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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.01.1893
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-01-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930103018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893010301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893010301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-01
- Tag1893-01-03
- Monat1893-01
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dezugA»Preiö k» der Hauptrrpeditioa oder de» Im Stadt bezirk und den Vororten errichteten Aus- aadesrrlen «dgeholt: vierteljährlich^t4.c>0, bei zweimaliger täglicher Zustellung in» Haas >l L.Li). Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich X Ü.—. Direkte tägliche Kreuzbondsendung in» Ausland: monatlich 8.—. Die Morgen-AuSgabe erscheint täglich '/,7Uhe, die Abend-Ausgabe Wochentags L Uhr. Lr-artion vud LrpeLitioa: JohanurSgaffr 8. Die Lrpedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abends 7 Uhr. Filialen: Ott« -le««'» Eorlim. (Mfped Hahn)» Uutversitätsstrabe 1, Lsut« LSsche, patharinenstr. 1s, patt, und KönigSplatz 7. Anzeiger. Organ für Politik, socalgeschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. A»zeige«.PreiS Die stgespaltme Petitzeile 20 Psg. Reclamen unter dem Nedactionsftrich jsgo» spalten) L0^, vor den Famillenaachrlchua (6 gespalten) 40 Größere Schriften laut unjerem Preis« verzeichniß. Tabellarischer und Zisfrrajatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen sgefalzt), nur mit der Morgen-Auögabr. ohne Postbesörderung ^t 60. —, mit Postbesorderung ^4 70.—. Ännahmeschluß für Inserate: Nbend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Mo rge n-Ausgade: Rachmittags 4 Uhr. Sonn- und Festtag» früh '/,9 Uhr. Bei dea Filialen und Annahmestelle» je »tu» halbe Stunde früher. Anzeige» sind stet» an di« Egtzrtzitt«« zu richten. Druck und Verlag von E. Pol» in Leipzig. Dienstag den 3. Januar 18S3. 87. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. Lekariiltmachung. Nachdem Herr Geb. Hosrath Professor vr. Xleper seine Stellung als Direktor der städtischen Gewerbeschule niedcrgelegt hat und der au dessen Stelle von uns erwählte bisherige Lehrer au der lünigl. kmislakademie und der städtischen Gewerbeichule Herr Architekt Laut Kuckolpli 8eku«ter in seine neue Stellung als Director der letzteren Schulanstalt heute eingewteseu worden ist, so wird dies hiermit zur öffentliche» Kenntlich gebracht. Leipzig, dea 2. Januar 1893. Der Math der Stadt Leipzig. vr. Georg«. Wilisch, Ass. Lekanntmachung. Für Unterlassung der Zusendung von Neujahrskarten gingm annoch 6 ^l von Herrn Charles Ullmann, hier, bei uns eia, worüber hierdurch daokead quittirt wird. Leipzig, den 2. Januar 1893. Ta» Armcnamt. Hentschel. Schicker. Nutz- und Lrennljoh-Ailttion. Mittwoch, den 4. Januar 18V:!. sollen von Bormittags 0 Uhr an im Forstreviere Connewitz, Bbth. 7» und II», dem so genannten Apttzsch ca. 6 üimtr. Eicken-Rntzscheite, » b? » Eichen- j » 1 » Weißbuche», l Brennscheitk, » 2 » Rüstern- I - SO Haufen starker Abraum- und - 4L - Echlagreisig iLanghaufeu) unter den im Termine öffentlich aushängendea Bedingungen und der üblichen Anzahlung meistbietend verkauft werden. Zusammenkunft: auf dem Holzschlage im sogenannten Apitzsch an der Hohen Brück« bei Connewitz. Leipzig, am 31. Decrmber 1832. Nutz- und Lremlhch-Äuclion. Mittwoch den 18. Januar 1883 