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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.09.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-09-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940920024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894092002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894092002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-09
- Tag1894-09-20
- Monat1894-09
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Jinnahmelchluß für Anzeigen: Adend-Au«gabe: Vormittags lO Uhr. Morgen.Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Sonn- und Festtags früh '/,9 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je rin« halbe Stund« früher. >»retgrn sind stet« an die Expedition zu richten. Loui» Lösche, AMtzariueustr. I«, t>°rt. und Könlgsplatz 7. Lrgan fiir Politik, Localgeschichte, Handels- nnd Geschäftsverkehr. Druck nnd Verlag von E. Potz in Leipzig ^-482. Donnerstag den 20. September 1894. 88. Jahrgang. Politische Togesschau. * Leipzig, 20. September. Die „Arcuzzeitung" eignet sich die Erfurter Auslassungen deS Freiherrn von Manteuffel ohne Einschränkung an. Dies war vorauszusehen, da der Redner der Borsitzende der conservativen Parteileitung ist und in dieser Eigenschaft trotz einer manchmal bei ihm bervortrelenden Eignung, das outaut »erridls ru spiele», bedacht sein mußte, über die für seine Partei so delicatc Angelegenheit der Kaiserrede nichts zu sagen, WaS ihn in Gegensatz zur Parteivorstandscharl hätte bringen können. Indem die „Kreuzzcilung" dem Freiherrn von Manteuffel zustimmt, desavouirt sie natürlich ihre erste Erklärung zur Kaiserrede. Auch sie leugnet beule demagogische Ausschreitungen, behauptet, die konservative Opposition gegen die Handelsverträge sei rein sachlich gewesen, und verlangt „Belege" für die gegenlbcilige Beschuldigung. Nun, die Belege finden sich im Abendblatt der „Kreuzzeitung" vom 7. September. Dort sagt sic über die Form der Gegnerschaft gegen die HanvetSvertragspolitik: „...da gilt es offen zu bekennen, daß diese hier und^da selbst jenes Maß überschritten bat, das die „Hitze des Streites" noch entschuldigen kann." Und weiter erkennt Las conservative Parteiorgan an,sdaß der Kaiser Anlaß Zu „strafenden" Worten gehabt und daß seine Zu sicherung, daS Geschehene als ausgelöscht zu betrachte», keine bedingungslose sei, daß also die Form der conservativen Opposition, falls diese überhaupt aufrecht erhalten werden sollte, sich zu ändern habe. Der Umschwung innerhalb der conservativen Parteileitung ist unverkennbar. Wir haben s. Z. zu der Minderheit gehört, welche in der ersten Erklärung der „Krenzzcitung" nicht eine „unbedingte Unterwerfung" erblickte, aber WaS das Blatt jetzt verbringt, ist nicht etwa nur eine Bestätigung unserer Auffassung, sondern ein völliges Aufgeben des anfänglich zur Kaiserrede eiugenommenen Stand punktes. Die Parteileitung begiebl sich dorthin, wo das Stöcker'sche „Volk" sogleich gestanden. Man kann es sich zunächst versagen, diese Wendung und ihre möglichen Folge» zu beleuchten. Gerechtigkeit und politische Bernunst gebieten auch den Gegnern, die Schwierigkeit der Lage sür die conser- valiven Führer anzuerkennen. Sic haben Rücksicht aus eine vom Antisemitismus ohnehin stark gefährdete Anhängerschaft zu nehmen, die von ihnen in einen Kamps geführt worden ist, dessen Situation sich in den Augen der agrartsch-conservaliven Wähler noch nicht geändert hat. Ohne die Mitwirkung pcrsön- liwerSympalhien oder Antipathien ist die Masse überhaupt selten politisch zu bewegen, und im Falle der Eonservativen spielt das persönliche Moment eine um so größere Atolle, als gar nicht bestritten