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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.10.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-10-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18941022021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894102202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894102202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-10
- Tag1894-10-22
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Tabellartlcher »,d Ziffrrajotz »och häherem Loris. Grtro.Betioge« (gesalzt), iinr »ft der Morgen-Ausgabe, ohne Postdesorderuag SO.—, mit Poslbestrderullg 70.—. Ii»aals»eschlu8 für ^«zeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag« 10 Udr Diorgen-Aulgab», Nachmittag« «Uhr. Sonn- nnd Festtag« früh ' ^ Uhr. V»i den Filiale» und Annahmestellen je »in« halb« Stunde srüher. U»zri>e» sind stet« a» die Ernetzttiftn za richten. Druck nnd Vertan non E. Pol, in Leipzig ^5il. Montag den 22. Oktober 1894. 88. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig. 22 October. Ueber den Wortlaut der Rede, die der Kaiser am Donnerstag bei der Fabnenweibe gehalten bat, herrscht auch beute noch keine Klarheit. Noch immer schweigt der .Reichsanzeiger" darüber, ob der Kaiser gesagt hat, er hoffe, die Haldbat aillonr würden bald Pollbataillone werden, oder ob er nur den Wunsch geäußert, die Halb- bataillonc würden sich als ganze Bataillone bewähre». Zum Glück hat diese Ungewißheit im AuSlande den Eindruck nicht gemacht, den man wobt besorgen durste. Aber es ist peinlich, aus der „Köln. Ztg." zu ersehen, daß das Ausbleiben eine- beunruhigenden Eindrucks in Frankreich lediglich auf die beruhigende Thätiakei« des — sterbenden Zaren rurück- gcsührt wird. Es heißt nämlich in vem rheinischen Blatte: „Wie sehr die beruhigende Thätigkeit des Sterbenden in Frankreich nachwirkt, zeigt sich auch in der Beurtheilnng der Rede, die der deutsche Kaiser bei der Fahnenweide gehalten hat. Die Besiirchtung lag nahe, daß die Ungewißheit der zu künftigen Haltung Rußland- in Frankreich neues Mißtrauen gegen Deutschland erregen werde, aber das heute vorliegend« Unheil des „Temps" offenbart nicht nur das Gegenlheil, sondern berechtigt zu der Aussicht, daß auch noch dem Lode des Zaren lensest« der Vogesen die salsche Vorstellung von kriegerischen Planen der deutschen Politik noch mehr a» Boden verlieren wird. Das Blatt schreibt über die Rede Kaiser Wilhelm'-: „Sie ist keineswegs dazu an- gelhan, die Freunde des internationalen Friedens zu beunruhigen, denn sie verrätst keinerlei kriegerische Absicht, giebt vielmehr kund, daß der Kaiser sich mit Vorgängen im Innern beschäftigt, die ge eignet sind, seine und der ganzen Nation Thätigkeit vollauf in An spruch zu nehmen. Die vorherrschende Note darin ist offenbar der Ausruf gegen den inneren Feind."" Der innere Feind läßt sich natürlich durch die „beruhi gende Tkätigkeit" de- sterbenden Zaren nicht davon adhalte», die ihm zu Agitation-Zwecken bequemste Lesart der kaiserlichen Rede als die richtige anzusrhen und auSzunuyen. Wir können also nur den Wunsch nack Klarstellung wiederholen, selbst der conservative „Hamb. Eorr." wiederholt ihn mit der Motivirunz: „In unserer ohnebin an Wirrniß und Un klarheit krankenden Zeit schneidet man derartigen Debatten am besten den Ledenosaden durch Verbreitung völliger Klar heit ab." Wenn — was wir niemals geglaubt haben, noch glauben werden — die publicislischcn Diener und Freunde de« Nrichskauzler« dessen Wesen und Pläne richtig erfaßt hätten, so müßte der Politik des Grafen Eaprivi nur ein Leitstern leuchten: die Erhaltung des Amtes. Immer und immer wieder stößt man auf