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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.12.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-12-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18941211020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894121102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894121102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-12
- Tag1894-12-11
- Monat1894-12
- Jahr1894
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L«ch dt« Post bezogen für 1«tschl«»d «d Oestrrrrtch: vieirel,tdrlich 3t I.-5 Dir«t» täglich« Krenzbondiendnng dck RotlanL: monatlich ^4 ?.b0. BKM»rg»»>>»Ig«L« erschein täglich'/,7 Uhr, hi» «och«».-» b Uhr. Lekcttr, «tz Lr»E<»: tstSochatag« »„»terbrvchr, »As»-t »o» früh 8 dt» «b«d» 7 Uhr. Eile,: vtt, «»»»'» Tsrtt«. (Wfred Universität»straße 1. Lo,1» LVche. ldlh«t»«str. 14. pari. u»d K»»tg»p!atz 7. Abend-Ausgabe. UchMrLasckM Anzeiger. Organ für Politik, Localgrschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. A«zeige«.Prei- die 6 gespaltene Petitzeile SO Pfg. Neclamen unter dem Redactionsstnch (4g«- spalten) 50^, vor den Familieonachrichte» (6gespalten) 40^. Gröbere Schriften laut unserem Preis« »erzeichniß. Tabellarischer und Zlffernjatz nach höherem Tarif. Ertra-Beilagen (gesalzt), uur mit der Morgen-Au-gabe. obne Postbesörderung 60.—, mit Poslbesörderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Lbend-AuSgabr: Vormittags 10 Uhr, Morgen-Au-gabe: Nachmittags 4 Uhr. Sonn« uod Festtags früh '/,S Uhr. vei den FUialen und Annahmestellen je eine halbe Stund« früher. Anzeigen sind stet« an die Erpedttt.n zu richteo. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig «32. Dienstag den 11. December 1894. 88. Jahrgang. zu schützen, wa» dem Bolle helllg ist, und zu bekämpfen, wa» de» Volkes Empfinden verletzt. Durch die beabsichtigte strafrechtliche Verfolgung der betheiligten socialdemokratifchen A^aeordneten wird die von der Berfassung gewährleistete Jmm-FMt der Abgeordneten in keiner Weife an» getastet. Artikel 30 der Reichsversassung schreibt lediglich vor: „Kein Mitglied des Reichstages darf zu irgend einer Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen der in Ausübung seines Berufes gethanen Aeußerungen gerichtlich oder diSctpliaarisch verfolgt oder sonst außerhalb der Versammlung zur Berantworiung gezogen werden". Er gewährleistet also die freie Abstimmung und die freie Wie der Antrag de« Staats-.nval.eS lautet, ist >och «och I .L^ÄÄn^nA Strafverfolgung socialdemokralischer Mit glieder des Reichstags. * Wie der Telegraph bereits gemeldet bat, wird von dem Erste» Staatsanwalt des Landgerichts Berlin I der Versuch gemacht, die Genehmigung des Reichstags zur strafrechtlichen Verfolgung derjenigen foctaldemokratischen Mitglieder zu erlangen, die in der Sitzung vom 6. d. M. bei dem auf den Kaiser auSgebrackten Hock sitzen blieben unklar, denn während daS „Wolff'sche Bureau" berichtet, es sei bereit» der Antrag aus Genehmigung der strafrechtlichen Verfolgung aller jener Mitglieder erfolgt, meldet die neue rsficwse „Berl. Corr", die Genebmigung werde vorläufig nur zur Untersuchung wegen Majestätsbeleidigung gegen den Abg. Liebknecht nachgesucht: eS sei Vorbehalten, „den Antrag auch auf andere, noch zu benennende Abgeordnete der sccialdemokratischen Partei auSzudehnen". Welche dieser beiden Lesarten die richtige ist, wird sich ja bald Heraus stellen; aus alle Fälle