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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.08.1894
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-08-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940817015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894081701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894081701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-08
- Tag1894-08-17
- Monat1894-08
- Jahr1894
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Lrgan fiir Politik, Localgeschichtr, Handels- und Geschiiftsverkehr. Extra-Veilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesärderung 60.—, mit Postbrsürderung 70.—. Annahmeschlvß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgab«: Nachmittag« «Uhr. Sonn- and Festtags früh '/,9 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je »in« halb« Stund« früher. >»ret>e» sind stet« au dt, Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Potz ftt Leipzig 418. Freitag den 17. August 1894. 88. Jahrgang. Bestellungen auf Neiseahonnements nimmt entgegen und führt für jede beliebige Zeitdauer aus «Uv Lxpeültlon äes Litzlp/lKer lÄxelrlatteZ, , Johannisgasse 8. Amüiche Bekanntmachungen. Bekanntmachung. Nachdem die Erd» und Maurer-, Steinmetz- und Zimmer arbeiten für das DetriebSgebäude, Wohnhaus und Nebengebäude der U. Betriebsanlage der städtischen Wasserwerke zur Vergebung gelangt sind, werden die nicht berücksichtigten Bewerber ihrer Angebot« hierdurch enthoben. Leipzig, den 10. August 1694. 3866 Drr Rath der Stadt Leipzig. 1°. und er begrüße diesen Schritt als eine günstige Borbedeutung ür die Entwickelung der reichsländischen Dinge im Sinne de- llnschlusieS an Deutschland. Es war das erste Mal, daß SchneeganS den Fürsten von Person zu Person sah. Bei der Eröffnung des Reichstag- im Weißen Saal, sowie im Reichs tage selbst verschwand der Eindruck, den der Mensch auf den Menschen macht; hier kam er zur Geltung. „ES war" — wie SchneeganS selbst schildert — „der Eindruck des Gewaltigen, die hohe, mächtige Gestalt, der festeSchritt, der starke, nicht aber hart umspannende Druck der Hand, die sichere, willen-kräftige Ruhe de- Blickes, Alles gab der Erscheinung den Ausdruck der Kraft — und Machtfüllc. Nichts Gesuchte-, nichts Suchendes lag in dem ernsten Auge, in welchem ich weniger das oft betonte Fascinirende, als ein selbstsicheres Wohlwollen beobachtete, dem aber, wenn im Laufe der Unterhaltung die Rede des Einen oder de- Andern von der in Erörterung sehenden Frage abzuschweifen drohte, unter der rasch sich zusammenziehenden Stirnfalte wie ein Funkeln von raschem und gebieterischem Mahnen zur Rückkehr zur Sache entflog." Ter Abgeordnete SchneeganS gewann aus dieser seiner ersten Unterredung mit dem Fürsten die Ueberzeugung, daß, falls er in die Lage kommen sollte, in nähere Beziehungen zu ihm u treten, nur in der vollsten Offenheit nach jeder Richtung in und nicht im Diploinatisiren der Weg zu finden wäre, Verhandlungen mit ihm anzuknüpsen. Bezüglich der 1165 De. Tröndltn. Res. Bis. Ausschreibung. Die Ausführung de» Tchornfteinpaues der Dampfkessei-Anlage Mid di« Vlttzabletterarteiten für die Gebäude der n. Betriebs- onlage der städtischen Wasserwerke, westlich von Naunhof ge legen, werden hiermit zur Bewerbung ausgeschrieben. Bedingungen, Massenanschläae und Zeichnungen liegen zur An- sicht der Bewerber in der Geschäftsstelle für den Erweiterungsbau der städtischen Wasserwerke, Leipzig, Thomaskirchhos Nr. 18, II., aus, und können von dort gegen Entrichtung von 1,50 -st für je einen Satz Zeichnungen und Schriftstücke bezogen werden. Die Angebote sind mit entsprechender Aufschrift versehen bis zum LS. August d. I-, 10 Uhr Vormittags, bei der Nuntiatur deS RatheS der Stadt Leipzig versiegelt einzusenden. Wir behalten uns die Wahl unter den Bewerbern oder dar Recht vor, sämmtliche Angebote abzulehnen. Leipzig, den 16. August 189«. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Tröndlin.Etz. Einführung eines Lörsengebrauchs im Handel mit Luren betr. Gegen di« in unserer Bekanntmachung vom 1«. Juli d. I. erwähnte Ergänzung der HandelSgcbräuche im Geschäft mit Werth- papieren, den Handel in Nutzen betr., sind Einwendungen nicht er hoben worden. Dieselbe wird daher hierdurch mit der Wirkung in Kraft gesetzt, daß gegen Denjenigen, welcher ihr bei Abwickelung eines Börsengeschäfts die Anerkennung verweigert, Ausschluß von der Börse verfügt werden kann. Leipzig, den 15. August 189«. Die Handelskammer. Balsenge, stell». Vorsitzender. Vr. Pohle, S. Verdingung von Pflasterung«- und Planirungsarbeiten ln dem Baracken- Easernemrnt zu L.-GohliS in einem Loose. Eröffnung der Angebote 21. August er. vorm. 11 Uhr in dem Geschäftszimmer de« Garnison-Baubeamten Leipzig, Alexander- strafte 1«, I Verdingungsunterlagen können daselbst eingesehen, Verdi» gungSanschläge gegen Erstattung der Selbstkosten entnommen werden. Leipzig» den 15. August 189«. Der Garnison - Vaubeamte. Die städtische Sparkasse beleiht Werthpapiere unter günstigen Bedingungen. Leipzig, den 10. Januar 189«. Die Sparcaffen-Deputatton. Fürst Bismarck und die Parlamentarier. Im Augusthest der „Deutschen Revue" setzt Heinrich v. Poschinger seine Mittheilungcn über die Beziehungen des Fürsten BiSmarck zu hervorragenden Parlamentariern fort. Unter den deutschen ReichStagSabgeordneten gicbt es nicht viele, die sich rühmen können, mit dem Fürsten in fl eingehende und — man darf wohl noch hinzusetzen — in fl fruchtbringende Verhandlungen getreten zu sein, als der reichsländische Abgeordnete SchneeganS. Derselbe war einer der Begründer der sogenannten autonomistischen Partei, die es sich zur Ausgabe setzt, praktische elsaß-loth ringische Politik zu treiben und sich offen und ehrlich aus den Boden der gegebenen Thatsachen zu setzen, um für Elsaß- Lothringen das zu erreichen, wa« erreicht werden konnte: eine selbstständig im Lande befindliche Negierung. Um direkte Beziehungen zu den maßgebenden Persönlichkeiten in Berlin anzuknüpfen, wurde von Straßburg auS im Jahre 1876 der Direktor des „Elsässer Journals", Earl August Schnee ganS, nach der Reich-Hauptstadt gesandt. Er verkehrte damals mit vielen politischen Persönlichkeiten, u. a. mit dem früheren preußischen Finanzminister a. D. v. Patow, dem StaatSsccretair Hefmann, dem UnterstaatSsecretair Herzog, dem Geheimralh v. Pommer-Esche und den ReichStagSabgeordneten vr, Lucius, v. Forckcnbeck, v. Stauffenberg, v. Roggenbach, v. Bennigsen Miquel, vermied eS aber geflissentlich, in persönliche Beziehungen zum Fürsten BiSmarck zu treten, weil er besürchtete.daß nian diesen Schritt in Elsaß-Lothringen falsch deuten könnte Im Jahre 1877 wurde SchneeganS jedoch für den Wahlkreis Zabern von der autonomistischen Partei in den Reichstag gewählt und bald nach seiner Ankun t in Berlin wandte er sich zugleich im Namen der vier untcrelsässischen Abgeordneten Bergmann, North, Nestel und vr. Reck mit der Bitte um Bewilligung einer Audienz an den Fürsten BiSmarck, welche an, 2« Februar 3 Uhr Nachmittags im alten ReichSkanzler-PalaiS, jetzigen Auswärtigen Amte, im großen Empfangssalon (deS Erd geschosse«) stattfand. Der Fürst, der im Nebenzimmer arbeitete, ließ die Deputation nur kurze Zeit warten. Er hieß die Herren willkommen, indem er bemerkte, e- sei da- erste Mal, ha j »lsaß«l»thriugische RrichStagSabgeordnrte sich an ihn wendeten, um parlamentarischen Sonnabend-SoirSen, zu denen der Fürst die Abgeordneten einlud, bemerkt Generalkonsul SchneeganS: „Ich bin heute noch der Ansicht, daß in diesen vertraulichen Zusammenkünften der Vertreter aller Parteien und aller Richtungen mehr zur gegenseitigen Verständigung erreicht wird, als in endlosen öffentlichen Sitzungen des Neichtag«; hier wird vorbereitet, was dort beschlossen wird; hier reift, was dort zur Entfaltung kommt. Da die Sitte und nicht ein teifeS Reglement auf diesem Boden den Umgang mit anders Gesinnten beherrscht und demselben die in der Gesellschaft üblichen feineren Formen aufdruckt, so scheiden von selber alle zröberen oder nicht salonfähigen DiScussionSformen auS, welche in den ReichStagSsitzungen die Debatten beschweren, den Ver handlungen einen unnöthig gehässigen oder auch nur leidrn- chastlichen Charakter anheften und, statt die verschiedenen Meinungen einander näher zu führen, dieselben zu immer chroffercm Gegensatz zu einander bringen. Wenn ich in der ?age war, während meiner parlamentarijchcn Thätigkeit meinem engeren Lande Elsaß-Lothringen einige Dienste zu erweisen. Manche- auSzualeichen, Manche- vorzubereiten, so muß ich dies daraus zurückführen, daß mir unter Änderm diese GesellschaftS- abende beim Fürsten die Gelegenheit boten, mit den höchsten Vertretern der Regierung, mit den Mitgliedern des DundeS- rathS, mit den Abgeordneten aller Parteien in vertraulicher Weise und in der besonderen, für Jeden sich anpassenden Form unsere Lage zu besprechen, unsere Wünsche zu formuliren und die Pforten zu finden und zu öffnen, welche unS den Durch gang zu der von un« erhofften Verfassung und Neugestaltung erlauben würden." Von besonderem Interesse ist, was Herr SckneeganS Uber da- Eingreifen BiSmarck'» indieStatthaltcrsrage erzählt. Fürst BiSmarck war, wie Gehrimrath Tiedemann dem Ab geordneten für Zabern mitgetheilt hatte, der Ansicht, daß die beste Lösung der Frage darin bestehe, daß der jeweilige Kronprinz deS Deutschen Reiche- dort die „Sou- verainität" im Namen des Kaiser- ausübe; der Kanzler stelle anheim, die elsaß-lothringische BerfassungSfrage in dieser Richtung zur Sprache zu bringen. In der Press« kamen damals die verschiedensten Meinungen zum Ausdruck; mau sprach von »^kaiserlichem Kronlant", von „Kaiserland", von Großherzogthum; das eigentliche „Kronprinzcnproject" schien aber weitaus die größten Sym pathien zu haben. In diese Zeit (2. April, Nachmittags Uhr) fällt eine Besprechung, welche die unterclsässischen Abgeordneten Bergmann, North und SchneeganS mit dem Fürsten BiSmarck hatten. Der Abgeordnete für Straßburg, Bergmann, nahm zuerst da- Wort, um dem Reichskanzler zu sagen, daß dasKronprinzenproject vielen Anklang gesunden habe; es frage sich, wie demselben näher getreten werden könne. Fürst Bismarck antwortete ungefähr Folgendes: „Ich habe die Meinung deS Kaiser- über die Frage noch nicht eingeholt.