Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.09.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-09-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940918026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894091802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894091802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-09
- Tag1894-09-18
- Monat1894-09
- Jahr1894
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
VezugSPrei- 1» der Hanptrppedition oder de» im Stad«, bezirk «ad de, Bororten errichteten An«, aadeüelle» abgeholt: vierteljährlich^«« 5g, bei jlvermaliger täglicher Zustellung in« Haut >l SchO. Durch die Post bezogen iur Deutschland und Oesterreich: vierteliädrlich X 6.—, Direkte tägliche Kreuzdandiendung int Ausland: monatlich 7.50. DteMorgen-Aulgabe erscheint täglich '/,? Uhr, di« Adend-Ausgabe Wochentags ä Uhr. LeLarlion und Lrveditioa: AuhannrSgaffe 8. Die Expedition ist Wochentags nnunterbrach«» «eöffaet von früh 8 bi» Abend« 7 Uhr. Filialen: DU» Nie««'« Lorti«. «Alfred H«h»^ Uaiversitätsstrabe 1, L.»t» LAsche, «hariuenstr. 14, part. und KSnIgsplatz 7. ^- 478. Abend-Ausgabe. ripMtr TagMalt Anzeiger. Drglin für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Dienötag den 18. September 1894. Anzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Psg. Reklamen unter dem Redactionsstrich <4g»> spalten) üO^, vor den stamiliennachrichte» (6 gespalten) 40 »z. Eröher» Schritten laut unterem Prei». »erjtichnib. Tadellariicher und Zissernjatz nach höherem Daris. Extra-Veilayen (gesalzti, nur mit der Morgen. Ausgabe, ohne Postbesörberung ^l M—, mit Poslbesorderung 70.—. Annahmeschlub für Anzeigen: Abrnd-Ausgabe: Vormittag- lO Uhr. Margei».Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Sonn- und Festtags früh '/,9 Uhr. Vei den Filialen und Annahmestellen je ei»» halb« Stunde früher. A»«ri,r« sind stet« an die Erpehttt«» ju richten. Druck und Verlag von <k. Pol» in Leipzig 88. Jahrgang. Politische Sage-schau. * Leipzig. 18. September. Fürst viSmarck hat durch seine in Barzin an die Posener Deutschen gerichtete Rede den Demokraten eine arge Enttäuschung bereitet. Der autbentische Wortlaut dieser Rede liegt allerdings auch beute »och nickt vor. aber au» den vorliegenden »nd in. Wesentlichen übereinstimmende» Berichten ersehen die demokratischen Blätter mit tieser Be- trübniß. daß Fürst Bismarck seine deutschen Gäste weder gegen die Pole» im Ganzen, noch gegen die Regierung auf- gereizt und ibnen selbst dadurch die ersehnte Gelegenbcit genommen hat. Polen und Regierung gegen den Allkanzler in Schutz zu nehmen. Um so mehr hat Fürst BiSmarck seine Gäste befriedigt. .Wir ziehen getröstet nach Hause- — in diese Worte faßte ein betagter Deutscher aus der Provinz Posen den Eindruck zusammen, den Nähe und Rede unseres großen Greises auf ihn und seine Landsleute hervorgebracht. Und in der Thal, eS weht ein großartiges Vertrauen in die Zukunft des DeutschthumS der bedrängten Provinzen durch die Worte de« FürstenBiSmarck— ein Vertrauen,daSdem nationalen Kraftgefühl entspringt, das sich in dem Gewaltigen concentrirt bat, um ihn zu den größten Thalen zu führen. Der nationale Muth, den BiSmarck in sich fühlt, ist ihm der Math des deutschen Volkes, und diese Zuversicht, wie sie für den Waffen kamps unerschütterlich ist, möge auch