die Folgerung: »Eine energische Action gegen den Umsturz führte zum Rücktritt teS Kanzlers, mithin wird er eine solche vermeiden." Es braucht dieser Unterstellung, welche das Pflichtbewußtsein aus den das Verhalten eines preußischen Ossiciers und obersten Be amten des Kaisers bestimmenden Factoren ausgcschieden er scheinen läßt, nicht entgcgcngctrcten und ebensowenig uäber auS- gesührt zu werden, daß schon die Voraussetzung jenes Schlusses eine falsche ist. Noch beleidigender sür den Kanzler ist der ihm ziemlich unverblümt erlheiltc Rath, eine Schcinaclion zu unternehmen, seine Vorlagen, bis eS zur Entscheidung im Reichstag kommt, derart diScreditiren zu lassen, daß der Ruf nach Schutz gegen die socialrevolutionairen Gewalten ml ad>>uriluill gcsübrt wäre. Unverkennbar ist eS eine zweckentsprechende Vorbereitung eines solchen AuSganges, wenn die RcichStagSauflösung weit abgewicsen, dem Eenlrum. de» Antisemiten und anderen schwankenden Parteien also gesagt wird: „Ihr riSkirt nicht-, wenn Ihr unsere Vorschläge zurückwcist." Aber die so sprechen, sind eben nur Officiöse und nickt der Gras Eaprivi. Die Möglichkeit, die vom Kaiser eingelcitete Action ,n der nächste» Session versumpfen zu taffen, kann ja nicht geleugnet werden, aber mit idr würde manches Andere versumpsen, wa« der deutsche Reichskanzler im lebendige» Flusse zu erhalten alle Veranlassung bat. Um Maßregeln gegen Socialdemokralie und Anarchismus ist uns nickt bange-, die große Mebrbeit des deutschen Biirzertbums und der Adel werten früher oder später Mittel, sich vor der Depossedirung zu wahren, bcrdeizuschaffen wissen Aber die Verzögerung der Actio» auck nur um ein Iabr zöge, nachdem einmal der Kaiser eine Aufforderung, die eine Zusage in sich begreift, hat ergeben lassen, eine Minderung des öffentlichen Vertrauens und des monarchischen Ansehen» nach sich, die ibrerseilS die Ausbreitung der revolutionairen Lehren stärker begünstigen würde, als der Aufschub an sich. I» diesem Cardinalpunct, den die Ofsiciöscn und selbst verständlich auch die Radicalen ängstlich umgeben, liegt das Bestimmende und Zwingende der Lage. ES bars nicht geschehen,^ daß Lauheit die KönizSbergcr Rede parla mentarisch zu Tode Heyen und die Entscheidung über die Bekämpfung des Umsturzes den Repräsentanten des Um sturzes im Reichstage in die Hände legen läßt Zunächst werden die Eonsrrvativen die Folge» eines solchen AuS- aangcS zu bedenken baden Zur Zeit gefällt sich ihr leitende« Organ, die „Krcuzzeilung", darin, über Repressivmaßregeln in der Art des Herrn I)r. Barth zu reden Erinnert man sich, daß die Eonscrvativen ini Winter l89» die Erneuerung des SocialistengcsetzeS au- dem Grunde verhinderten,weil es ihnen mit den von den Nationallibcralcn beantragten Abschmächungen zu mild erschien, so gewinnt man einem Maßstab, enlwekcr sür den Grab der Aufrichtigkeit ihrer gegenwärtigen Bedenken, oder für die Umwandlung, die seit dem Tivoli Tage mit den Conser- valiven vor sich gegangen ist. Indessen ist gar nicht daran zu denken, daß die Partei ihren Widerspruch gegen gesetz geberische Maßnahmen mit dem Borwaud, die Social- demokratie könne nur gemeinsam mit denHerren Lieber und FuS- angel bekämpft werden, aufrecht erkält. Eine Secession, an der sich die nicktpreußischen Fractionsmitglieder wobl ohne An nahme bctheiligen würben, wäre die unausbleibliche Folge. Die „Kreuzzeitung«"-R>chtung selbst kann eS nicht bis zuw Acußersten treiben wollen,- sie ist zur Zeit die leitende inner- balb der Araction, aber im Lanke ist ihre Herrschaft keines wegs unbestritten. Durch die Berufung des Herrn v. Hell- dors Bedra ist ihr eine deutliche Warnung zu Theil ge worben. Dieser ehemalige