^ Es ist mir also schwer, Jbnen einen Rath zu erthcilen, Sie müssen selbst aus den Verhältnissen den richtigen Weg erkennen, der Sie zum Ziele führt. Wie Sic wissen, ist die Frage der Ernennung des Kronprinzen zum Souverain von Elsaß-Lothringen durch die Presse verschiedent lich angeregt worden. Es sind diese Artikel aber insofern nicht ganz richtig, al« darin von einer Statthalterschaft dcS Kaisers durch den Kronprinzen die Rede war; eine solche Statthalterschaft ist aber nicht beabsichtigt; eS würde Sie die- auch nicht weiter führen. Wenn man Erbstatthaltcr schüft gesagt hätte, so wäre da- richtiger gewesen- denn der Kronprinz soll Ihr Landesherr, Ihr Souverain sein; er soll die Maßregeln treffen, die jetzt der Kaiser trifft, und zwar soll er sie im Lande selbst treffen. Man hat dagegen geltend gemacht, daß der Kronprinz nicht in Elsaß-Lothringen wohnen kann, da er auch Kronprinz von Preußen ist; aber er brauchte ja auch nicht immer dort zu wohnen, sondern zum Beispiel einen Monat aller Vierteljahre. Mit dem Kaiser land kommen Sie nicht weiter; waS Sie brauchen, da« ist dir Regierung deS Lande» im Lande selbst; wen» der Kaiser Jbr direkter «ouverain wäre und auch einen Statthalter nach Straßburg schickte, so müßte er doch immer noch rin Cabinet in Berlin haben, und da- käme immer wieder auf rin Ministerium in Berlin heraus, während der Kronprinz, al» directer Souverain, sich in Straßburg selbst das Ministerium bilden müßte. Es könnte ein älterer Herr sein, zum Beispiel Herr von Möller, er könnte einen Elsässer an seine Stelle stellen oder einen Süddeutschen Jedenfalls ist diese Sou vcrainität des Kronprinzen der einfachste Weg, der Sie von Berlin loSbringi Der Begriff de« Kaiserlande- würde aucb Schwierigkeiten mit den verbündeten Regierungen Hervor rufen! es würde die- eine Abtretung der Rechte von Seiten der anderen Staaten erfordern, während, wenn der Kron prinz Ihr Landesherr ist, eS nur einer kleinen Aendeniiig im organischen Gesetze bedürfte, nämlick, die Worte „der Kaiser übt die Staatsgewalt a»S", durch die „der Kronprinz" zu ersetzen.' *) Der Kaiser war dagegen. Der Abgeordnete Bergmann bemerkte alsdann, der LandeSauSschuß habe sich während deS Aufenthalts de» Kaiser in Elsaß-Lothringen entschieden für die Personalunion aus- gesprochen und der Kronprinz flick ebenfalls mit dieser Com- bination einverstanden erklärt. Es frage sich, wie nun vor- zugehen sei, mittels einer Deputation oder auf dem Petition»- Wege. Hierauf erwiderte Fürst BiSmarck: „Eine Deputation hätte ihre Schwierigkeiten; der Zufall könnte ja wollen, daß der Kaiser unwohl wäre und sie nicht empfangen könnte; dies würde sofort die riitgegei,gesetzte Strömung fördern. Der Petitionswea scheint angemessener; der letzte Beschluß deS Landesausschusses bietet den richtigen Ausgangspunkt zu einer Petition. Die „Personalunion" würde Sie bald zur Realunion mit Preußen führen, was Sie nicht wollen und was Preußeu auch nicht will. Es würde gehen wie mit Luxemburg. Die Elsaß-Lothringer werden viel eher Deutsche werden wollen, als Preußen. Sie müssen ein kleiner Staat werden; in einem solchen befinden Sie sich besser, als in einem großen wie Preußen, wo Sic unter den 25 Millionen untergeben würden. Der Kron prinz ist ein zu rhrsurcktSvoller Sohn, al» daß er sich gegen väterliche Aiiflichten hätte aussprechen können. Jedenfalls werden Sic mich bereit finden, Sie in Ihren Bestrebungen u unterstützen. Ich werde Ihr Advocat sein. Wenn eine Deputation zur Uebcrrcichung einer Petition notbwendia er- chcinen sollte, werde ich es Ihnen sagen. Auf alle Fälle !