nicht trügen, wo Selbst gefühl und Widerstandskraft gegen innere Gefahren gefordert werden. Fürst BiSmarck bat in seiner Varziner Rede nichts von seiner früheren Beurtbeilung der Polenfrage Abweichendes vernehmen,aber er hat denTrö ster hinter denW a rn e r zurück» treten lassen und hierin seiner Weisheit uud seinem Patriotismus eia neue- Denkmal gesetzt. Die Posener stehen im nationalen Kamps dicht vor dem Feinde — sie sollten nicht durch scharf betonte Zweifel an der Zweckmäßigkeit und Zuverlässigkeit der Führung gelähmt werden. Ihnen spricht vielmehr der edle Bcrather am liebsten von den Chancen des Erfolge«, von der erdrückenden Uebermacht der trotz mancher Rück schläge ihr Nationalbcwußtsein entwickelnden, im Reiche geeinten Deutschen, von der Stärkung der Erkenntniß, daß m Posen „unterstützungsbedürftige deutsche Landsleute- leben, einer Erkenntniß, der man vertrauen könne. Und über den hilfsbereiten StammcSgenossen zeigt der Fürst den Posenern denKaiserals denentschlossenen Hüter des DeutschthumS, dem das unschätzbare Elsaß nicht theurer ist als die Ostmarken Kaiser und Volk halten die Wacht an Warthe und Weichsel — Fürst BiSmarck will die- nicht nur militairisch verstanden haben —. aber sie bedürfen, jener der auSfübrenden, dieses der unterstützenden Organe. Hier wird der Optimismus de- Redners ein bedingter. Der Feind ist der Adel und die Geistli chkeit, aber „e-bleibt immer ein mächtiges Gewicht in der Waagschale, wenn die preußische Regierung ihren Ein stuß in voller Entschlossenheit und auch in einer für die Zu kunft in keiner Weise anzuzwcifelnden Deutlichkeit auSübt." DaS Verhältniß muß sich aber in sein Gegcntheil verkehren, wenn der Adel als eine Stütze des Staats angesehen wird. Fürst BiSmarckbat mit diesen Hinweisen,denen dcrWarnungSru ^ „vesttgia terrenG folgt, eine Verurtheilung der jüngsten Polenpolitik der Regierung ausgesprochen, die dadurch nicht« an Schärfe verliert, daß sie, mit Rücksicht auf die Aufgabe, zu ermuthigen, mehr andeutungsweise erfolgt. Sehr deutlich aber wird er, wo er eine salfche Auffassung der Polenfrage unterdem GesichtSpunctedcr auSwärt,atn Politik zu rügen hat. Ein Polenreick müßte stets der Bundesgenosse unserer Feinde sein, und sich für die Sicherheit unserer Ostgrenzen aus den polnischen Abel zu verlassen, sei ein Zeichen von „politischem Ungeschick oder von politischer Unwissen heit-. Ob die Mahnung Bismarcks bei der Regierung ein Obr finden wird, bleibt abzuwarten. Er möchte Diejenigen cnlmutbigen, die ihrerseits den polnischen Adel ermuthigen, aber er verfügt nur über die Zustimmung der deutsche» Bevölkerung, nickt über Einstuß auf „andere Elemente-. Kann man mit den« Fürsten BiSmarck nun hoffen, daß die Polenpolitik wieder eine deutsche werte, so darf man wokl mit vollerZuversicbt e rw a rt e n.daß die deutschen Parteien in Pose» der Mahnung des große» Einigers, gegen über dem genieinsamen Feind von ihrem inneren Hader ab- zusteben, Gebör schenken werde». Auch der Ruf an den Fort schritt, sich der nationalen Phalanx anzuschließen, wird in Posen — und auf dieses Land kommt eS an, nicht aus Berlin — nicht spurlos verdallen. Der Hobe Patriarch, der auch diesmal Gedankentiefe mit liebenswürdiger Anmuth in seiner Rede zu verknüpfen wußte, schloß, indem er — menschlich schön und politisch richtig — da« Beste der Deutschen