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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.11.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-11-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18941122022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894112202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894112202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-11
- Tag1894-11-22
- Monat1894-11
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Ve-i-s-Vret- A»« d«>^ . t»bck «ch b«i Boroete» erricht» t»» No«. ^kfiel« abgetzolt vterteljl»hrtlch^l«cha »mtmalla» täglicher Auftell»», in« H«K» LLO. L«ch Hk Post b«»oor» für Deutschland a»d Oesterreich: »irrteljthelich . Direct» täglich« »r«^bandl«>chm>g l»D A»sl«ch: «oaaUich 7.ÜÜ. Dt, Astorge»«»«g»b« «fcheftU »glich '/,7Uhr. tzt» Ade»d-«u«gobe Wochentag« ü Uhr. Nüittr» »»tz Lrretttt«,: H»tz»»»««,aH« 8. DleArpedMo» ist Wochentag« „«terbroche» E-t ooasnch 8 »i« »b«d« 7llhr. Filiale»: VW» Ae««'» T-rtt«. tMfre» H«H»X Uuiverfitütsslrehe 1, Lo»t» er,»«. Kathartnrnstr. 1«, pari, »ad Köoig«pl,tz 7. 597. Abend-Ausgabe. opMer.TWMaü Anzeiger. Organ f8r Politik, Localgeschichte, Handels- «nd GeschSstSverkehr. «nzetgen-Pret» dir «gespaltene Petitzeile SO Pfg. Reklamen unter dem RrtmctionSstrich (««»- fpattra) VO-E, vor den Familirnoachrichtr* lkgeipatten» «O-E Gröbere Schriften laut unserem Preis- verzetchnib. Tabellarischer und giffansatz nach höherem Tarif. Extra-Veileae» (grlaljt», »ur mit de» Morgen - Autaabe. ohne Postbelürdernng >t SU.—, mit Poslbetörderung 70.—. !A»«ahmeschluk für Äazeizea: Adeud-Lu«gabe: Vormittag« 10 Uhr. Morge»»Nu«gabe: Nachmittag« «Uhr. Soun- und Festtag« früh ",9 Uhr. V«t d«a Filialen und llliinahmeslellen je »in« halb« Stuade früher k»zetgrn find stet« an di« Erste» Ma» zu richten Druck »nd Verlag von E. Pol» t» Letyjlg Donnerstag den 22. November 1894. .88. Jahrgang Politische Tagesschau. * Lei»»»,. 22. November. Mit dem Urtheile, da» in Köln gegen den verantwort lichen Redacteur der „Wrstd. Allgem. Ztg.", vr. Hans »teser, wetzen Beleidigung de« StaatSsecrrtairS »rhrn. ». Marschall gefallt worden, ist eine» der unerfreulichsten Vorkommnisse der Aera Caprivi leider nicht abgethan. Strenge Bestrafung uustätbiger Verleumdungen und Beschimpfungen de« SlaatS- secretair« de« auswärtigen Amte« wird allenthalben Be friedigung erwecken, aber der ausgesprochene Zweck des Protesse«, über die vielbesprochenen Behauptungen des „Klad deradatsch" volle Beruhigung zu verbreiten, ist nicht erreicht. Da- juristische Erkenntniß gegen Kiefer stellt nur klar, >va» längst Niemand mehr bezweifelt hatte, daß nämlich Kreiberr v. Marschall nicht der Gewährsmann beS „Kladderadatsch- gewesen ist; die von dem Witzblatte selbst erhobenen Anklagen waren nicht Gegenstand der Verhandlungen und über den Umfang der Mission de- General- Spitz stehen sich die Be- kuudunzeo drS General- und deS SlaatSsecretairS einerseits und deS RedacteurS Polstorfs andererseits schroff gegenüber und lasten auf ein neues Mißverständlich in dieser Tragödie der Irrungen schließen. Für das Gericht war aber dieser Widerspruch unerheblich, weil eS nur über die Behauptung Kleser'S zu befinden hatte. Warum die Vernehmung de« Freiherrn v. Marschall im Interesse deS Auswärtigen Amte- gelegen