conservative Führer ist zwar zur Zeit alles parlamentarischen Einflusses bar, aber da« sicherste Mittel, ihn wieder Boden gewinnen zu lassen, wäre die Zurücknahme der Erklärung, die conservative Partei werde eingedenk de- KönigSberger Wortes: „Ehrlos, wer seinen König verläßt", an, Kampfe gegen den Umsturz lheilnedmen. Der Standpunkt, daß man nicht so sebr die Sache als die Mitwirkrnden ins Auge fassen müsse, läßt sich wobl in Zeitungsartikeln einnehmcn, aber nicht, wenn eS „zum Klappen" kommt. UcbrigenS auch in Zeitungsartikeln nur unter den stärksten Zumuthungen an die Vergeßlichkeit der Leser. So versicherte die „Krcuzztg." zwar auch gestern wieder, ohne die Mitwirkung de- EcntrumS gebe eS „wegen derGlaubcnS- losigkcit des Liberalismus" (gemeint ist natürlich der Rational- liberalismuS) durchaus nicht, aber in derselbe» Auseinander setzung erkennt sie an, „eine nationale, eine deutsche Partei ist da- Ecntrum bis heute nicht". Daß eS das jemals werden könne, glaubt die „Krcuzztg." wohl nicht, jedenfalls giebt sic dieser Hoffnung nicht Ausdruck. Und dennoch soll da» Centrum geeignet sein, Deutschland, da» deutsche Reich, vor inneren Gefahren zu retten! Wer das im Ernst sür möglich hält, hat selbst schon den nationalen Boden verlassen. Da der ConservatiSmuS sich nicht in dieser Lage befindet, so ist die .Kreuzztz." entweder nicht konservativ, oder sie treibt Spiegelfechlerci. Zu den gewöhnlichen Mitteln, mit denen die dänische Partei in NordsckleSwig >bre Sacke betreibt, gebärt die Klage über parteiische und ungerechte Behandlung durch die Beamte» und die Behauptung, daß in rücksichtslosester Weise gegen berechtigte Interessen verstoßen werde Es ist war — so schreibt der „Hamb. Corr." — bisher jedesmal estgestellt worden, daß die im Emzelfallc erhobenen Be schwerden aus ter Luft gegriffen und nur dem Wunsche, etwas Lärm zu machen, entsprungen waren, aber da« Klingeln gehört zum Handwerk und eS wird dcSbalb weiter geklingelt. So berichtete da» dänische Blatt „FlenSborg Avis" in einer rührenden Erzählung a»S WestschlcSwig, zwei Männer, die in Schcrrebeck von dem StationSassistcnten und dem Statioiisvorsteber Fahrkarten inil den Worten: „Tour ti> Uröus — und retour li> Ilvicickinzr" gewünscht hätten, seien von den Beamten gezwungen worden, die Fahr karten i» deutscher Sprache zu verlangen. „FlenSborg Avis" fügte hinzu: „Diese beiden Elsenbahnbeamten sind sicher keinen Augenblick darüber im Zweifel gewesen, wa« die Reisenden verlangte», und sedeniall« hat der Station-Vorsteher Tausend« von Billrt« »ach Verlangen dänisch ausgeseriigt. Daß nun Beide darüber einig sind, deutsche Anrede zu verlangen, scheint auf höhere Ordre deuten zu können, wenn nicht eine solche Ordre geradem undenkbar und un- durchsührbar wäre — um nicht von ihrer Rucksicht-iosigkeit zu sprechen. In Wahrheit bat sich die Sacke so verhalten, daß der Stationsvorsteher, der dänisch versiebt, nie eine in dänischer Sprache verlangte Fahrkarte verweigert bat; der StationS assislent versteht nicht dänisch und mag deshalb vielleicht ein mal an Jemanden, der auf Dänisch eine Fahrkarte wünschte, in deutscher Sprache eine Rückfrage gerichtet haben, weil er ihn nicht verstaub. Das ist Alle». Wie überall in der Welt, vcr'olgt man auch in Frautreich den Verlauf nnd den AuSzang ccr Krankheit des Zaren, in welcher eine vorübergehende Besserung eingetreten zu sein scheint, mit der ausrichtigen Tbeilnahme, die der beste Beweis ist, welche Achtung Alexander III al« Mensch und Herrscher sich zu erringen gewußt bat. In Frankreich aber ist diese Tbeilnatnne mehr als anderwärts mit ernsten Sorgen um die Zukunst gemischt. Genau ein Jahr ist