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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.11.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-11-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18941107026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894110702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894110702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-11
- Tag1894-11-07
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vez«s».Prer» WH« tzoptexPrdttto» od« de» t» Ltadt- I«irk «d den Vorort»» errichteten Au«, »abesielle» abgeholt: vterteljährlich^tSLO, »et Mrimattaee tag>tch«r gnftelln», j,« La»» b.bO. Durch dt« Post b,,ogra für L«>tschl»»d »»d Oesterreich: virrlelj-drtich 8.—. Direct» täglich« Krenzbandiendnag tu» RnSlaob: monatlich ^t 7öO Dt»Wr«W»»>»,«b« erscheint täglich'/,? Uhr, Hch Aünb-Lnsgab« Wochentag« b Uhr. Nedartiim und Expedition; Inhannes,»sie 8. Di»rn>«ditioa ist Wocheaiag« uaoat»rbroch»» ,«ösia«t von früh 8 hi« Abend« 7 vhr. Filiale«: vtt* »»««'« Gartt«. «Alfred HttH«>» UniversitätSstraße l, Lnnt» Listche. Kathariucastr. I«, pari, und König-Platz 7. Abend-Ausgabe. WpMl-r Tageblatt Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- and Geschäftsverkehr. A»zrtgevuPr»l- dte Sgespallmr PetitzrUr SO W/ > A»cl»»»» »»Irr da» R»da«ttoa«ftrich (tga» spattenj bO-4» de» yamitte-nachrichk» (««Fpatte») «0^. Srilßrre Schrift»» löst unirr«» Prrt»» »«trichniß. LabtNarisch« »»d M««s«tz >O^ Extra>v»ilM^» (g«sal»t), »»r «it der Morarn-Antaabe, ohne Poftbesördern», Sv.—, »it PostbrfSrderaug 7V—. A«„h»eschl«z für Adrige«: Abenb-A»»gabe: Vormittag« 10 vhr. Marge»-Au«gabr: Nachmittag« «Uhr. Sonn- und Festtag« früh ' ,S Uhr. V«i dr» Filiale» und «nnahmesielle» je »i»» halb» Stund« früher. Attieige» find stet« an di» Erneditto» z» richte». Druck und Verlag von E. Potz in Leipzig 570. Mittwoch den 7. November 1894. 88. Jahrgang. politische Tages schau. * Lti-zig, 7. November. Ter bisherige Präsident der Reich-bank, Herr vr. K«ch, soll nach der „Nat.-Ztg." bereit sein, als Nachfolger de» Herrn von Sckelling das preutzische Iusttzministertum zu übernebmen. vr. Richard Koch, geboren 1834 in EoslhuS, bat von 1853 bis >867 dem Iustizticnst angehört, zuletzt als StadlaerichlSralh in Berlin. Bon 1868 bis l87l> war rr Schriftführer der norddeutschen CivilproccßordnungS Com mission, von 1870 bis l887 Iustiliar des preußische», resp. de« Reichs-BankdirectoriumS, 1887 Vircvräsident desselben; 1890 wurde er als Nachsotger Dechend's Rcichsba»kpräsidc»t. Auch seit dem Ausscheide» aus de», praklischen Justizpienst har Herr Koch, der l886 von der Universität Heidelberg den Doctor- titel honoris eausn erkielt, als Präsident der juristischen Ge sellschaft und als juristischer Schriftsteller eifrigen Antdcil an der Entwickelung de- Rechtes genommen. Eine Neide nach Form und Inhalt vorzüglicher Aufsätze bat er in r. Holtzen- dorff'S „RechtSlexikon", Enkemaiin S „Handbuch des Handels rechts", v. Stengel's „Wörterbuch des VerwaltungSrecklS", Eonrad-Elster'S „Handwörterbuch der Staatswissenschaskcn" veröffentlicht. Ganz besonders bat er den Giro- und Ebcck- verlehr erörtert. Bon seinen Einzelschriften verdiene» be sondere Erwähnung: „Zur Resorm