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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.11.1894
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-11-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18941105013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894110501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894110501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-11
- Tag1894-11-05
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Vez«s».PreU Al her Ha»ptrM»ditto» oder do t« ktab^ be»trt »od de» Vororte» errichtet« Au», gadestelle» abgeholt: vierteljährlich »4-bv, »ch Pvetmaliaer täglicher Zoftell»», t»« Ha»« bckO- D«rch di« Post be»oa«a für Deutjchland m»d Oesterreich: viertel,thrlich . Direct« täglich« Kreuzbandiendang i»I >»«la»d: monatlich ^l 7ck0. LftMorgin-Ln-gab« erscheint täglich V.^UHr, die Abrad-Lusgab« Wochentag« b Uhr. Rt-«rttoa uu- Lr»rditt<a: Ä»tz«,»«,«Ge 8. «el »äsl Filiale«: Dtt« Ar«« « «orti». (Alfre» HaHuX ll»iverfität«strahe 1« L««t» Lösche. Knshartnenstr. Ich vart. »ud pSniglvlatz V. Morgen-Ausgabe. Anzeiger. Lrgail f8r Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. Slvzeigen^Srri» die 6 gespaltene Pktitzeile 20 Pfg. Reklamen imter demSiedactioaästrich (4,e- spalte») b0^, vor de» Familie»Nachricht», (S gespalten) 40^. Größere Schriften laut uaserem Preis- Verzeichnis. Tabellarischer »»d Zifferujatz nach häherem Tarif. Srtra-Beilage« (gesalzt), nar mit der Morgen - «»«gäbe , ohae Postbeiorderuag >4 60.—. mit Postbesürderung ^l 70.—. Ammhmrschluß für Aazei^,; «bend-I-ägabe: vormittag« 10 Uhr. Morgen-«iv»gab«: RachmittagS 4 Uhr. Sonn- »nd Festtag« früh '/,9 Nhr. Bei de» Filiale» »nd «niiahmeskellen je eine halb« Sl»ad« früher. A«zet,e« sind stet« an di» Ggtzeöition zu richte». Druck »ud Verlag von L. Polz i» Leipzig ^° 565. Montag den 5. November 1894. 88. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. Lekanntmachung. Di« öffentlich autgejchriebene HerfteNung eine« gepflasterte» Wege« im «rankenhaufe zu St. Jaeab hier ist vergebe» worden. Dir unberücksichtigt gebliebeaen Bewerber werden daher aus ihre» bezügliche» Angeboten entlassen. Leipzig, am 30. Oktober 1804 Der Rath per Stadt Leipzig. Id. bt)89.vr. Georgi. Eoldktz. Äusschreiöung. Di« Beschaffung de« Mobiliar- für den Neubau der 11. Bezirks- schal« in Leipzig-Anger-Srotlendors soll an einen Unternehmer io Accord verdungen werden. Dir Bedingungen und Zeichnungen für diese Arbeiten liegen in der Geschäftsstelle de« lll. Baubezirks unserer Hochbau-Verwaitung, Nupfergästchen Nr. I, I. Obergeschoß, au» und können daselbst einge- sehen beziehentlich erster« gegen Entrichtung der Gebühren voa 0,50 >l entnommen werde». Bezügliche Angebote sind versiegelt und mit der Aufschrift: „Mobittarlirfernna für die II. BrzirkSschule tu Letpzig-Anger-Vrottendors" versehen, ebendaselbst und zwar bis zum 19. November 1894 Nach mittag« 5 Ubr einzureichen. Der Rath behält sich da» Recht vor, jämmtliche Angebot« abzulehaea. Leipzig, den 1. November 1894. Der Rath der Stadt Leipzig. Id 5121. l)r. Georgi. vr. Ddrf. Ausschreibung. Die Mobiliar- «nb Pitchptnrsuszboden-Virser»»grn für Pie IS. vezirk-schule tn Lripzig-Vutriizsch sollen je an einen Unternehmer in Accord verdungen werden. Dir Bedingungen und Sostenanschlogrsonnulare für diese Lieferungen liegen in unserer Hochbau-Lerwaltung, III. Baubezirk, Kupsergähchen Nr. 1 (Aramerhaus) 1. Obergeschoß, auS und können daselbst ringesehea beziebentlich gegen Entrichtung der Gebühren von 0,ü0 ^4 entnommen werden. Bezügliche Angebote sind versiegelt und mit der Aufschrift: „Mobiliar- beztv. Pitchpinrsutzboben-Lirferniigeu für die 19. vezirtsschule" versehen an obengenannter Stelle und zwar bi« zum 1b. November 1894, Nachmittag« 5 Ubr einzureichen. Der Rath behält sich das Recht vor, simmtlich« Angebote abzulebuen. Leipzig, de» 27. Oktober 1894. Der Natb der Stadt Leipzig. Id. S126. vr. Georgi. vr. Ddrf. Fernsprechverkehr mit Nauendorf (Saalkreis) Zwischen den Stadt - Fernsprecheinrichtungen in Leipzig und Markranstädt und der Stadt-Fernsprecheinrichtung tn Nauendorf (Saalkrris) ist der Sprechverkebr eröffnet worden. Tic Gebühr für das gewöhnliche Gespräch bis zur Dauer von drei Minuten beträgt eine Mark. Leipzig, 2. November 1894. Der Kaiserliche Ober-Postöirector, Geheime Oder-Postrath Walter. Lekanntmachung, Schleutzctibau tn Leutzsch Petr. Die zur Linbauung einer 80 Meter langen Tbonrohrschleuße in einen Lheil der hiesigen Hauptstraße erforderlichen Arbeiten sollen an einen Unternehmer vergeben werden. Formulare zu Kostenanschlägen, welche ausgefüllt, versiegelt und mit obiger Aufschrift versehen längstens di» 11. November ». e. hier einzureichen sind, können gegen Erstattung der Schreibgebühren an 50 ^ hiesigem Gemeindeamt« entnommen werden. Daselbst liegen auch der Bauplan sowie die Bedingungen zur Einsicht- nähme au». Die Auswahl unter den Bewerbern, sowie die Ablehnung sämmtlicher Angebote bleibt Vorbehalten. Leutzsch, den 3. November 1894. Der Grmeiilderath. Th. UHIig. Hans Sachs als Herold der Deformation. 8. Kaum sind die Glocken des Reformation-festes ver klungen, da tönt an das protestantische Gewissen ein anderer, doch verwandter Weckruf. Am vierhunderljäbrigcn Geburts lage drS schlickten Nürnberger Dichters hat das evangelische Deutschland vor allem Ursache und Pflicht, in Dankbarkeit de« Manne« zu gedenken, der am Eingang und AuSganq von Luther « Heldenlausbabn, dort mit beUjubelndem Gruße, hier mit herzbewegender Klage, sich als unentwegten Mit streiter des großen GotteSmanneS vor der Welt bekannt hat. Wie am Wiegenfeste der Reformation jeder echte Protestant sich die Frage vorlegeu sollte, ob er sich de« großen Erbe« seiner Väter wertb gezeigt »nv an seinem Lheile mitgewirkt habe, die durch Roms Herrschaftlgelüste bedrohte Gewissens- und Glaubenssreibeit zu schützen, so sollte auch am heutigen Gedenktage die Stimme eine« deutschen Manne« und wahrhaft evangelischen Christen i» unsere Seele dringen. Denn im heißesten Kampfe unsere« Volkes, als es galt, ob Römisch oder Deutsch, od Päpstisch oder Christlich, bat auch er in den belltöncnden Ruf des glaubensstarken Gotlcsheldea eingrstimmt: ,Da« Reich muß uns doch bleibenl" Wa« Han« Sach« in die Reihen der resormatorischen Kampfer grsüdrt hat, da« war sein tiefer sittlicher Ernst, sein lebendige« religiöse« Interesse und sein deutsches Ge wissen. Klar und deutlich sübllc er, daß Luther dir Deutschen nicht blos aus der babylonischen Gcsangenschast und von römischer Knechtschaft befreite, sondern ein