war ihr mit jener Lebhaftigkeit entgegengrtretrn, mit welcher man die Unterbrechung einer unangenehmen Scene aufzunehmen pflegt. Adrienne erhob sich ebenfalls gewohnheitsmäßig und ging der „Tante", wie sie Margot zu nennen pflegte, entgegen. Sie that die« heute in gedrückter, fast demüthiger Weise. Margot, welche in ihrer Art da« Mädchen lieb hatte, ohne gegen dessen Fehler blind zu sein, hob ihr den Kopf am Kinn m die Höhe, sah ihr tief in die dunkeln Augen und sagte ernst, doch freundlich: „Nun, was hat es gegeben, Adrienne? Hast Du schlechte Zeugnisse nach Hause gebracht, oder was ist sonst lo«?" „Tante, ich bin so unglücklich!" schluchzte da« Mädchen lant auf, und e« lag wirklicher Gram in ihrer Stimme. -Seit gestern ist eine neue Pensionairio bei un«, Agathe Perpignan ... aus Poitou . . . ihre Tante wohnt in Mama Fanchvn's Nachbarschaft . . ." „Jawohl, die Parfumeuse Gevaise", meinte die Margot nachdenklich. „Ihre Schwester hat sich an einen vornehme», verarmten Adeligen nach Poitou verbeirathet — eine seltsame Heirath. Da hat ihr wohl Gervaise die Agathe abgenommen, um ihr eine gute Erziehung zu gebe». DaS ist brav von Gervaise unv macht viele ihrer Fehler gut," wandte sich die Nachbarin an Fanchon. „Ja, aber Agathe hat in der Pension abscheuliche Lügen über mich ausgesagt," rief Adrienne im Tone höchster Er regung. „Sie hat gesagt, meine Mutter wäre eine Seil tänzerin gewesen und babc bei Ausübung ihres Gewerbes daS Genick gebrochen. Und das ist nicht wahr, es kann nicht wahr sein! Sie sagte es nur, um mich zu demüthigen, weil sie mich in der Pension Alle stolz nennen. Und sie sagte, der Hochmuth Neide mich schlecht, da ich nur von Wohlthaten lebe . . . und ohne Mama Fanchon müßte ich auch auf dem Seile tanzen, wie meine Mutter . . . und da» Genick brechen gleich ihr!" ^ Adrienne stieß alr diese Anklagen gegen die gehässige Schulkameradin in leidenschaftlichen, von heftigem Schluchzen unterbrochenen Tönen hervor, welches ihren zarten Körper erbeben machte» wie ein schwaches Bäumchen, daS ein heftiger Windstoß sich zum Opfer erkoren. - Hinter dem Rücken Adrienne's forderte eine bittende Ge berde Margot zuni Schweigen auf. Allein Mutter Margot ließ sich in ihren eigenen pädagogischen Grundsätzen, die sich an ihren drei Jungen glänzend bewährt alten, nicht beirren. Sie liebte da» weichherzige, wie sie eS nannte, „feige" Ver tuschen der Wahrheit nicht. Sie hatte, aus Fanckon'S aus drücklichen Wunsch, dem Kinde gegenüber deS Berufes und der Totesart seiner verstorbenen Mutier niemals Erwähnung ge- than. Adrienne selbst hatte nie darnach gefragt. Nack der unliebsamen Enthüllung durch eine Fremde fühlte sie sich gedrängt, nicht weiter zu schweigen, daS in sie gesetzte Ver trauen Adricnne'S nicht zu täuschen, sondern ihr die Wahrheit zu sagen. . ^ _ „Deine Mutter war m der That eine Seiltänzerin, mein Kind," sagte sie ernst. „Und wenn sie auch nicht bei Aus übung ihres gefährlichen Berufes den Hals gebrochen bat, so veranlaßtcn doch die Folgen eines schweren Falle» ihren frühen Tod in ihrer Jugendblüthe." Wie erstarrt und betäubt blieb Adrienne nach dieser Er klärung stehen. „So log Agathe nicht? ... Ich bin also mit Recht be schimpft, entehrt? O mein Gott! Ich kann also nicht mehr i» die Pension zurück!" rief Adrienne in Tönen so aufrichtiger Verzweiflung, wie man sie aus dem Munde einer Zwölfjährigen nicht zu hören gewohnt ist. „Ist dies Dein erster Gedanke, Tu undankbares, selbst süchtiges Kind?" schalt sie Margot, in hohem Grade erzürnt. „Denkst Du nicht lieber daran, vor Deiner Pflegemutter niedcrzuknie», um ihr zu danken, daß sie Dich einer vermutblich ähnlichen, traurigen Eristcnz entrissen hat? Was wäre aus Dir geworden ohne Mama Fanckon'S Güte und aufopfernde Liebe r" Adrienne rührte sich nicht, sie schien zur Bildsäule ge worden. Zu lies schnitt ihr die eben empfangene Mittheilung ins Herz. Um Fanchon'S erbleichte Lippen zitierte eS wie von verhaltenem Weinen. „Geh auf Dein Stübchen, mein Kind, Du bleibst diese Nacht über zu Hause. Für beut' mag Dich die alte Gertrud entschuldigen. Morgen natürlich mußt Du wieder in Deine Pension zurück!" crmabntc Fanchon das kleine Mädchen, indem sie liebkosend über das blauschwarze Haar strich, um ihrem Befehl jede Herbigkeit zu nehmen. „Ich will nie wieder in die Pension zurück!" gab Adrienne krampfhaft schluchzend zur Antwort. „Ich mag Agathen nicht unter die Augen treten ... und Niemand dort mag ich sehen, denn sie haben es Alle vernommen. In ihren Blicken lese ich Mitleid oder Verachtung, und Beide« beleidigt mich tödtlich. O, wie ich sie hasse, Alle... Alle!" Margot beobachtete mit schwer bcmeistertrm Unwillen, Fanchon in tödtlicher Angst diesen bei solcher Jugend unge wöhnlichen AuSbruch der Leidenschaft. „Du mußt in die Pension zurück!" entschied in diktato rischem Tone Mutter Margot. „Deine Erziehung muß vollendet werden, klebrigen« ist schon eia Halbjahr voraus bezahlt." DaS niemals schlummernde Rechentalent der alten Frau ließ sie niemals im Stich. Sie wußte auS langjäbriger Er- sakrnng, daß die nüchterne Logik der Zahlen sich trefflich zum Dämmen übcrfluthender Gesüblc und leidenschaftlicher Stim mungen eigne. Fanchon fühlte und kämpfte den ersten Seelenschmerz in Adrienne'« Seele mit „Weine nicht, mein Liebling", tröstete sie die Erregte, „Du bist doch schöner al» sie Allel" Margot warf ihr bei diesen Worten einen nicht zu über sehenden, mißbilligenden Blick zu. „Laßt die Kindereien, Fanchon!" flüsterte sie ihr ins Ohr. „Sieh, Adrienne", wandte sie sich an diese, „Du bist nun schon ein großes Mädchen nnd kannst den Rath verstehen, den ich Dir auS gutem Herze» gebe: Lerne tüchlig, Adrienne! Werde tlug nnd brav nnd widerlege dadurch alle Vorurtheile, welche an Deiner Herkunft Kasten mögen, lind nun geh schlafen, mein Kink! In Deinem Alter ist man diese» Trostes immer gewiß, und was der wcrtb ist, darüber wird Dich einst Deine erste schlaflose Nacht belehren." Adrienne erwiderte nichts. Sic schien wie gelähmt und im Innersten zerbrochen. Sie reichte Fanchcn zur guten Nacht die Stirn znm Kusse dar. desgleichen der Freundin Margot, durch deren Strenge doch ein warmes Herz hervor- lcuchtete. Tie Nachbarin zeichnete ein Kreuz ans ihre Stirn, dann erst entließ sie sie. Adrienne eilte in ihr ncbenanlicgcndes Stübchen, legte ihre Sonntagskleider ab und schlüpfte müde und verwirrt ins Bett, wo sie ihre glühenden Wangen in den schneeweißen Kissen barg. Ihre Nachttoilcttc bestand aus einem slanellcnen Jäckchen und Röckchen, wie im Institut. Allein dort war es strenge untersagt, auS Gesundheitsrücksichten die Strümpfe im Bette zu beyalten. Adrienne that dies beute dennoch. Sic hatte eine Idee; da sie etwas wußte, wollte sic noch mehr erfahren. Nach wenigen Augenblicken schaute Margot s mit einer prächtigen Sonntag-Haube geschmückter Kops durch die Spalte der Thur. Adrienne bemerkte dies ganz wohl, obgleich ihre Augen geschloffen schienen und ihre langbcsranstcn Augenwimpern einen Schatten auf die gelbliche Blässe ihrer Wangen warfen. Die kleine Schauspielerin hielt eS für angezcigt, noch durch einige tiefe, sonore Athcmzügc den Eindruck ihres rasch im- provisirten Schlafs zu verstärken. Margot schien befriedigt, sie kcbrte ins Nebenzimmer zu Fanchon zurück. Die zuerst im Flüsterton begonnene Unterredung der beiden Frauen nahm bald einen lebendigeren, schließlich sogar erregten Ebaraktcr an. Adrienne aber kroch a»S dem Belle und schlich, dem Volkslied nach wie der Dieb aus leisen Sohlen, in die Nähe der Tbiir. Zuweilen auch legte sic Auge nnd Ohr an das Schlüsselloch. Und zu kören gab eS viel deS Neuen und Interessanten. Daß der Gegenstand dieser wichtigen Unterredung nur sie selbst sein könne, hatte Adrienne eine geheime Ahnung vcrratben, Tante Margot war heute wieder einmal im Zuge. Sic machte Mama Faochoo eben bittere Vorwürfe über ihre Schwäch«
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