des preußischen EoncurSrcchlS", l8Ü8, „lieber die Zulässigkeit der Be schlagnahme von Arbeits- und Dienstlöhnen", l8K9, „Ab rechnungsstellen in Deutschland und deren Vorgänger", 1883, „Die Reichsgesetzgebung über Münz» und Bank Wesen", 1890, „Geld und Wertpapiere" in den „Beiträgen zur Erläuterung des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetz buchs", endlich die mit Struckmann herausgcgcbcne „Civil- proceßordnung für das deutsche Reich". Bon Koch rühren ferner die beiden Gesetzenlwürsc über den Eheckverkehr her. Er hat auch zahlreichen, von der Reichöregierung berufenen Ges etz- gebungScommissionen, beispielsweise der für das von chm angeregte Pfanddriesgesetz, sür die ActienrechlSnovelle, für das Lagerhaus- und Warrantgesetz, angeborl. In der jüngsten Zeit hat er die Verhandlungen der Börsen - Eoquete-Eommission geleitet. Im Hinblick auf zahlreiche schwebende gesetzgeberische Frage» wirtbschastticher Natur — wir erinnern vor Alle», an die Börsenveform — darf es al« ein Vorzug de« tünsligen preußische» IustiznunisterS betrachtet werden, daß er mit hervorragender juristischer Befähigung eine eingehende Kcnntniß des wirtschaftlichen und geschäftlichen Lebens verbindet. Politisch ist Herr vr. Koch nicht bcrvor- gctreten; er dürfte aber de» Mitlelpartcien zuzuzähle» sein. — Durch die Ernennung vr. Koch's -um Iustizminijler würde der wichtige Posten des Bankpräsirenten erledigt werden. Die „Kreuzzcitung" knüpft daran folgende Be merkung: „Wenn Personen von scharfem Blick Recht behalten, so bürste bei der Neubesetzung dieser Stelle daraus Rücksicht genommen werden, daß in den Münzfragen ein neuer Eurs eingeschlagen wird, d. h. daß nicht mehr der Mono metallismus in der bisherigen starren Form zur ausschließ lichen Richtschnur dient." Die „Kreuzzcitung" wird mit dieser Andeutung wohl weniger ihren scharfen Blick beweisen, als einem frommen Wunsch Ausdruck geben. Dem Rütteln an der Goldwäbrung bat dir Regierung bisher stet« mit gutem Rocht entschiedenen Widerstand geleistet, und nach dem FiaSco, welches die fast ganz ergrbnißlose WLbrungScomnnssion ge macht bat, wird schwerlich Neigung bestehen, den bime- tallistischcn Forderungen Zugeständnisse zu machen. Die Verlegung der Eröffnung Vr» Aeich«t«ge» um drei Wochen bat in der Presse zu der Erörterung tarüd«r ge führt, welche Vorlagen dis Weihnachten zu erwarten seien Diese Krage wirst sick von selbst auf, wenn nian bedenkt, daß zwischen der Eröffnung und der WeilmachtSpanse mir etwa viorzobn Tage, darunter nur «ls Arbeitstage, liegen und daß daher vielerlei in diesem ersten Abschnitte der Session nicht bcralhen werten kann. Daß die Vorlage gegen die Um- sturzbestrebungen dem Reichstage bei seinem Zusammentritt als bald vorgclegt werden wird, ist selbstverständlich. Ebenso scheint sicher, daß außerdem nur der Etat für die Vor legung ernstlich in Frage komml. Mit Recht aber ist schon darauf hingewiescn worden, daß ZweckmäßigkeitS- gründe von Gewicht dafür sprechen, auch de» Etat erst »ach Neujahr vorzulegen. Abgesehen davon, daß die Generaldebatte über den Etat nur allzu leicht Gelegenheit bietet, mit ibni gar nicht zusammenhängcnren Vorlagen Steine in den Weg zu Wersen, ist cS sicher unzweckmäßig, wenn die