önnen Sie auf meine Unterstützung zählen." Daö Kronprinzcnproject schien von diesem Zeitpunkt an in den höchsten Berliner Kreisen festeren Fuß zu fassen. ES wurde in mehreren Zeitungen berichtet» der Kronprinz habe mit den Herren v. Noggenbach und Stauffenberg des Näheren darüber berathen. Man wollte wissen, daß diese Herren oder einer von ihnen als Minister nach Elsaß-Lothringen berufen werde. Anfang Mai wurde dem Abgeordneten SchneeganS durch Stauffenberg mitgetheilt, daß da« „Kronprinzenland ertig sei", als plötzlich die am 14. Mai und 2. Juni erfolgten Attentate auf den Kaiser eine unerwartete Wendung herbei- ührten; denn am 6. Juni wurde der Kronprinz mit der Wahrnehmung der Geschäfte und Stellvertretung de» Kaisers betraut und am 13. Juni wurde der Reichstag aufgelöst. Schon am 22. Februar 1879 konnte sich der zur Eröffnung de» Reichstags nach Berlin gereiste Abgeordnete SchneeganS überzeugen, daß der Kronprinz entschlossen war, seinen ganzen Einfluß im Sinne eiuer Sanirung der elaß-lothringischen Verhältnisse in die Waagschale zu werfen. An demselben Tage wobntr der Abgeordnete einer parlamentarischen SoirSe bei», Reichskanzler bei, der alsbald die Frage an ihn richtete, wie eS um die Zukunft von Elsaß-Lothringen bestellt sei. Auf die Aeußerung de« Abgeordneten SchneeganS, die Hoffnung der Autonomisten sei nicht geschwunden, nur glaubten sie nach den Attentaten vom Sommer 1878 nicht mehr an eine Ver wirklichung des „Kronprinzenlande«", erwiderte Fürst BiSmarck, nach seiner Ansicht dürfe man nicht verzweifeln Aber schon in einer Unterredung, die am folgenden Tage stattfand, sagte der Reichskanzler: „Sie können mich als Ihren Verbündeten ansehen. DaS Projekt de» Kronprinzenlandes hat bei dem Kaiser nunmehr noch weniger Aussicht, da der bejahrte hohe Herr, zumal nach den Attentaten, seinen Sohn in der Nähe zu behalten wünscht Man muß daher eine andere Lösung in« Auge fassen." Der Fürst ging darauf verschiedene Eventualitäten mit dem Abgeordneten SchneeganS durch, erklärte zwei hier nicht näher zu bezeichnende Auswege für undurchführbar, um schließlich da- Projekt der Organisation deS Landes unter einem kaiserlichen Statthalter näber zu erörtern Es sei seine Absicht, Elsaß-Lothringer in dir höheren RegierungS- und Verwaltungsstellen zu berufen; man brauche ja kein Beamter zu sein, um einen guten UnterstaatSsecretair oder Bezirk-Präsidenten abzugeben- ,n Frankreich besetze man diese höheren Stellen vielfach auch nicht mit geschulten Beamte». Der am 2. Juni 1879 dein Reichstag vorgelegte Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Verfassung und Verwaltung Elsaß-Lothringen-, wurde nach viertägiger Berathuna mit großer Mehrheit angenommen. Damit war da- lang erstrebte Ziel glücklich erreicht. Im späteren Verlauf der elsaß-lothringischen Angelegenheit trat Fürst BiSmarck weniger hervor; die Bertheidigung der zuletzt erwähnten VerfassungSvorlaae überließ er dem Unter- staatSsecretalr Herzog. Dagegen berührte der Reichskanzler hin und wieder auf den parlamentarischen Gesellschaften die schwebenden Fragen im Gespräch mit dem Abgeordneten SchneeganS. Eine- Abend» trat der Kanzler an die Tafelrunde, die SchneeganS mit verschiedenen Beamten de» Auswärtigen Amtes bildete, heran, indem er scherzend äußerte, dort (am großen Tische) werde eS jetzt zu steif, er komme lieber mal hierher. Ein andere- Mal näherte sich der HauSberr wiederum der von SchneeganS und anderen Herren gebildeten Tischgesell schaft, welche eben die Frage der künftigen Statthalterschaft di-cutirte. „Um wa« handelt sich- denn hier?" fragte der Fürst lächelnd. „Durchlaucht", erwiderte der LrgationSrath Freiherr von Richtbosen mit scherzhaftem Ernst, „wir sind gerade dabei, den Statthalter von Elsaß-Lothringen zu ernennen." „So? und wer soll das sein?" „Der Feldmarschall von Manteuffell" „Ei! davon ließe sich ja weiter sprechen!" meinte der Fürst und