verstricken, seit die Russenschwärmerei in den zu Ehren der russischen Seeleute veranstalteten Festen ihren Höbepuncl erreicht bat, und die Erinnerung daran läßt die Ungewißheit der kommenden Dinge, die Befürchtung, daß Rußland sich wieder von der Republik abwendcn könne, in beängstigendem Gegensatz ber- vortretcn. Es ist nicht an der Zeit, zu untersuchen, ob alle die Verdienste, die dem sterbenden Zaren heute in der fran zösischen Presse zuaetheilt werden, ihm vor der Geschichte gebühren; seine französischen und deutschen Beurtbeiler werden besonder» darin auSeinandcrzchrn, daß die erster» ibm eine zügelnde Wirkung auf ein angeblich kriegslustiges Deutschland zuschreibcn, wahrend man in Deutschland sein höchstes Verdienst darin erkennt, daß er durch eine Politik, welche die Interessen Rußlands wahrte, zugleich einen mäßigenden und beschwichtigenden Einfluß aus Frankreich übte und die den Frieden bedrobcnden Revanchcpläne in Schach hielt. Diese deulsche Anschauung geht von dem Bewußtsein au-, daß Alexander lll. von der Friedensliebe und dem FriedenSbedürsniß Deutsch land« überzeugt war, und au» ihr entwickelt sich natürlich und ohne Zwang das Verständniß der stet- folgerichtigen Haltung des Zaren. Hätte Kaiser Alexander jene llcbcr- zeugung nicht gcbabt, hätte zur Zeit de« Thron- und Kanzler- Wechsels in Deutschland aus den russischen Kaiserthron ein Mann gesessen, der wruiger gewissenhaft und nicht so durch drungen von der ungeheuren Verantwortung seines AmieS wie Alexander lll. den in Frankreich schlummernden Wuust: nach Revanche geneckt und geschürt hätte, so wäre ein »:> ermcßliche« Unglück über Europa hereingebrochen. Zav Alexander bat e» verhütet, und insofern kann da- deutsche Uitheil mit dem französischen übereinstimmen in der Be- bauptunz, daß mit ihm ein bedeutender moralischer Kraft aetor au» der europäischen Politik auSschcidet. In diesem Sinne bat Alexander lll auch zweifellos wodllhätig aus das Verbältniß zwischen Deutschland und Frankreich gewirkt, das gegenwärtig ein weniger gespannte- ist als noch vor Jahresfrist. Die am 12. November beginnende Tagung der fpantschr» EortcS wird sich — abgesehen von den bevorstehende» Erörterungen über die Toleranz der Eulte — namentlich »in den Reformen in Cuba, mit dem Etat und der Zolls rage zu beschäftigen haben. Was letztere anbelangt, so entnehme» wir der „Correspondencia de Espakta" solvente Ausführungen über den Ministerratb, der vor einigen Tagen stattgefunten bat: „Der Minister de« Auswärtigen", beißt eS da. „schilderte seinen College« ausführlich die durch de» Feldzug gegen die Handelsverträge und besonder- gegen den Vertrag mit Deutschland geschaffene Lage, die er als schwierig bezeichnte nicht nur von« wirthschastlichen und bandelspolilischcn, sonder» auch vom rein politischen Stant- punct au», insojern al» sich der Mangel guter Handcls- bezicbungen eine» Tage» auch auf jenem Gebiete widerspiegeln könnte. Um aus diesem Zustande herau-zukommcn, wies Moret aus zwei Wege bin: entweder neue Verträge aus zuarbeiren und inzwischen den jetzigen mockus vivencki mit den verschiedenen Länder» zu verlängern oder eine dritte Colonnc >m Zolltarif bezw einen autonomen Tarif zu schaffen, um ihn den Nauonen anzubirlen, die uns anderweitige Vergünstigungen zc wäbren. Angeblich neigt der Minister dem erstercn Vcrfabrcn zu, weil es sur Spanien vortdeilhaftcr sei. Auch der Ainanz- iniuister war der Ansichl, daß eine ZoUresorm nickt länger bliiauSgeschoben werden dürfe, da die Zölle derartig hock seien, daß ein bedeutender Schmuggel staltsindc, der den Er trag der Zolleiunahmcn deeinlrächtige. Schließlich machte auch der Minister sür Colonien aus deu großen