war, ist nicht ersichtlich, da der „Kladderadatsch" za nicht zu dem Versuche, seine Anschuldigungen zu beweisen, zugelafsen war. Tie Aufforderung de« Frhrn. v. Marschall, ihn anstatt schutzloser Beamten anzugreisen, verräth ritterliche Gesinnung, die Schutzlosigkeit war aber doch keinesweg- durch Gesetz oder Herkommen bedingt. Ganz im Gegenrheil. In Bayer« erregte im vorigen Jahre der „Fall Langen" ungewöhnliches Aussehen; handelte eS sich doch um einen Conftict zwischen der Krone und der ersten wissen schaftlichen Corporation deS Königreiches. Bon der distorischen Claffe der Akademie der Wissenschaften war nämlich Professor vr.Langen in Bonn zur Ernennung als „corresponvirendcSMit- glied" in Vorschlag gebracht worden; als aber bicsListe der neuen Mitglieder aus dem kgl. Cabinet in das EultuSministerium zu rückkam und von da an die kgl. Akademie geleitet wurde, fehlte der Name Langen, ohne daß dabei bekannt gegeben wurde, der selbe sei abgelehnt worden. Darüber ivar man in der königl. Akademie auf das höchste ausgebracht, und der Aerger machte sich in einigen Artikeln in den „Neuesten Nach richten" Luft, welche in höchster Erregung die Sache bc- bandelten. Hieran knüpften sich Erörterungen in verschiedene» Blättern, ebenso Darlegungen deS Sachverhalts auö officiösen Federn und schließlich auch noch Verhandlungen in der Kammer der Abgeordneten. Die allgemeine Meinung ging dahin, die Wahl Langen'- sei aus dem Grunde nicht bestätigt worden, weil der Genannte Altkatholik ist. Die officiösen Auslastungen und die Erklärungen deö CultuSministerS vr. von Müller stellten diesen Grund zwar in Abrede und suchten dar zulegen, daß die Nichtbestätigung Langen'S nicht als eine Ableh nung aufzufassen sei, wie die öffentliche Meinung annehme, sondern nur als eine vorläufigeNichttestätigung.also alseine Verschiebung. Hierzu kommt in Betracht, daß die Akademie der Wissenschaften eine Gelehrten-Republik vorstellt, die sich nach ihre» Statuten selbst verwaltet; eS ist ihr namentlich das Recht der freien Wahl ihrer Mitglieder zugestanden, hinsichtlich deren sich jedoch die Krone ausdrücklich das Recht der Bestätigung vorbebalten hat. Seit Decennien ist dieses Recht aber blvS formell ge- handhabt worden; seit König Lubwig'S I. Zeiten ist keine Ablehnung der Neuwahl eine« Mitgliedes mehr vorgekommen, und daher mag sich wohl die Meinung festgesetzt haben, die Wahlen müßten die Bestätigung der Krone erkalten. In sofern verfocht vr. von Müller unbedingt mit vollstem Rechte die Befugnisse der Krone, die, wie er auch hervorbvb, weder über ihre Maßnahmen, noch über ihre Motive Rechenschaft zu geben verpflichtet ist. Allein die Akademie berubigte sich dabei nicht, und am feurigsten betrieb ihre Sache deren Präsident, Gebcimratb Professor vr. v. Pettcnkofer, für welchen sie noch durch den Umstand, daß er selbst zu dem kleinen Häuflein der Münchener Altkatboliken zählt, eine persönliche Angelegen heit wurde. Den Hintergrund der ganzen Affaire aber bildete überhaupt der AltkatboliciSmuS. welcher in Bayern unter Mitwirkung deS Cultu«ministerS vr. von Müller politisch der klerikalen Strömung zum Opfer gebracht worden ist. Gegen Herrn von Müller bestand daher schon aus diesem Grunde eine sehr gereizte Stimmung bei den Münchener Altkatboliken, die zwar numerisch aar