sollen von Bormittags S Uhr an ans de« Mittelwaldschlag« in Abth. 16» des Vuraauer F-rftrrvters im söge». Möckermschen «tukel »wischen der Luppe und der Fluthrinne 7 Rmtr. Eichkn-Rutzschette ll. TIaffe, 61 » Eichen» ) ü I Rüst«»'- s drn.usch.tt-, sowie 8 « Linden- s 70 starke Abraumhaufen nnd 130 starke Langhausen unter den im Termine öffentlich aushängenden Bedingungen und der üblichen Anzahlung an Ort und Stell« au de» Meistbietenden verkauft werden. Zusammenkunft: ans dem obgeageuannten Schlage. Leipzig, am SO. Decrmber 1882. Des Math» gorst deputatton. Bekanntmachung. In der constitnirenden vorstandssitzung der Unterzeichneten Taffe stab für das Geschäftsjahr 1833 gewählt worden: Herr vr. Wtlmar Schwabe als Vorsitzender, - Marl August Johann Buhl als stellvertretender Vorst tzenLer, - Max Arthur Michel als Schriftführer, - Paul Felix Ulrich als stellvertretender Schriftführer. Die Unterzeichnete Lrtskraukrncasse sungirt für ihren Casjrnbezirk gleichzeitig als Organ der Invalidität-- und Bltertversicherungs« onslolt für daS Königreich Sachsen. Das Bureau befindet sich Letprtg, Nieolatkirckhof Rr. 2. Bevollmächtigter und Bureau Vorsteher: Herr Buchhalter Clemens UHIman». Leipzig, am 2. Januar 1893. Tie vrtSkrankrneafie für Leipzig und Umgegend. De. Wtllmar Schwab«, Vorsitz«, der. Viebstahls-Ltkauntlilachuttg. Gestohlen wnrde laut hier erstatteter Anzeige: 1) eine goldene Damen-Chlmdrruhr mit Svrnngdeckel, schwarzer Emaille - Verzierung und dem eingravincn Namen „M. ttaminska", mit goldener Lsträngiger Lette und goldenem Medaillon mit 2 Photographien, am 18. vor. Monats: 2) eine goldene LhttPSnadrl — Adlerklane mit grünem Edel stein »nd Diamanten — vor mehreren Monaleu; 3) eine goldene Damr»-Cl)Iinder»lir mit Emaille und ein- aravirlem Vogel, ohne Glas und ohne Zeiger, 2 mottgoldene Medaillons, oval, mit gewundener goldener kette, eine goldcnr Brosche, oval, mit schwarzem Stein, ein Paar alle goldene Ohrringe, ei» goldener Armreif »ul weiße» Steinen, eine Lreihigc Corallentettc und ein Paar Corallru-Ohrringe, Anfang vor. Monats: 4) ei» goldener Schlaiigenring init 2 rolhen und 3 wcisten Steinchcn und ein goldenes Medaillon mit schwarzem Kreuz und rothcr Rose, am 23. vor. Monats: L) eine silberne Cyli»drr-Remo»toir-Uhr mit Secunbe, blauen Stahlzeigern, bopv- Goldrand, Repan-Nummer 3l7L, Mesjingkapjel mit Horiiplältchen und anhäng. Rickelkclte, am 24. vor. M-: 6) eine silberne Ankernhr mit Goldrand nnd Secundr, sowie anhängender ruudglicderigcr silberner Lette mit anhang. »öebchen- stgur, Anfang vor. M: 7) ei» Dame» - Paletot von schwarzem Seidcnplüsch mit schwarzseidenem Futter und schmarzüberzogcnen Kliöpsen, am 26. vor. M.: 8) ein Franen-Jackkt von schwarzem Kammgar-nstoff, mit schwarzscid. Futter, sogen. Stuarikrage», schwarzübersponiienen Knüpfen und einem Henkel mit dem Romen „i'aui t'rieso', am 23. vor. M.; 3) eil« Jucket von braunem Turncrtuch »lii braunem carrirtem Futter und Hellen Hornknüpsen, eine ebensolche Weste, eine dunkelbraune sta»imgar»ho»c init blauen Elreifcn, weist- und rothgcstreislem Bundsutier und Nickriknöpsen, am 22 vor. Pitt 10) ei» Winterüberzirhcr von brauneni glatten Stoff mit einer Reibe Perimultcrknöpse, verdeckter Batterie, schwarzem Futter und Kettchenhenkei, ein Loosungsjchei», ein Arbeitsbuch und »tv. Zeugnisse, aus „krieckrialt l-uener" lautend, am 23. vor. M.; 11) ein Winterüberztcher von rolhbranneni glatten Stoff, mit