Achate», der aus dem Bruch mit Deutschland sür unsere Antillen »nd die Philippinen entspringe, ausmerlsam. Der Ministerratb maß der Lösung dieser Frage eine besondere Wichtigkeit bei und beauftragte die drei Minister, ibm geeignete Vorschläge sür eine vorzuuchmendc Reform zu unterbreiten." — Dem nach stellt sich der Katzenjammer bei den spanischen Zoll- und Finanzpolitikcrn srüher ein, al» man erwarten konnte. Einigermaßen ausfällig erscheint, daß am lS. d. M. der Eardinalerzdischos Langönieux von Reim» nach Rom ab reisen sollte. Der Cardinal solle der Vanfcrenz über die „Rückkehr" der orientalischen Kirchen zu dem römische» Stuhle präsidiren, wie er die vorbereitenden Arbeite» de» vorjährige» eucharistischen Congrcssc« in Jerusalem geleite! bat; aber diese Reise galt bisher mit der Couscreuz selber sür ausgegeben. Von den fünf orientalischen Patriarchen waren bis jetzt in Rom nur zwei erschienen: der syrisch.- Mjgr. Benbam Benui und der melckitischc Msgr. Iussns: das chaldäischc Patriarchat ist durch Todesfall erledig!, der maronilischc Patriarch Msgr. Hagg ist einfail> auSgebliebcn nnd dem armenischen Msgr. Azarian ist vom Sultan Abdul Hamid II. die Romsahrl untersagt worden. Der Papst bat, fo verlautet, dann sofort ein Handschreiben an den oSiiianischcn Großherrn gerichtet, in welchem das Rech, Der goldene Mittelweg. 3gj Roman von Erich Rott. Nachdruck »rrsoie». (Fortsetzung.) „Verzeihe mir, Evchen, eS soll nie, niemals wieder Vor kommen!" murmelte der junge Mann in reuigem Tone. „Du weißt eS doch, wie lieb ich Dich habe!" „Nun ist ja schon Alle- wieder gut!" flüsterte die junge Frau, leise lächelnd. „Schau' Dir unser Baby an . . . eS ist ein reizendes, goldige- MäuScken!" Felix erhob sich gehorsam von den Knien; auch da» Kind batte er ganz vergessen. Jetzt aber, als er vor dir kostbare Wiege trat, welche neben dem Bette seiner Gattin Ausstellung gefunden hatte, und den zartduftenden Spitzenvorbang zur Seite schob, da überkam eS ihn wieder wie heilige Rührung. Seltsam ergriffen schaute er auf da« winzige, rosige Gesichtchen, da-, ganz von blendendweißer Wäsche umgeben, tief in den Kiffen de- Steckbette« vergraben. abnungSlo« dem Leben ent gegenschlummerte. Er beugte sich plötzlich nieder und berührte die Stirn de« Kinde« mit den Lippen. Dann aber eilte er zu seiner Gattin zurück, sank von Neuem »eben ihr auf die Kniee und preßte wieder ihre schmale, weiße Hand an die Lippen. „Evchen, wie soll ich eS Dir danken... Dein Kind, unser Kind!" murmelte er innig, „nun soll rin neue«, ganz andere-, bessere« Leben beginnen!" Ta huschte wieder der Sonnenschein über der jungen Wöchnerin angegriffene Züge. „Die bin ich glücklich!" murmelte sie. „Ack so unsagbar glücklich!" Aber die augenblickliche Rührung hielt nicht lange stand. Zwei, drei Tage dielt e» Felix in der Stille und Einsamkeit seines Hauses auß. Daun aber, als der ersten freudigen Erregung Evchen« tief nachhaltige Abspannung gefolgt war und sie fast immer schlummernd in den Kiffen lag und die Wärterin Felix, wenn dieser da« Schlafzimmer betreten wollte, schon aus der Schwelle mit mahnend vor die Lippen gelegtem Finger entgegrnkam, um ihn ja zu recht behutsamem, vorsich- iigem Auftreten zu veranlassen, als der junge Ehemann kaum mehr wußte, wie er die langen Abende einsam und nur auf sich selbst angewiesen in seiner Stube hindringeo sollte, da bedurfte r« nur einer flüchtige« Anfrage seine« Vater«; eine« Abends fuhr er kurz entschlossen wieder nach der Residenz, auf dem Bahnhöfe mit dem alten Baron zusammentreffend, der nur kurz einmal der jungen Wöchnerin einen Besuch abgestattet hatte. Felix konnte freilich nicht ahnen, daß — kaum daß ihn da« schnaubende Dampfroß den heimatblichen Gefilden entfübrl — seine junge Frau, von langem Schlummer gekräftigt, die Augen wieder aufschlug und mit sehnender Stimme nach ihm verlangte. Dann freilich, als er nickt im Hause aus gefunden wurde, sondern der Diener aus Befragen berichtete, daß er nach der Residenz gefabren sei, aber voraussichtlich schon am nächsten Tage wiederkehren werde, da ging eia bange-, zitternde« Stöbnen über Evchen« Lippen und mit neuer, beängstigender Macht stiegen die alten traurigen Ge danken in ihrem Herzen wieder auf. Jetzt wußte sic c- auf einmal, daß sic an >brcS Gatten Seite niemals jenes volle, heilige Glück zu finden vermochte, von dem ihre Märchen träume erfüllt gewesen waren. Nicht einmal da« geringe Opfer hatte ibr der Galle zu bringen vermocht, auSzuhalten an ihrem Schmerzenslager. Sic batte e« sich während der langen, vorhergehenden Monate so schön vorgestellt, von Felix behütet, der Genesung cntgegcn- schlummern zu dürfen; sie batte geglaubt, er würde jeden ihrer Wünsche ihr von den Augen ablcsen, eifersüchtig daraus» keinen Anderen die kleinen Handleistungcn machen zu lassen, nicht von ihrem Bette weichen . . . und nun waren erst wenige Tage verflossen und er war schon de« geringen Opfer« augenblicklicher Entsagung überdrüssig geworden. Gar bittere Tbranen waren eS. welche da« junge Weib in der folgenden Nacht in die Kiffen wcinle. Am nächsten Morgen befand sich Evchen wieder weniger gut, die Körper temperatur war wieder gestiegen und auch die Mattigkeit v«n Neuem eine bedeutend beunrubiaendere geworden. Winkler schwamm in einem Meer von Wonne. Nun war er Urgroßvater geworden I Sein Liebling batte ihm jene« süße liebliche Wesen geschenkt, da« so zartdustig und zierlich in den Kiffen lag, daß er e- mir seinen gewaltigen Händen kaum anzufaffen wagte. Winkler fühlte sich überhaupt so stolz gehoben, wie seit Langem nicht mehr. Alle« war ihm in diesem Jahre gut auSgeschlagen; nun war di« mächtige Speculatioa mit der holländischen Regierung nahezu geglückt, die Sonne hatte e« gut gemeint, denn solch einen anhaltend heißen Sommer, wie sie ihn diesmal zubereitet, hatten dir Gebirgsbewohner schon seit Meascheugrdeake» nicht «ehr zu verzeichnen gehabt. Selten, daß einmal ein Regentag den steten Sonnenbrand unterbrochen hätte. Die Bauern selbst batten freilich gar betrübsame Gesichter gemacht und unter Führung teS Pfarrer« hatten sie Bittgänge durch die einen gar trüben Anblick darbielcndcn Felder veranstaltet, um den besruchlentcn, köstlichen Regen zu erflehen. Winkler batte sich an diese» Bittgängen nicht bctheiligt; ihm war vielmehr da« Herz vor Freude im Leibe gebüpft, al- er jeden neuen Tag batte wahr- nebmen dürfen, daß wieder am Himmel voll fleckenloser Klarheit die Sonne leuchtend schien. WaS kümmerte ihn in diesem Jahre die Fruchtbarkeit der Felder. Er war so ausschließlich von den in« Ricsenbaste ge wachsenen Arbeiten im Sägewerke beschäftig», daß er den Verrichtungen de« Gesinde- aus den Feldern kaum irgend welche Aufmerksamkeit schenkte. WaS verschlug'-, wenn auch einmal eine Ernte verloren ging! Die Tag sür Tag vom Himmel hrrniedcrstrahlende Sonne brachte ibm als Ersatz viele Tausende ein! AU' die riesigen Brettermauern, welche sich um die Sägewerke streckten, waren wacker ausgetrocknet. Nun batte Winkler bereit« eine Probesendung abgeden lassen und dieselbe war von der holländischen Regierung nicht nur sofort abgenommen worden, sondern ibm sogar über die vorzügliche Beschaffenheit de« gelieferten Materials ein besonderes An erkennungsschreiben zugegangen. Wer war srober, als der alte, aber noch immer so schaffen-lustige Mann, der im Geiste bereit- dir