Volk, da« in Unsittlichkeit zu versinken drohte, auch zu Ernst »nd sittlicher Auffassung de« Leben« zurücksübrte. Daß er mannbaft gegen die derrschenden Laster, gegen die Ver achtung der göttlichen Gebote und die fleischlichen Sünden aller Art seine Stimme erboben, die« Zeugniß versagt auch di« ultramontane Geschichtschreibung eine- Ianssen unserem Dichter ebensowenig wir da« Zugeslänkniß, baß »seine kern- arsundr Natur, voll tiefen Gemüthr« und wackerer Gesinnung, sich au« voller Ueberzeugung der luthe risch» Ähre »»schloß". Ja der entfesselten Bewegung der Geister sah Han« Sach« nicht blos, wie die humanistischen Bundesgenossen Luther'«, den Kampf wissenschaftlicher und sittlicher Verrohung gegen die neue Bildung der Gegenwart, sondern einen Kampf des Gewissen«. Durch die stete Betonung de- religiösen und sittlichen Grundgedankens ward er der wahre Herold der Reformation im deutschen Bürger- thum. In seinen volksthümlichen Dichtungen trug er vor allen Anderen die sittlichen Ideale der Reformation in die breiten Massen de« Volke«. Denn auch da, wo er weltliche Stoffe dichterisch behandelt, tritt stets die sittliche Seite in den Vordergrund, preist er bürgerliche Tüchtigkeit und Recht schaffenheit, Ehrbarkeit und Treue, die Heiligkeit der Familie und Liebe zum Vaterland. Indem er diese sittlich-religiösen Beweggründe, denen die Reformation vorzugsweise ihre Entstehung und Kraft verdankt, betont, wirb er der berufenste Dolmetsch de« Bürgerthums. Aus Han« Sach« als eine» treuen und wahrhaftigen Zeugen der evangeiischen Wahrheit, den wackere» Mitstreiter Luther'«, den Herold der deutschen Reformation kurz hin zuweisen, ist eine DaakeSpstickt, der sich das protestantische Deutschland gerade heute nicht entziehen dars.*) Da« Geistesleben der berühmten Kauf- und Handelsstadt, in der Hans Sachsen« Wiege stand, durchwehte ui» die Wende de- 15. und 16. Jahrhundert« ei» Irischer Luftzug. Dem Weltverkehre dankte die Königin der Stätte eine» Wohlstand, der ein Leben voll gediegener Pracht und künstlerische» Be hagen« ermöglichte. Ter Welthandel, dcr kleinlichem Krämer geist wehrte, erweiterte Len geistigen Gesichtskreis und er zeugte von selbst einen Bildungstrieb, dcr den kleineren Städten fremd blieb. Die bequeme Entfaltung einer reichen äußeren Cultur fand in Bauten und Knnstwerken einen glänzenden Ausdruck, die Wissenschaften gewannen unter den Patriziern Gönner und eifrige Förderer, die Nürnberg neben dem Rufe de« Reichthums auch den der Bildung und Ge lehrsamkeit erwarben. Aber auch der kleine Bürger und Handwerker war ergriffen von diesem Geiste und batte Thcil an der Regsamkeit, welche die höheren Kreise auözeichnete, au ihrer frischen Empfänglichkeit und den weitherzigen Ge sinnungen. Freilich waren die Nebel einer dumpjeren Ver gangen beit auch hier noch nicht völlig durch da« Licht der Renaissance verscheucht worden, und da« Doppelantlitz, da« der ganzen Zeit eigen ist, zeigt auch La« aufgeklärte Nürn berg. Hier ein frische« Ringen und Regen der Geister, Blüthe von Kunst und Wissenschaft, ein Cultu« der Welt- schönhcit und heiterer Genußsucht, dort die Menge noch völlig in den Banken einer Weltanschauung, die bald in Trümmer zerfallen sollte, nämlich mittelalterlicher Werkheiliglcit und Wcltflucht. In diese Zeit voll