werten kann, daß der Träger des neuen handels politischen Systems durch mehr als eine die Interessen der Landwirlhschast berührende Auslassung grimmige Erbitterung auch unter den kleinen Landwirtben erzeugt hat. Es sei nur an die Bemerkungen über den deutschen Industriestaat und das „Opfer", welches die „Allgemeinheit" der Landwirthschast in den Gelreidezöllen br.ngc, erinnert. Auch andere Parteien wissen von dieser weniger durch sachliches Verhallen als persönliches Auftreten im Lande hervorgerujenen Mißstimmung ein Lied zu singen und können demgemäß beurtheilen, daß die am stärksten engagirlc Partei um ihren Eredit im Lande besorgt sein muß, wenn sie die ganze, von ihr so lange und so scharf vor dem Lande verurthciltc politische Situation unverändert acccptirt. Wenn der Herr Reichskanzler Vtraf Eaprivi sich fragt, wie er es ansangen soll, der unzweideutigen Aufforderung des Kaisers zur Sammlung der Ordnungsparteien zum gemeinschaftlichen Kampfe gegen die Umstürzler zu entsprechen. so wird ihm am schwersten eine Auslastung der ultramon tanen „Deutschen Reichs;tg." in Bonn auf die Seele 'allen. Dieses Blatt sagt nämlich in einem „Hie Christen- thum, hie Atheismus" übcrschriebenen Leitartikel, der Kaiser habe in seiner Königsberger Rede mit dem Rufe: „Aus zum Kampfe für Religion, sür Sitte und Ordnung", zum Kampfe egen den Atheismus aufgefordert. Dazu sei aber der iberaliSmuS nicht berusen. „Es ist nämlich offenbar", fährt das genannte Ecntrumöblatt sort, „daß, wenn cS sich um den Kamps sür Religion und Sitte bandelt, in der Absicht, die Umsturzparteien zu bekämpfen, nur die beiden großen Parteien, Eentrum und Eons ervative, in Betracht kommen können, da sie allein noch auf dem Boden des EhristenthuniS stehen. Der Liberalismus mag es nicht übel nehmen, wenn wir ihn hier ausschließen müssen; er hat Alles getkan, den Kampf gegen die Umstürzler aus der genannten Basis zu verhindern. Er erblickte einen vor- theilhasten Kampf nur aus der Grundlage roher Gewalt." „ . . . Der Liberalismus ist also naturgemäß von dem Wettbewerb um Betheiligung an der Be kämpfung irreligiöser und daher die Autorität zerstö reu der B estrcb ungen ausgeschlossen. An das Eentrum brauchte sich der Kaiser nicht zu wenden; wir haben schon oben gezeigt, daß eS daS Eentrum ganz allein war, welches in schweren Zeiten die Gottlosigkeit, wo und wie eS sie fand, bekämpfte." So ungefähr sprach unser Kanzler auch, hätte die „D. Reichsztg." hinzufügen können, der ersichtlich »och lebhast vor der Seele steht, wie seiner Zeit Graf Eaprivi bei der Bertheidigung des Zcdlitz'schen Schulgesetzentwurses im preußischen Abgeordnetenhause selbst die Nationalliberalen zu den Aibeislen warf. Will er sich letzt treu bleiben, »ach dem Rathschlage der „D. ReichSztg." sich lediglich auf Een trum und Evnlervative stützen und mit ihnen einen Kampf gegen den Umsturz beginnen, so wird er die Kampsmittel so einrichten müssen, daß sie auch die dem Eentrum so ver haßten Nationalliberalen treffen. Daß aber eine solche KampseSarl den Intentionen des Kaisers nicht entspricht, gehl aus dem an alle staatserhallendcn Elemente sich richten den Sammclrufe des Monarchen klar hervor. Gras Eaprivi befindet sich daher in einem fatalen Dilemma, in das er sich selbst hineingeredet hat. Nun bat er eS zwar verstanden, den Schritt von dem Goßler'schcn zu dem Zcdlitz'schen Entwürfe mil vollendeter Grazie zu macken. Aber zwischen jenem Schritte und dem von einer Berurtbeilung deS National- libcralismuö als atheistisch zu einer Bekämpfung des Atheis mus mit Hilfe der Nationalliberalen ist denn doch ein be deutender Unterschied, der sich mit einer »och so graziösen Wendung nicht beseitigen