braunem Sammetkrage», dnnNen Eieiniiustkiivpse» und verdeckter Batterie, gelblichem Futter und ttettcheiihcnkel, ain 26. vor. M.: 12) ei» Wintern berziehcr von dunkelgrünem glatten Stoff, mit einer Reihe Hornknöpse, halbwollenem graucarrirteu Futter und Keltcheuhenkei. am 26. vor. M.; IS) ein Mtichkrng, 10 Liter haltend, mit der Bezeichnung, „Absender 0»rl vwdrum, Lorislork, Cmpfäugep. Lexrisü, l,«> »m tl. vor. M. Etwaige Wahrnehmungen über de» Verblieb der gestohlenen Gegenstände oder über den THLler sind ungesäumt bei unserer Lrimiualadthrtlung zur Anzeige zu bringen. Leipzig, am 2. Januar 1892. Lll» Polizei-Amt der Stadt Leipzig. Bretschneider. W. Nöchlichts Lehitrskliiiiillr z« Börmi. Anmeldungen zur nächsten Ausnahmeprüfung nimmt die Direktion bis zum 10. Februar an. Beizub ringen sind: das Tanfzeugnts,. der Wiederimpsschein, die Schulcensurrn, ein auSsühritches ärztttche» VesundhettS-Zeugnitz und ein vom Angrweldrten verfaßter Lebenslauf. Die Zeit der Prüfung wird brieflich mitgetheilt. Borna, den 2. Januar 1893. Lisi, Semiuardlreclor. Ilnsere Colonien. Ein Rückblick auf unsere colonialen Verhältnisse im vergangenen Jahre ist nicht zu erfreulicher Art. Wenn man auch n>chl behaupten kann, daß es überall rückwärts gebt, so geht es dock nur selten vorwärts, und aller Orten merkt man, daß eine kräftige Hand seblt, eine Hank, die von einem Manne geleitet wird, der genau weiß, was er will. Zag haftigkeit, Acngstlichkeit, BurealikratiSmuS, wohin man blickt, Verwaltung aus kleinlichen Gesick'ISpuiictcu; so sicht daS Bilo aus, daS die oberste Leitung unseres Colonialamles gewährt. Es sehlt der große Zug. es sehlt der starke Wille, mit dem nun einmal nicht in Europa, wie viel weniger den Wilden gegenüber auSznkomnien ist. lieber Deutsch-Lstafrika sind schon zu viel Klagelieder gesungen worden, daß wir füglich diesen wertbvollen nnd dock für uns immer mcbr ent- wcrlbctc» Besitz hier außer Betracht lasse» können. I» Kamerun ist cS sonst imincr leidlich gegangen. Die Eiu- nalime» aus den Zöllen waren bisbcr aul, auch die sog. Cuttnr der Eingeborene» schien ganz hübsche Fortschritte zu machen, bis der Uebersall der Balolo das Stillleben slörie. Scho» seit Jahren babou Kanicrnn »uv Togo eine geregelte Verwaltung, und i» ihnen sind außer dom etwaigen Wechsel in den leitenden Personen grundlegende Rtnerungen nicht ;u er warten; bei ihnen handcll cs sich vor Allem uni ein gewisse Stetig keil und Ausdauer in den jetzigen Verhällnisse» und i» den ein- geleiteten Unlcrucbmunge». Eine besondere Slellung unler de» gcnannle» Eelonie» nimmt zkamcru» dadurch ein, daß weder seine West- noch seine Oslgrenzc seit de» Verträgen von >8'.»> neu geregelt uud örtlich seslgelegt ist. Riinnit nach Westen hin Elreßbritaiinie» eine ablehnentc Hallung ein, so bekommt unsere mit Frankreich nach Osten bin vereinbarte Eireuze immer mehr den Eharaller einer »lalheinalischc» Linie ebne praktische» Wcrtb- DaS ursprünglich herrenlose Land zwischen Kamerun nnd dem Eongo wird bereits allgemein als sranzösischcr Besitz angesehen, und selbst aus deutschen Karten, wie i» Andrce's neuem Handatlas, wird das Gebiet vom Eamposluß bis ;»m 5>. Grad nörrl. Breite als zum Ooup, t'rauzuiü gehörig bezeichnet. Weiierbin ist ans dem Kanierungebict keine der beiden Expeditionen im Norden und im Süden mebr tbälig, und vorläufig ist auch nicht abzusche», ob und wann diese sorschendc Tbälig- keit wieder aufgenemmc» werden