den Frauen und der Jugend überantwortete. Der Greis siebt trotz alledem bellen Blickes und tapferen Sinnes in die Zukunft — ein leuchtendes und zwingendes Beispiel für die Männer, die ob der Widerwärtigkeiten der Zeit oft verzagen möchten. Die gänzlich verfahrene Angelegenheit de« deutsch- spantschen Handelsvertrags scheint nun endlich zu einem Abschluß, aber einem negativen, zu kommen. Nach der Madrider „Epoca" wird die spanische Regierung al-bald nack dem im November stattsindenden Zusammentreten der EorteS den immer noch unerledigten Handelsvertrag mit Deutschland zurückzieben. Eine solche Komödie der Irrungen, wie mit diesem Handelsvertrag, ist noch niemals auf- geführt worden. Der Vertrag war bekanntlich im Dccembcr 1893 vom deutschen Reichstag angenommen worden. Er bot der deutschen Industrie einige Vortheile, Spanien erhielt die ermäßigten Wein- und Südfruchtzölle. Die Bemühungen, dem deutschen Sprit das früher besessene große Absatzgebiet zurück ^n gewinnen, blieben erfolglos. Dann ließ sich, da die EorteS rücksichtslos genug waren, den Vertrag überhaupt nicht in Be- rathunz zu nehmen, die deutsche Geduld seit dem 1. Februar 1892 nicht weniger als zehnmal zu immer neuen Provisorien auf Grundlage de« Meistbegünstigungs- Verhältnisses mißbrauchen. Da gebot eS endlich die deutsche Ehre, diesem Spiel, da« nachgerade zu einer Verhöhnung ge worden, ein Ziel zu setzen. Zunächst trat der deutsche auto nome Tarif gegen die spanische Einfuhr in Kraft und nach dem Spanien mit seinem dem vollständigen Ausschluß gleich- kommenden Marimaltaris geantwortet batte, erfolgte eine Erhöhung de« deutschen autonomen Tarifs um 50 Procent. In der betreffenden BundesratbSvorlage hieß eS scharf: „Bei dieser den internationalen Gepflogenheiten in keiner Weise entsprechenden Haltung der parlamentarischen Vertre tung Spaniens unserem Handelsverträge gegenüber konnte aus ein weitere- Eingehen aus ein Provisorium, bei welchem Spanien deutscherseits Vortheile gewährt wurden, die nicht ihren vollen Ausgleich in spanischen Gezenconcessioneii fanden, nicht gedacht werden." Mit der förmlichen Zurückziehung des Vertrag« durch die spanische Regierung erlischt nunmehr für die nächste Zeit jede Aussicht, aus dem Zollkrieg heraus und zu einem vertragsmäßigen Verhältnisse zu kommen. Noch größere Zugeständnisse zu machen, dürste bei dem zweifelhaften Wertde de« Vertrages für die deutschen Interessen auch nickt in den Absichten der ReickS- regierung liegen. Spanien wird bei diesem Kamps namentlich durch die Hobe Verzollung seines colonialen Tabaks schwer getroffen werden. Der Tagung der österreichisch-ungarischen Delegationen sieht man deshalb stets mit Interesse entgegen, weil man ge wohnt ist, hier über die auswärtige Politik am RcgicrungS- tische mebr sprechen zu hören, als in anderen Parla menten Auch bringt eS die geographische Lage der habSburg,scheu Monarchie und seine Stellung unter den europäische» Mächten mit sich, daß der österreichisch- ungarische Minister deS Auswärtigen immcr etwas zu sage» Weiß, was für die politische Welt von Wichtigkeit ist. Wenn nun in diesem Jahre das ExposS deS Grasen Kalnokv wiederum mit einer gewisse» Spannung erwartet wurde, so liegt der Grund hierfür nickt etwa in der Annahme, daß Gras Kalnokv über den Dreibund und über die FriedenS- auS sichten etwas Neues