Generaldebatte über de» Etat und die Steuer und Finanz dcb alte zeitlich weit von einander getrennt stallsiiiden, weil in beiden die Finanzlage LeS Reichs nvtbwentia den Mittelpuncl bilden wird, eine zeitliche Trennung der Verhandlungen daher gleich bedeutend mit der Wiederholung dieser naturgemäß weit- schichtigen Erörterungen in ihrem ganzen Umsange sein würde. Wird aber der RcichSelal erst »ach der Weihnachlspausc vor gelegt, so erreicht man dabei voraussichtlich den weiteren Borlbeil, daß bei der Berathung auch schon der preu ßische Staatshaushalts - Etat sür 1895—»6 bekannt ist und daß daher die Verhandlung nach einer der wichtigsten Seiten hin auf ungleich sicherer Grundlage geführt werden kan» al« dies sonst der Kall wäre; denn für die Frage, ob die Bedürfnisse de« Reichs durch eigene Einnahmen oder durch Matricularumlagen zu decken sind, und wie sonst daS finanzielle Bcrbäliniß des Reich« zu den Bunde«staglen zu gestalten ist, ist natürlich die volle Kennlniß von der Finanzlage teS größten und auch wegen seiner sinanziellen Verhältnisse vor anderen interessirt«n Bundesstaaten von erheblicher Bedeutung. Der preußisch« Etat sür 1895 06 dürfte bei aller Sparsamkeit, de» „Bert. Pol. Nachr." znfolge, wiederum mit dem beträchtlichen Deficit von etwa 40 Millionen Mark absch ließen. Ob es möglich sein wird, den preußischen Etat so frühzeitig hcrzustcllen, daß er schon mit dem Enke der Weihnachlspausc dem Reichstage bekannt ist steht dahin. Da- dringende Interesse der Eiscnbahn- verwaltnng an der rechtzeitigen Feststellung desselben weist jedenfalls auf eine möglichst zeitige Einbringung de- StaalS- hauShaltS-ElalS hin. Wird aber der ReichhauShaltS-Etal unmittelbar nach der WeibnachtSpause vorgclegt, so wird der Reichstag bei gut«m Willen sehr wohl die EtatSberathung rechtzeitig zum Abschluß dringen können. Gestern ist die luxembur^is^e Kam mer verfassung-gemäß zur Wicderausnahme ihrer Thatigkeit zusammengetrclen. ES hat allen Anschein, als ob die diesjährige Tagung eine sehr stürmische werden sollte. Vor Altem will die sog. luxem- blirgischc Volk-Partei, ein seltsame- Gemisch von Klerikalen, unzufriedenen Demokraten und FranzöSliiigen, «inen Antrag auf neueeinc Verfassungsänderung im Linue der Ei ujübrung de« atlge meinen Stimmrecht« einbriugen. Den Französ tiiigen stk eben, seilkei» e« ihren Hetzereien gelungen ist, sich teS Luxemburger Ralhhause« zu hcmächligcu, der Kamm ge waltig geschwollen. Sie zielen um so mehr auf die Kammer mehrheit bi», als Blschos Koppe« von Luxemburg und sei» klerikaler Heerbann hinter den Führern der VollSpartri stehen. Das Eigebniß der belgischen Wahlen, di« eme so gcwalligc klerikale Mehrheit geschaffen haben, erweckt in den Luxemburger Volkparleilern die Ucberzrugung, daß sie mit Hitse des allgemeinen Stiiiiuircchl« die liberale Kammer- mehrbeil und taS Ministerium Eyschen stürzen nnd den Großherzog zwingen könnten, ihnen das Heft der Regierung anzuvertraue». Ihre Hoffnung ist mit Rück sicht aus die Tbalsache, daß da« allgemeine Siimmrechl so eben die liberale Partei in Belgien förmlich zertrümmert hat, leider nicht ganz grundlos, weshalb die Einiührung de« all gemeinen Sliiu.nrecht« in Luxemburg bei der liberalen Mehr heit keilten Antlang findet. Weitere demokratische Sporen will fick die Volkspartci bei der Bekämpfung der Regierungs vorlage, bclrefsend die Erhöhung der Beamlengehalte. ver dienen, da die Arbeiter und Bauern dieser Vorlage ungünstig gestimmt sind. — Der Staat-Voranschlag, den dir Regierung vorgclegt hat, ist, wie au« dem im Morgenblatt mitgetheiltc» Zahlen zu ersehen, srbr günstig und schließt mit einem erheblichen Uebcrschuß ad. Der Bericht de« Minister« vr. v. Loschen betonte, daß der Ueberschuß den Einnahmen aus dem Zottvertrag mit dem deutschen Reiche ent springt, eine Feststellung, die den Luxemburger Französliugen sicherlich nicht i» den Kram paßt. Die krauzösische Budgetcommission hat sich in ihrer letzten Sitzuug »iil der neue» Erbschaftssteuer beschäftigt unl- ist bei dieser Gelegenheit noch beträchtlich über die Vorschläge de« Finanrminister« Poincarö dinau-gegangen. Die Regierung hatte für die Erbschaften in direkter L«ni« «inen Steuersatz von 2»/, Procent beantragt; die Eo»,Mission nahm ein Maximum von 5'/» Procent an. Für Erbschaften au« Seitenlinien, zwischen Personen, die gar nicht oder weit läufiger als im sechsten Grade mit einander verwandt find, schlug der Fiuaiizniinister eine l8l'»procenlige Besteuerung vor; die Eommiision erböble diesen Satz aus 2l>/, Procent Eine derartig hohe Besteuerung dürste in der Kammer und in der Presse auf heftigen Widerstand, stoßen und schon jetzt macht da- „Journal des DödatS" aus die Folgen aufmerksam, welche dieselbe haben könnte. Nach dem Gesetze vom 23. August 187 t wird da- bewegliche Vermögen eine- in Frankreich sterbenden Ausländer- besteuert, selbst dann, wenn es sich im Auslande befindet und dort schon der Steuergesetzgebung de» betreffenden Staates unter liegt, und wenn dem Erbtaffer da- Niederlassung-recht in Frankreich verweigert worden ist. Diese schon an und für sich ungerechte u»p oft sehr drückende Behandlung würbe geradezu unerträglich werden, wenn die Erbschaftssteuer die von der Commission beantragte Höhe erreichen sollte. Aus diese Weise könnte da« Vermögen eine- in Frankreich lebenten Fremden unter Umständen einer Erbschaftssteuer von 30 bi« 40 Procent unterworfen sein, und die natürliche Folge davon wäre, daß reiche Ausländer, welche jetzt Frankreich in großer Zahl bewohnen, sortab ihren Aufenthalt anterSwo nehmen würden. — Bei der Anarchistenrevolte i» der Straj colonie aus den IleS du Salut (Guyana) wurden be kanntlich außer einer Anzahl gewöhnlicher Verbrecher die ge fährlichen Anarchisten Marpaux, Ebrpencl, Simon genannt BiScuil, Löauthier und MeyruaS ge tödtrl. Marpaux ist derjenige Anarchist gewesen, welcher den Polizeiagcnten Eolson, der ihn ergreisen wollte, im vorigen Jahre durch einen Messerstich tödtete; er War ursprünglich professioneller Einbrecher gewesen, batte sich dann aber dem Anarchismus zugewandt; er war rin intimer Freund Emile Henry s. Nicht minder bekannt ist LSauthier. Dieser, Schuhmacher von Prosession, verwundete im Herbst v. I. den serbischen Gesandten Gcorgiewitsch lebcnSgrsäbrlich; er wurde ru 20 Jahren Zwangsarbeit verurldeitt. Simon, genannt BiScuil, war ein Gehilfe Navachol'S, dem er bei der Dynamitbereituiia Beistand leistete: seine Strafe lautete aus lebenslängliche Zwangsarbeit. MeyruaS