wird. Tie Asrikaienncr, die prallischen Leule, ziehen sich >n»iicr melir zurück, die Tbcerclikcr behallen das Feld. Wie bedauerlich ist es z. B., daß Or. Zinlzrasf aus dem Rcichsticusle scheidet, nachdem er neun Jahre unter persönlichen Opfern im Hinterlande ge arbeitet bat und mehrere seiner Expeditionen zahlreiche Menschen leben verschlungen habe». Tie Erfolge einer selchen Arbeit sollte man nicht ausgeben; was ma» errungen hat, soll man seslballc», und wenn es auch nicht viel ist, so muß nian doch mit afrikanische» Vcrbällnissen rechnen und einseben lerne», daß so schnell, wie das deutsche Reich, afrikanische Eolonialreiche uicktt entstehen. Eö ist lies bedauerlich, daß der Forschungs- rciscnde weder eine Unterredung mit dem Kaiser noch mit dem Reichskanzler erlangen konnte; hier scheint der Einfluß eines Mannes, der jüngst eine Knsteiircise mit seiner Frau nach Ostafrila unleruabm, unheilvoll gewesen zu sein. Daran, daß sich die deutschen Firmen an- Kamerun znrückziehen werden, glauben wir zwar nicht, aber daß ein solches Gerücht überhaupt austauchcn konute, ist schon bezeichnend für die Lage. AuS Ne »-Guinea ist der Landeshauptmann zurück- berufen nnd die Landeshoheit der Eompagnie wieder übertragen worden. Sonst hat dieser Colonie das vergangene Jahr etwas ErsreulicheS gebracht, nämlich die Aussicht, daß sie mit dem Muttcrlande durch eine vom Reiche unterhaltene Zweigdampscrlinie i» Verbindung gebracht werde. Unter allen Eolonialslaaten war Wohl Deutschland der einzige, der seine entfernten Eolonien ohne eine solche Verbindung ließ, außer dem war eS auch dir höchste Zeit, eine» solchen Plan auszu stellen, denn die Neu - Guinea - Compagnie war entschlossen, wenn sie hierin keine Unterstützung erhielt, daS Schutzgebiet überhaupt auszuaeben. Die Compagnie bebält auch so noch eine drückende Aufgabe, da sie die Verbindung zwischen Kaiser-WilhetinS'Land uud dem Bismarck-Archipel noch ferner hin aufrecht erhalten muß. Die Culluranlage» sind jetzt so weil fortgeschritten, daß einem Gewinn auS dem kostspieligen Schutzgebiete entgegenzusehe» ist. Nachdem im vorigen Jahre sachverständige Teckmiker und geübte Arbeiter nebst Aufsehern von dem Sunda-Archipel dabin gebracht Worten, ist nicht nur ein sachgemäßer Anbau der Hanbclspflanzcn erfolgt, son dern es sind auch alle sonstigen nothwendigen Einrichtungen getrosten, und den neuesten Nachrichten zufolge steht u. a. der Tabak vorzüglich. Biel hat in der letzten Zeit Südwestasrika von sich reden gemacht. Unter den oft gerügten Mängeln, zu denen an erster Stelle die Unklarheit der Bcsitzverhältnisse in Bezug auf Land- und Minenrecktc, die Kämpfe unter den Ein- gcdorcnen geboren, trat namentlich der Mangel einer geord neten Verwaltung bervor. Seit drei Jahren war kein Rcichseoniinissar vorhanden, der an der Spitze der Verwal luug stand und die zweite Instanz in den Streitsachen bildete; dieser Posten war ebenso eonnniffarisch niit einem Nichtfacki- maittl besetzt, wie jener des Berginspectors. Die Bergbebörte ist nun allerdings seit niedreren Monaten mit einem Vorsteher versehe». Doch sind bisher die übrige» Verhältnisse aus dem alten Standpuncte ver blieben. Hierin soll nnn Wandel geschaffen, die Verwaltung umgcordncl und i» allen ihren Dbeilen mit geeigneten Be amte» besetzt werden. DaS würde von um so größerer Be deutung werden, als diese Organisation auch besondere Maß nahme» drinatichcr Art mit sich bringen