sagen werde. Der Dreibund — das hat Gras Kalnoky selbst ausgesprochen — ist bereits in das Bewußtsein und die Erkenntniß der Bevölkerung Oesterrcich-UngarnS bincingewachscn. Von den tschechischen Heißspornen abgesehen, weiß man diesseits und jenseits der Leitha, daß der Dreibund einerseits keine aggressiven Ziele verfolg«, andererseits der österreichisch ungarischen Monarchie die beste Schutzwebr gegen jede aggressive Politik bietet. Jede andere Bündnißcombination würde Oesterreich Ungarn geringere Garantien gewähren, aber ihm gleichzeitig wenn nicht größere, so dock mindesten« dieselben materiellen Opfer auferlegcn. Graf Kalnoky führte in dieser Beziehung zutreffend a»S: „Nicht weil wir dem Dreibunde angehören, rüsten wir, sondern wegen unserer Sicherheit und zur Wahrung des Frieden«. Olingen wir eine andere Lombinatioii ein, so würden wir ganz ebenso die großen Armer» z» hatte», gegen ein gerüstetes Lurova uns zu schütze» haben wie letzt, Es würde eine andere Coinbinotio» den angedeuteten Zweck, näintich die Einstellung eines FriedensbudgrtS, heutige» Tages ebenso wenig erreichen. Ich kann also nur mit Genugthuung daraus Hinweisen, daß wir nach den durch mehr als ein Decenniui» ge sammelten Ersahrungen keinerlei Grund habe», di« Vortheile, welch« uns uniere gegenwärtigen Bündnisse verschassen, auszugebe», weil wir die Resultate derselbe» als solche sehen und erkennen, die nicht nur de» Interessen der Monarchie, sondern auch dem euro päischen Frieden zum Heile gereichen, und auch in Europa allgemein erkannt und anerkannt worden." Wenn Gras Kalnoky, hieran anknüpsend, auf die Be ziehungen Oestcrreich-UngarnS zu den übrigen Mächten cin- aina, so konnte er auch hier keine neuen Ausschlüsse geben. Daß England auf Grund alter Sympathien und der Interessengemeinschaft an Oesterreich« Seile zu finden ist, daß in die österreichischen Beziehungen zu Frankreich durch deu Besuch deS Kaiscrpaare« all der französischen Küste und durch die Bekundung herzlicher Tbeilnabine an der Ermordung Earnol'S ein wärmerer Ton gekommen, daß der Abschluß eines Handelsver trages mit Rußland einen vortbeilbastrn Rückschlag auch auf die politischen Verhältnisse auöüben müsse, und daß in folge dessen die allgemeine Lage al» eine sriedenver- heißende und beruhigende bezeichnet werden könne — war bekannt. Mit Spannung aber durste man den Er öffnungen über die Stellung harren, welche die östcrreichisch- nngarische Regierung gegenüber den Umwälznngtn in Serbien und Bulgarien und gegenüber deni bekannten Vorstoß deS Grase» Ludwig TiSza bezüglich der Abwehr unberechtigter auswärtiger Einmischungen cinnimmt. Aus gehend von der Anschauung, daß die sorgfältig gepflegte Pflanze des Friedens nack und nach immcr festere Wurzeln schlagen wird, saßt Gras Kalnoky die Vorgänge in den Balkanstaaten „mit Ruhe- i»S Auge; er sieht sie als wcsentlich locale Fragen an, au« denen „weitere Eonipli- cationen nicht entliehen werden". Wie bisher, hält Graf Kalnoky auch i» Zukunft a» dem Princip der „Nicht einmischung" fest und betont den Wunsch seiner Regierung, „daß die Balkanvölker sich ans der Basis de« Berliner Vertrage- selbstständig entwickeln, und die Ein mischung einer fremden Macht in ihre inneren Verhältnisse nicht stattfinde." Mit einer Kritik der grundstürzenden Vorkommnisse, die sowohl für Serbien als auch