endlich ermordete in Saint-DeniS in Gemeinschaft mit einem Kellner Namens Chapuliot einen Mann, von dem er glaubte, er sei ein Denunciant. Der von den Anarchisten am Abend des 4. November unternommene L««H«nrr v«u>k»rnanschlag ist wegen der die allgemeine Ausmerksamkril in Anspruch nehmenden Livadiaer Katsstrvphr ziemlich unbeachtet geblieben, verdient aber um deswillen »och ganz besonderer Erwähnung, weil rr die viel- aerühmte „Thäligkcit" der Londoner Aoarchistenpolizei und die Erwiderungen, mit welchen Lord Rosebcry im letzten Sommer aus» Bestimmteste Lord Salisburys Behauptungen über die Tbäligkeil der Anarchisten in London in Abrede gestellt bat, eigen- «bümlich beleuchtet, zumal wenn man hiuzuiiimmt, daß, wie uns deute lctegraphirl wird» am gestrigen Vormittag in der Mauer eines Hauses in der Tilney Street ein Stück einer eisernen Röhre entdeckt wurde, die von Sachverständigen sür eine neue Art dcS von Anarchisten erfundenen Detonators gehalten wird. Bekanntlich plante in Maysair, einem der vornehmsten Stadttheile des WestcnkS, am Sonntag Abenv kurz nack ll Uhr eine Bombe, riß die Tblirschwelle aus. zerschmetterte einen 3>/, Zoll dicken Stein und dvb die Straßenthür, verbogen und zermalmt, au- den Angel». Einige Minuten vorher war die Gemahlin de« Herrn Brett zu Wagen angclangt und muß an der Bomb Monsieur Faver. Eine altmodische Liebesgeschichte 8j von Moritz v. Reichenbach. Nachdruck vtrbolk». (Schluß.) .Javerl" flüsterte sie leise und zog ein Miniaturbild de« Geliebten, das sie selbst nach der Erinnerung gemalt hatte und immer bei sich trug, hervor. Sie drückte ihre Lippen darauf in langem, heißem Kuß mit einem stummen Gelübde. Ihre Augen schimmerten feucht — aber dann richtete sie sich fest und entschlossen aus. „Mein Weg liegt llar vor mir", sagte sie, „möge die Wahrheit mich zum Guten führen." Bei der Abendlafel war sie ruhig und gefaßt zu Barbara FranziSka'S Erstaunen. Ja, sic schien sogar den Liebens würdigkeiten des Grafe» gegenüber nicht unempfindlich zu bleiben. Dieser schien denn auch dem alten Hochkirch ein „durchaus convcnabler Mensch", und seiner Schwester kam er geradezu bezaubernd vor. Elisabeth unterhielt sich während teS Souper- freundlich mit ihm und lächelte sogar zu seinen Vov-mots, die er gern und gewandt anbrachte; und als er ibr nach beendigter Tafel den Arm bot, um sie zu der Garten- terrasse binabzuführcn, von wo au« man den Ausgang des Vollmondes bewundern wollte — da folgte sic ibm, ebne zu zögern, während Herr von Hochkirch und Barbara Fran ziska nur pro form» rin Stück mit gingen und dann da- Paar sich selbst überließen. Schweigend ging Elisabeth an der Seite de- Grasen bin. Ihr Herz pochte zu »läcklig, um sie gleich Worte sinken zu taffen. Jetzt war der erwünschte Augenblick de« Alleinseins mit ibm gekommen, ihr Schicksal mußte sich entscheiden Indeß waren die Gedanken de» Grasen ebenfalls beschäftigt, men» auch nach einer anderen Richtung bin. Er wußte, daß die Frau, die da an seinem Arme hiaging, dieselbe war, »m derenwillcn er sich endgültig mit seinem Neffen übcrworsen balle. Ohne da« Tazwisckcntreten dieser Frau war er über zeugt, daß L'aver doch endlich Vernunft angenommen und nach ein paar tollen Streichen, die er vielleicht