nicht besonder- stark sind, dafür aber eine ganze Reihe von geistigen Notabilitäten zu ihrer Gemeinde zahlen. ES klang daher auch sehr plausibel, als man sagte, der Minister habe die Hand dazu geboten, daß kein weiterer Allkatholik mehr in die Reihen der Akademiker ausgenommen werde. E» entspannen sich also Verhandlungen zwischen der Akademie, welche wegen Langen'- Nichtbestätigung ansragte, und dem CultuSministerium, und da- Endergebnis derselben ist ein entschiedener Sieg der Akademie und eine ebenso entschiedene Niederlage de- Herrn vr. von Müller, indem bekanntlich in der letzten programmgemäßen Akademie sitzung die Bestätigung der Wahj deS Prof vr. Langen ver kündet wurde, ein Act, den da- qesammte Auditorium, nicht blo- die Akademiker, mit großer Genugthuung aufnabm. Ueber die Vorgänge, die hinter den Coulissen sich abspirlten und zur Bestätigung Langen'S führten, geben jetzt der „Schles. Ztg." aus München die folgenden Mittheilungen zu: „An den Verhandlungen ist besonder- die Energie brmerkenSwerth, welche die Akademie in der Verfechtung ihres StandpuncleS an den Tag legte. Als ihr vom Cultusminister der Vorhalt gemacht wurde, sie verfahre bei ihren Ausnahmen tendenziös, indem besonder« Alt» katholiken und Akatholiken bevorzugt, die römische» Katholiken aber hintangcjetzt, res», gar nicht berücksichtigt würden, mar sie im Stande, di« Grundlosigkeit dieser Behauptung nachzrnveise». In dieser Behauptung dürste, nebenbei bemerkt, der Schmerz des wegen seiner waschechten tltatholicität als Gegengewicht gegen die »ichtclerikalen und nichtkatho» liicheu Weltweisen hierher berufenen Professor« der Philosophie. Frhrn. Vr. von Hertling, mit zum Ausdrucke gekommen sein, da dessen sehn liches Verlangen nach der Würde de« Akademikers bis jetzt ungestillt blieb, weil die Akademie — wie man sagt — sein« wissenschaft lichen Leistungen nicht für bedeutend genug befunden hat, um ihn zur Wahl in die höchste gelehrte Körperschaft in Aussicht zu nehmen. Bei Hose steht Frhr. von Hertling allerdings desto bester in Gunst, da er auch die Ernennung zun, lebenslänglichen Reichs rath der Krone Bayern verdankt, klebrigen« setzte die historische Elaste auf die Vvrichlagsliste des heurigen Jahres keinen andere» neuen Rainen, so baß lediglich Professor Vr. Langen als „noch unerledigt" auf derselben figurirte, und das Plenum der Akademie trat für die Elaste ein. In diesem Sinne erfolgte eine Eingabe der Akademie a» das Cultusininisterium, in welcher ferner noch aus» drücklich um Befürwortung der Wahlsreibett der Akademie gebeten wurde. Nebenher üble Geheimrath Professor vr. von Pettenkoser noch die Pression auf den Minister aus, daß er ihm für den Fall einer abermaligen Richlbestaligung Langen'S mit seinem Rücktritte von der Präsidentschaft der Akademie drohte. Herr von Pettenkoser, der schon seit einigen Jahren an der Universität keine Vor- lesungen mehr hält, nahm hiermit persönliche Revanche am Minister, denn die vor einigen Monaten plötzlich erfolgte, ihn auf das höchste und peinlichste überraschend« Enthebung von der bis dahin trotz seines hoben Alters von ihm bekleideten Borstandjchast des Hygieinischen Instituts, des Altmeisters Liebling-schöpsung, hatte er, gleich seinem ganze» Bekanntenkreise und allen Eingeweihten, nicht alS eine organisatorische