für Bulgarien eine deutliche War nung cinschließt, hält GrZ Kalnoky trotz deS Grund- ätzeS der Nichteinmischung nicht zurück. Er stellt fest, daß die Krisen in Serbien „von einem bedauerlichen Mangel an Stabilität Zeugniß geben", und bofft, „daß auch die gegenwärtige Regierung, den Intentionen deS König« ent sprechend, ibr Möglichste« «hun wird, um den nach und nack angcwachseiien Beschwerden gerecht zu werden". Noch deutlicher warnt Gras Kalnoky Bulgarien davor, russopbile Bestrebungen Play greisen zu lassen, indem er dabei unzweideutig den Sturz Stambulow'S bedauert und die neuen Männer zur Mäßigung diesem gegenüber ermahnt. Er sagt n. A.: „Was Bulgarien onbetrlsst, so hat der Herr Referent die letzte» Ereignisse als eine lleberraschung oder sürmlich alS eine Täuschung charakterisirt. Ma» bat vielleicht die dortigen Ver- hällnisse bei u»S allzu optiinislijch ausgesaßt und es ist nun i» dieser Beziehung ei» Rückschlag eingetreten, der wieder zu weit geht, und zwar deshalb, weil die Verwirrung, die Lurch den unvorbereiteten Umschwung eintest, »och nicht jo weit geklärt, daß ma» sich ein richtiges Bild der Zustände zu machen vermöchte. Man batte sich in Europa daran gewöhnt, die Sta bilität, welche in Bulgarien durch die seste Hand Stam bulow'S eiilaetrelen war, als eme bleibende Thatsache zu be- trachlen und hat in Folge dessen geglaubt, daß die inneren Ber- hältiiisje Bulgariens solche» plötzlichen lleberraichungen entri! ckt sind, wie sie sonst in jenen Landern nicht ungewöhnlich zu sein pflegen. Leider zeigt cs sich auch dort, daß, wcuu politische Krisen einircle», dieselben mit großer Leidenschast ansgesaßt werden und zum Partei bader sichre», der sogar in Excel je ausarlet. Wir haben r» alle» Balkanläiiderii gesehen, daß der Schritt von der Macht zur Anklagebank ein sehr kurzer ist, und ich fürchte, daß ma» in Bulgarien in diesem Aiigenblicke die nöitnge Ruhe verloren bat. um diesen schweren Fehler zu vermeiden. Für. uns, denen der frühere Minister für Lldnuiig und Sicher, heit der Zustände eine große Gewähr geboten hckd, ist eS bedauerlich, daß dieser anscheinend stabile Zustand »ingesiürzt worden ist und unsichere Zustände kiiigetreten sind Aber wir haben Loch dafür nicht eiuzustehc» oder nut- zureden, wenn i» Bulgarien ein Ministerwcchsel eintritt, und könne» uns nicht daraus einlasscii, Laß wir deshalb die Nnchiolger von vornherein ungünstig ansnehmen oder, weil es andere Männer sind, de» ganzen Stand der Dnrge verrirtdeilen. Ich halte die Männer, die gegenwärtig in Bulgarien ans Ruder gekommen sind, sur gute Patrioten, sur ersahreur und kluge Politiker, bi« unler den hestigeu Strömungen de« Augenblick« erst Festigkeit erlangen müssen, uni entschieden Stellung nehmen zu können. Ich glaube aber, daß die nüthige Ruhe nach den Wahlen eiinreteu rotrd «»A' ' daß wir nicht besorgt sein dürfen, daß die politische Richinng, welche Bulgarien eingeschlagen hat, durch de» Einlrilt der neue» Minister sich wesentlich ändern werde; da- Selbstgefühl und die Selbstständigkeit. daS Selb st bewußtst,» der Bulgaren ist denn doch z» sehr entwickelt, um zu erwarten, sie würde» die unter großen Mühen und Gesahre» erworbene seste und selbst ständige Stellung auszugeben bereit sein." Wa« endlich den Borstoß de« Grasen TiSza gegen Rumänien anlangl, so läßt sich nicht leugnen, daß