entfernte sich. In der parlamentarischen Gesellschaft vom 17. Mai 1879 theilte Fürst BiSmarck dem Abgeordneten SchneeganS mit daß in der Thal der Feldmarschall von Manteuffel kaiser licher Statthalter, der UnterstaatSsecretair Herzog StaatS secretair in Straßburg und der Abgeordnete von Puttkamer UnterstaatSsecretair (für Justiz) werden würden. Diese» Capitel schließt mit folgendem Vorfälle, der sic!) aus einer parlamentarischen SoirSe im Jahre 1878 ereignete. Er war Bier htrumgereichl worden, und zwar aus einen, frisch von München angekommenen, im Saale aufgestellten Faß, al- der Fürst mit gefülltem Humpen zu dem von Schnee ganS und seinen Freunden gebildeten Kreise berantrat und fragte: „Nun, wie sühlen sich die Elsässer in Deutschland?" „Durchlaucht", antwortete SchneeganS, „wir gehen eine Ver nunftche ein, da- giebt oft die besten Ehen " Der Fürst lachte und erwiderte. „Liebe und gegenseitige Achtung stellen sich im Zusammen leben ein; daraus stoßen wir an!" Und eS wurde angestoßen. Deutsche- Reich. 0. II. Berlin, 16. August. Der Birrboycott fängt zu versumpfen an; selbst die Magen der „zielbewußten Genossen" können auf die Dauer das unreife boycotlsreie Bier nicht vertrage» und in den boycottfreien Budiken schaut der mit rothen Schleifen geschmückte Lassalle auf recht viel leere Stühle. Die Brauereien der Umgegend, welche den „Zielbewussten" und ihren anarchistischen Brüdern zu Hilfe ge kommen sind, haben sich sehr m die Nesseln gesetzt; das hoycottsreic Bier wird kaum noch an seinem Erzeugnißorte getrunken, während die boycottirten Brauereien in Rathenow, Luckenwalde u. s. w. täglich bessere Geschäfte machen. Die „Genossen" hätten den Boycott schon längst aufgehoben, wenn nicht die zu Bieragenten avancirten Agitatoren, deren Ein nahmen immerhin noch bedeutend sein sollen, und der „Vor wärts" mit aller Macht sich dagegen sträubten. In jeder Woche werden die Listen tcr „boycottfreien Budiker" ver öffentlicht; 40 kostet die Zeile und da- macht bei 1800 Boycottfreien 720 -E; die Wirthe müssen sich in dir Liste aufnehmen lassen, denn sonst haben sie die Ver- vehmung zu erwarten. Bekanntlich baden die „Zirlbewußtcn" auch versucht, den Boycott nach auswärts zu tragen; der Haß gegen den „Bierkönig" Röflicke war so groß, daß sie auch seine Brauerei „Zum Waldschtößchen" in Dessau, die doch mit dem diesigen Boycott nicht« zu thun hat, boy cottirten. Die Hetze gegen die Brauerei wurde auf das leidenschaftlichste von Hallenser, Beruburger und Cötbrncr Hctzcr» betrieben, unter denen sich der bekannte Agitator PeuS besonders hcrvorthat. Der Erfolg, den er erzielte, geht auS dem soeben abgeschlossenen Geschäftsberichte der Brauerei Ur 1893/94 hervor, nach dem ein Mehrabsatz von 15 160 Hektolitern erzielt wurde. Der Geschäftsbericht umfaßt die Monate, in denen die Brauerei boycottirt war, mit. Eine solche Steigerung des Absätze- in einem so un günstigen Geschäftsjahr dürsten Wohl nur wenige boycottirte Brauereien haben. Kein Wunder, wenn den „Ziclbewußten" die Geduld auSgeht. LH Berlin, 16. August. Die in den Händen von social- deoiokpatischen Führern liegende Gewerks cbaftSagiiativii macht schon seit Jahren keine Fortschritte mehr, sondern Rück schritte, wie selbst die von der Generalcomuiisflion der Gewerk schäften Deutschlands aufgeiioiinneneii statistischen Nachweise ergeben. ES ist daS begreiflich, wenn man beachtet, daß die Massen der Arbeiter immer begehrlicher gcinacht werden und daß sie wohl ernten, aber nicht säen wollen. Die erste allerdings ungenaue Statistik, die über die socialdemokratischen