läßt. Immer gebieterischer drängt sich daher die Frage aus, ob Gras Eaprivi der rechte Mann zur Leitung des Kampfes ist, zu dem der Kaiser auf- gerusen hat. Der nabe bevorstehende Parteitag der Freisinnige» VolkSpartri in Eisenach tritt unter Anzeichen einer inneren Zersetzung und Zersahrenbcit zusammen, wie man sic selbst in dieser Partei, von der man doch manches gewöhnt ist, noch nicht erlebt erlebt batte. In de» Bersammlungcn zur Be- spreckung deS Programms und in der Partciprcssc wird eine Sprache von einer Sckärse geführt, wie sie selbst gegen andere Parteien nicht üblich ist. Sacklichc und persönliche Gegensätze kämpsen in der heftigsten Form gegen einander an. Daß Herrn Richter mehr und mehr die Zügel aus der Hand fallen, läßt sich überall in den Vor würfen über seinen Despotismus erkennen. Auf den Verlauf des Parteitages kann man unter diese» Um stände» gespannt sein; Herr Richter scheint eine richtige Ahnung gehabt zu haben, als er anordncte, die Verhand lungen de« Parteitags möglichst mit dem Mantel der Heimlichkeit zu verhüllen. ES läßt sich schon jetzt erkennen, daß diese Versammlung nicht zu einer Befestigung der Partei und einem innern Einvcrständniß über die wichtigsten Fragen, sondern nur zu einer weitere» Zersetzung, vielleicht zu einem großen Abfall von der Berliner Parteileitung, ldcils nach rechts zu der Freisinnigen Bereinigung, theils nach links zu der offenen Demokratie, führen wird. Die würdelosen Werbungen der belgischen „Liberalen" um die Stimmen der Socia listen haben eine wohlver diente Abfertigung empfangen. Tie letzteren haben es wieder holt abgclehnt, in ein Eartel einzutrcten. Einen letzten Ver such, die Socialisten zum Beitritt zu bewegen, machte eine Deputation der Fortschrittspartei, die am Montag Abend in einer Generalversammlung der Socialisten erschien. Es sprachen Feron und Ianson, die alle Gründe ent wickelten, die den SocialismuS bewegen sollten, in das Bünbniß einzutrcten: der nöthige gemeinsame Kamps gegen die Klerikalen, die Bekehrung der Doctrinäre zum Arbciler- schutz, die Unsicherheit der socialistischen Aussichten bei ver einzeltem Wahlkamps u. s. w. Schon nach der Rede Fcron S war es offenbar, daß die Deputation ihren Zweck nicht er reichen würde; Ianson schlug daher eine etwas herbere Ton art an, indem er aus die Verdienste hinwies, die der Sache deS Volkes und insbesondere der Arbeiter durch die Fort schrittspartei schon erwiesen wurden, und indem er die Socialisten auf die Verantwortlickkeit ausmerksam machte, die sie übernehmen, wenn sic ihre Kräfte überschätzen, die Ver bindung mit der bürgerlichen Demokratie abbrechcn und den Klerikalen den Sieg erleichtern. Von socialistisckcr Seite wurde erwidert, daß man gern mit der Fortschrittspartei gebe» würbe, deren Verdienste man anerkenne, niemals aber mit den Doclrinären, die stets die größten Feinde der Arbeiter gewesen seien und auch jetzt ein arbeiterfreundlicheS Programm nur unterschrieben hätten, weil sie zum Voraus wußten. Laß die Socialisten daS Bünbniß doch verwcrsen würden. Dem fügte Vandcrveldc noch bei, die Ehre der Arbeiterpartei gebiete eS, selbstständig auszutretcn und nicht aus Krücken, namentlich nicht auf boctrinärc», in das Parlament e.nzu- zichcn; auch müßten die Socialisten befürchten, daß ihre Namen, auch wenn sie das Bündniß-annebmen, ja doch von den doctrinäre» Wählern aus der Wahlliste gcstricken würden. Mehrere socialistischc Redner forderten die Fortschrittspartei auf, den nianchcstcrlichen Doktrinarismus, der ja doch nur noch ein Kadaver sei, seinem Schicksal zu überlassen und mit den Socialisten sich zu vereinigen, an deren Spitze >hrc talent vollen Führer eine ganz andere Rolle