vielen, vielen blanken Goldfüchse in seinen Kasten springen sah, und sie bereit« in der Hand fühlte, die knittern den Papiere mit den hohen Ziffern daraus! Winkler sab sein bisherige« Vermögen schon verdoppelt und verdreifacht. Nun trennten ihn nur noch wenige Wochen von dem großen Augenblicke, welchen zu erreichen er kein Opfer gescheut, ja sich sogar in Schulden gestürzt batte. WaS lag ibm daran, wenn auch die Nachbarn den Sommer über die Köpfe zusammengcstcckt und Mancher unter ihnen gemeint batte, e« müsse doch nickt so glänzend um ihn stehen, weil er Hypotheken aus seinem Grundbesitze in großer Höbe habe ein- tragcn lassen; was verschlug r«! Da lag ein Reichlhum, die hochaagewachsenen Vorräthe, au« lauter bearbeiteten Balken und Brettern bestehend und den Boden mit vielen Millionen Centnern belastend. Die wandelten sich nun in blinkende« Gold, bald, aar bald schon! Seinem Herzblatt wußte Winkler gar nicht genug zu er zählen von all' den Tagen zukünftigen Glücke-, die so nahe schon hrrbeigekommrn waren. Zuerst nahm e« der alte Mann in seiner freudigen Erregung gar nicht wahr, daß die junge Frau so gar bleich und niedergeschlagen auSsab und auf alle seine Worte nur ein flüchtige», kaum merkliches Lächeln bervo» zubringen vermochte. Er schob eS der natürliche» Angegriffen heit und Abspannung zu, Laß Evchen gegen sonst so vcr ändert war. Al- er dann aber endlich einnial Evchen unversehens über rascht batte und sie in Thränen schwimmend rorgesunden, da erschrak er so mächtig, daß er zuerst gar nickt einmal die fremde Besucherin wahrnabm, welche bei seinem Eintritt i» eine Fensternische sich zurückgezogen batte. „Ja, sag' mir nur. mein Herzenskind, wa« fehlt Dir nur eigentlich?" meinte Winkler, während er, betrübt den Kops schüttelnd, sich neben da« Bell setzte und ibre beiden Hände ergriff. „Du weinst, Evchen? . . Ack, da« stößt mir beinahe da« Herz ab . . nun solltest Du doch schon wieder aus sei», siut'S doch schon vierzehn Tage, daß Du mich zum Urgroßvalcr gemacht bast .... wo ist denn Dein Mann . . den bab' ick schon ein paarmal nicht angetroffcn . . . wenn - so geht »lil ihm, dann muß ich mit ibm mal ein ernstes Wörtlc sprechen!" Tan» aber, al- er da» betrübte Gesicht seiner Enkeltochter sich noch verdüstern sah, ging plötzlich sicdcnkhciß eine Abnnng in ibm aus und erfüllte ihn mit bangem Web. — „Er wird dock nickt wieder in die Residenz gefahren sein?" versetzte er. „Da- wäre ja von ibm bimniclschreicnd unrecht an Dir gebandelt!" In demselben Augenblicke unterbrach er sich auch schon; er sperrte vor Verwunderung weit den Mund aus und starrte wie entgeistert aus die dohe, hagere Frauengestal», welche mit unbörbaren Schritten aus der Nische herauSgctrcten war und nun dicht vor ihm stand. „Die Fra» Baronin',"' sagte Winkler im nächsten Auge» blicke und erhob sich verdutzt aus dem Stuhle. Unwillkürlich wich er einen Schritt zurück; er trug der Dame noch immer den „ungeschliffenen, groblümmligcn Bauer" von damals nach. „Sie wolle» wissen, wer an diesen Tbränen schuld ist?" fragte Frau von Tbumar dann plötzlich mit ihrer schrille», bochklingenden Stimme, während sie Winkler unverwandt an schaute. „An diesen Tbränen, welche die Genesung des arnien Kinde» Hintanbalten, sind Sie, Herr Bürgermeister — und nochmals Sie schuldig!" „Da hol« aber doch gleich Der und Jener!" brummte Winkler, der sich von seinem ersten Erstaunen rrbolt batte „So 'was verkitt' ich mir — ick und »icinem Herzblatt Tbränen verursachen — wenn ick könnt', ick würd' sür sie in den Tod gegangen sein — mein Evchen. gelt, da- weiß« Du doch besser!" (Fortsetzung folgt.)
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