Graf Kalnoky in gewissem Sinne dem magyarischen Stantpnnclc beipflichtel. ES geschieht aber in so zurückhaltender und versöhnlicher Werse, daß diplomatische Neclamatwnen Oesterreich-Ungarns in Bukarest bezüglich der Bukarester Eullurliga vor der Hand nicht zu erwarten sind. Gras Kalnoky sagt nämlich: „Rumänien war von den außerhalb des Dreibundes stehende» Länder» eines der ersten, welches dessen wirkliche friedliche Ziele anerkannt »nd sich eiiljchlossen hat. sich zu denselben zu bekenne» »nd eine Anlehnung an die wcsteuropäiichen Eenlralmächte z» suche». Die sehr freundlichen Beziehungen, die wir demenlsprechend seit Jahren unterhalten, haben sich als haltbar bewährt, »nd der Impuls, den der ilönig und die Regierung in dieser Beziehung gegeben haben, hat im Lande wachsenden An klang gesunden. Diese guten Beziehungen zu Rumänien und dessen Regierung berechtigen u»S, die Ueberzeugung auezusprechen. Feuilleton. Der goldene Mittelweg. ss Roman von Erich Rott. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Leberecht Winkler hatte mit vor Zorn dunkelrothem Ge sicht den wechselseitigen Beschuldigungen der beiden Knaben zugehört. „Du hast also angcfaiigen", sagte er in scharsem Ton zu Erich gewandt, der bleich und zitternd vor ihm stand, „weißt Du nit, daß daS der junge Baron ist, du nichlSwür- diezer Bnb! Sofort gehst zu dem Herrn da und bilt'st ihn schön um Verzeihung, verstanden?" Der Knabe wurde plötzlich dunkelroth im Gesicht; er senkte da« Kinn ein wenig auf die Brust herab und schaute von unten berauf den fremden Mann an, der ihm niit seiner grellgelben Kleidung und dem weißen Strohhut schon im ersten Augenblick mißfallen hatte. „Na, wirb - bald ?- knurrte Winkler, mit dem Fuße aus stampfend. „Lasset Sie doch da« Büble, Herr Bürgermeischter!- meinte Lene und wollte beflissen daS Kind mit sortziehen. „Er ischt ja ganz verzichten!" „Du sollst den Herrn da um Verzeihung bitten, du starr sinniger Bengel!- schrie Winkler von Neuem; er faßte den Knaben beim Arm und suchte ihn gewaltsam zu dem Baron zu zerren. DaS Kind zitterte wie Espenlaub am ganzen Körper, aber kein Laut drang über seine festgeschlofsenen Lippen. Mit einem seindseligen Blick maß eS den fremden Herrn. Dieser schüttelte nun de» Kops. „In der Thal, da« ist ein entsetzlicher Starrsinn!", sagte er in näselndem Tone, miß billigend die Achseln dabei in die Höbe ziehend. „Der Junge kennt sich ja vor Trotz selbst nickt mehr . . . wär'S mein Sohn, dem wollte ich den Willen schon beugen ... La thut ungebrannte Asche gut!" Er wendete sich direct an daS Kind, daS ihn mit solch' unverbüllter Abneigung aastarrle. „Weißt Du auch. Du kleiner Mann, daß Dir ganz gehörige Wichse gehören?" frug er. „Na, daran soll « nit fehlen!" knurrte Winkler, während der Jähzorn in ihm immer höher stieg. „Willst jetzt sofort yerrirrn, ja oder nein?" „Dann, als Erich noch immer keinen Laut von sich gab, sondern nur die Zähne immcr noch enger zusammenbiß, kam ein fauchender Laut über de« Alten Lippen. „Ich will Dich MoreS lehren!" schrie er. Damit halte er auch schon den Kleinen gefaßt, übergelegt, »nd schlug nun, trotz der Abwehr des Anderen, auS Leibeskräften aus ihn ein. Die Magd stand kopfschüttelnd dabei; sie hätte am liebsten den ein durchdringende« Geschrei auSstoßenden Knaben den Händen seine« Peiniger« entrissen, wagte