wäre es ein sehr übles Omen, wenn die neue officiöse „Berl. Corr." gleich in ihrer ersten Nummer äuberung im Sinne der angeführten BersassungSbestimmung. ES ist vielmehr der Thatbestand einer strafbaren Hand lung gegeben, für welche die Immunität des Artikels 30 nicht Platz greift, sondern deren Verfolgung nach Artikel 3t während der Sitzungsperiode mit Genehmigung des Reichstages zulässig ist. Daß im vorliegenden Falle der Thatbestand einer straf baren Handlung, insonderheit der Majestätsbeleidigung, gegeben ist, kann nicht durch den Einwand widerlegt werden, man habe es nur mit einer Unterlassung zu thun. Die strafrechtliche Praxis hat sestgestellt, daß die Ehrfurcht gegen Seine Majestät den Kaiser und König nicht uur durch Handlungen, sondern auch durch Unterlassungen verletzt werden kann. Sollte aber die be- einem Irrthume verfallen wäre. Der Unterschied ist übrigens I absichtigte strafrechtliche Verfolgung nicht die erforderliche Sühne nicht groß; für den Reichstag bleibt die Frage, ob die Ge nehmigung trotz des Art. 3st der Reichsversassung criheilt werden kann, die gleiche. Die genannte Corresponden; motivirt das Vorgehen de- Staatsanwalts folgendermaßen: „Die MajrslätSbeleidiguug wird von der Staatsanwaltschaft darin gesunden, daß der Abgeordnete Liebknecht und andere Mit glieder der socialdemokratijchen Partei. al< in der Sitzung des Reich-tag- vom 6. d. Mts, vom Präsidenten des Hauses ein Hoch aus Seine Majestät den Kaiser und König ausgebracht wurde, im Gegensatz zu den übrigen Mitgliedern des Hauses, die sich dem Herkommen gemäß von ihren Plätzen erhoben, in ostentativer Weise sitzen geblieben sind. Eine Bestätigung ihrer Auffassung, daß es sich hierbei um eine Demonstration in beleidigender Absicht gehandelt hat, findet die Staatsanwaltschaft auch in den Bemerkungen des Ab geordneten Singer, die er den Vorhaltungen des Präsidenten: ein solche» Verfahren entspreche nicht der Sitte deutscher Männer, nicht den Gewohnheiten des Hauses, es beleidige die Gefühle seiner bringen, so würde daraus nur folgen, daß die bestehenden gesetz lichen Bestimmungen nicht ausreichen, um derartige Majestäts-Beleidigungrn strafrechtlich zu ahnden. In diesem Falle wäre daraus Bedacht zu nehmen, die gesetzlichen Befugnisse zum Schutze der Person Seiner Majestät deS Kaisers und König- zu erweitern. Die einmüthige Be» urtheiluug, welche das unpatriotische Verhalten von Mitgliedern der socialdemokralischen Partei bei dieser Gelegenheit ersadren bat, de weist, daß da« deutsche Volk sich in seinen geheiligten Gefühlen nicht ungestraft kränken lassen will." Und in der „Nordd. Allgem. Ztg." wird von juristischer Seite auSgefübrt „Der Abgeordnete Singer hat es für gut besunden, durch seine Erwiderungsrede aus den ihm vom Herrn Präsidenten ertheilten j Tadel jeden Zweifel darüber auszuschließen, daß cS ibm daraus an kan» — wie er wohl meinte, gedeckt durch seine Abgeordneten- iminunilät —, eine directe Majestätsbeleidigung zu begehe» Tank der stenographischen Fixiruna aller Reden im Reichstage ist Mitglieder, entgegengesetzt bat und die zu vollenden er durch die I der seandatöse Vorgang amtlich sestgelegt. Eine ruhige Prüfung Erregung des Hauses gehindert wurde. Hat dieses Verhalten von foctaldemokratischen Mitgliedern schon im Hause selbst die gebührende Verurtheitung gesunden, so hat sich nicht minder auch außerhalb deS HauseS, im Volke, hierüber rin Sturm patriotischer Entrüstung erhoben. Mit wenigen