würde. Es ist eine Reihe von Eoncessioncn anSgegeben worden, darunter die große an die tnglische Gesellschaft, und die Briese, welche >ctzl von dort zu uns kommen, athmen Zuver sicht. Es ist nicht »»möglich, daß gerade dieses Land mit seinem dem Europäer günstigen Klima für die AuS- wailterttiig i» Betracht konimen kann, wenn sich, wie eS scheint, ei» guter Hafen auf deutschem Gebiete finden läßt und der Weg inS Innere abgekürzt oder die Beförderung beschleunigt wird. Auch müssen die Herren HereroS mehr im Zaume gehalten werden. DaS sind zwar viele „wenn", allein deutscher Zähigkeit und Ausdauer ist scheu mehr gelungen. Sind sonach die Aussichten immer noch trübe, so wollen wir doch die Hoffnung nicht sinken lasse». Tie Hauptsache bleibt freilich an der Spitze ein fester Wille und eine starke Hand; die Organe draußen finden dann Rückenbalt und arbeiten mit ui» so größerer Liebe für daS Wohl und di« Ehre de- Vater landes. Deutsches Reich. 88. Berlin, 2. Januar. Tie „Kreuzzcilung" hatte den sächsische» Kammerhcrrn v. Dlninciithal, ans dem conservatirc» Parteitag der Hauptredner gegen die beschlossene Fassung des Programms, soweit eS den Antisemitismus betrifft, als „rasch bekehrten Paulus für sich reclamirt". Sie sicht sich jedoch zur Ausnahme einer Berichtigung gezwungen, auS der das gerade Gegcnthcil von dem hervorgcht, was daS Blatt behauptet hatte. Herr v. Bluinculhal weist das ihm gespendete Lob „echt conscrvativcr Selbstverleugnung" als unverdient zurück, er vcrurthcilt nach wie vor die Streichung dcS die antisemitischen Ausschreitungen verurtheilen- dcn Passus auS dem Programmcntwurs. DaS Einzige was Herr v. Blumcnthal einräumt, ist die Tbatsache, daß die Be schlüsse tcö Parteitags ihn nicht bewogen habender coiiscrvaliven Partei den Rücken zu kehren. Er erklärt, gute Miene zum böse» Spiel machen zu wollen, da an der Sache „nun nickt- mchr zu ändern ist . Die abermalige Begründung seiner Vcrurtbeilung dcS Beschlusses ist sehr hcachlciiSwerth. Herr v. Blumcnthal sinket in Uebereinslimmung mit der von unS vertretenen Ausfassung, daß durch die Streichung jenes Passus gegen die Ausschreitungen der Antisemiten, nachdem er eilimal in den veröffentlichten Entwurf ausgenommen war, die poli tische Partei des Antisemitismus gestärkt und die conservative geschwächt worden sei. Man habe die einzige „Lffcnsiv- Waffc" stumpf gemacht, mit welcher die antisemitischen Angriffe erwidert werden konnten. Man darf auch in der Tbat neu gierig sein, waö bei künftigen Wahlen die konservativen Eandidaten der conservativ gerichteten Antisemiten aus die Frage, warum die Eonservativen überhaupt einen Eandidaten ausstellcn, erwidern werte», nachdem der conscrrativc Parteitag selbst die Ausschreitungen dcSAnrisemillümuL thatsächlich — und in der DiScnssion ausdrücklich — gebilligt hat. Die Rechnung rer „Krciizzcilung", daß die Eonservativen durch ihr neues Programm besonderen antiseniitischen Parieigebilden den Boden abgrabcn würden, erweist sich als falsch. Im Gegen- lheit vertreten die Antisemiten den Etandpunct, daß die conservative Partei nun im politischen Antisemitismus aus- Chicago. WeltauSstellungS-Brief« von Karl Böttcher. (Ortgiuatbericht unseres Kperial-Lorrespondeuten.) Itichtr»« M. CHte««», Jll., 17. Dcccmber. vlv North Clark St. Hier im fernen Westen klopft ein große» goldnr« dcutsche- Hen: dreibundertsünfzigtausend Menschen deutscher Zunge bansen in Chicago. Da flammt die