eS aber nickt zu thun. In demselben Augenblicke erschien aber auch schon Frau ElSbelb mit fliegendem Gewände und warf sich mit einem Weheschrri dem Vater in den Arm. „Du Last kein Recht an ihm, Du darfst ihn nicht schlagen!" stöbntr die junge Frau auf, wäbrend sie zugleich ungestüm ihm den Knaben entriß und diesen mit beiden Armen barg. „WaS soll denn da« heißen, mir den Racker gerade so sortzunehmen! Siebst Du nicht, wie er den jungen Baron zugericktet, daß er blutet!" fiel Winkler, der einen wahren Pulerkopf bekommen hatte, während er Miene machte, daS Kind ihr wieder a»S den Armen zu reißen, ibr ins Wort. Frau ElSbeth aber umschlang Erich nur noch inniger und drückte ihn eng an ihre Brust. „Du käst kein Reckt an ihm!" wiederholte sie niit bebender Stimme. „Ich habe den ganzen Vorgang beobachtet. Jener robc Knabe reizte Erich auf daS Acnßcrste. Komm, mein Liebling!" setzte sic hinzu, den Weinenden zu beschwichtigen suchend. „Wir Beide sind heimathloS!" Der fremde Herr schaute mit unbehaglicher Miene der unvorbergesehenen Entwicklung deS Austrittes zu; jetzt suckle er mit einigen höflichen Worten sich der Wittwe zu nähern. Diese aber war selbst schon in krampfbaste« Weinen aus- ebrochen, mit beiden Händen ibrcn Liebling umschlungen altend, eilte sie in daS HauS zurück. Inzwischen war auch Frau Barbara herangekommen; ihrem Gatten einen mißbilligenden Blick zuwerfeud, nahm sie den laut heulenden Felix bei der Hand und führte ibn in da« HauS, um ihn dort zu säubern und das Gesicht wieder abzuwascken. Die beiden Männer folgten ibr und begaben sich wieder in die Wohnstube, einen mächtigen vierfrnstrigen Raum, dessen Gesammteinrichtung einer gewissen behaglichen Be quemlichkeit nicht entbehrte, zurück. In der Mitte de« Zimmer« stand ein derb gezimmerter eichener Tisch, der eben mit einer Deck« verhüllt war, und auf welchem sich verschiedene Teller mit kalten Speisen und einige zum Theilc geteerte Weinflaschen nebst Gläsern befanden. „ES ist mir sehr unangenehm, daß mein Knabe zu diesen, Austritte Veranlassung gegeben bat", sagte der fremde Herr in näselndem Tone, „die Sache kan, so plötzlich — Sic bätte» nicht so streng sein sollen, eS war ja nicht der Rede Werth!" „Recht ist eS dem Burschen geschehen", sagte Winkler darauf, indem er, noch sichtlich erregt, seinen Gast durch eine einladende Bewegung aufforderte, wieder am Tisch Platz zu nehmen. Dabei schenkte er aus einer der Flaschen wieder die Gläser voll. — „Entschuldigen Sie nur!" brummtc er dann, „'S ist überhaupt eine dumme G'schickt, wenn « auch mein eigen Fleisch und Blut ist, davon erzähle ich ei» andermal, Herr Baron. Hab' auch mein Herzeleid genug in meinem Hause. Meine Tochter bat wider meinen Willen edeirathet und jetzt Hab' ich die Brut in meiiiem Hause, -rosit, Herr Baron, mög'S Ihnen Wohlgefallen in der Heimath-, setzte er abbrechcnd binzu. wäbrend er sein GlaS erhob, um mit dem ibm Gegenübersitzenden anzustoßcn. „Hoffentlich schmeckt Ibnen der Wein!" Baron Tbumar nickte zerstreut mit dem Kopfe, wäbrend er den Inhalt seine-Glases auSIrank. „Ganz gutes Tröpfchen", sagte er dann in seiner gedehnten Sprache. „Eigene- Ge wächs vermuthlich?" „Hab' noch besseren im Keller", kopsnickte Winkler, wäbrend er c« nicht Verbindern konnte, daß eine leichte UnmuthSsallc sib in seine Züge stahl. „Aber man kann diesen