spiele» könnten als bisher. Ianson erwiderte daraus, er werde wie bisher der Sache der Demokratie und der Arbeiter ergeben sein, aber von einer Verschmelzung könne so lange keine Rede sein, als die Socialisten an ihrem cvllectivistlscken Programm fcst- halten. Der Evllectivismus sei höchstenfalls die Sache einer fernen Zukunft, und eS sei unpolitisch, sich mit einer solchen den Weg des Fortsckritts in die Gegenwart zu versperren. Bei der Abstimmung wurde von der ganzen Versamm lung einmülhig entschieden, an den früheren Beschlüssen sestzuhalten. Damit ist das Bündniß endgiltig ab gelehnt und die socialistischc Partei tritt selbstständig in den Wahlkampf. Endigt derselbe mit einem Siege der Klerikalen, so steht tue Einführung landwirthschaft- licher und industrieller Schutzzölle, wie die Regierung mit Offenherzigkeit angekündigl hat, sofort bevor. Im Hinblick aus diese Möglichkeit sind in Antwerpen alle Handels kammern Belgien- zusammengetreten und haben bescklossen, bei den Wahlen alle schutzzöllnerischen Candidaten zu be- lämpseo. Die Begeisterung der deutscken socialdemokratischcn Führer sür daS schweizerische Mtlizsqstem, dessen Vorzüge gegenüber dem in Deutschland herrschenden „Moloch Militarismus" man oft genug bat rühmen hören, müßte durch nachstehende Meldungen bedeutend abgekllhlt werden: Der „Allgemeinen Schweizer-Zeitung" wurde unterm 15. d. au« Göschencn gemeldet: „Ein Augenzeuge berichtet unS eine scheuß liche Sotdatenmißbandlung, die am letzten Sonntag im Fort Bühl bei Andermatt durch einen Ossicier begangen worden sei. In betrunkenem Zustande bade dieser auf geringfügige Veran lassung hin einem Zürcher Artilleristen mit „Grindabhaüen" gedroht und damit sofort ernst gemacht, indem er ihm mit dem Säbel eine klaffende Wunde imNackcn versetzte, außerdem mehrere Säbel hiebe über de» Rücken. Das Fort wurde alarmirt, der Ll'ficter sofort ver haftet und der schwer verletzte Artillerist in das Spital nach Altorf gebracht." In der „Lstschweiz" wird die Sache folgendermaßen dar- gestellt: „Am letzten Sonntag wurde in der Festung „Bühl" etwa 10 Uhr Nacht« Atarm geschossen. Die Ursache war ein kleiner Militair- Krawall in de» LogiS-Baracken. Die Mannschaft scheint sich nach langem Consigniren am Sonntag etwas gütlich gethan zu haben und machte einigen Lärm. Ein Offieier fühlte sich ver- pflichtet, mit anständigen Worten zu befehlen, was von der Mannschaft mit Unwillen ausgenommen wurde. Dies veranlaßle nun einen exaltirte» Lberlieutenant, Gebrauch von seinem Säbel zu machen und einen Soldaten, der sich im Bette befand, und wie man sagt, unschuldig war, zu verwunden." Welche von beiden Versionen richtig ist, wird die an geordnete Untersuchung ergeben. Schon jetzt stebt aber fest, daß ein mit derartigen Auswüchsen behaftetes System u»S Deutschen nur von Denjenigen als Muster empfoblen werden kann, welche zum Zwecke der Aufreizung grundsätzlich und methodisch daS ihrer durchaus würdige Geschäft betreiben, die vaterländischen Einrichtungen berabzusetzen und vorhandene Mängel und Ilcbclstände maßlos zu übertreiben. Vom koreanische» Kriegsschauplätze sind über die schon gemeldete Seeschlacht bis zur Stunde keine neuen, die Unklarheit der bisberigcn Meldungen beseitigenden Nach richten cingclansen. Es läßt sich daher im Augenblicke erst recht nicht übersehen, ob der große Landsieg der Japaner bei Pinanang andere als rein inilitairische Folgen haben wird. Wenn die Londoner Blätter an der Aussicht auf baldigen FricdcnSschluß in Ostasicn sich weiten, so ist bei ihnen der Wunsch der Vater des Gedankens. Im Interesse der inter nationalen Handels- und Vcrkehrsbeziehungc» wäre ja die mög lichst ungesäumte HerstcllungdeS Friedens