Verfügung der Regierung, sondern als eine disciplinarische Maßregelung wegen seines persönlichen Verhalten» im „Falle Langen" ans»hen zu müssen geglaubt. — Hinter den Eoulisten haben sonach wett lebhaftere Actione» gespielt, al« die Oestentlichkeit erfuhr. Nach Lage der Sache konnte daher auch nicht» andere« erwartet werden, al« daß der Minister belin Prinz-Regenten selbst für die Bestätigung Langen « plaidirt« und dann selbstverständlich auch die Unterschrift de« Hoden Herrn erhielt. Bei den kommenden Wahlen dürften nun einigen strenggläubigen Katholiken die Thor« de- alten JesuitenklosterS geöffnet werden; man stellt bereit« einem hiesigen „katholischen" GeschichtSprosessor den Einzug in Aussicht." Besondere Genuglduung kann nach dieser Darlegung die „Erledigung- deS Falle« nicht erwecken. Der Wissenschaft und der Politik ist gleich wenig gedient, wenn die Bestätigung von Auszeichnungen für wissenschaftliche Verdienste zum politischen Handelsgeschäft benutzt wird oder ertrotzt werden muß. Leiter ist eS nicht München allein, wo neuerding« solrbe Bestätigungen von ganz anderen als sachlichen Gründen abhängig gemacht werden. Die Staaten, in denen da- ge schieht, werden sich'» selbst zuzuschreiben haben, wenn dadurch einerseits die Begehrlichkeit der politischen und kirchlichen Richtungen in» Maßlose wächst und andererseits da» Ansehen der bedeutendsten wissenschaftlichen Corporationen den bedenk lichsten Schaden erleidet. Wie gemeldet wurde, hat die Madagaskar-Tammissta« der franzostschen Deputirtenkammer sich für die geplante Expedition ausgesprochen. Es kann somit keinem Zweifel unterliegen, daß der von der Regierung geforderte Credit in der Höbe von 65 Millionen Franc« votirt werden wird, mit welchem Betrage die Kosten de- ExpeditonScorpS in der Stärke von 15 OOüMann gedeckt werden sollen. Der eigentlicheFeldzug kann jedoch erst im nächsten Frühjahr, nach Schluß der Regenzeit, beginnen. Die Zwischenzeit wird zu den nötbigcn Vor bereitungen verwendet werden, wozu zunächst die Errichtung eine- telegraphischen Kabels zwischen Madschunga und Mozambique gehört. DaS ExpeditionScorpS wird hauptsäch lich aus Colonialtruppen Algiers und Senegals zusammen gesetzt sein, so daß die Armee deS Mutterlandes intact bleiben wird. General DucheSoe, welchem da« Ober- commando übertragen wurde, ist ein energischer und kalt blütiger Soldat, der bereit» Feldzüge in den französischen Colonien mitgcmacht bat. AuS seiner militairischen Lauf bahn mag noch erwähnt werden, daß er bei Solserino ver wundet wurde, daß er den Krieg von t87l> mitgesochten und daß er gegenwärtig das Commando der vierzehnten Infanterie-Division in Belfort inne hat. Aus dem bemcrkenSwcrtbcn Exposö, welche« der Minister de« Aeußern, Herr Hanotraux, in der Kammer über die Lage in Madagaskar gehalten hat, gehl hervor, daß die französische Regierung, so gerne sie dies auch vermieden hätte, den Feldzug gegen die HowaS für unerläßlich hält. Madagaskar ist eine große und reiche Insel und außerdem eine strategische Position ersten Ranges. Die französische Regierung kann unmöglich die auf dem Inselreiche herrschen den ungeordneten Verhältnisse länger dulden, noch weniger kann sic ihre Rechte einfach aufgcbc». E« ist somit unerläßlich, daß die französischen Truppen i» der Hauptstadt einmarschiren