Gewerkschaften im Jahre 1877 ausgenommen worden, zeigte, daß von 2 Millionen vor handener Arbeiter 49 000 in 32 Centralvereinen organisirt waren, also nur 1'/, Proc. Auf Grund des Socialisten- gesetzeS wurden in den Jahren 1878 und 1879 und auch noch später einzelne gewerkschaftliche Vereinigungen aufgelöst und die Gewerkschaftsbewegung ging rapid rückwärts, doch erholte sie sich »ach einigen Jahren wieder. Statistische A» gaben über die Stärke der einzelnen Gewerkschaften sind bis zum Jahr« l89l nicht vorhanden. Nach den Notizen, die der Generalcommission der Gewerkschaften Deutschlands seitens 54 centralisirter Gcwerkschasttn zergangen, zählten diese im Jahre 189t 176 000 Mitglieder. In diesen Be rufen sollen rund 3 379 000 Personen beschäftigt gewesen sein, mithin würden von diesen 5,73 Procent einer social- demokratischen Gewerkschaft angehört haben. Naeb tcr ungefäbren Schätzung der Gcurralcomniission, da einzelne Organisationen keine Angaben gemacht hatten, sollen 278 000 organisirt gewesen sein. I», folgenden Jahre gingen von 52 Gewerkschaften Notizen über ihre Lage ein. Diese zählten nur 227 000 Mitglieder. Die Generalcommission schätzte die Zahl aller Oraaiiisirtcn auf 244 000 ; auch da« würde, da die Zahl der Arbeiter überhaupt sich doch vermehrt hatte, noch ein beträchtliche) Minus ergeben. Für da» Jahr 1893 liegen von 50 Gewerkschaften Angaben vor. Diese zählten 221 000 Mitglieder. Im letzten Jahre hat flick also nicht nur dir Zahl der centralisirten Organisationen, sondern auch die Zahl der Mitglieder vermindert, obgleich die Generalcominisfion eine umfangreiche Agitation zur Gewinnung der in der Nahrungsmittelindustrie beschäftigte» Arbeiter entfaltet batte und auch in anderen Branchen, wie in der Metall- und Holz industrie, im Bergbau und im Braugewerbe, die größten Anstrengungen gemacht worden sind, »in den Organisationen neue Mitglieder zuzuführen und die Kainpsfond« zu ver stärken. Lccalorganisationen gehörten außerdem 6280 Arbeiter an. Tie Gesammteinnahme der 50 Vereine im Jahre 1893 belief sich aus 2 246 366 die GesammtauSgabe auf 2 036 025 und zwar: 292 157 BerbandSorganc, 43 934 -4 Agitation, 65 356 Streik», 12 542 Rechtsschutz, 28 321 Gemaßregelten-Unterstützung, 328 748 Reisc- unterstützung, 220 926ArbeitSlosen-Uiiterstützung, 304 648^1 Kranken- und Invaliden-Unterstützung, 417 062 Extra- unterstützung, 253 552 .< sonstige (?) Ausgaben, 84 316 Gehälter, 82 412 Verwaltung-material, 38 64l .<<1 Kosten der Conferenzen und Generalvcrsammliingen, 20 049 Beiträge an die Generalcommisston, 1750 .6 Proceßkosten »nd 252 722 die den Zahlstellen verblieben sind. Während l87l für Streiks 450 000 .6 auSgegrben worden, betrug diese Ausgabe im folgenden Jahre 45 000 und im vorigen Jahre 65 000 -L, doch gehört auch ein großer Theil der Gcniaßregeltcn- und Reise-Unterstützungen in diese Rubrik. Der Cassenbestand der Gewerkschaften oat sich von 646 000 X- im Jahre 1892 aus 800 579 .«k ,m Jahre 1893 erhöht Die Generalcoinmissiou tadelt e«, daß der Central verein de» Böttcher, der seit dem Jahre 1886 besteht, keine Angaben über seine JahreSeinnahme »nd Ausgabe, sowie über seinen Cassenbestand gemacht hat, daS bat er aber mit Rücksicht auf seinen Berliner Streik und den Bierboycotl unterlassen, denn als der Streik proclamirt wurde, war nur ein sehr geringer Cassenbestand vorhanden, und e« Ist zweisel- loS, daß die flocialdemokratische Parteicasse in Anspruch ge nommen Worten ist Der Centralverein der Böttcher zählt
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