in Lstasien dringend zu wünschen, aber die Unternehmung vorzeitiger Schritte nck I»»: dürfte aller Warschcinlichkeit nach das Uebcl nur verschlimmern ganz abgesehen davon, daß mit einem „faulen" Frieden, der die Gährung in Ostasie» nur vorübergehend zurückdrängte, statt sie endgiltig zu beseitigen, auch den Interessen der anderen Nationen nicht gedient ist. Ungleich wichtiger sür Europa ist eS, daß nickt infolge der Hiobsposten aus Korea der Fremdenhaß der Ehincsc» zu plötzlichen Ausbrüchen sich binrciße» lasse, denen die Mächte nickt länger rukig zusekcn könnte». DaS beruhigende Rundschrcibc», welches de» sremd- mächllichcn Vertretern in Peking von der chinesischen Regierung kürzlich zugegangen ist, gereicht de» woblwollcntcn und Ver tragstreuen Intentionen des Tsungli-Pamen zur Ehre, doch darf man dabei niemals aus dem Äuge verlieren, daß der gute Wille und die wirksame Bethätigung desselben zwei ganz verschiedene Dinge sind, namentlich in bewegten Zeitläufte», wo die Volksleidenschastcn in Erregung und die aussührendcn Organe der Pekinger Eentralregierung nicht überall gleich mäßig zuverlässig sind. In England, wo man in Sachen des ostasiatischen Krieges bisher mit seinen Sympathien mehr auf chinesischer Seite gestanden hat, ist durch den Sieg der Japaner bei Pingyang ein großer Umschwung in der ösfentlichen Meinung Feuilleton. Der goldene Mittelweg. 6s Roman von Erich Rott. Nuchdruä verboten. (Fortsetzung.) Die erste große Lücke in seinem Herzen begann sich zu öffnen, die keine Macht zu Überdrücken vermochte. Der Tod deS Vaters war durch die verdoppelte Liebe der Mutter ihm nicht so fühlbar geworden, nach Kintcrart batte er leicht zu vergessen vermocht. Nu» aber, da ihm Alles fehlte — was ihm im Leben bisher Sonnenschein, Liebe und Glückes- bewußtsein zu spende» vermocht, wo er nur noch gescholten, herumgestoßen und fortgejagt wurde, da ward er auch gar einsilbig und verschüchtert. Auf dem Hose unten hockte er nun öfter; aber er wagte sich kaum zu rühren. Lene hatte keine Zeit sür ihn. Nur ab und zu erschien sie einmal oben am Fenster und ermahnte ihn, auch sei» brav zu sein.' Der Großvater schaute ibn gar nicht mehr an. Ter saß in seinem Schmoll winkel. Ebensowenig batte er sich bereit finden lassen, hinaus in daS Zimmer der Wöchnerin zu gehen und sich nach dem Befinden seiner Tochter zu erkundigen und nach dem kleinen lieblichen Kinde zu schauen, dem sie unter Schmerzen daS Dasein hatte schenken müssen und das, kanm in daS Leben getreten, schon keine» Vater mebr besaß. DaS Verhängnis!, welches seine Tochter überkommen, er schien dem starrsinnigen Manne als eine persönliche Belei digung, als eine ibm zugesügte Schmack, und er rechnete eS sich noch bock, an, daß er nicht noch ganz anders barsch aus- trat. Aber er wollte von der ganzen „Sippschaft", wie er sich ausdrückte, nichts wissen, mochten sie machen, was sie wollten, er ging fortan seine eigenen Wege. „Du wirst cS vielleicht noch einmal bitter bereuen", hatte seine Frau mahnend zu ibm gesagt. „Dann Hilst aber alle Reu' nix mebr und ... und ... und wir haben doch nur das eine liebe Kind." Aber Lcbreckt Winkler hatte keine Antwort darauf ge- geben, sondern hatte fick eine Pfeife gestopft und war polternd und laut dröhnenden Schrittes zur Tkür hinausgegangcn. Wenn der kleine Erich konnte, so stahl er sich durch den Thorbogea und eilt, durch die ihm nun schon vertraute Dorkstraße nach der Wiese, wo er regelmäßig seine kleine Spielgefährtin antraf. Sckwarzbrod hatte er nun die Menge verkostet und auch daS Pseffcrkuchenhäuschcn hatte er zu wiederholten Malen von innen gesehen. Freilich, da batten seine Illusionen einen gewaltigen Stoß bekommen. Weder waren seine Erfolge, die Wände der baufälligen Hütte ab zuknabbern, von irgend welchen Erfolgen begleitet gewesen, noch hatte er trotz seines von innerem Mißtrauen geschärften Blickes in der verwahrlosten, nur aus einem Raume bestehenden Hütte eine Vorrichtung zu entdecken vermocht, welche zur Ausnahme und dem späteren Braten von kleinen Knaben halte dienen können, dagegen war die alle Fränz immer freundlich zu ihm, batte ihm einmal Wohl auch einen rothwangigen Apfel geschenkt und ihm immer wieder mit ihrer zitternden Hand über daS seidenweiche Gclock gestrichen, so daß er schließlich zu der alten Frau trotz ihres abstoßenden Aeußeren Vertrauen faßte und zu ihr zu sprechen wagte. Das Freundsckastöband zwischen den beiden kleinen, fast ausschließlich sich selbst überlassenen Geschöpfen war im Lause weniger Wochen ein immer innigeres geworden ... So blieb auch ihr Verkehr nicht nur aus die kleine, von Bäumen eng- umstandenc Waldwicse begrenzt, sondern Hand in Hand gingen sie auch oft tief in den Wald hinein, und zuweilen kam eS vor, daß der Trudel Vater, der Forstwart, sich ihnen zugesellte. Diesem gegenüber freilich vermochte Erich seine anfängliche Scheu nicht ganz abzulegen; aber er ließ es sich doch ganz gern gefallen, daß der Forstwart ihnen Stellen wies, wo besonders reichlich oie würzigen Waldbceren reisten. Einmal nahm sic der düstere Mann, der zu Erich'S Er staunen gar oft Selbstgespräche hielt und im Verlaufe der selben wohl auch laut in den Wald hineinschrie und die Fäuste ballte, init in den tiefen Forst hinein. Dort befand sich eine Futlerstation sür die Wildschweine, deren Obhut Wittmer unterstellt war. Mit lebhafter Verwunderung und großen glänzenden Augen nahm der Knabe da- noch nie ge sehene Schauspiel in sich auf, wie AbendS, kurz bevor die Sonne niererging, aus ein vom Heger gegebenes Hornsignal von allen Ecken und Enden des WaldeS her, unter dem dichten Untergehölz hervorkriechend, unförmlich große, schwarz graue Muttersäue grunzend derangetrollt kamen, sämmtlich von einem Wurf sie lustig umtrottender Frischlinge begleitet. „Die haben« besser wie wir Menschen", sagte ein mal der Heger zu dem kleinen Erich, während er zum ersten Mal auch über das Haargelock de« Knaben strick, »wen« die sich nicht satt gefressen haben, dann Hab' ich'S auszufrefsen, aber ob ich meinen Hunger stillen kann, danach fragt der gnädige Herr nit. Freilich, ich bin nur ein Mensch, der leicht zu ersetzen ist, und keine hochwohlaeborenc Muttersau." Der Knabe hatte ihn nicht verstanden; aber unwillkürlich hatte er sich vor dem drohenden Blitz gefürchtet, der während dieser Worte aus den vuukleu Augeu deS HegerS hervor geschossen war. Von diesem Tage an aber waren die beiden Spiel kameraden auck allein nach der Futterstelle gegangen, einmal, weil cS auf dem Wege dahin gar verschwiegene Plätze gab, an denen köstliche Waldbceren reiften, dann aber auch, weil der kleine Bursche sich an dem seltenen Schauspiel nicht sattzusehen vermochte. Das Glück war ihnen freilich nicht immer günstig; sic wußte» es nicht, daß die Fütterung der Frischlinge nicht allabendlich wiederholt wurde. Zudem trugen sie Bedenken, sich in ver Dämmerstunde in dem stillen tiesen Forst kcrumzutreiben; hatten sie doch schon manche Abenteuer zu bestehen gehabt, die besonders der inimer leben digen, geschäftigen Phantasie des Knaben zu denken gegeben batten. Da war einmal in ganz kurzer Entfernung vor ihnen ein fremder Herr ausgetaucht, der ein erdfarbene- Fell getragen und mächtige lange Ohren besessen hatte. Der batte sich vor ihnen auf den Weg gesetzt, die Vorderläuse in die Höhe gehoben und die Kinder anqrslarrt, bi» Erich, der eine solche Erscheinung noch nicht gesehen, zu brüllen angefanaen, kurz entschlossen sich umgewandt und die Flucht ergriffen hatte. Die Trudel war stehen geblieben ; sie hatte herzhaft ge lacht und dadurch ihre» Genossen bewogen, in seinem jähen Laus einzuhalten und sich zaghaft umzuwenden. Da batte er gerade noch wahrncbmen können, wie da- fürchterliche Untbier in des Wortes buchstäblicher Bedeutung das „Hasenpanier" ergriffen hatte. Da batte Klein Erich sich freilich vor seiner Spielgefährtin geschämt und sich darauf besonnen, daß er in seinem Bildrrbuche bereit« schon ein solche« Thier abconterseit gesehen habe. Auch ein äugende«, still aus dem Waldes- dickicht fast geräuschlos bervortretende« Reh. da« mit einem schnellen, flinken Satz von dannen geeilt war, hatte den kleinen Erich erschreckt. Dann aber gab e- aus der anderen Seite wieder so viel z» sehen in dem Walde; eine ganz neue Welt ging dem Knaben aus, und Trudel, die noch nicht einmal wußte, wieviel zwei und zwei sei, während ihm die Mutter schon brigebracht hatte, daß dreimal Drei Neun ist. wußte gar erstaMlich gut Bescheid im Walde. Jeder Käser, der über den Weg kroch, war ihr dem Namen »ach bekannt; die vielen bis in die Wolken ragenden Bäume wußte sie »i ihrer Art zu unterscheiden und die Sträucher links und rcchtSvom Wege mit ihre» mannigfachen Gestalte» und Blättern waren ihr allbekannt. Selbst die unter der MooSbecke des Waldes halb verborgen wuchernden Pilze und Schwämme kannte sie; das Alles brachte sie in einer so zutraulichen, lieben Weise hervor, daß Klein Erich wie unter einem Banne gefangen ihr lauschte und gar nicht aus die Zeit merkte, so daß, wenn er endlich bei dämmernder Nacht zu Hause anlangtc. Lene ihn mit Scheltworte» empfing, da sic cS nun einmal nicht leiden konnte, daß die beiden Spielkameraden miteinander verkehrten. Wieder einmal trieben sich die Beiten auf der Wiese umher. Nun war es bereits September geworden, der prangende Sommer war dabin, das Laub batte sich mit der gelblichen Farbe des Herbstes überzogen, und allmorgendlich war die von Herbstzeitlosen durchsetzte Wiese in einen feuchten dampfenden Nebel cingebüllt, der sich einem Schleier gleich in den schon kalb entlaubten Kronen der rings um die Wiese stehenden Bäume verstrickte. Auch Abend wurde es bcreitS früher, der Vogclgesang war verstummt, und die Gänsc- heerde Klein Trubels batte sich gewaltig gelichtet. Die incistcn Bauer» batten ibr Federvieh wieder in den eigenen Hof ge nommen, und i» dem engen Verschlage barrten nun die gelb- geschnäbelten und weißbcsietertc» schinackbaflcn Vögel des für ihr Geschick so ereigmßschwercn Martini-Tage-, a» welchem sie wohlgebratcn und gefüllt aus der Städter und der Bauern Tafel als Glanzstück paradircn sollten. Heute sollten die Kinder nicht tiefer in den Wald ein- dringen, batte der Forstwart ibncn ani Morgen eingclchärft, als er an der Wiese, mit Gewehr und Hirschfänger aus gerüstet. vorübcrgegangen war; in dem weite», dem Baron von Tbumar gehörigen Forste sollte nämlich eine große Treib jagd abgehalten werden. Mit Erstaunen saben die Kleinen, die aus der Wiese nebeneinander Platz genoinmen batten und eben ini Begriffe waren, ibr Frühstücksbrod gemcinsam zu verzehren, wie eine Menge fremder Männer ebenfalls wohl- bewaffnet mit Büchsen und in der Gefolgschaft von ebrsam hinterdrein trottenden Hunden die Straße nach dem Walde zu verfolgte. Dann, nach einer Weile, begann das Schießen da und dort, und ries eS da» Waldecho wach. Erich war kein besonderer Freund von dem lauten Gcknall; er hätte sich am liebsten die Ohren »»gehalten, wenn er sich nicht vor seiner Spielgefährtin geschämt hätte. Dies«
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