greller Widersprüche und hart an einander stoßender Gegensätze fiel die Jugend de« Han« Sach«. Fast ein Jüngling noch, sab er da« Morgenrolh dcr neuen Zeit anbrechen und jubelnd begrüßt dcr zum Mann Gereifte da« Lied der Wittcnbergischen Nachtigall, da« auch ihm so tröstlich und befreiend ins Herz er klang. Tief und nachhaltig wirkten die Eindrücke dcr an bedeutsamen Anregungen und großen Ereignissen des öffent lichen Leben« reichen Vaterstadt auf da« empfängliche Gc- mülh des einfachen Handwerkersobne«. Von einer fünf jährigen Wanderschaft durch Deutschland brachte er einen reichen inneren Ertrag mit heim, einen Schatz von Erfahrungen und neuen Anregungen, wie selbst da« bewegte Leben seiner Vaterstadt in solcher Fülle ihm nickt hatte bieten können. In seiner Lebensauffassung gereift und vertieft, aber ebenso kindlich heiter und kindlich gläubig war er heinigekehrt; da« Herz war ihm weiter, aber da« Gewissen enger ge worden; sittlich gefestigt, ehrlich und wahrhaftig, so schaute er hoffend in die Zukunft. Denn in stiller, weihevoller Stunde fühlte dcr schlichte Man» den unsichtbaren Kranz der Muse auf« Haupt gedrückt und sein bescheidenes Dasein ver klärt durch den Abglanz eine« höheren Leben«. Da, al« dcr junge Dichter zu seinem ersten Fluge die Schwingen geregt batte, drang die Kunde von der kübncn Tbat de« Witten berger Augustiner« in seine stille Werkstatt. Gerade in Nürnberg fanden die 95 Thesen einen empfänglichen Boden, da hier die Stimmung gegen den welschen Ablaßhandel jüngst aus« Neue gereizt worden war. Bald prie« man Luther als eine Posaune de« Evangelium« und einen Herold der Wahrheit. Rasch schieden sich die Geister, kenn Luther« Schriften: »An den christlichen Adel" und .Bon der babylonischen Gefangenschaft" u. s. w. rüttelten auch diejenigen aus, welche anfangs noch zaudernd oder glcich- giltig abseits gestanden, und machten selbst dem blödesten Auge klar, wa« in diesem Kampf aus dem Spiele stand. Auch Han« Sack« hielt in der alle Gemülber bewegenden Frage in seinem Herzen zu Luther. Seine Gedichte jener Zeit lassen darüber keinen Zweifel. Zunächst aber war e« die sittliche Seite, die für seine Stellung den Aus schlag gab. Ein Grundpfeiler seiner ganzen sittlichen Denkweise war der Satz, baß Gott die eheliche Liebe ge wollt bat; stet« ist e« die Heiligkeit der Ehe, die der junge Dichter preist. Wie mußte da ihn gerade da« erlösende Wort Luther'« ergreifen, der der ehelichen Liebe ihre Ehre, Recht fertigung und Freiheit vor Gott zurückgab! Hier sah er den Weg zur sittlichen Erneuerung de« Volke« gewiesen. Wie konnte er da schwanken und zaudern I Ohne Besinnen, mit innerem Jubel und klarer Entschiedenheit stand er sofort mit Kopf und Herz auf Luther« Seite. Oeffentlich aber ergriff er die Partei de« mutbigen Mönche« erst dann, nachdem er sich in ernster Gedankenarbeit und erschütterndem Seelenkampfe zur inneren Klarheit und Sicherheit durckgermigen hatte. Er vcr»>este sich in da« Studium der Bibel und der Lutberschen Schriften und er erlag dem Zauber de« geisteSgewaltigen Manne«, in kessen Worten und Tbaten der schlickte Hanrwerker die Bestätigung einer göttlichen Sendung erkannt batte. Doch der furchldarr Ernst macht den sonst so redseligen Dichter zunächst ver stummen; sein ehrliche«, gründliche«, tief religiöse« Gcmüth siebt sich vor die schwerste Entscheidung gestellt, mit Anschauungen zu brechen, die durch eine mehr als tausend jährige Entwickelung zu ewigem Rechte gestempelt schienen. *) W Kawerau Hot In einer trefflichen Schrift „Han« Sach« und dle Reformation" Halle l«89 diesen wichtigen Beitrag zur Ge schichte der Reformation geliefert; auf ihn gehen die folgenden Aus- i führnngea durchaut zurück. Aber durch alle« Zagen und alle Zweifel schlägt er sich mit der Bibel und Luther S Schriften in der Hand siegreich hinkurch. Nun erst, al« sein eigene« GlaubcnSIeben fester und inner licher geworden ist, sein Unheil über die neue Bewegung sicherer und abgeklärt, drängt e« ibn, auch laut und öffentlich ein evangelische« Bekenntniß adzulezon und tapser für den geächtete» Mönch zu zeugen, der auch ihn au« der babylonischen Gefangenschaft erlöst hat. So strömt er denn — seck« Jahre nach Luther« Tbesen — seinen inneren Jubel über die neue Lehre und ihren Helden au« in dem berühmten Gedicht Bon der Wittenbergischen Nachtigall. Nicht in dem streitbaren Tbeile de« etwa« langathmigen Gedickte«, da« nickt mit künstlerischem Maßstab gemessen sein will, liegt da« Hauptgewicht, sondern in dem Bekenntniß zur neuen Lehre. Wer im Geiste erneut ist, so etwa sormulirt der fromme Laie schlicht und treuherzig sein christliche« Bekenntniß, der dient Gott im Geist und in der Wahrheit; dazu aber gehört vor Allem ein herzlich-kindliche« Vertrauen zu dem Vater im Himmel, der auch Trübsal, Angst und Noth den Menschen zum Besten werden läßt. Der rechte Glaube aber bewabrt sich in der Liebe zum Nächsten, die nicht ikren eigenen Bortbeil sucht. Weit über da« Weichbild der Stadl in einer Menge von Auslagen und Nachdrucken verbreitet, erregte da« Lied Begeisterung und Aergerniß. Wie tief mußte die neue Bewegung schon Wurzel geschlagen haben, wenn cm Unzünsliger und Ungelehrter dein Antichrist so zusetzte! Wa« für ein Bundesgenosse Luther« dieser bibelfeste Schuster, dessen volk-tbüni- lichc bilderreiche Darstellung der evangelischen Lehre viel breiter in« Volk dringen mußte, als die Predigt von dcr Kanzel! Mit diesem Gedicht hatte Han« Sachs die Brücke hinter sick abgebrochen, aber ihn beirrte kein Spott, kein Droben der Gegner; fortan steht der .tolle" Schuster tapser und schlagfertig seinen Mann. Schon im Jahre daraus tritt er auf den Kampfplatz. In rascher Folge erscheinen im Jahre 1524 die vier in Prosa geschriebenen, mit je einem Holzschnitt gezierten Dialoge, deren treuherzige Einsalt und HerzenSgüte un« noch heute da- Herz warnt und weit machen. Während er in den ersten beide», in der .Disputation zwischen einem Chorherrn und einem Schuhmacher, darin da« Wort Gotte« und rin rechte« christliche« Wesen verfochten wird" und dem .Gespräch von den Scheinwerken der Geist lichen und ihren Gelübden" auf Grund dcr heiligen Schrift die mittelalterliche Kirche und ihre eiteln Menschen- sayungen bekämpft, gebt er in den anderen mit dem Leben und Wandel dcr lutherischen Glaubensgenossen, denen der schlichte Handwerker einen sittlichen Weg weiser aufrichtct, brüderlich, aber ohne Scheu in« Ge richt. Seine Worte drangen tief, denn feine Lippen ver kündigten nicht«, womit sein eigene« Leben nicht >m Einklang stand. Aus Mönche und Pfaffe» schimpfen, meint Han« Sach«, sei noch nicht evangelisch; mitleidig sein, brüderlich, herzlich und freundlich, nicht Böse« mit Bösem, nickt Scheltwort mit Schelten vergelten, da« fordere der Heiland. Aber freilich .verlästern die Römischen die evangelische Wahrbeit, da sollen wir nicht schweigen, sondern mit dem Worte Gotte- wider legen." Man staunt über die Sicherheit und Gewandtheit der Dialogführung» sowie über die Vielseitigkeit theologischer Bildung und die Kenntniß von Welt und Menschen, die der Schuster hier an den Tag legt. Welch eine liebenswürdige und erquickliche Erscheinung in jener leidenschaftlich ausgeregtcn Zeit ist dieser Mann au« dem Volke, zwar ein Mann von ungewöhnlicher Belesenheit und für seinen Stand ungewöhnlicher Bildung, aber doch immerhin ein einfacher Handwerker neben den hochgelehrten theologischen und humanistischen BunveSgenoffen Luther'«! Freilich nun auch eia ganzer Mann, sicher der inneren Ein heit seines Wesen«, die ibn an seinem Helden so ent zückte. Wie dieser Herrliche ihm an« Herz gewachsen war, da« spürt man vor Allem in diesen Dialogen. Denn nicht nur wörtliche Anlehnungen und Anklängr, nein, auch dir leitenden Grundgedanken zeigen ihn un« hier ganz im Banne seine« Luther. E« ist der Widerhall von dessen ersten gewaltige» Schriften, Len diese in einer geistesverwandten Natur gefunden, die mit ihren besten und wirksamste» Gaben, dcr urwüchsigen Kraft und naiven Wahrhaftigkeit, gleich jenem Volk-Helden, ganz im Volke wurzelte. Den warmen, treuherzigen Grundto» jener Dialoge stört nirgend« der Stachel de« Svott«; seine Liebe zur neuen Lehre ist ohne Streitsucht. Wohl legt auch ihm einmal der sittliche Zorn ein derbe« Wort auf die Lippen, aber schimpfen und spotten ist seiner milden, harmlosen Natur fremd, niemals wird er roh und unfläthig. Schöner und eindringlicher ist au« schlichtem Handwerkcrmundc da« wahrhaft evangelische Leben Wohl nie geschildert worden, al» in den Dialogen unsere« Schubmacher«: gerade er ist ein unwiderleglicher Zeuge dafür, daß erst die Reformation im deutschen Bürgerthum die sittlichen Ideale neu geweckt und gestärkt hall Nicht« widerstrebte Han« Sachsen « versöhnlicher Natur mehr, al« leidenschaftliche Polemik. Für seinen Glauben zu zeugen, da« war auch ibm ein tiefe« Bevürfniß, aber schlicht „nd einfältig, nicht bitzig unk ungestüm drangt« e« ihn, von sich und Anderen Rechenschaft zu fordern. E« war die Richtung auch seiner dichterischen Natur, alle« innerlich und äußerlich Erlebte außer sich zu gestalten, aber diese Kraft dichterischer Gestaltung floß ihm au« der Ruhe und dem Friede» einer gesammelten Seele, nicht au« erregter Leidenschaft, die der Strubel der äußeren Ereignisse emporbob. So war denn auch der Vorwurf des Nürnberger Rathe«, daß da« von Sach« mit Reimen ver- sebene Büchlein de« streitbaren Ostander .Verbitterung de« gemeinen Manue«" bewirken könne, und da» daraus gegrün dete famose Verbot, der Schuster solle hinfort da« Dichten lassen, durch Han» Sachsen« Verhalten keine-weg« gerechtfertigt. M,t Recht sah dieser iu dem zaghaften Vorgebe» de« Ralbe« rinen schweren Schlag gegen die evangelische Sache, und seine Dichtungen der nächsten Iabre sind voll Klagen über die Furcht und Schwäche, die Tyrannei und Gottlosigkeit der Städte, welche die Ausbreitung der reinen Lehre erschwerten oder hinderten. Bon seinen geistlichen Liedern, durch die er .singend und kliogend" die neue Lehr« in« Volk führen wollte, hat sich keine« — denn da« ihm zugeschriebene .Warum betrübst Du Dich, mein Herz'?" ist nicht sein unbestrittene« Eigroihum — im Liederschätze unsrer Kirche erhalten. Wirwundrrn un« darüber nickt: denn der Zweck jener Lieder war nicht etwa Befriedigung des religiösen Empfinden«, geschweige denn de« künstlerischen Be dürsnissc«, vielmehr in erster Linie, den neuen Glauben zu stärke» und zu erhalten, die schriftmäßigen Lehren zu ver künden und die papistischcn Irrthümer zu bekämpfen. So spröden Stoff künstlerisch zu gestalten, gelang nur dem Genie eines Luther. In seinem wahren Elemente, da« heißt echt prote stantischer Dichter ist Han- Sach« in den rein lehr haften Gedichte», in denen er überall auf ein Ckristentbum der Thal dringt, auf reinen Wandel, auf Nächsten liebe und Werke wabrer Barmherzigkeit. Bekümmert sicht er, wie der Geist der Reformation allmäblich erlahmt, Zwietracht herrscht statt der Eintracht, Unfriede statt Einmulbigkeit. Zn dem widerwärtigen Hader und kleinlichen Sckulgezänk engherziger Theologen siebt er eine« der trüben Zeichen der Zeit, für die er nicht blind >st. Aber trotz solcher Klagen verzagt er nickt, sondern hält fest an dein Glauben, daß dem Evangelium dcr Sieg dock gewiß sei. Dieser siegcssroben Slimmung gab er Hellen Ausdruck, als ihn im Februar l5>46 die Kunde von Luther'S Tod aus« Tiesste erschütterte. Ta« Gefühl dcr Berwaistheit packte auch ihn mit aller Stärke, doch drängte es id», dem tvdten Helten, dem er, fast »och rin Jüngling, in dcr Wittenbcrgischen Nachtigall zu- gejubelt, auch einen Kranz auf die Gruft in Wittenberg nieder» zulegen. Seine liefe Trauer aber, die er in dem „Epitaphium oder Klagrcde ob der Leiche I). Martini Luthers" an-der Bahre des Entschlafenen durch die allegorische Gestalt der Theologie kuiitgicbt, klingt au« in den mannhaften Trost, daß der Tod de« Mannes, der au-erwählt ist, unvergänglich zu leben, nicht schmerzt, sondern erhebt. Solch ein GlaubcnSmuth tbat freilich nolb in dcr schwer- stcn Stunde, die nach Luther « Tote über den Protestantismus bereinbrack. In dem verbängnißvollen Schmalkaldischcn Kriege, dessen Ausbruch der Dichter mit Schrecken voraussab, entluden sich die dunkeln Wetterwolken, die sich noch bei Leb reiten des Reformator« über den Evangelische» ausgetbürmt batten. Am Sylvesterabeud dc« Jahre« 1546 schaut der bekümmerte Dichter iu dem „Wunderlichen Dialog»«" zurück aus die Ereignisse de« abgelaufcnen Iabre«, durch die er aus« Tiefste erschüttert ist. Man staunt über den politischen Scharfblick, mit dem der simple Hand werker die Händel dcr Welt bcurtheilt. Deutlich sicht er, wie die römische Partei mit aller Macht sich zur Vernichtung de« Evangeliums gerüstet hat. Gott selber meldet ihm >n einer Traumvision die arge Rede der »Hohenpriester in Trient": „Besser sei, Deutschland Verderb', als daß ihre Gewalt und Macht gar sterb'!" Aber auch die Gefahren im eigenen Lager entgebcn ihm nicht, die von einer badcrndcn Theologie dem ProtestantiSmu« drohe», und wie in den Städten und Obrigkeiten eine laue Klugheit und Leisetreterci, die nirgend« ausloßcn wollen, den AuslöfungSproceß de« ProtestantiSmu« beschleunige». Aber wennschon alle« zu wanken scheint, er läßt die Hoffnung nicht sinken; der schwer erkämpfte ProtestantiSmu- muß zum Siege durchdringen: „Dawider hilft keine Gewalt noch List; Dich sollen die Pforten der Höllen nicht überwältigen noch fällen!" — Dieser frohe SiegcSton au« dem Nachruf an Luiker klingt auch durch jene« letzte Zeugniß, da- der ehr würdige Meister von seinem starken evangelischen Glauben un« hintcrlasscn hal. Und an dem Glauben diese« Tapferen können auch wir un« stärken, an seiner Hoffnung un« aufrichten, an seinem sittlichen Feuer un« entzünden! Dieser unermüdliche Kämpfer wider welsche Herrschsucht und für evangelische Freiheit mahnt nn«, die da« Erbe der Reformation behüten sollen, zu ent schlossener Abwehr gegen die Propaganda einer verjefuitelcn römischen Kirche wie die Verblendung und Laubeit unserer Glauben-gcnosscn. Wohl wissen wir, daß unser Volk von schweren politischen, socialen und wirtbschafllichcn Sorgen schier erdrückt und erstickt wird. Aber denen zu entrinnen, müsse» wir darum unseren evangelischen Glauben, darum unser deutsches Gewissen verleugnen ? Auch um jene ernsten Fragen zu lösen, bedarf e« vor Allein doch der Herzen voll Liebe, und hierzu Hilst nur ein Glaube, der Glaube, der nicht Unlerwcrfuiig ist» sondern christliche Freiheit. Deutsches Reich. * Leipii», 4. November. Io dem im Verlage von Eduard Trewendt in Breslau im Lause der nächsten Woche erscheinende» II. Bande de« von Poschinzer'schen Werke« „Fürst Bis marck und die Parlamentarier" wird auch die Per sönlichkeit de« neu ernannten Rcichükanzler«, Fü rsten Hohen lobe, rrwäbnt. Nach den AuSbängcbogen, welche un« die Verlagsbuchhandlung zur Verfügung gestellt bat, schreibt v. Poschmger über denselben: .Unter den Abgeordneten, welche Bayern in da« deutsche Zollparlament entsandte, nenne ich an erster Stelle den Fürsten von Hohenlobc-Schilling-fürst. Derselbe arbeitete an der Regierung in Potsdam kurze Zeit, nachdem Bismarck dort auf Knall und Fall ausgetreten war. Nach Allem, waS sich die jüngeren RegicrungSbcamten über den a»«geschiedenen College» zu crzäblen wugtcn, bedauerte Fürst Hobcnlobe lebbaft, seine Bekanntschaft nicht schon damals gemacht zu baden; sic ersolate erst wäbrcnd der Petersburger GesandlschaftSzeit BiSmartt«, also zwischen >859 und 186l. Al- bayerischer Minister de« königlichen Hause« und de« Aeußercn (Nachfolger de« Freiberrn von der Psordten) kam Fürst Hobenlolic im Sommer >867 aus Einladung BiSmarck « nach Berlin, um die Uebcrcinkunst wegen Forldauer de« Zoll- und Handel-vcrtrage« zwischen den norddeutschen und süd deutschen Staaten abzusckließen. lieber die Präliminarien de« Zollvertrage« zwischen dem Norddeutschen Bund und Bayern unlerbandelten die beiden Staal-männrr persönlich. Bismarck lag natürlich viel daran, den Vertrag mit Bayern zu Stande zu bringen — er bemerkte aber, daß auch ohne den Vertrag da« Verhältniß mit Bayern rin gute« bleiben werde. Auch dann noch werde e« beißen: „Seid umschlungen.Millionrn". Nack München zurückgekedrt, gewann Fürst Hohenlohe den König Ludwig ll. für den Zollvertrag, nachdem er denselben» für den Fall seiner Verwerfung, gebeten hatte, iha al« Minister
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