und die Howa - Regierung zur Beobachtung der vertragsmäßigen Rechte FrankreichS zwingcn Man ist sich in Paris auch vollkommen klar darüber, daß Frankreich von der madagassischen Regierung Garantien für die zukünftige Respeclirung der Ver träge wird fordern muffen. Die Zurücklassung von sran- ösischen Garnisonen auf dem Inselrcichc dürfte hier- ür da- geeignetste Mittel sein. Die Rechte, welche die Eng länder in Madagaskar erworben haben, werden in nickt« verletzt werden, aber Vorrechte werden sic in Zukunft nicht mehr genießen können, klebrigen« wird e« auch den Engländern zu Gute kommen, wenn Frankreich in dem Insel- reiche die öffentliche Ordnung und Sicherheit, die heute fehlen, wieder verstellt, namentlich mit Bezug auf den Handel. Freilich, an Verkehrswegen herrscht nahezu vollständiger Mangel, aber zu ihrer Herstellung wären ungeheuere Summen nothwendig. Der Tod Alexander« IH. von Rußland und die Thron besteigung seine- Nachfolger« NicolauS' lk. haben die Nibi- listcn au- ihrer scheinbaren Ruhe aufgestört. E« zeigen sich dabei aber in ihren Reihen Meinungsverschiedenheiten, die schon seit längerer Zeit hervorgetveten sind und jetzt zu offener Spaltung zu führen scheinen. Londoner Zeitungen wissen darüber Nähere» zu melden. Die liberalen Peter» burger Studenten haben ein in gemäßigtem Tone ae halteneS Manifest erlassen und den Anhängern der nihi listischen Partei in London einige Exemplare desselben gesandt. Sie fordern darin die „Freiheit der Presse und der Versammlungen, die Unabhängigkeit der Magistratur, eine allgemeine Amnestie für alle wegen politischer Vergehen Ber- urtdeilten, sowie für die Mitglieder aller verfolgten religiösen Secten." Gleichzeitig aber fordert du« Schriftstück alle Freunde deS Fortschritt« aus. ihre Stimmen zu erheben, ebne dabei die Regierung anzugreifen und läßt sogar dem verstorbenen Zaren für seine „friedlichen Gesinnungen" volle Gerechtigkeit wider fahren. — Ganz anders hanteln die nach der Schweiz geflohenen Nihilisten. Ihr soeben erschienene- Manifest ist sehr aggressiv. Unter dem Text befinden sich ein Revolver, ein Dolch und eine Bombe, v. h. die alten Waffen de« bekannten Exccutiv-Comitös. Der Text diese« Manifestes, welches ebenso beleidigend für die Liberalen als für den neuen Herrscher ist, ist derartig, daß sogar der ehemalige Tcrrorift und bekannte Verfasser de« „unterirdischen Ruß lands-, Stepniak, sich gezwungen sicht, jede Solidarität mit dem Verfasser desselben entschiede» abzulehnen. Stepniak erklärte außerdem, daß weder Bombe», noch Dolch und Revolver ihm jetzt noch als ein unentbehrliches HilsSmitlel der revolulionairen Demokratie erscheinen. Ein dritte« Manifest, dessen Text nicht minder heftig, und da» ebenso die Zeichen des Dolche«, de« Revolver» und der Bombe trägt, erschien in London mit dem Motto: „Der Zar ist lvtt! Nieder mit der Autokratie!- Es sind die« besonders die jungen, ncuangeworbenen Adepten de« NihiliS- niuS, welche eine so leidenschaftlich beftige Sprache führen. Die allen Anhänger und Führer der russischen revolulionairen Partei scheinen »n ibrcm ehemaligen Eifer sehr erkaltet und fest entschlossen zu sein, in ibrer bisherigen Haltung der russischen Regierung gegenüber zu verharren. Die Bestimmung des Berliner Vertrage», wonach die Pforte zur Einführung von Reformen in Armenien ver pflichtet ist, blieb bisher ein todtcr Buchstabe, und nur wen» von neuen Gewalttbatcn berichtet wurde, erinnerte man sich, daß die Türkei bestimmte Verpflichtungen übernommen hatte. In den Bezirken Musch und Samsun haben bekanntlich neuerdings Metzeleien staltgcsniiden, die für die Obiimacht des türkischen Regiments ei» fürchterliches Zeugniß ablegen. Hunderte von den Bcwodnern sollen ge lobtet. eine Anzabl von Ortschaften Niedergebra»«! fein. Und die blutigen llntbaten werden von den türkischen Behörden ausschließlich den Bergkurden zur Last gelegt. In der armenischen Zeitung „Aedsagank", die in TifliS erscheint, wird dagegen berichtet, „die türkische Regierung habe sich wegen des Mißerfolge» in den Bergen von Sam su» auch an den sricdlicben Christen de« Sckotach'sche» Bezirks gerächt. Saki Pascha habe in N Dörfern Per sonen verschiedenen Alters und beiderlei Geschleckt- gc fangen genommen und nach Musch bringen lassen. 15" Fsrrlllet»«. Der Tag der Vergeltung. 1»j Bon «. K. «reeu. Nitdnick Verbote» (Fortsetzung.) Der junge Mann war bleich geworden. „Ist Ibr Baker nur ein Sonderling oder — verzeihen Sie mir, Mary — liegt seinem seltsamen Wesen irgend ein Unrecht — etwa« Böse« zu Grunde? Könnte eS uns in Schmach und Schande stürzen?" „Mein Vater ist fast mein einziger Gefährte und Lehrer aeweseu. Wenn man den Baum an seinen Früchten erkennt, so können Sie nach meiner Geiste«- und Herzensbildung da« Wesen meine» Vater« beurthcilen. Er bat mich nur Gute- gelehrt und mir stet» die liebevollste Nachsicht bewiesen." „Er hat einen Engel au« Dir gemacht", ries Stanhop«, sie stürmisch an sein Herz drückend, „hierfür könnte ich ihm Alle« verzeihen. Vielleicht gelingt e« un«, ihn von seiner Furcht zu heilen; wenigsten« kann er mir sagen —- „Wer weiß, ob Sie ihn je Wiedersehen. Er hat auf lauge Zeit Abschied von mir genommen und ich kenne seinen Aufenthaltsort nicht. DaS bekümmert mich schwer." „Seltsam, höchst seltsam!" murmelte Stanhope. „Es muß seine Absicht gewesen sein —" „Ich will Ihnen sagen, waS seine Absicht war: Er wollte seine Einwilligung zu unserer Verbindung geben — eine andere Erklärung für seine Handlungsweise finde ich nicht. Glauben Sie mir, die« wäre nie über meine Lippen ge kommen, hätten Sie mich nicht gefragt, ob ich Ihr Weib werde» will. Nun aber sollen Sie Alle« erfahren, wa« ich selber weiß." „Da« verstehe ich nicht, Mary. Warum entfloh er damals uud ließ mich vergeben» auf seine Rückkehr warten? Er muß doch Dir gegenüber irgend einen Vorwand gebraucht haben, um za erklären, warum er da» Hau« ohne mich verließ." „Er sagte mir nur, ich solle ihm sogleich folgen, der Herr habe versprochen, alle nothigen Anordnungen ru treffen, da»» käme er »ach. So gingen wir denn »ur Hiaterlhür hma»«, w» sch»» ei» Wage» für u»S bereit stand." „Wirklich! der Schritt war also schon im Voraus überlegt I" „Allem Anschein nach, nicht wahr? — Al« wir im Wagen saßen, sprach mein Vater mit mir, sehr traurig, aber sehr liebevoll. Er küßte mich, und meine Wange war naß von seinen Thräncn. Wir waren schon lange gefahren, da beugte er sich über mich und flüsterte " „Sprich weiter, liebe« Herz." „Ich bringe Dich in ein Hau«, wo Du eine junge Dame und einen Herrn finden wirst. Mache Dir die Dame — sic ist Wittwe — zur Freundin und —" Mary'« Verwirrung war so groß, daß ihre Stimme zu einem Flüsterton herab sank — „und heiratbe den Herrn, so wirst Du Deinen alten Vater glücklich machen an seinem Lebensabend." Aus Stanbope'S Stirn lagerte sich eine düstere Falte. „Und Du. was antwortetest Du?" „Muß ich da« auch gestehen? — WaS hätte ich denn ander- sagen können, al«: wo ist Herr White? Ich glaubte, Tu brächtest mich zu der ihm befreundeten Dame? Daß er die« that, abnte ich ja nicht und ich dachte an jenem Abend nur an Sie." Er drückte einen innigen Kuß auf ihre Stirn. Ja, sie war unschuldig und rein; sie wußte nicht- von den Berech nungen ihre- Vater« „Da» war gut und recht; an mich allein sollst Du immer denken. — Und was erwiderte Dein Vater?" „Er fragte mich, ob Sie Herr Wbite wären, und als ich die« bejabtc, schwieg er lange; ich glaube vor Ueberraschung Den Sack mit dem Gelbe gab er mir erst, al« der Wagen hier vor dem Hause hielt. Dann nabm er Abschied von mir und sagte, er könne mich nun ohne Furcht verlassen, da für meine Zukunft gesorgt sei. Wohin er gehe, dürfe er mir nicht anvertraue», aber er würde stet« im Stande sein, über meine Wohlfahrt zu wachen und sich an meinem Glück zu freue». Ich solle nicht nach ihm suchen, auch mit Andern nicht über ihn reden, bi« er von selbst wieder zum Vorschein käme. Ich solle mich Mary Dalton nennen, unter diesem Namen erwarte mich die Dame. — So kam ich in diese« Hau« und sah Sie wieder — aber wie ander« war Alle« geworden I" Sie hatte den Blick zu ihm erhoben, ibr« Lippen bebte», die Wanzen glühten ihr vor Scham und innerer Erregung. Alle« batte sie nun gestanden und ihre Brust befreit. Wie reizend sie aussah im Kranz der blonde» Locken, mit den serleavollr» Augen, bereu Zauberkraft er aoch «ie wider standen hatte. AuS der Liebe diese« holden Wesens würde er Hoffnung, Tdatkrast, Begeisterung für alle« Große »nd Gute schöpfen. Ein Lebe» ohne sie schien ihm jetzt undenkbar. Die seltsamen Umstände, die ihren Eintritt in sein Hau« begleitet hatten, da« Dunkel, da« ibrcn Vater umgab und auch sie selbst gebeininißvoll umhüllte, Zweifel und Un behagen — Alle» war vergessen in diesen! Augenblick. „Mary, ich liebe Dich von zanzem Herzen", ries er, „und abermals frage ich Dick: willst Du die Meine werden?" Wie groß auch die Wonne sein mochte, die sie empfand, sie ließ sich nicht von dem Freudentaumel berauschen. Leise entwand sie sich seinen Armen und, ihre ganze Kraft zusammcn- raffenb, erwiderte sie: „Heute vermag ich noch keine Antwort zu geben. Lasten Sie mich eine Woche hier im Hause bleiben; nach Ablauf dieser Zeit will ich mich entscheiden. Wanken Sie in Ihrem Vorsatz, steigt irgend ein Gedanke, ein Zweifel, in Ihnen aus, der Ihren Frieden stört oder Sic bereuen läßt, wa» Sic beute gctban haben, — dann versuchen Sie nicht, mich zu kalten. Weit lieber will ich mit gebrochenem Herzen zu Grabe gehen, als jemal« in den Augen meines Gatten Miß trauen in meine Vergangenheit und Furcht vor der Zukunft lesen. Davor möge mich der Himmel bewahren." Die Worte verfehlten ihren Eindruck aus Stanhope nicht. Er sab ein, daß jeder Versuch, ihren festen Entschluß zu er schüttern, jetzt vergeblich sein würde und fügte sich in den unvermeidlichen Aufschub. Neunte- Eapitel. Am Nachmittag desselben TageS führte Flora ihren Plan auS, Frau Delapaine aufzusuchen, in der Hoffnung, von ihr eine Erklärung der seltsamen Umstände zu erhalten, welche zu Martz'S Aufnahme in ihrem Hause geführt hatten. Allein sic erreichte diesen Zweck nicht. Frau Delepaine, eine würdige Dame und langjährige Freundin von Stanbope'S verstorbener Mutter, schwieg beharrlich auf alle an sie gestellten Fragen. AI- sie jedoch au« Flora'« Bericht ersah, daß Stanbopr, den sie wie ihren eigenen Sohn liebte, ein wärmere« Interesse für da« junge Mädchen gefaßt hatte, sprach sie ihre große Befriedigung darüber au« und meinte, sie könne ihm zu einer solchen Wahl nur Glück wünschen, r« schiene ibr eine in jeder Hinsicht paffende Verbindung. Durch diesen Ausspruch ward Flora in hohem Grabe beruhigt, obgleich ste unverrichteter Sacke beimkehren mußte Drei Tage vergingen. I» dem stattliche» Hause der Fünften Avenue herrschten nickt mehr Trübsinn und Nieder- aeschlagenbeit; Hoffnung und Frohsinn waren dort eingekcbrt. Selbst die Dienstleuie empfanden die Veränderung und warfen einander bedeutsame Blicke zu. Stanbope kam zu Tisch nach Hause, heitere Gespräche würzten da« Mahl, und Mary, von schwerem Drucke erlöst, entfaltete ihre ganz natürliche Liebenswürdigkeit. Sie sah de» (Hcliebtcn aluckstrahlendc-, znsriedcnc Miene, und bevor sie AbendS ibr Haupt aus da» Kissen legte, flüsterte sie dankbaren Herzen»: „Wieder ei» Tag vorüber und keine Wolke deS Zweifel« hat seine Stirn getrübt." In Stanbope'S Innern sah c« jedoch bei Weitem nickt so friedlich au«, wie sie glaubte. So lange Mary zugegen war, übte freilich ibr Zauber nach wie vor seinen Einfluß auf ibn au», sah er sich aber allein, so ergriff ihn eine innere Unrube, deren er nicht Herr zu werden vermochte. Bald wünschte er, die Wocke wäre vorüber und sein Geschick ent schieden, bald standen ibm wieder die Worte jene« verbängniß vollen Briefes seine« Vater» in Flammenschrift vor der Seele. Wie dringend war darin der letzte Wunsch auS- gedrückt — wie streng der Besebl! Und er, der Sohn, durfte e« wagen, einem solchen Verlangen zuwider zu bandeln! Der Gedanke quälte ibn stet« von Neuem. Nur wenn er überlegte, daß sein Vater, der sonst so rubige und verständige Mann, zu jenem tyrannischen Beschluß durch eine ihm gegenüber völlig unbegründete Eifersucht getrieben worden war — ja, dann wurde ibm klar, daß er kein Unrecht tbue, da ja da» Ganze an« einem unglückseligen Jrrtbum entstanden sei. E« ließ sich kewe Natbalic !f)elverlon sehen, und da« bestärkte ihn noch in diesem Glauben; trotzdem mischte sich rin bitterer Tropfen in seinen Freuden becher, und er konnte die Furcht vor kommendem Unheil nicht loS werben. Ein an sich unbedeutender Vorfall sollte ibm die- bald deutlich zum Bewußtsein bringen und auch Mary darüber aufklären. Am Lonntag Morgen trafen sie aus dem Rück weg von der Kirche mit einigen Bekannten zusammen, in deren Begleitung sich ein fremde« junge« Mädchen befand. Plötzlich sah Mary, daß Stanbope erbleichte; mit aschfahlem Gesicht und bebenden Lippen fragte er den Herrn neben ihm: „Fräulein ?)elverton? . . . Nannten Sie die junge Dame nicht so?" .Bewahre, lieber Wbite", lautete die Antwort, „es ist Fräulein Antonie Silverstone au- St. Louis." Stanhope athmetr erleichtert aus; allein a«s Mary'«
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