Aus nahmen hat insbesondere auch die Presse aller Richtungen daS Ver halten der socialdemokratifchen Abgeordneten aedührrud gekennzeichnet. E» herrscht das Gefühl, daß derartige Beleidigungen gegen die Person Seiner Majestät de» Kaisers und Königs nicht straflos bleiben dürfen, sondern energische Ahndung erheischen. Die zur Zeit geltende Geschäftsordnung des Reichstages bietet keine genügende Handhabe, um solche bedauerlichen Vorkommnisse verhindern zu können. Der Präsident des Reichstages hat unter dem unmittelbaren Eindrücke des Geschehnisses bereits erklärt, er könne nur bedauern, daß er kein Mittel habe, ui» ein der artige» Verfahren zu rügen. Liegt es unter diesen Umständen nahe, an ein« Aenderung der Geschäftsordnung des Reichs- tage- zu denken, weich« für solch« Fälle die Disciplinorbesugniffe deS Präsidenten bezw. deS HauieS erweitert, so erscheint es außer dem augezeigt, den Weg der Verfolgung zu betreten, den die allgemeinen Strafgesetze weisen. Daß der Reichstag die versassungSgemäß nachgesuchte Ge- nehmigung zur Einleitung dieser Versalzung während der Litzungs- Periode nicht versagen wird, dürste im ganzen Lande erwartet werden, wo man eine HinauSichiebung deS strafrechtliche» Ein- schreite»; nicht verstehen würde. Hat der Reichstag als Vertretung der Nation doch selbst daS größte Interesse daran, alles dasjenige desselben, die jetzt an die Stelle der ersten leidenschastlich^niswallenden Entrüstung tritt, wird bei Beleuchtung seiner staats- und straf- rechtlichen Seite zeigen, daß der Abgeordnete Singer seine Rech, nung ohne den Wirth gemacht hat. Das demonstrative Sitzenbleiben bei dem Hoch des Präsidenten auf Se. Majestät den Kaiser in Ver- bindung mit der dieser Demonstration gegebenen mündlichen Er- iäuterung läßt keine ander« Dendnng zu al» die. daß es sich hier um die im Strafgesetzbuch vorgesehen», gerade in dieser Form aber von Sociatdemokraten wiederholt begangene Strasthot der MajestätSbeleidignng handelt. Kraft Gesetzes wird diese Thal mit Gesängniß nicht unter zwei Monaten oder mit Festungshaft von zwei Monaten bis zu füns Jahren bestraft. Neben der Ge- sängnißstrase ober kann auf Verlust der bekleideten öffentlichen Aemter, sowie der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte erkannt werden. Das die strafrechtliche Seite. Nun »ur staatsrechtlichen Frage, ob der Abgeordnete durch diese Eigrnschait vor der strasrecht- lichen Versolgung geschützt ist? Artikel 30 der Reichsversassung vom lk. April I87t besagt wörtlich: „Kein Mitglied des Reichstages darf zu irgend einer Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen der in Ausübung seine- Berufes gethanen Aeußerungen gerichtlich oder diSciplinansch verfolgt oder sonst außerhalb der Berlammlung zur Verantwortung gezogen werden." Dies Privilegium garantirt dem Abgeordneten uneingeschränkte Redefreiheit — nicht mehr und nicht weniger. Einer der anerkanntesten StaatSrechtScomineatatoren bemerkt bierzu mit Recht Die innerhalb ihrer Sphäre unabhängigen Volksvertreter haben die Pflicht, alS Wächter der Verfassung jede verfassungswidrige und ungesetzliche Maßregel aufzudecken. Aber aus dieser allgemein an- erkannten Berusspslicht der Volksvertretung folgt keineswegs von selbst, daß alte Aeußerungen derselben, die sie in ihrer Eigen- chaft als Abgeordnete thun, auch straflos sind, wenn sie die gesetz lichen Schranken überschreite» und den Thatbestand eines durch das Wort zu begehenden Verbrechens (Hochverrath, Majestäts- btleidiguiig, Verleumdung, Injurie! entdalten. Eine Majestät«, beleidlgung oder Hochverrat begebt ein Abgeordneter doch nun und minniermehr „in Ausübung seines Beruss"! Er mag sie de- zehen, während er, in Ausübung seines Berufes, im Reichstag prickit: aber eine majestätsbeleidigende Auslassung kann so wenig wie eine hochverräterische, durch die ja auch die Grundlage negirt wird, aus der das Mandat und die Redefreiheit des Abgeordneten beruhen, als in den Kreis der Thätigkeiten fallend betrachtet werden, mit denen ein Reichstagsabgeordneter seinen „Berns ausübl". Nach all» >emeinen juristischen Grundsätzen sind die BolVvertreter in solchen fällen, wie jeder andere Bürger, dem Staate wie den verletzten llcivatpersonen verantwortlich und können vvr die Gerichte gezogen werden. Alle entgegengesetzten Argumentationen ans der Natur deS volkSvertretenden Körpers beruhen aus falschen Voraussetzungen oder Trugschlüssen. Folgt hieraus schon, daß die Erwiderungsrade des Abgeordneten aus den Tadel deS Präsidenten strafrechtlich verfolgbar ist, so leuchtet ohne weiteres ein, daß die im Sitzenbleiben bei dem Hoch aus den Kaiser liegende revolutioaaire Demonstration an sich ganz unab hängig von dem Privilegium der Redefreiheit dasteht und erst recht strafrechtlich versolgbar ist. Die RcichstagSmitglied- schaft gewährt eben keinen Freibrief gegen die Gerechtigkeit," Wir halten cS indeß für sehr fraglich, ob der Reichstag nicht nur der jetzige — von solcher Beweisführung sich bestimmen läßt, die beantragte Genebmigung zu ertheilen und dadurch sich selbst die Verpflichtung aufzuerlegen, jedes Mal die strafrechtliche Verfolgung eines Mitgliedes zu ge nehmigen, wenn dieses in einer leidenschaftlichen Debatte in stürmisch bewegter Zeit durch Begehung oder Unterlassung gegen eine Bestimmung de» Strafgesetzes sich vergangen bat. Viel wahrscheinlicher ist eS, daß das Verhalten der betreffenden socialdemokratischcn Abgeordneten, das im Hause selbst und im überwiegenden Tbeile des deutschen Bolkes die gebührende Berurtheilung gefunden bat, den Reichstag veranlaßt, die DiSciplinarbefugnisse seines Präsidiums weiter auSzudehnen und dem letzteren die Möglichkeit zu ge währen, groben Mißbrauch der parlamentarischen Rede freiheit gebührend zu bestrafen. Dies ist auch die Ansicht der „Köln. Ztg.", die zn dem siaatSanwallschaftlichen Vor gehen bemerkt: „Wir nehmen an, daß bei diesem verfehlten Vorgehen die Absicht wohl maßgebend ist, dem Reichstag eine kräftige Anregung zn einer Verschärfung seiner DiSciplina» .».tlel zu geben und so der LolkSeinpfindung gerecht zn werden, die nach einem herzhaften Ausdruck der Empörung über das schmach volle Auftreten der Socialdemokraten verlangt. Man dars er warten, daß der Reichstag in seinen cdlern Elemente» die Kraft und Entschlossenheit findet, durch ein selbstständiges thatkrästigeS Vorgehen der rohen Ausschreitungen Herr zu werden. Tie juristische Cor.struction, welche zu dem Anträge geführt bat, ist eine Glanz leistung juristischer Findigkeit im AuSlegen von Ver sa ssungS best im mungen. Aber damit ist auch alles erschöpft, was man zu ihrem Lode beibringen kann. Sie hält sich o» den Buch staben, um Len Geist zu lödten. Der Reichstag wird sich schwerlich aus diese einschränkende Auslegung des Begriffs der Immunität einlassen. Alle Achtung vor dem Spürsinn, der heraus- gebracht hat, daß das Sitzenbleiben weder eine Rede noch «ine Abstimmung