deutsche Liebe, klingt daS deutsche Lied, lacht der deutsche Sport, perlt der echte deutsche Wein und di« eckt« deutsche Thräne.... Und keine Statisteorolle ist eS, welche die« Teutschlhum hier spielt. Bei gewaltigen Unternehmungen — die Deutschen kommen zum Wort. Weithin sichtbare Posten bei der WeltauS- ilellnng — mit Deutschen sind sie besetzt. Angesichts mächtiger Entscheidungen im Staate — die Drutschen werfen ihr Ge- wicht in die Waagschale. Die Wahl Clevcland'S, des neuen Präsidenten — durch die Deutschen wurde sie ermöalicht. Ein .Evch, ein dreifache« Hoch diesem sieghaften Ausbissen der deutschen Fahne! Dabei geschieht deS Guten manchmal zu viel. Ein gleich bochfluthende- deutsches BereinSleben läßt sich schwerlich in einer anderen ausländischen Statt auftreiben, du magst de» ganzen Erdball umkreisen. Es blühen hier 73 deutsche Ge- iangveeelnr — 26 Turnvereine — t2 Militairvereine — 2 «rchützenvereine — IL Geselligkeitsvereine — >4 Kegel club« — to ZithrrclubS. Der unzähligen Logen- nnd Skat- und Etammtischvrreimgunaen gar nickt zu gedenken. . . . Und alle von verteufelt kräftiger Organisation. Die meisten dieser Vereine erfreuen sich eine- AussichtSratb« — er besteht ao« einem halben Dutzend von Mitgliedern — eine« Prifideate« und dann eine« erste», zweite», dritten und vierten Bicepräfidentrn. Nach meinem Geschmack vielleicht rin paar Point« zuviel „Bicrprästdent", aber — vierfach hält besser. Und die deutschen Kneipen in Chicago? In Bataillonen sind sie vorhanden, vom eleganteste» Weinrestaurant an, das sich in irgend einer Hauplsiraßc brüstet, bis herab zur qualmigen Whiskyspelunke enger Schmutzgaffen. . . . Erschrick nicht, mein Leser, wenn ick, gestehe, daß ich diese Kneipen, die Brennpuncte deS Ckicagoer Deutschtbuins, so ziemlich alle durchbuiiuiielt habe. Du weißt, am Schreibtisch «st da« Beobachten socialer Ver hältnisse eine faule Sache. DaS gehl nur inmitten des warmpulsircnden Lebens. Dort, vor den hundertfach verschiedenen, mebr oder weniger prächtigen Schenktischen, jeder von großen Spucknäpsen »m- jagert wie von einer Batterie Kanonenrohre, treffe ick sie zumeist, unsere braven LankSleule. Ta sind jene tvpiscken Auswanderer-Existenzen, die seit ihrer Ankunft in Amerika nacheinander alles Mögliche versuchten, just wir eS die Laune deS Schicksals wollte „DaS sind die Klugen", belehrt mich ein alter PraklicuS. „Hier zu Lande heißt es, die Situation beobachten »nd wacker zugreifen. Drückt sie dir gerate eine Schaufel in die Hand ober eine Kellner-Serviette — gut, dann schaufele oder schwing die Kellner Serviette! Nur arbeite, arbeite! Greifst d» nickt zu. überlegst tu lange — verloren bist du. Und im Ucbrigcn rubig Blut und hübsch warm angczogcn!" Man zeigt mir einen ehemaligen Gymnasiallehrer — er wäscht in einen, Hotel da« Tafelgeschirr; einen ebcnialigcn Ingenieur er streicht Tischbeine a»; einen ehemaligen Theologen — er pappt metcrkobe Reklamezettel an die Mau-rn; einen ehemaligen Millionair — er hepst als Clown auf einer Tingel-Tangel-Bühne herum. Am schlimmsten sind Jene daran, welche, bevor sie festen Fuß fasten, sich auf einen bestimmten Beruf capriciren. . . . Ich mache meinen Besuch auf dem deiilschen Eonsulat. Während ich mich mit dem Conful, He. Bünz, unterhalte, tritt eia Deutscher rin, redneirt vom Wirbel b>S zur Sodle I» fliegender Hast, daun stoßweise, stockend, zitternd, erzählt er eine Jaininergeschichle. Er ist