noch gemacht hätte, zuletzt nachgegcben habe» würde und reuevoll zurückgekehrt wäre. „DaS Unglück bei ihm ist, daß er einen viel zu hoben Begriff von den Weibern hat", pflegte er in seinen Selbst gesprächen z» sagen, „aber nur Geduld, sie werden ihn schon selbst davon curiren." Da indeß diese Eur über die Maßen lang aus sich warten ließ, so beschloß er, dieselbe etwa« zu beschleunigen. Da« Anerbieten Hochkirch'« brachte ihn aus den Gtvanken. Elisabeth seinem Neffen abwendig zu machen, und er zweifelte nicht daran, daß dieser »och sür seine Wünsche zu gewinnen sein würde, wenn er ibm mit einem untrüglichen Beweise von Elisabeth'« Untreue in der Hand entgegentrelcn könnte. „Da« ist eine Straf« und Rache zugleich", dachte er, „und obencin tkue ick dem Sausewind auch noch den Gefallen, ihn von seiner Marotte zu curiren." Der Gedanke an eine Niederlage Elisabeth gegenüber kam ihm gar nicht. Er wußte, daß er trotz seiner fünfzig Jabre einen Zauber auf Fraucngemiither gp-übtc, dem noch keine widerstanden, und er batte die Liebe immer nur als ein Spielzeug sür müßige Stunden kennen gelernt. Auch diesmal tachle er nicht daran, sich durch da« kleine Abenteuer etwa dauernd zu binden. Er berechnete richtig, daß man ihm Elisabeth s Verhällniß zu Xaver verschweigen und daß dir« dann einen guten Grund geben würde, die Verlobung wieder auszulösen. Vor allen Dingen mußte er sich nur in den Besitz eines BrieseS oder sonst irgend eines unleugbaren G»»stzei-renS von Elisabeth setzen. Hätte man ibm gesagt, daß dieser Plan perfide sei und er dadurch zwei Menschen unglücklich macken könne, er hätte darüber gelackt und wahrscheinlich geantwortet: „Der Hiingcr kann Herzen breche» und ist ei» sactischcs Unglück — die Liebe nicht. Ich habe mehr al« dreißig Lieben gehabt und befinde mich noch ebenso wohl wie meine Angebetete», die alle glückliche Frauen würben oder auch schon waren" Da« ungefähr waren die LcbenSanschauungcn de« Grasen KoSzielSty, und während er jetzt neben Elisabeth berging und darüber »achdackte, wie er am schnellsten sein Ziel erreichen könnte, hielt er sich zugleich für einen guten und Ungen Mann und hatte auch noch Raum sür da- Gefühl, daß c« durchaus nicht zu den unangenehmsten Dingen gehöre, den Mond, mit einer schönen Frau am Arm, ausgehen zu sehen. Es war daher ebenso eine Wirkung diese« Gefühls, als eine berechnete Redewendung, als er plötzlich, seine Hand auf Elisabeth'S Arm legend, sagte: „Dieser Abend wird zu einer meiner schönsten Erinnerungen gehören!" Er fand es ganz in der Ordnung, daß Elisabeth « Arm bei seiner Berührung leise zuckte, al« sie aber jetzt sagte: „Es wird nur ron Ihnen abhängen, ob dieser Abend auch für mich zu den liebsten Erinnerungen gehören soll", da blickte er sie doch einen Augenblick erstaunt an, denn wenn er auch nicht ans großen Widerstand gerechnet hatte, so war ihm ein solches Entgegenkommen doch überraschend. Aber er fand sich schnell in die Situation, und sich mit seinem Lächeln zu ihr niederbeuaend, sagle er: „Es scheint, wir sind dazu gemacht, un« zu verstehen, Gräfin!" „Wenn Gott meine Gebete erhört, ja", sagte Elisabeth, die Augen schwärmerisch zum Himmel emporrichtend. Eie waren aus der Terrasse angelangt. Elisabeth machte sich sanft lv« und lehnte sick an die Brüstung. Der Graf stand dicht neben ihr. Ter volle Zauber de« MondlichtS rudlc über deck schweiaende» Garte», nur der Springbrunnen vor der Terrasse rauschte leise und spielte mit den silbernen Funken, die der Mond darüber hiastreule. „War e« der Gott der Liede, zu dem Sie beteten?" fragte der Graf. Elisabeth blickte ihn voll an; sie sab sehr ernst au«. „Wlr sind allein, Herr Gras", sagle sie, seine Frage über gehend, „und ich habe rin solche« Alleinsein hrrdeigewünscht, weil ich Sie für einen Mann von Ehre, sür einen echten Eavatier balle, und weil ich Ihnen eine Mittbeilung machen muß " „O, Gräfin, ich werde nur den süßen Klang Ihrer Stimme hören — da- Mondlichl »uv Ihre Augen sind schuld daran, wenn ich jetzt sür alle« Andere kein Vcrständniß bade", sagle der Gras lebhaft — er wollte kein ernsthafte« Gespräch auf kommen lassen. Aber um Elisabeth'- Lippen zuckle kein ge schmeicheltes Lächeln. „Dennoch muß ich Sic bitten, mich anzubören", sagte sie rnkig. „Glauben Sic mir, e« wird mir nicht leicht, DaS au«jusprechcn, was ich Ihnen sagen muß, und nur die Uebcr- zeug»»g, daß ich eS mit einem edlen Manne zu thun habe, macht es mir möglich!" „Gräfin . . Sic machte eine abwebrcndr Handbewezung und fubr schnell fort: „Ich kenne die Pläne meines Vater-, und von dem Augenblick an, wo ick sie kennen lernte, habe ick eine Unterredung mit Ihnen gewünscht. Mein Vater bestimmt über meine Hand — aber ich balte Sie nickt für fäbig, diese z» begehren, wenn ich Ihnen sage: mein Herz gehört einem andern — all' meine Gedanken sind mit seinein Bilde be schäftigt, und das Leben ist werlhloS für mich, wenn ich eö nicht an seiner Seite verbringe!" „O Gräfin — wie grausam sind Sie — und wie be- neidenswertd ist der Mann, den Sie so lieben!" „Ein schweres Geschick ruht auf ihm — Sie würden ihn kaum beneiden, wenn Sie ibn kennten." „Beneiden würde ick ihn aus jeden Fall — aber vielleicht nicht begreifen. Ich wüßle keinen Grund, welcher mich ver anlassen könnte, mich von einer geliebten Frau auf lange Zeit zu trennen und dieselbe allen mögliche» Gefahren und Verlegenbeilen anSzusctzen — eine Frau, die man liebt, läßt man nicht so unbeschükt zurück." „E- gicbt doch Grunde, welche daS nölbig macken können." „Verzeihen Sie, aber an solche Gründe glaube ich nickt Hätten Sic nicht lieber jede Gefahr mit ihm gethrill, als sich von ihm getrennt?" „Das schon, aber die Vernunft " „Tic Vernunft — ha, ha, Gräfin, wann hatte die Liebe jemals mit der Vernunft zu »dun?" Elisabeth wandte sich verletzt ab. „Zürnen Sie mir nicht", flehte KoSzielSky, „aber ich balle die Liebe für so mächtig, für so hoch erhaben über jede- andere Gefühl, daß Alle« sich ibr unterordncn muß." „Eben deshalb ist wadre Liebe auch stark genug, eine Trennung überwinden zu können, deren Zweck endliche Ber einigung ist." Aber so leicht war der Graf nicht au« dem Felde geschlagen. Er versuchte e« abwechselnd, da» Gift de« Zweifels und den Zauber der Sinne aus Elisabeth wirken zu lasten, und zu- letzt griff er sogar auf die eben noch gesckmädie Vernunft zurück, indem er ibr verstellte, welch' unsicherem Loose sie entgrgenginge, wie geborgen sie dagegen an seiner Hand sein, und wie ibn nur „rin wenia Freundschaft" von ibrer Seite zu- friedenstellen würde. Ibr Widerstand batte einen ui,gekannten Reiz sür ihn, unh je kälter sie ihm begegnete, um so mehr er wärmte er sich. Er batte jevl all seine berechneten Pläne vergessen und sah nur das schöne Weib vor sich, daS er erobern wollte und mußte. Je mehr er aber die Sprache wirklicher Leidenschaft aniiahm, um so schroffer und abweisender wurde Elisabeth. „Aber begreifen Sie denn nicht", ries er sie endlich erregt, „daß Sie mir verächtlich erscheinen müssen, wenn Sic noch meine Hand verlangen, nach dem, was ich Jbnen sagte? Eine Frau sür sich verlangen, deren Herz einem Andern ge hört und die daraus kein Geheimniß macht, das kann nur, wer selbst gar kein Gefühl mehr hat- Und Sie, mein Herr, Sie fühlen nicht-, bei all ihren schönen Worten, Sie fühlen nicht- —" „Ich habe vielleicht nie so warm empfunden wie in diesem Augenblick!" rief der Graf, dem es nun mit seiner Werbung voller Ernst war, wenn das Gefühl, seinen Neffen dadurch zu ärgern, auch den Reiz derselben sür ihn erböbtc. „O, Sie sind ein Egoist, ei» kalter, ein herzloser Egoist, ich verabscheue, ich verachte Sie!" „Gräfin!" „Sie meinen, ick hätte nicht das Recht dazu? O, ick habe eS! Ist es nicht verächtlich, wenn ein Mann in Ihren Iabren noch die Sprache der Liebe, dir Gefühle der Jugend borgt, nur um sich selbst dadurch jünger erscheinen z» lassen? Wen» er aus Eroberungen auSgebt, nur um seiner Eitelkeit ;» schmeicheln, und eine Frau an sich fesseln möchte, nickt weil er sie liebt oder sick von ihr geliebt glaubt, sondern nur, weil e« ihm schmrickeln würbe, ein junge« Weib z» baden, ui» taS ib» vielleicht noch irgend ein jüngerer Mann beneiden könnte! Ihr Herz und Ibr Gefühl sind längst erstarrt und vertrocknet, aber mit den Flitter» der Eitelkeit möckten Sie beides er setzen! Und dazu sott ich Jbnen Helsen! O. wenn Sic nur ein einzige» Mal erfahren hätten, waS wirklicke Liebe beißt, Sic wurden nickt wagen, mick jetzt noch mit ibrcn Anträgen zu verfolgen — aber Sie baden nie geliebt, Ihr Herz war überhaupt nie irgend eine» edlen Gefühls fähig, und wenn man mich zwingt, mit Ihnen vor den Altar zu treten — so bleibt nur »och ein Ausweg! Ich werde den Tod Ihrer Um armiing verziehen — ich schwöre eS, bei Gott!" Eliiabelb batte in leidenschaftlicher Erregung gesprochen und dann mit schnellen Schritten die Teraste verlosten. Sprachlos starrte der Graf ibr nach, dann subr er sich mit der Hand Uber die Stirn, wie um sich zu überzeugen, daß Das, wa« rr eben erlebt hatte, Wirklichkeit und kein Traum war. DaS alle- batte eine Frau ibm gesagt! Und da war keine Spur von Koketterie, ron gemachter Gereiztheit zu entdecken — die Sprecherin halte ibre innerste, wahrste Ueberzeugung, ibr« allereckteste Verachtung in den klarste», »nverkolenster, Worten ausgedrückt! Und da« Alle-, weil e» ibm einmal wirklicher Ernst mit einem Anträge gewesen war! „Ei, so hole doch der Teufel diese Frau!" rief er endlich, sich schüttelnd, wie au« einer Erstarrung erwachend, und schickte sich an, rbensall« die Terrasse in höchst ärgerlicher Stimmung zu verlassen aus halbem Wege blieb rr sieben legte den Kopf nachdenklich in die Hand, z»g die Augenbraum
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