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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.08.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-08-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940803025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894080302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894080302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-08
- Tag1894-08-03
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Lieber in seiner recht haberischen Art e» nicht verwinden kann, nicht die gesammte Partei in der Handelspolitik „geführt* zu haben, versteht sich von selbst, und es darf darum nicht überraschen, wenn er seinem Grolle über die dissentircnden Mitglieder immer wieder Ausdruck giebt. Biel wichtiger aber als die Aus lassungen vr. Lieber'S ist der Streit, der zwischen der „Kölnischen VolkSzcilung* und dem rheinischen Bauernbuude entbrannt ist. DaS rheinische Blatt hat Monate hindurch mit Eifer und nicht ohne Geschick, freilich aber ohne rechtes Glück, sich bemüht, die Gegensätze in der CentrumSpartei mit einander auSzusöhnen; es hat ferner in Sachen des russischen Handelsvertrages auf derselben Seite wie derrheinische Bauernbund gefuchten. Wenn man dies bedenkt, wird man ver stehen, wie weit eS kommen mußte, um das Blatt gegen den Bauernbund mit Entschiedenheit Front machen zu lasten. Die Veranlassung dazu gab eine Versammlung der Bauern- bündlcr in Cleve, bei der sie unter Führung des Freiherrn von Los über die CentrumSprefse herfielen, weil diese die agrarischen Interessen nicht genügend vertrete. Herr von Los ging sogar soweit, der Ccnlrumsprcsse vorzuwersen, daß sie Einsendungen von landwirthschaftlicher Seile die Ausnahme verweigere und sie einfach unterdrücke. Ein anderes hervor ragendes Mitglied des Bundes, ein vr. Kalender, verflieg sich zu der geschmackvollen Aeußerung, die Nebacteure der CentrumSpreste seien in landwirthschastlichen Dingen so dumm, daß sie — die Düugerarten nicht zu unterscheiden wüßten. Diese etwas rustikale Sprache mißfällt mit Recht der „K. V. Ztg.*, > die sich dagegen verwahrt, den landwirthschastlichen Interessen abhold zu sein, aber be tont, daß sie sich nicht zur Dienerin einseitiger Interessenpolitik machen könne, weil eine solche Politik daS Ceutrum sprengen müsse. Sehr richtig. Der niederrheiuische Bauernbund unterscheidet sich in seiner Einseitigkeit nicht im mindesten von dem Bunde der Land- wirthe, und ebenso wie dieser die conservative Partei befehden würde, wenn sie aufhörte, ihm „treu, hold und gewärtig* zu sein, würde sich der niederrheiuische Bauernbund keinen Augenblick besinnen, dem osficicllen Centrum entgegen zu treten» wenn dieses in einen Gegensatz zu ihm sich stellen sollte. In Welchem Umfange aber es dem Bauernbund ge lingen wird, eintretenden Falls die ländlichen Wähler um seine Fahne zu schaaren, darüber geben wir uns allerdings vorläufig keinen großen Erwartungen hin. Denn nach den bisherigen Erfahrungen ist anzunehmcn, daß die Ultramon tanen auch künftig verstehen werden, im richtigen Augenblick ihre verminderte Anziehungskraft durch die Reichsregierung wieder aussrischen zu lasten. In Luxemburg wird der die Wiederzulassung der Redemptoristen betreffende Beschluß des deutschen BundeSrathS allerseits mit stillem Behagen ausgenommen. Der frühere entgegengesetzte BundeSrathSbeschluß, der die Redemptoristen als den Jesuiten verwandt erklärte, hatte eine starke