auch trinken!" „Werde mir gelegentlich von Ihnen davon für meinen Weinkeller ausbitten!" kräbtc der Baron wieder, „wenn ich mich erst häuslich hier niedergelassen habe". „Es ist also Ibr fester, unabänderlicher Entschluß?" Thumar hüstelte. „Vorläufig wenigsten-. Ich will eS mal versuchen. Habe da- Großttadtlebcn satt." „So haben Sie, wenn ich fragen darf, de« König« Rock an den Nagel gehängt?" „Ja. daS OfsicierSleben ist so eintönig. Zudem bedürfen die Nerven meiner Gattin eine« längeren LandaufentbalteS. und da ich hier doch beimalbSbcrechtigt bin und unser Schloß sich noch in leidlich guter Verfassung befindet, so —" „So wollen Sic ^etzt den Gutsbesitzer spielen, Herr Baron. Nun, viel Glück dazu", meinte Winkler, „ehrt mich sehr, daß Sie zu mir gekommen sind, um mich um meinen Rath anzugeheo; wa« in meinen bescheidenen Kräften steht, soll gern geschehen. Leid tbut mir- ja, daß Ihr Sobn gleich so unfreundlich in meinem Hof empfangen worden ist." „Lassen wir da« aus sich Keruben! Knabenstreiche!" näselte der Baron, der ein Bein über daS andere geschlagen hatte und da« Monocle tiefer in das rechte Auge drückte, „will 'mal ein biscken den GnISbesitzer obnc Land spielen, bähä — Werdens schon eine Weile anöbalten . . . Gute Freunde haben mir bereits Ibrcn Besuch angezcigt, so daß man nicht ganz zu versauern braucht . . Apropos, mein lieber Winkler", setzte er plötzlich abbrechend binzu. während er mit beiden Händen da- Weinglas ersaßte, „Sic könnten mir da einen Gefallen lbun. Sie babeu mir da vor einiger Zeit hundert Morgen Land abgekauft . . ." „Es ist schon lange ber. Herr Baron", entgegnele Winkler, während er sich in seinen Lcknstubl znriicklebitte und mit unverwandtem Blick den Ankeren anschautc. „Es war vor zehn Jahre», glaub' ick, als der Herr Vater selig gcrad' ge storben war. Ja freilich, da kam mir'S zu paß, wollte mein Bcsiylbiim schön abrundcn, hatte große Rosinen im Kops mit meiner ElSbctb — das ist nun Alles anders geworbcrn!" Er hieb mit der einen Hand durch die Lust und seine Stirn runzelte sich z» drohenden Falten zusammen, während er starr vor sich in« Weile schaute. „Nun, wie wäre eS, wenn wir wieder einen kleinen Handel zusammen machten ?" frug der Baron mit lauernder Miene. Winkler schaute ibn wieder unverwandt an, während keine Muskel in seinen, barten Gesicht zuckte. „DaS wird sich schlecht machen", erwiderte er dann, „ick habe schon zu viel Land — — zudem babcn Sie ja mir noch außer dem allerdings schönen Walde zweihundert, böckstenS zweihundert- undvierzig Morgen fruchtbare Aecker »nt Wiesen " „Eben die möchte ich gern abstreisc» Zum Bauer bin ick min einmal verdorben", versetzte Tbumar in möglichst leichtem Tone, während er sich vom Anderen daS GlaS wieder vvllsüllen ließ „Sie wissen, ich bin ein lcike»schast>- lichcr Waidmann. Meine Frau aber soll der absoluten Rübe pflegen, ich beabsichtige, auch nur das nötbige Personal mitzubringen und meinen Bedarf ans der Umgegend oder au» der Großstadt zu entnehmen, nicht aber selbst Landwirth- schaft zu treiben." „Den Wald möchten Sie nicht gern losschlage»'? „Wenigstens jetzt nicht", entgegnele der Baron zögernd. „Wie wär'S, wollen sie mir ein Angebot stellen? Ick wende mich zuerst an Sie, weil ich Sic al- den reichsten Mann der Umgegend kenne."
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite