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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.09.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-09-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940926024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894092602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894092602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-09
- Tag1894-09-26
- Monat1894-09
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Da der Kaiser in allen wichtigen Angelegenheiten selbst die Initiative zu ergreifen liebt, so wird er cS seinen Räthen auch nicht verübeln, wenn sie ihrerseits auf die Initiative verzichten oder einmal, den kaiserlichen Willen nicht kennend, fchlgreifen. Andererseits werden diese Räthe, an die kaiserliche Führung gewöhnt, auch nicht zögern, das nunmehr nach zwei Richtungen hin sestgestellle kaiserliche Programm auszusübrcn. Ans Ueberraschunge» muß man ja immer gefaßt sein, aber jedenfalls kan» cs nicht überraschen, wenn alle jene Gerüchte eben so rasch verschwinden, wie sie entstanden sind. Verlautet doch von gewöhnlich gut unterrichteter Seile, es sei bereits Alles im Gange, was zur Durchführung der kaiserlichen Programme nötbig erscheine, ja cö sei schon vor der Königsderger Rede infolge kaiserlicher Anregung der Anfang zu legislativen Maßnahmen gegen die Umsturz- bewcgung gemacht worden. Unser Berliner tzZ-Eorrespondent schreibt uns nämlich: „In den Reichsämtern wie in den preußischen Ministerien herrscht rcgcS Leben, unv zwar handelt es sich nicht nur um die Fertigstellung der Etat« für das Reich und für Preuße», sondern besonders um Borlagcn, welche die Parlamente in der nächsten Session besänftigen solle». Aber cs ist völlig unbegründet, wenn jetzt von einer „acut" gewordenen Krise, von neuerdings hervorgetretcnen Mci- nungsverschiedenheiten zwischen dem Reichskanzler und dem Präsidenten oder anderen Mitgliedern des preußischen SlaatS- minillermms gesprochen wird. Gewisse Schwierigkeiten, welche der „Dualismus", die Trennung des Kanzleramts von dem Vorsitz im Staatsministcrium, mit sich bringt, habe» sich aller dings geltend gemacht, aber man ist beiderseits redlich bestrebt gewesen, die Schwierigkeiten zu überwinden, und in persönlicher und sachlicher Beziehung ist das Berdättniß des Grasen Eaprivi zu dem Grasen Euleuburg wie zu den übrigen Ministern durchaus correct und ungetrübt. Die „Nationatzcitung" ist insofern gut unterrichtet, als in der That seitens des Staatsministe- riumS eine bestimmte Stellungnahme zu der Frage der Abwehr gemeingefährlicher Agitationen — nicht bevorsteht, sondern bereits erfolgt ist. Zn der heutigen Sitzung des Staats- Ministeriums ist man der Frage unmittelbar und praktisch näher getreten. Es wurde der Entwurf einer Novelle zum Vereins- und B er sa mm lungSge s ctz bcrathen. Allerdings soll darum ein Borgchen durch die Rcichsgesetz- gcbung nicht ausgeschlossen werden, zunächst aber soll in den einzelnen Bundesstaaten das Mögliche geschehen und sollen die vorhandenen particularrcchtlichcn Mittel »ach möglichst übereinstimmendem Plane mehr als bisher benutzt und weiter auSgcbaut werden. Doch dieser letztere Beschluß deö SlaatöministcriuniS ist bereits im Zuli gefaßt worden in einer Sitzung, an welcher der Reichskanzler theil- geuommcn hat, und der Königsberger Aufruf des Kaisers zum Zusainmenbalten gegen die Umsiurzpartei hat hier nicht erst den Anlaß geboten. WaS das reichsgesetzliche Vor gehen gegen die revolutionaire Agitation betrisst, so wird — abgesehen von der Verständigung der einzelnen Regierungen über gemeinsames und gleichartiges Vorgehen — zunächst eine Novelle zum Strafgesetzbuch ausgearbeitet, die aber noch im Rcichsjustizamt liegt und »och nicht an den Reichs kanzler zur Vorlage an den Bundesrath gelangt ist. Völlig unrichtig ist die Meldung freisinniger Blätter, daß im Ministerium des Znncrn ein „Gesetz gegen die Anar chisten" ausgearbcitet werde. Es gilt vielmehr als sicher, daß kein besonderes Ausnahmegesetz geplant wirk, da man überzeugt ist, durch Novellen auf dem Boden des gemeine» Rechts zum erwünschten Ziele zu gelangen. — Wenn iin Kampfe gegen die Uinslurzparleicn somit die bessere Einsicht durchtringt, daß man in gewisser Weise zum „alten Enrse" zurückkehren müsse, so ist dies noch mehr der Fall gegenüber den Polen, nachdem der Kaiser sich selbst davon überzeugt hat, daß in Posen und Westvreußen der deutschen Sache schwere Wunden geschlagen sind. Es ist allerdings nicht leicht, auch nur den dtnlus «zun vom Frühjahr >890 wieder herzustellen — denn man hat inzwischen Herrn v. Stablewski zum Erzbischof gemacht. Aber wenigstens in der Verwaltung, un VolkSschulunterricht, in der Vertheilung der Recrnlen u. s. w. wird sofort mit kräftigem Nachdruck der deutsche Geist sich wieder gellend machen." „Tie Unterofsiciere und Mannschaften des hier garnisonircnoen Bataillons haben gestern auf Zureden des Majors einstimmig beschlossen, sich aus den Ezercirplatz zu be geben und dort Evolutionen auszuführen." Es würde, wenn ein mal eine Notiz wie die vorstehende in einem Blatte stände, durch ganz Deutschland eine große Heiterkeit gehen, ein so allgemeines Gelächter, wie es sich heute vernehmen läßt, wo man liest, der Parteitag der srrift»»igcn Volkspartci habe das „ganze Programm einstimmig unter jubeln dem Beifall angenommen". Weiß man doch trotz eines durch das, was er verschweigt, unerhört lügenhaften partei-ofsiciellen Berichtes über die Eisenacher Versammlung, wie cs dort zugegangen. Zwei principiell von der Partei- regierungsvorlage abweichende Anträge zuin Programm waren eingegangen und wurden zurückgezogen, nachdem Herr Richter »nt seinem Austritt gedroht batte. Niemand, auch diejenigen nicht, die etwas wie „Parteipapst" in den Bart gemurmelt hatten, getraute sich, einen zweiten 6. Mai Herbeizusühren und noch „eine Bombe platzen zu lassen". Die Evolutionen wurden zur Zufrie denheit auSgefübrt. Diese Versammlung einer „Volks- Partei" nahm sich aus wie ein ans einer Dilettanten- Bühnc gespieltes satirisches Lustspiel, dessen Inhalt die Verspottung des FreiheitSgedankens bildet. Nach einer Richtcrische» Eomnicrsrcde und einem Gedicht von Albert Traegcr zu schließen, wollen aber diese Herren die Hand lung ernsthaft genommen wissen. Za, die Versanimluiig selbst gefiel sich in der Unterstützung dieser aiiinutbigcn Täuschung, indem sic, nachdem Alles „heruntergcschluckt" war, eine Resolution zu Gunsten der „freien Meinungsäußerung in Presse und Versammlungen" annahm — ein unerhörtes Beispiel von Selbstverspottung. Zm Vergleich mit dein Ge- säuscl dieser FreiheilSkämpcn waren die Gesänge des „EhorS der Landräthe" in der vielgeschmähten preußischen LandralbS- kammer der fünfziger Zähre gellendes Revolutionsgeheul. Zn der „Bolkszeitung" wird berichtet, viele Delegirte hätten den Eisenacher Parteitag den TodeSlag der freisinnigen Volks partei genannt, aber die Herren irren. Die Partei war schon vorher tobt, sie „wußte es nur nicht", und was am Fuße der Wartburg ausgesührl wurde, war ein Gespenster tanz, der allerdings besser in ein Moorland verlegt worden wäre, als in die Rähe jener Burg mit ihren vielen Erinne rungen an ausblühcndes geistiges und freiheitliches Leben. Der Eisenacher Tag ist deshalb ein politisch völlig gleicb- giltigeS Unternehmen; interessant ist höchstens die völlige LoS- gebundenheit von Allein, was sich politischer Grundsatz nennt, die dort wieder an Herrn Richter zu bewundern war. Am 6. Mai vorigen Zahrcs sprengte dieser Demokrat bewußt und geflissentlich die freisinnige Partei, indem er einen „hör baren Ruck nach links" »hat. Zn Eisenach machte er sein Verbleiben davon abhängig, daß man sich nicht unterstände, einen sehr leise» Ruck nach derselben Richtung hin zu machen. Unsere Stellung zu den Frage» der Trennung der Schule vo» der Kirche und der Einheitsschule ist bekannt. Aber cS sind dies alte demokratische Forderungen, und der weiteren nach Aushebung der — die Wohlhabenden auS dem allgemeinen Sacket begünstigenden und darum unsociale» — Einrichtung der Elcmentarclassen an den össentlicben höhere» Lehr anstalten kann sogar von unserem Slantpuncte zugestimmt werden. Aber Herr Richter betrachtete diele drei Schul sragen als ein Ganzes und verhinderte in der Furcht des Herrn — Lieber ihre Beantwortung im demokraliscben Sinne. So öde nach dem Bericht der „Franks. Zlg." auch der gleich zeitig — in Aschasfenbnrg — abgekaltene Parteitag der Deutschen Volkspartei verlausen ist: derart grundsatz- loser Opportunismus ist von ibm doch nick» zu melden. Freilich auch nichts Anderes. Frankfurt stritt sich, von dem rasch berüchtigt gewordenen Münchener Pm„ptz?x,ft,>..li vr. Ouidde unterstützt, eine Weile mit Württemberg wegen der Annahme der Börsensteucr durch die Partei, dann wurde etwas Prcußenbaß verzapft, gegen die Fürsten und Zunker geredet und schließlich Graf Eaprivi, „der schon manche staatsmännischc Thal vollbracht", als die Verkörperung deS guten Princips gepriesen, dem I>r. Miguel als der Vater aller Hindernisse entgcgcnstehe. Viel Vertrauen aus de» endlichen Sieg des Guten scheinen diese süddeutschen Demokraten aber auch nicht zu haben. Rachdcm durch die Begründung eines würtlcnibcrgischen Eentruins das Verhältnis? zwischen UltramontaniSmus nnd Demokratie im Süden sich etwas verrückt bat, darf vielleicht dem Beschluß, den nächsten Partei tag in München abzuhallen, einige Bedeutung bcigemessen werden. Dort sinket nämlich im künftigen Zahre auä, der deutsche Katholikentag statt, „dem mit einer wuchtigen Kund gebung der Partei der Freiheit cntgcgengclrelen werden müsse." Großartig. Zn Frankreich herrscht im Lager der vereinigten Socialisten, Radikalen und Monarchisten großer Jubel, denn dieser seltsamen Verbrüderung ist cS gelungen, daß in Nogent- sur-Seine, dem ehemaligen Wahlkreise Easimir- Pcricr'S, der radicale Eandidal Bachimont gewählt, worden ist. Eö ist ja freilich peinlich, daß der Eanditat, dessen Wahl das Staatsoberhaupt an seinem Soinincrwobnsitz zweifellos gewünscht hätte, unterlegen ist, aber daraus eine persönliche Niederlage des Präsidenten adzuleiten, ist »m so tbörichter, als Herr Robert, der unterlegene Eandidat, Puncte in sein Programm ausgenommen batte, die den Anschauungen, welche Easimir-Perier als Minister ver treten hat, schnurstracks widersprechen. Darunter war z. B. auch die Erlaubnis? der Staatsangestellten, sich zu Facbvercincn znsainmciizttschlicßcn, also die Frage, Wege» der Easimir-Perier als Ministerpräsident stürzte. Zudem klingt die Beweisführung der gemäßigten Blätter, die dahin geht, daß Herr Robert durch seine »»entschiedene Haltung selbst den größten Theil der Schuld an seiner Niederlage trage, sehr glaubhaft, kurz, auö allen Einzelheiten gewinnt der unbefangene Beobachter den Eindruck, das; die Person deS Präsidenten der Republik bei alledem nicht in? Spiele ist. Angesichts der SiegeSfreudc der Opposition, die das Staats oberhaupt bereits am Boden sicht, verweist der „Tenips" zur rechten Zeit daraus, daß auch der Sitz Earnot'S als Ab geordneter der Evte d'Or im Meilen Wahlzange einem locialistischen Radikalen zugesallen ist. Das bat Herrn Earnot aber nicht gehindert, nach dieser „Niederlage" noch fast sieben Zahre lang zur größten Zusriedenheit seiner Landsleute seines Amtes zu walten. Mit Easimir-Perier wird cs voraussichtlich nicht anders werden. Schwede» soll nun gleichfalls seinen Nationalitätcn- kamp s erhalle», — so will eS die Zennomanische Agitation", die von Finnland aus in das nördliche Schweden eingezogen ist. Zn Finnland hat die Emanzipation der sinnlichen Sprache gegenüber der schwedischen ihre mächtige Stütze in der Regierung, und mit der Zeit ist dort eine finnische Literatur entstanden. Zm nördlichen Schweden oder Norr- botte» nennt nia» die Bewegung jetzt »och „sennomanische Agitation", vielleicht wird man sich aber darein fügen müssen, der finnischen Bevölkerung dieser Gegend, d. h. den Lappe», mckr Ziigcsländiime zu machen als bisher. Die in Uleaaborg in Finnland erscheinende Zeitung „Kaiku" enthielt kürzlich eine beincrkcnSwertbe Arlikelrcike über „Unterdrückung der rnnischen Sprache lind Nationalität im nördlichen Schweden". Sic gebt von den Worten aus, die der König Ende Zuli bei seinem Besuche in Gelliwara an der Eisenbahnstation Netiaware dem versammelten Volke zuries: „Denkt daran, schwedisch zu lernen, und das? der König daS gesagt hat!" „Diese Worte sind nur", sagt die Zeitung, „ein Ausdruck der in Schweden herrschenden Neigung nnd eines Strcbcns, daS schon lange vorhanden war, aber jetzt erst zur Ausfüh rung komme» soll. Tie Bevölkerung von nicht weniger als i2 sinnisch redende» Kirchspielen soll gezwungen werden, eine ibr ganz fremde Sprache zn lernen. Die, welche die KricgS- polilik gegen die finnische Nationalität begonnen haben, sind vor Alle» die Bischöfe und Priester. Man will die Diener der Kirche »eben de» ander» Mitteln: den Schulen und de» Eisenbahnen, i» diese» Sprachenstreit ciniiiische»". Tie Agitatoren, unter denen ein Herr Kiterös genannt wird, er klären sich damit niizlisliedeli, daß in den Schulen,^ie unter schwedischer Herrschaft stehen, schwedisch gelehrt und so „die Bevölkerung zweisprachig wird". Indes? zeigt sich der ein sichtige Tkcil der Bevölkerung damit ganz zufrieden. Tic Volksschule», wie sie die Regierung eingerichtet bat, sind das beste Mittel, die Bildung tcs Volks zu heben. Ter Schul gang ist, seitdem schwerlich gelehrt wird, allgenieincr und regelmäßiger geworden. Die Kcnnlniß beider Sprache» ist für die Bevölkerung durchaus nolbwenLig. Nach Vollendung der Schulzeit geben viele junge Leute nach Gegenden, in denen schwedisch gesprochen wird, un? )» arbeiten, nnd auch bei Erfüllung der Wehrpflicht kommt ihnen die schwedische Sprache zu Nutze. Zn der sc»bische» radikalen Partei scheint eine Spaltung nabe bevorzustchcn. Schon versenden hervorragende radicale Partciinäiiner, wie Vnkotitsch, Korta Prolitsch, S. Bobilsch u. A., Einladungen zu einer demnächst in Belgrad abznhaltcndcn Versammlung, bcbusö Feststellung eines Re form Programms, nach welchem sich die An hänger der neuen Gruppe in besonders bervortretcndcr Weise zur unbedingten Treue gegen daS Haus Obrenowitsch verpflichten und von denjenigen Radicale», welche irgendwelcher Eonspirationcn mit der Prätendcntcnsamilie verdächtigt erscheine», ausdrücklich lcSsagcn werden. Viele hervorragendere Radicale i» Belgrad und der Provinz haben sich bereits für das Rcsormprojecl ausgesprochen und die Er klärung abgegeben, im Falle einer ossencn Parteispaltung der neue» gcmäßiglc» Gruppe beizutrete». Dasselbe erwartet nia» von I>>. Mischa, Vuilscb und Rascha Miloschewitsch. Sollte diese Erwartung in Erfüllung gehen, so wären die genannten Politiker im Verein mit dem General Sava Grnitsch als die leitenden Männer der neuen Gruppe zu bezeichnen. Einen einpsindlichen Schlag erlitten die Ertrcni- Nadiealcn durch die bereits gemeldete unverhoffte Abreise Feurlletsir. Der goldene Mittelweg. ns Roman von Erich Rott. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) „Du brauchst Dich vor mir nicht zu fürchten", sagte der so feierlich gckleitele Mann wieder, und dabei mäßigte er seine tiefklingende Stimme noch mehr. „Du bist doch ein artiges Kind, nicht wahr?" „Ich will immer brav sein", hauchte der Knabe jetzt, während er wieder nach dein rückwärts sitzenden Baron schielte. „Aber gelt, der böse Mann dort hinten beim Großvater darf mir nichts tbun?" Der Präsident ignorirte den AuSrus des Kindes. „Sag' mal, gehst Du denn schon in die Schule?" fragte er. Der Knabe schüttelte den Kopf. — „Ich komme bald hinein, sagte die Lene", versetzte er dann zaghaft. „Aber ich kann schon einen Storch auf die Schiefertafel malen!" „Nun mußt Tu uns einmal die Wahrheit sagen. Weißt Tu. was das ist?"' fragte der Präsident ihn wieder, und als der Knabe ihn still anschaute, fügte er hinzu: „Du darfst nicht lügen, daö ist eine Sünde, das weißt Du doch?" „Ja, dann haut mich der Großvater durch", entgegnete der Knabe und athmetc ties aus. Ein leichtes Lächeln durchlief dabei die Reihen der Zu berer. Ter Präsident bob malmend die Klingel und begann »un den Knaben weiter auSzusragen. Allmählich gelang eS ibm, den Verschüchterten zu »nbesangenen Antworten zu be wegen, und schließlich erzählte Erich ziemlich zusammenhängend seine damaligen Abenteuer im Walde. „Und dann sind also, wie T» gerade a»S dem Schlafe ansgcwacht bist, zwei Männer durch den Wald geschritten?" fragte der Präsident wieder. „Kanntest Tn die Beiden denn?" Erich schaute sich betreten um, dann wies er zaghaft mit dem Finger auf Thumar. „Za, dort sitzt der Eine . . . der böse Mann dort ... der hat ganz laut mit seinem Ge wehr geknallt . . . und dann war der Andere auch schon gleich ganz todt", versetzte er. Seine Antwort ries eine wahre Sensation im Saale her vor; wieder ging ein Murmeln durch die Reiben der Zu schauer. „Sag einmal, Erich", rief der Angeklagte, der mit funkeln den Augen und weit vornübcrgebeugteni Kopf auf die Ver nehmung des Kleinen gelauscht hatte, „war ich auch dabei im Walde?" Der Staatsanwalt War aufgesprungen und verbat sich entschieden die Einmischung des Angeklagten; auch der Präsi dent nahm in scharfen Worten gegen diesen Stellung und gebot ihm Schweigen. „Ihr Herren, cS geht um einen Hals, und hier das Büble war damals dabei, da muß ich es doch fragen dürfen!" stammelte Wittmer mit lechzender, verzehrender Stimme. „Ich werde die Rechte des Angeklagten schon pflichtgemäß selbst wabrnebmen", äußerte der Präsident auf die Verhaltung des Ofsicialvertbeidigers. „Du sagtest eben", wandte er sich wieder an den Knaben, „jener Herr dort sei dabei gewesen ... treten Sie doch einmal vor, Herr Baron von Thumar!" Dieser erhob sich und trat, während tiefe Blässe s^n plötzlich gealtert erscheinendes Gesicht bedeckte und ein freilich kaum wahrzunebmendes Frösteln seine Glieder durchlief, dickt neben den Knaben. — „Aber ich muß doch sehr dagegen protestiren, daß ich durch daS Gerede dieses Kindes hier in öffentlicher Gerichtsverhandlung comvromitlirt werde", ver setzte er mit näselndem Stimmenklang, zugleich das Moncle schärfer ins Auge drückend. „Der eigene Großvater deS Knaben wird aussagen, daß der Knabe, geistig in bohem Grade durch ein eben erst überstandencS Nervenfieber ge schwächt, an Wahnvorstellungen leidet!" „Es geschieht ja nur in Ihrem Interesse, Herr Baron", entgegnete der Präsident in höflichem Tone und wandte sich dann wieder an den Knaben, der scheu von der Seite Thu- mar'S zurückgcwichen war und diesen nun wieder mit angst verzerrtem Angesicht anstarrte. „Der Herr hier soll also nun nach Deiner Behauptung dabei gewesen sein?" fragte er. „Za, der hat sein Gewehr genommen, und dann hat eS laut geschossen ... und dann ist der andere Mann hingefallen und dann ... dann habe ich mich so sehr gefürchtet", hauchte der Knabe. „DaS ist aber doch nicht wahr, und Du sollst doch die Wahrheit sagen", meinte der Präsident. „Du hast Dich wohl getäuscht, jener Mann dort aus der Bank muß cS gewesen sein, war der es nicht?" „DaS ist ja der Trudel Vater", entgegnete der Knabe be stimmt, „den kenne ich gar gut." „Und der war'« wirklich nicht?" Erich schüttelte den Kops. „Das ist allerdings eigenthümlich, Herr Baron", sagte der Präsident, den Zeugen unverwandt anscbend. „Der Knabe spricht mit solcher Bestimmtheit . . ." „Sie sehen mich in der peinlichsten Verlegenheit", versetzte Thumar mit zuckenden Lippen. „Der Knabe batte vo» jeher schon eine Abneigung gegen mich gehegt. Ich berufe mich hier auf dessen Großvater. Er bekam einmal aus meine Ver anlassung Schläge." „Sage einmal, ist daS wahr, WaS der Herr hier behauptet?" wandte sich der Vorsitzende fragend an Erich. Der Knabe nickte mit dem Kopse. — „Za, der böse Mann bat'S dem Großvater gesagt, der hat mich gebau'n . . . und dann ist mein lieb' Mutterte gekommen ..." er stockte plötzlich und die Hellen Thräncn stürzten ihm über die Wangen. „Sage einmal, bist Du krank gewesen? Ich meine, mußtest Du im Bette liegen?" „Ganz lange, viele hundert Zahre!" antwortete Erich ernst hast. „Großmutter bat bei mir gesessen und bat Strümpfe gestrickt .. . und ich bade immer Zwetschken und Birnenschnitz' gekriegt, die waren aber aut . . ." „Und kam auck sonst Jemand zn Dir?" Der Knabe erschrak plötzlich. „Za, der böse Mann dort!" bauchte er, während er angstvoll von Neuem weit vor dem mit einem gezwungenen Lächeln die Achseln zuckenden und eine entsprechende Handbewegung dazu machenden Baron zurückwich. „Der hat mich immer schlagen wollen . . . und ganz feurige Anzen hat er gemacht!" Einer der Richter sagte dem Vorsitzenden etwa- ins Ohr, dieser nickte und gab alsdann dem Großvater des KindcS einen Wink, nochmals vorzutreten. Winkler gehorchte; sein Gesicht war gefurcht und mit unsreundlichem Blicke schaute er seinen kleinen zitternden Enkel an. „Halten Sie etwas an der Aussage des Kindes für wahr? Verhält sich'S im Ucbrigen so, wie der Herr Baron sagt?" Winkler nickte bekümmert mit dem Kopf. „Zbr Herren, auS dem Büble wird man nie klug", versetzte er dann in tiefem Tone. „Er bat deS Herrn BaronS Knaben einmal blutig geschlagen, das mag etwa drei Monate der sein. Da bat er den Herrn Baron um Vergebung bitten sollen. Er that'S aber nicht und war so halsstarrig, daß ich ihn schließlich derb schlug. Um keinen Preis war er dazu zu bewegen, dem Herrn Baron auch nur die Hand zu geben." „Und wie verhält'S sich denn mit seiner Wahrheitsliebe'?" forschte der Präsident Weiler. Winkler zog die Achseln in die Höhe. „Darüber kann ich gerade nicht klagen", bemerkte er . . . „Aber das Büble bat vo» jeher einen träumerischen Sinn, das rcd't den ganzen Tag von den Himniel-stcriien ... die alte Magd, welche um ibn ist, hat ihm wobl durch das Erzählen von Märlcin den Sinn ein wenig verwirrt." „Und zeigt sich diese geistige Störung erst seit der Krankheit?" Winkler schüttelte de» Kopf. „DaS Büble bat schon lang vorher so etwas sonderbar Scheues an sich gebabt", bcinerkie er. „Schon lang, cd' von der Mordthat die Red' war, fürchtete er sich am bellen, lichten Tage allein in der Stube . . . und wein er einmal Feindschaft cntgegcnbringt, dem ist er durch aus zuwider. Ich bin des Kindes eigener Großvater, aber ich muß sagen, ich siebe ibm so fremv gegenüber, wie ein Stein aus der Straße, und da ist der Herrgott mein Zeuge, an Liebe lass' ich'S nicht fehlen." Der StaalSanwalt erhob sich. „Aus deS Knaben Zeugnis? ist meines Ermessens durchaus kein Gcwickt zu legen", versetzte er. „Nickt mir, daß er sich noch im überaus zarten Alter befindet, hat die schwere, kaum erst überstandene Kranlbcit seine Phantasie, welche obnebin eine krankbast erregte zu sei» scheint, vollends verwirrt. DaS Kind handelt unbestritten »n Glauben, die volle Wahrheit zu sagen und bringt dabei die tollsten Lügen vor . . ." „Treten Sic einmal bier vor den Tisch, Wittnicr", befahl der Präsident nach kurzer Rücksprache mit den übrigen Richtern dem Angeklagten. AIS dieser, von einem Gendarmen be gleitet, im Zeligenraiiin erschien, befahl er ibm, sich dickt neben den Baron zu stellen. Wittnicr that dies nicht ohne Tbumar mit einem glühenden, haßverzerrten Blick zu messen. Der Baron rümpfte die Nase, er schaute unbehaglich unv wie geärgert vor sich hin. Unter den» erregten Murmeln der Anwesenden stellte der Präsident fest, daß beide Männer von ziemlich gleicher Statur und auch ibre Bärle, abgesehen von der allerdings grell ab- stechenken Farbe derselben, ziemlich übercinsl»iii»tcn. „Wird »och die Stellung einer Frage an den Zeugen gewünscht?" fragte der Präsident, nachdem Wittnicr wieder aus die Anklagebank zurückgesübrt worden war nnd auch Winkler sowie der Baron nach ihren Sitzen zurückgekchr' waren. Der Vertheidiger des Angeklagten bat um daS
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