Zunahme dieser frommen OrdcnSpriester im Luxem burgischen im Gefolge gehabt, die sich u. A. in der Gründung eine« neuen Klosters in der alten Abteistadt Echternach, sowie eines mit dem Luxemburger Kloster verbundenen Alumnats kundgab. Dies ries manche Bedenken bervor, und die Erinnerung an frühere Vorkommnisse erfüllte namentlich solche mit Mißtrauen, denen das Schicksal eine zur Frömmelei neigende Erbtante beschiedcn batte. Zwar macht die Ver fassung die Niederlassung religiöser Orden von der Er mächtigung durch ein Gesetz abhängig, und die Regierung hatte somit ein bequemes Mittel an der Hand, die Klostcrplage vom Lande fern zu halten. Da bis jetzt kein Gesetz die Gründung von Redemptoristenklöstern gestaltet, so brauchte die Regierung die zu einem solchen zusammentretenden Herren nur zu ersuchen, sich gefälligst zu zerstreuen. Die verschiedenen sich folgenden Ministerien fanden indessen trotz beständiger Aufforderungen der liberalen Presse den Muth nicht, die Ver fassung auszuführen, und so werden die Redemptoristen bis zum heutigen Tage weiter geduldet. Unter diesen Umständen empfindet man eS um so dankbarer, daß der BundeSrath dem Ländchen zu Hilfe gekommen ist. Denn man erhofft von dem Beschluß, daß die zahlreichen aus dem deutschen Reich ge kommenen Mitgiieder des Ordens nunmehr ins Reich zurück kehren werden. Es giebt leider so manche Luxemburger, die Deutschland nichts gönnen mögen. Ihm die im Lande an sässigen Redemptoristen zu gönnen, darin sind sie alle einig. Zum griechischen Staatsbankerott nimmt nun auch ein osficiöses sranjöstsche» Blatt, der „TempS*, das Wort wie folgt: „Nicht- wäre irriger, als auS einer gelegentlichen Meinungs verschiedenheit zwischen den ComitSs die Folgerung zu ziehen, daß man die eine Gruppe gegen die zwei anderen au«spielen könne. ES ist für Athen wichtig zn wissen, daß gewisse Cabinete sich bereits mit dieser Lage befassen, daß sie dieselbe keineswegs verewigen lassen wollen, und daß sie schon in Berathnng sind über ein überein stimmen, des, eventuell gemeinsames Borgehen der iuteressirteo Regierungen. Man rust sich den energischen Schritt in Erinnerung, durch welchen Frankreich, indem eS seinen Gesandten nach Lissabon zurückries, die portugiesische Regierung zu einer ge- sünderen Anschauungen über die Verpflichtungen gebracht hat. Gewiß sind die Umstände nicht die gleichen; aber schließlich ist eS der beste Freundschaftsdienst für Griechenland, das Entstehe» gefährlicher Illusionen zu verhindern. So paradox immer der Satz erscheinen mag, so ist er doch richtig: Griechenland ist weder groß noch stark, noch reich genug, um sich den Luxus eines Bankerottes leisten zu können." Diese energische Sprache, zu der nun endlich auch Frank reich den Muth gefunden, läßt ein gemeinsames Vorgehen der mcistbetheiligten Regierungen und damit die fast schon aussichtslos gewordene Befriedigung der griechischen StaatS- gläubiger erhoffen. Heute betritt der Lordmayor von London in Be gleitung der Lady Mayoreß und eines Stabes von englischen Notabilitäten der City belgischen Boden, um in Antwerpen der Ausstellung einen Besuch abzustattcn. Für den Empfang des Gaste« werden glänzende Festlichkeiten vorbereitet. Der Aufenthalt des Haupte« der Londoner City in Antwerpen ist auf drei Tage, bis zum Montag, berechnet, wo die Reise nach Brüssel weitergeht. Diese Zeit wird durch Repräsen- tationSsciern aller Art, unterbrochen, durch Bankets, Fackclzug, Schcldesabrt