ist, auch Hut ab vor der Teutungskunst, welche erklärt, wenn ein Abgeordneter in seinen Reden verleumde und beleidige, so thue er das nicht in Ausübung seines Berufs. Nur wird dadurch der Sinn der versassungsmäßigen Jminuntät eines Theils seines Inhalts entleert. Denn der Sinn der Bersassungsbestimmung ist der, daß der Abgeordnete nicht wegen Aeußerungen verfolgt werden kann, die ihm sonst nicht straslos Llarchen's Mitgift. Erzählung von Paul Blumenreich. Nachdruck »«rbctni l Dupont, wem Ihre Großmuth da zu einer Nebeneinnahme ^ verhelfen bat?" „Sie haben gesehen? Sie werden das arme Geschöpf ^ doch nicht verrathen?" lautete seine hastige Gegenfrage. „Fällt mir gar nicht ein", lachte Willmers. „Aber — ^Sie kennen sie doch, wie?" Dupont verneinte. Er sei zum ersten Male hier. Nun > flüsterte WillmerS ibm einen Namen ins Ohr. ES war, al» wäre ein Blitz niedergesahren dicht zwischen den beiden jungen Leuten. Georg Dupont taumelte, tastete (Fortsetzung.) Jetzt stand sie an einem der kleinen Tischchen, weit hinten, I mit seinem Stock nach einem Halt; er wäre sicher unizesunken, dicht bei der EingangSthür. Nur eine Person batte hier I hätte der Andere nicht schnell und kräftig angesaßt. Platz genommen, em hübscher, schlanker, junger Mann, der, t „Pardon — Pardon, lieber College!" bat WillmerS, „ich den Kopf in die Hand gestützt, dasaß und Liddy nicht gewahr I glaubte sicher —" wurde, trotzdem sie ihm den Teller dicht vor die Nase hielt. „Für die Capelle", sagte sie, ihm noch näher tretend. Er fuhr auf, noch ohne sie anzublicken, griff er in die Tasche und warf ihr einen Thaler hin. „Soll ich wechseln?" fragte da» Mädchen. Jetzt schaute Georg Dupont ihr ins Gesicht, es mochte! ihm auffallen, daß die Cbanteuse nicht ohne Weitere» nach Schwer athmend hatte sich Georg auf den nächsten Sessel gleiten lassen. Und jetzt fiel es ihm wie Schuppen vou den Augen. Gewiß, er hatte dergleichen sagen gehört, aber er wußte nichts Bestimmtes, batte auch nie näher nachgesragt. WaS kümmerte ihn eine Andere? Aber eS war richtig. Tie Aeknlichkcit ließ jeden Zweifel schwinden —, die Cbanteuse in dem dell- ter allerdings hier ungewöhnlich großen Gabe griff. Und t blauen, tief ausgeschnittenen Scidenkleide war Lydia Bauer, plötzlich durchzuckte ein jäher Schreck sein ernste« Gesicht. I Georg Dupont blieb als einer der letzten Gäste in dem Sah er denn immer und immer nur Sie? Oder gab eS I dumpfen Kellerlocale. solche Aehnlichkciten? Allerdings, die- Gesicht hier hatte! Als Lydia zum zweiten Male die Runde machte, schien einen Zua. von dem bei Klara jede Spur fehlte — eine I sie ihn übergehen zu wollen; er batte ja daS Vergnügen, das scharfe, häßliche Linie, die das verlegene Lächeln, welches jetzt! ihm hier geboten wurde, überreichlich bezahlt. Aber der W,rlb um ihren Mund spielte, fast frech, gemein erscheinen ließ. I sah gerade her und Georg machte auch eine Bewegung» als Schon aber batte sie da- Geldstück in ihre Kleidertaschc I winke er ihr. gleiten lasten. Dabei traf ihn ein bittender, beredter Blick aus I „Kann ich Sie nicht heute noch sprechen?" fragte er leise, ihren wir aufleuchtenden Augen. Er begriff. Eine leichte I während er seinen Obulus auf den Teller legte. Kopfbewegung sagte ihr, daß er sie nicht verrathen würde. I Lydia lächelte schmerzlich. „Einer wie der Andere", Und um sie völlig zu beruhigen, griff er nach Hut und I mochte sie denken. „Es kann halb drei» auch drei Uhr Stock. Noch einmal sah sie ihn an, voll inniger Dankbarkeit. I werden, bis ich nack Hause gehe", sagte sie, sich schon wieder Jetzt schien auch der fremde Zug um ihren Mund ver-1 abwendend. schwunden — sie sah täuschend au« wir eine ältere Schwester Klärchen«. „Schon gehen, Dupont?" rief ibm Jemand zu, als er be reits den Thürgriff in der Hand hielt „Ich warte." Und Georg Dupont wartete Nur noch an einem Tische saßen einige Herren und > tranken Srct. Sie hatten den Wirth und die Sängerinnen impfen »Qzpf«»i uopter - PH» Schwerfällig drehte sich Georg Dupont um ; es war ibm I eingrladen, auch .Fyddy" mußie selbstverständlich mittbun unangenehm, in dieser Spelunke erkannt worden zu sein, in l So lange aber solche Gäste Zeche machen, läßt der Wirth die ihn ein blinder Zufall geführt hatte. I nicht schließen. „Guten Abend, WillmerS", mußte er aber doch ant-I Endlich brachen auch die Secttrinker auf. Worten, als er in dem Fragenden einen Studiengeaossen I Mit einer beinahe verächtlichen Grimasse hatte Lydia erkannte. I davon Kenntniß genommen, daß der junge Mann noch immer „Einen Augenblick noch", hielt ihn der Andere auf und I ihrer harrte. Er wollte sich bezahlt machen! «it zwei Schritte, aa seiner Seite. „Wissen Sie denn, t In der finstere», verregneten Straße schritt Georg Dupont auf und ab, immer mit leisem Schlürfen den rechten Fuß nach schleppend. Drei, vier Mädchen hatten schon das Local ver fassend — eine von ihnen stieg in eine Droschke, die schräg gegenüber hielt. Endlich kam Lydia. Man konnte bei dem schwache» Licht der Straßenlaterne erkennen, wie verschlissen ihr Mantel war. Schweigend schritt sie ein Weilchen »eben ihrem Begleiter her. Bis sie dann in heiserem, gequältem Tone anhob: „Ich wohne sehr weit von hier und wohne — nicht allein .. „Mit meinen beiden Kindern zusammen", fügte sic ent schlossen hinzu. „Nur ein Stückchen begleiten wollte ich Sie", gab er zur Antwort, „nur ein paar Worte mit Ihnen reden." Sie athmcte jetzt etwa« freier. Unaufgefordert nahm sie seinen Arm — den Linken — und sagte: „Aber lassen Sie uns schnell geben! ES ist so spät ge worden heute." Ob Sie von dem Unglück wisse, das ihren Vater betroffen babe, begann er nun obne jeden Uebergang. Sie blieb erschreckt stehen , er süblte, wie ihr Arm in dem seinen erzitterte. Nein — sie wußte nichts, er lebe doch — ihm persönlich sei doch nickt« geschehen? Mit kurzen Worten berichtete Georg von dem Zusammen brück deS HauseS. Die Fabrik sei geschloffen — die berab- gelassencn Jalousien sähen an-, wie ebenso viel Todtcnaugen. „Mein armer Vater!" weinte Lydia an seinem Arme, „welch' ein Fluch liegt doch auf uns!" „Beruhigen Sie sich", bat er, „es kann, eS wird noch Alles gut werten! Nur müßte man. um keifen zu können, Mancherlei wissen, was in der Berganacnbeit liegt und was Ihren guten Vater schwerer zu bedrucken scheint, als da« Unglück von jetzt." Sie waren eben in den Lichtschein eine« jener großen Straßencandelaber getreten, die mitten auf den Kreuzpuncten gleickiam Nachtwache kalten. Lydia blieb stehen und sah ihrem Begleiter voll in« Gesicht. Sckon einmal war man mit einer ähnlichen Frage an sie berangetreten, und damals batte sie sich die bittersten Vor würfe gemacht, nicht vorsichtig genug gewesen zu sein. Tenn alle die schmerzlichen Erfahrungen, die ibr die Zeit so über reich gebracht, waren nicht spurlo« an ihrem inneren Wesen vorübergegangen. Hundertmal hatte sie sich sagen müssen, daß sie selbst eS gewesen, die ihr Unglück verschuldet und daß sie am aller wenigsten den Barer anzuklagen rin Recht batte. Nur an ibr hätte «S gelegen, sich ihn «irderzugrwinnen — sich und ihren Eingehen würden. Die Immunität wäre rin wesenloser Schatten, wenn sie nur Aeußerungen deckle, in denen der Straf- richter auch unter andern Umstünden keine Handhabe zuni Einschreiten finden würde. In diesem Falle wäre ja der Abgeordnete nicht mehr geschützt als jeder andere Bürger. Die Bedeutung der Immunität liegt aber darin, daß sie dem freien Wort, dein ehrlichen ManneSzorn selbst in den Zeiten ärgster reactionairer Willkür eine feste Zufluchtsstätte sichert. Daß diese- edle Recht wie alles in der Welt mißbraucht werden kann, haben wir ja erlebt. Aber die sittlichen Mächte sind in unserem Volksleben doch frisch und gesund genug, uni ärgerliche Ausschreitungen durch die Donnerstimme der öffentliche» Entrüstung in Len Schainwinkel zu verscheuchen. Das Beste aber muß hier der Reichstag selbst durch sein selbstherr- licheS Einschreiten thun, gilt es ihm doch, sein schmerbedrohtes Ansehen bei dein Einströmen schlafferzogener Elemente sicherzustellen. In diesem Falle tritt noch als erschwerender Umstand hinzu, daß die Auffassung der Rechtsprechung, die das demonstrative Sitzen bleiben bei Hochrufe» aus den Kaiser unter den Begriff der Majestät-, beleidigung bringt, keineswegs so ganz einwandsrei ist. Der Fall ist vorgekommen, daß ein schlichter, frommer protestantischer Sectirer aus mißleiteten religiöse» Empsindungen heraus sitzen blieb. Der Mann betrachtete nämlich in der lind- lichen und gutartigen Einfalt seines Gemüths daS Hochrufen als eine jener weltlichen Handlungen, mit denen sein weltfremdes pietisti- sches Gcmüth grundsätzlich nichts zu habe» wollte. Wir hoffen, wie gesagt, die öffentliche Entrüstung und Las verfehlte Vorgehen des Staatsanwalts wird in der Richtung zujainmenivirke», daß sie den Reichstag zu einer wirksamen Verschärfung seiner hauSherrtichen Rechte gegenüber unwürdigen Erkorenen des gleichen Wahlrechts drängt." Die „Nat.-Ztg." unterscheidet zwischen den Worten Singer's und dem Sitzenbleiben der Demonstranten. Cincii Antrag der Staatsanwaltschaft an den Reichstag, die Einleitung einer Untersuchung wogen tiefer Worte zu gestatten, - würde »ach der Ueberzeuguiig dieses Blattes sicherlich mit größter Mehrheit, wenn nicht einstimmig abgelehnt werden, den» cS sei klar, daß die parlamentarische flledefrciheit beseitigt wäre, sobald cs kcn Staatsanwaltschaften und Gerichten frei stände, zn unterscheideii zwischen Worte», welche durch die Redefreiheit geschützt waren, und solche», auf welche das nicht zuträfc: „Tie Worte „in Ausübung seines Beruss gethanen Aeußerungen" müssen unbediugt auf Alles bezogen werden, was der Abgeordnete in der Ausübung seiner Elgenschast als solcher spricht, also jedenfalls wenn er — was hier der Fall war — redet, nachdem der Präsident ihm das Wort ertheilt hat. So weit die juristische Zuschrift der „Nordd. Allg. Ztg." in Bezug auf derartige Aeußerungen eine Unterscheidung mache» will, ist sie, trotz der Be rufung aul einen „Etaatsrechtscornmentotor" — wir wissen nicht, wer gemeint ist — imbaltbar, und es muß dringend davor gewarnt werden, daß die Regierung den ihr insofern angerathenen Weg betritt. Eine derartige Action würde durchaus als Seiteustück zu dem Streit um die parlamentarische Redefreiheit in Preußen in de» Jahre» 1865—66, während der erregteste» Zeit des VersassungsconslicteS, erscheinen. Auch damals wurde versucht, zwischen parlamentarilchen Reden, die immun seien, und solchen, für welche der Abgeordnete zur Verantwortlichkeli gezogen werden könnte, zu unterscheide». Der Art. 84 der preußischen Verfassung besagte damals, daß die Abgeordneten nicht für die von ihnen in der Kämmer „ausgesprochenen Meinungen" außerhalb des Hauses verfolgt werde» könnten, und das Obertribunal führte den Streit dadurch herbei, daß es eine Unterscheidung zwischen „ausgesprochenen Meinungen" und andere» Aeußerungen machte. Gerade, um eine solche für die Zukunft auSzuschließe», wurde in der norddeutschen Bundes-, jetzigen deulsche» Reichsversassung da-Wort „Aeußerungeii" gewählt, das unzweideutig Alles umsaßt, was Jemand spricht, und später wurde im Ltrasgesetzbuch diese Bestimmung auch für die parlamen tarischen Versammlungen der Einzelslaalen erlasse». Herrn Singer's Worte vom 6. d. M, wie anmaßend und verletzend für das Volks- arme» Kindern. Trotz und Verbitterung, Scham und Muth- losigkeit hatten sie zurückgebaltcn. lind nun batte den Vater von Neuem ei» schwere- Unheil getroffen — sollte sie nun einem Fremden Waffen in die Hand gebe», ih» vielleicht noch cnipsindlichcr zu schädigen? Aber vor den ehrlichen, treuen, stumm beredt, um Ver trauen flehenden Augen dieses jungcu Mannes schwiegen plötzlich ibrc ängstlichen Zweifel. Ja, mit jener Tioinations- aabc, die das Leid in uns erwachen läßt, crrictb sic. wo die Wißbegier ihres Begleiters wurzle und daß BöseS nicht auS ihr entstehen könnte. Auch Georg Dupont war in diesem Augenblick mit sich zu Ratbe gegangen. Er sagte sick, er babe kein Recht, Ver trauen zu fordern, so lange er selbst nickt vollkommen offen sich gegeben. So wartete er Lydia'S Antwort nicht ab. „Sic werden sich leichter auSsprcckcn können, wenn ick Ihnen zuvor sage, wie ich zu der Familie Ihres Herrn Vaters stehe." Er schüttete sein Herz aus. Hier aus der dunkle», menschcnocrlasscncn Straße, in einem Regengericscl, daS die junge Frau an seinem Arm vo» Zeit zu Zeit erschauern machte, strömte er seine Liebe für ihre Schwester aus. Ack, er würde sie ja lieben müssen, auch wenn ibr Vater ein Ver brecher wäre, — sic, die ibm der Inbegriff aller Frauen- tugenb, aller Fraucnschonbcit schien! Und er schilterte, wie bäu-lich »nb sittsam, wie fleißig und bescheiden, wie gut Klärchen wäre! „Sie bal-en sich also mit meiner Sck'westcr verlobt?" fragte sie leise. „Ach nein", antwortete er, und es kling der ganze Schmer; der Entsagung a»S den zwei Worten — „ach nein! Dazu ist auck wohl keine Aussicht! We>ß sie doch »och gar nicht- von meinen Empfindungen! Und sic soll auch nie da von erfahren. WaS ick mir wünscke — was mich schon über reich beglücken würde, wäre, daß ick ibr wirklick nützen könnte. Er babe ein bübsckcs Vermögen ererbt", fubr er fort, „groß genug, um der Notblagc des Bauer sckcn Gesckäsls abzukelsen NicktS wäre natllrlicker, als daß Herr Bauer seine Hilfe an nehme, ihn zum Tbeilbaber macke. A*wr Ibr Vater hat mick abaewiesen. Er will nickt aus Fräulein Klärchen-Ent schlüsse Einfluß üben — er dürfe das nicht lbun, sagt er — au« Gründen, die in der Vergangenheit liegen Nun zer martere ick mir seit ack't Tagen den Kopf, wie ick entweder den Widerstand Ihre- Herrn Vaters überwinden oder einen Weg finden könnte, ibm mein Vermögen zuzubringen, ohne daß von mir die Rede wäre!" (Schluß folgt.)
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