auf einem Regierungsdampfer rc. re. auSgefullt. Die Politik als solche hat mit dem Besuch der Antwerpener Aus stellung durch den Lordmayor selbstverständlich nichts zu schaffen, dennoch liegt eS in der Natur der Lerhältniffc, daß die belgi schen Politiker, welche neuerdings, durch Frankreichs Vor gehen in Sachen der CongostaatSangelegenheiten mißtrauisch gemacht, sich mit verstärktem Eifer der Pflege der englischen Freundschaft zugewendet haben, den Anlaß be nutzen, um durch demonstrative Feier des Londoner Stadt» obcrbaupteS und seiner Begleitschaft darzuthun, daß Belgien um so größeren Nachdruck auf Erhaltung der freundnachdar- iichcn Beziehungen zu Großbritannien legt, je weniger Frankreich aus seinen ZukunstSabsichten auf den Congostaat ein Gehcimniß macht. Belgien süblt sich im Besitze des CongostaateS als natürlichen Verbündeten Englands in allen Fragen der afrikanischen Politik, und hat noch durch sein vielumstrittencS Pachtabkommen mit England bewiesen, daß eS letzterem selbst Hegen den klaren Wortlaut der Verträge gefällig sein zu müssen glaubte. Wie gesagt, der Besuch deS Lordmayors in Antwerpen und Brüssel tragt einen durchaus unpolitischen Charakter, waS aber die Freunde der englischen Allianz nicht hindert, ihn in ihrem Sinne zu interpretiren, wie denn andererseits die belgischen FrauzöSlinge nur mit sichtlichem Mißbehagen von der Genugthuung der Antwerpener Äenntniß nehmen. Vor dem Schwurgericht in Lyon hat gestern der Praeetz gegen Caseria, den Mörder des Präsidenten Carnot, begonnen. Den Aufschub um acht Tage, welchen die Gerichtsverhandlung unerwartet erfuhr, glaubte man so erklären zu müssen, daß man erst das neue Anarchistengesetz in Kraft treten lassen wolle, um von vornherein die Oeffentlichkeit auSschlicßen und die Berichterstattung verbieten zu können. Ausfallcnderweise hat man sich von solchen Erwägungen nicht leiten lassen, die Oeffentlichkeit ist nicht ausgeschlossen, die Federn derZcitungS- corcespondentcn sind in fieberhafter Thätiakcit, und so wird der Mörder dcS Präsidenten der französischen Republik seinen weck erreichen, „vor den Geschworenen zu sprechen", der roceß wird eine neue wirksame Propaganda für den Anarchismus machen und demselben einen neuen „Märtyrer* schaffen. Der Wahre Grund für den Aufschub der Verhand lungen scheint in gewissen Schwierigkeiten zu liegen, welche sich sowohl bezüglich der Leitung des ProcesseS als bezüglich der Vertheidigung ergaben. Der ursprünglich in Aussicht genommene Mailänder Advocat Podreider hatte die Ucber- nahme der Vertheidigung abgelehnt, und es mußte Ersatz esucht werden, der sich schließlich in dem Stabträger des yoner Gerichtshofes, Dubrcuil, fand. Der SchwurgcrichtS- präsident Brcuillac hatte kürzlich eine echt französische Rede gehalten, in welcher er sich und die Geschworenen mit großem Pathos auf die „Heldeuthat* des ProcefseS vorbereitete und die Verurtheilung Caserio's zum Tode und zwar aus Grund eines aä sioo zu schaffenden Gesetzes (er meinte da her Kammer unterbreitete Anarchistcngesctz) einfach anticipirte. Diese überflüssige und tactlose Rede hätte zur Folge baden sollen, daß Breuillac die Leitung dcS ProccffeS genommen und einem Richter übertragen wurde, der gewillt war, schlicht und einfach seine Pflicht zu thun, ohne sich in Tiraden über die Charakterfestigkeit und den Heldenmutb zu ergehen, der dazu gehöre. CS scheint auch ein Actrn- wcchsel in der Angelegenheit erfolgt zu sein, aber mit dem ebenfalls überraschenden Ergebniß, daß Breuillac der Vorsitz verblieb. Der bisherige Verlauf des ProccffeS, der keinerlei Zwischenfall gebracht hat, zeigt den Mörder Carnot's als einen der „überzeugtesten", frechsten und ver schlossensten Anhänger der Sippe Ravachol's, als Cynikcr und Poseur, wie alle seine Vorgänger, der „wie ein Soldat zu Allem bereit ist*. Nun, wozu er bereit ist, wird ihm wohl zweifellos werden: derTod unter dem Fallbeil. Vom Präsidenten befragt, ob er sich für die Thal verantwortlich halte, erwiderte der durchaus den Eindruck eines geistig Gesunden machende Mörder: „Ich bin veantwortlich. In meiner Familie hat es Epileptiker gegeben, aber ich bin normal". So wird er auch, wir nehmen es zur Ehre der Lyoner Geschworenen an, normal verurtheilt werden, und eine Begnadigung des Mörders seines Vorgängers wird Herrn Casimir- Perier schwerlich Jemand ansinnc»; er könnte sie unter keinen Umständen vollziehe». Auch Caserio's Haupt hat eine ge- wisse ScnsationSpresse mit einer Gloriole umgeben wollen; sie halte Leute aus dem HeimathSort deö Anarchisten aus gefragt, und sie hatten angeblich ihrem „berühmten* Nachbar daS Zeugnis; ausgestellt, er habe in seinem Dorfe eine un getrübte Jugend verlebt, sei rin Ascet gewesen und habe die Frauen verschmäbt. Das ist falsch, constatirte der Präsident, und Cascrio bestätigte eS mit einem cynischen Lachen. So ist der „Held des Anarchismus* auch nach dieser Seite hin genügend charakterisirt. Wenn bei einem Sy^emWechsel in Serbien Exkönig Milan die Hand >m Spiele hat — und das war bisher immer der Fall — so kann man sicher sein, daß er dabei irgend einen Vortheil für sich, in erster Linie Geld, nochmals Geld und abermals Geld herausschlagcn will, was er be kanntlich immer braucht. Auch diesmal bandelt es sich wieder um ein Geldgeschäft, und wenn die Nadicalen ihm dasselbe machen Helsen, so wird sich im Handumdrehen sein Haß gegen dieselben in Liebe verwandeln. Vom gegenwärtigen Stand der Finanzen Milan'S nämlich entwirft die „Voss. Ztg." eine Schilderung, aus der hcrvorgcht, taßKvniqAlcxander vonSerbien, seitdem er sich großjährig erklärt ha», einen erweiterten Haushalt zu führen genöthigt ist. erhöhte RepräscntationSkosten bat und große Auslandsreisen macht, die Belastung seiner Civilliste mit lährlich 360 Ovc> Francs für Rechnung König Milan'S als eine Unannehmlichkeit ciupsindet, die er gern auf das Land abwälzen möchte. Zwar sind aus der Zeit der Minderjährig keit des Königs Alexander noch Ersparnisse vorhanden (der verstorbene Vi. Dokilsch saiumeltc als Vormund des jugend lichen Königs über l «>0i> M»«» Francs an), diese Ersparnisse will man jedoch nicht sür Milan angreiscu, sondern eS sollen diese, so lange keine Gemahlin an der Seite deS König« Alexander steht, vermehrt werden, damit dann eine Art Kron- aut vorhanden ist, und die vom König Milan belasteten Famitiengüter schuldenjrci gemacht werden könne». Au« diesem Grunde wollte man sür den König Milan eine de- sondere Apanage gesetzlich bestimmen lassen, und zwar in der Höhe von 360 000 Francs» — derselben Summe, die König Milan jetzt au« der Civilliste des Sohne« bezieht. Sämmt- liche Minister waren mit dieser Vereinbarung einverstanden, nur darüber entstand eine Meinungsverschiedenheit, ob diese Summe schon in das diesjährige Budget eingestellt werden soll oder erst in das nächste, wenn die Genehmigung der Volksver tretung vorlicgc. König Milan wünschte, daß diese Summe schon in daS diesjährige Budget eingestellt, und nachträglich Indemnität bei der Skupschtina nachgesucht werde. Da man aber der Zustimmung der liberalen und fortschrittlichen Abgeordneten nicht sicher zu sein glaubte, so ließ man die Angelegenheit für dieses Jahr fallen, doch erhielt König Milan eine ganz annehmbare Summe als Reisegeld vom Finanrminister Petrowitsch ausbezahlt. In Belgrad wurde erzählt, daß Milan und der Cabinetschcf Nikolajewitsch sich wegen der Geldangelegenheit arg verfeindet hätten. Die Hoskreise leugnen dies zwar, Thatsache sei jedoch, daß Köniz Milan dem gegenwärtigen Ministerium nicht mehr traut, und daß er alles daran setzt, einen neuen Systemwechscl durchzusühren. Deutsches Reich. * Leipzig, 2. August. Der „Vorwärts" erklärt, „daß vr. Arons der socialdemokratischen Pa rtei- casse weder sür den Bierboycott noch für einen 9 Sem Weib. Roman frei nach dem Englischen von Emil Birnfeld. ^ Nachdruck vkldotc». Es war in einer heißen, dunklen Augustnacht, als Samuel Brown, seit zwanzig Jahren Kutscher, Stallvorsteher und gelegentlicher Tisch-Auswärtcr des mürrischen alten Mr. Thrale auf dem schönen, stattlichen Landsitze Old Hall, in seinem Häuschen im Dorfe, einige Minuten vom Herrcsthause ent fernt, durch ein Geräusch aus dem Schlafe geweckt wurde, da» ihm sonst zu vertraut war, um ibn stören zu können, heute aber ausnahmsweise diesen unerwünschten Effect bcrvor- brachte, weil Sam der Hitze wegen die Fenster seines Schlaf zimmer« weit offen gelassen, und der Wind, der gerade in der entsprechenden Richtung stand, die pochenden, hastenden Töne ungewöhnlich laut zu ihm herwchte. Es war da« dumpfe Raffeln, Rollen und in eiligem Tact pulsirende Dampf- auSströmcn eine« fernen, sich nähernden Eisenbahnzuges. Samuel Brown richtete sich schläfrig in seinem Bette empor und lauschte. „Der Courierzug auS Schottland!" murmelte er vor sich hin. „'S muß lust neunzehn Minuten nach Ein« sein» der Courierzug ist pünktlich wie 'ne Kirch- thurmuhr. Zwanzig Minuten nach Eins geht er hier durch die Station! — Puh, ist eS aber heiß!" Sam wußte mit den Zugzeiten der Station deS großen Dorfes AlderSway Bescheid wie das CourSbuch. Eine Minute ver rann, in der da« Geräusch des nabenden Zuges zunahm, dann hörte man in der Ferne den schrillen Pfiff» mit dem der Zug, der hier nicht hielt, die Station markirte, und das veränderte Brausen, mit dem er durch den überdachten Raum deS Bahnhofes, der eine Strecke vom Torfe abgelcgea war, dahinfuhr, daun nahm da« Geräusch mehr und mehr ab. „Der Courierzug aus Schottland — zwanzig Minuten »ach Ei»»!" wiederholte Sam zufriedcngestellt und drehte sich scklLfrig aus die andere Seile um, in der guten Absicht, wieder de» Schlummer zu suchen; ein bi« zwei Minuten loscht« er dem allmählich sich in der Ferne verlierenden Dayinpocheu de» Eisenbahnzuge», al» einem Schlummerlied«, just geeignet, ihn rinrululleu, und war schon halb wieder im gewünschten Schlafe, al- ihn plötzlich ein neue» Geräusch NN» demselben aussahreu, stutze» uud sich mit vor Ver wunderung weit geöffneten Augen im Bette emporrichten ließ. Diesmal war es der dumpfe, rasche Schritt von deu Hufe» eines Pferdes, das im schärfsten Galopp den harten, aber ungepflasterten Boden der nahen Dorsstraße stampfte. Dann wurde der Schritt der Hufe Heller, schärfer; offenbar hatte das Thier jetzt die gepflasterte Chaussee erreicht, in welche die Dorfstraße in einiger Entfernung mündete und aus deren Steinboden sich die Hufschläge markanter abhobcn; dann verhallten sie, immer noch in forcirtestem Galopp, all mählich in der Ferne. Samuel Brown saß aufrecht in seinem Bett und starrte mit verwunderten Augen in das Dunkel jenseits de« Fensters hinaus, obgleich er von seinem Zimmer aus Dorsstraße und Chaussee nicht sehen konnte. „Dar daS nicht PierrcpointS Galopp?" murmelte er verdutzt. „Ich kenne den Husschlag de« Gaules wie der Currrnde-Iunge den Tactstock des Küsters bei den WeihuachtSliedern! Und er kam auch aus der Richtung vom Herrenhause her! Was zum Deixel können sie nicht einen anderen Gaul aus dem Stalle nehmen, wenn der alte Herr noch einen Boten zu schicken hat, statt gerade Pierrcpoint, da« arme Thier, da» sie mir zu Schanden reiten können! — Was ist's denn an der Zeit?" Sam zündete ein Streichhölzchen an und sah nach seiner großen silbernen Taschenuhr aus dem Tischchen neben seinem Bett. „Dreiundzwanzig Minuten nach Eins, ganz recht*, sagte er befriedigt. „Der schottische Courierzug gehl wie 'n Schiffschronometer. Und wenn das dort eben nicht der wilde Jäger selbst war, der dahinpreschte, so war'S Pierrcpoint sein Galopp, oder ich will nicht Sam Brown beißen!" Damit legte er sich wieder auf sein Kissen zurück, machte sich'« bequem und gab die weitere Erwägung der Sache zu Gunsten der Fortsetzung seine« behaglichen tiefen Schlafe« aus. Als Sam am folgenden Morgen ein Viertel vor sechs Uhr im Wohnzimmer seine» Häuschen« bei seinem Thee saß, er regte er die Mißbilligung seiner ehrlichen gutca Ehcdälfte Sarah durch seine Schweigsamkeit und sei» nachdenkliches Wesen. Sam war sür gewöhnlich zu tiefgehender Reflexion nicht veranlagt; heute aber saß er still mit halbgeöffnetem Munde, starrte zum Fenster hinaus aus die Landstraße, die man hier vom Wohnzimmer au» iu einiger Entfernung sich hinzichen sah, und rührte gedankenvoll mit dem Theclössel in seiner Taffe, welches letztere Gebahren im Verein mit seinem oachstnnenden Verhalten die sorgsame Frau Sarah um so mehr beunruhigte, als zu befürchteu stand, daß der Thee darunter iu der Tage kalt werde. „Sam", mahnte sic, „iß Dein Frühstück und laß das Rühren! Du mußt Dich sputen, daß Du an Deinen Dienst kommst." „Sarah*, fragte er zurück, „hast Du heute Nacht den schottischen Courierzug gehört?" „Ich glaube, ja, ich war munter." „Dann hast Du natürlich auch den Gaul gehört, der die AlderSway-Landstraße und dann die Chaussee lang sprengte wie behext, — nicht wahr, hast'n gehört, Alte?" „Ich glaube Wohl, aber ich war so verschlafen —" „Er kam vom Herrenhause her — und 's war Pierre point sein Galopp oder ich weiß nicht mehr, WaS 'n Hus schlag ist! Wie zum Teufel können Sie mir den Picrre- point, daS arme Thier, bei Nacht und Nebel in solchem Tempo abjagcu, als ob gar Nichts zu verderben wär' an dem Gaul?" „Der alte Herr wird einen Boten wcggeschickt baden. Mitten in der Nacht freilich — 'S ist sonderbar. Aber der alte Herr ist so ein wunderlicher Mann. Weißt Du» Sam, e« wird mir manchmal recht unheimlich mit ihm .... mit seinen seltsamen Reisen, bei denen Niemand weiß, wohin es geht, noch WaS er treibt .... und mit dem gcheimnißvolleu Geräusch Nachts in seinen verschlossenen Zimmern, wenn Alles im Hause schläft .... und im Dorf munkelt man von fremden Personen, die man Nachts bei dem Herrn bemerkt haben will und die heimlich zu ihm schlichen ...." „Husch! Still, Alte! Kein Geschwätz von deu Angelegen heiten unseres alten Herrn, die uns nichts angchcn. '« ist unser alter Herr, siehst Du, schon mein Vater seliger war Diener bei ihm und bei seinem Vater, und das sind seine Sonderbarkeiten, Wenns Sonderbarkeiten sind, und seine Ge heimnisse, wenn« Geheimnisse sind. Warum soll er nickt Nacht« einmal einen Boten weazu(chicken haben, wenn er doch Leute genug im Hause und Pferde im Stall hat? Aber zum Henker, konnte denn Waisen oder Edward, der Schlingel, nicht eineu anderen Gaul nehmen als just Pierrepoint, das beste Thier im Stall ? Sie wissen nicht, WaS eS sagen will, ein Pferd wie Pierrcpoint trainiren uud unter sich haöen l Da ist zum Beispiel auch Abuer, der braune Wallach! Ich habe ihn zugeritten und eingefahren, jahrelang habe ich ihn stet« unter meiner eigenen Haod gehabt und 'S ist ein ganz gutes Thier — aber nie habe ich mir eine Minute 'waS auf ihn ein gebildet oder hätte ich 'was dagegen gehabt, wcon man ihn zu einem nothwendigen Ritt genommen. Aber mit Pierre- Point ist da» natürlich ciu andere» Diug! Da» ist ein Thier, da ist Blut, da ist Temperament! Pierrepoint ist mein Stolz, ich halte ihn wie meinen Augapfel! Wer konnte sich unter stehen, ihn bei finsterer Nacht mir nichts Dir nicht- zu solch einem Ritt zu nehmen! Niemand kommt auf ihn in den Sattel außer mir selbst und dem jungen Herrn — und der junge Herr war nicht hier, schon wieder abgereist .. .* „Mr. Falconer schon wieder fort?" „Gleich gestern Abend spät, bald nachdem er gekommen. ES hat wieder einen bösen Streit zwischen ihm und dem alten Herrn gegeben, glaube ich; cs ging eine Weite lang laut her im Zimmer, wo sic sich eingeschloffen, und dann machte er gleich wieder fort, nach der Station, zum nächsten Zuge, sagte er. Wollte die Nacht nicht hier bleiben." „Nicht einmal die Nacht in seines Vaters Hause bleiben! Wie traurig, diese Streitigkeiten zwischen Vater und Sohn." „Still, Alle! 'S ist unser Herr, und sür uns alte Diener schickt sich'S nicht, daß wir unseres Herrn Angelegenheiten beschwatzen. — Na, sichst Du, Mr. Falconer war also nicht hier, und Pierrepoint ..." „Sam, laß mich mit dem Pierrepoint in Ruhe. Tu machst einen Abgott auS dem Thier. 'S ist eine Sünde!" Sam schüttelte mißbilligend den Kopf, aber antwortete nicht. Schweigend leerte er seine Taffe aus einen Zug, strich mit dem Handrücken säubernd über seinen Mund, dann erhob er sich und trat nach einem nachdenkliche» AbschicdSgruß an Sarah den Weg nach dem Schauplatz seiner Wirksamkeit, dem Herrenhause, Old Hall, an Die kleine Dorsgassc passircnd und eine kurze Strecke der Fahrstraße folgend, erreichte er nach wenigen Minuten eine Parkthür außerhalb dcS Dorfes, die er durchschritt und von der ihn eine kurze, schattige, dunkle Allee zu dem Herrenbause führte. Soeben war er im Begriff, sich hier nach link- zu den Ställen zu wenden, als etwas geschah, daS deS guten Sam'S GemütbSruhe wie einen Donncrschlag treffen sollte. Die Tbüre de« HerrenbauseS wurde aufgerifsen, da» Stubenmädchen stürzte bcrauS, flog, als sic Sam erblickte, auf diesen zu, ergriff seinen Arm und umklammerte ihn krampfhaft mit beiden Händen, die Zeichen des höchste» Entsetzen« im Gesicht, vor Aufregung fast außer Stande, zu sprechen. „Ob Sam!" keuchte sie ihm mit balbrrstickter Stimme zu: „Ob Sam — der Himmel hilf uns!" „Was ist «, Mädel, was giebt'«?* fragte Sam erstaunt. „Zum Henker, Isabel, willst mir den Arm blau rächen- Wa» giebt c», sprich?*
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