Kaufmann, bat seit Wochen alle vaeantcn KausmaiiiiSslellen abgclausen und nicht« ge funden. Heute gab er seine letzten paar Cent für eine Cable- Bahn-Fabrt nach einem entlegenen Stadtthcil auS. Er traf dort einige neunzig Bewerber, welche schimpfend abzogeu, weil die stelle bereits besetzt war. Jetzt bittet er ui» eine Unterstützung. Er hatte drüben auch das Gymnasium besucht. «Hier sind meine Zciignistr", sagte er schüchtern. „Ich verstehe Französisch, Englisch, Latein nnd Griechisch." „Es wäre besser, Sie verstünden zu barbieren; dann fänden Sie gleich Beschäftigung", erwidert der Eonsul. Er bat damit daS Richtige getrosten. „Tiese trübe Litannei", bemerkt er zu mir, indeß sich dir Thür hinter dem Armen schließt, „wiederholt sich hier den ganzen Tag." — Und erst Leute, welche eine „Kunst" betreiben wollen!... In einer miserablen Spelunke, umgeben von allerhand angetrunkenen, verlotterten Gesellen, treffe ich einen deutschen Sänger mit einer wunderbaren Tenorstiiiinie. Eben singt er, sich auf einer Guitarre begleitend, hinein i» de» Cigarre»- qualm: „Nun sei bedankt, »nein lieber Schwan —Ich Hab' eS lange nickt in solch' künstlerifcher Vollendung gekört. „Mensch! Sternkreiizbombeneleinent! Wie kommen Sie bierber?" frage ich, den VerkehrSlvn dieser WhiSkyspelunle nachahmend. Er glotzt mir mit starrem Auge inS Gesicht. „Hm! — Ja — blasen Sie mir 'mal ordentlich den Marsch! Rütteln Sie mich wieder aus! ES ist vielleicht nvthig." ... „Sic, mit Ihrem Stimm-Material — mit Ihrem Vor trag — ein Künstler — wie können Sie hier, in diesem Loch ..." „Du lieber Gott! ... In Chicago! ... Wa< wollen Sic! Ich bab' fünf Kinder unk eine schwindsüchtige Frau Ta muß«' ich den „Künstler" an den Nagel bange». Jetzt sing' ick jeder Lumpenbandr 'wa« vor, wenn « nur Mammon bringt." Seine magere Hand greift nach dem Gla« WbiSky. Er stürzt e« in einem Zug hinunter. Dann zupft er auf der Guitarre ein paar einleitende Lccorde uud singt da schöne Lied: „Ach Du mein lieber Hei—ne—rtch, El — so Hel—ne—rlch, * So geschwinde tanz' ich »Ich, Et — sa — tanz' ich nlch." Der Nolbbaseii, wo die deutschen schiffbrüchigen Existenzen zuletzt landen, ist die „Deutsche Gesellschaft". Sie sucht zu helfen, soweit es ihr möglich ist. Hier, in diesen Bureau«, deren Pulte seit Jahren foviel zum Wrack gewordene Menschen sahen, zeigt sich die Noth in allen Großen »nd allen Sorten. Eben kommt eine bleich», ausgehungerte Frau mit drei kleinen Kindern an — noch todtmüde von der wochenlange» Meer- und Eisenbahn-Fahrt. Sie will ihre» längst in Chicago weilenden Mann auisuchen, bat aber — seine Adresse vergessen, da» Fundament ihrer hiesigen Existenz. Was haben die Frauen in dieser Welt noch nicht ver gessen! ... Ein kurzes Berathe» der Beamten — dann da» traiirige Resultat: sie muß i»S Armenhaus, bi- der Man» ausfindig gemacht wird. Dazu ist in der Millionenstadt, wo eS kein Meldeamt giebt, freilich wenig Aussicht vorhanden. O des Auswanderer-Elend«, das sich in der „Deutschen Gesellschaft" während der Stunden meiner Beobachtung vor nur aii»b»citel! Bei diesen armen Teufeln —Mulb, Lebens kraft, Uiitcrnehinuiigtliist — Alle- gebrochen. Wie au« ihrem beimaGlichen Bode» gerissene Pflanzen suchen sie verqebeu- im fremden Lande Wurzel z» fassen. Aber »ie eine Klage, nie ein Wort gegen Dich. Deutsch land! Sie tragen die Hcimatb nur um so tiescr im Herzen, je mebr sie in der Fremde schmachten. Deutschland nicht iviederzusehen ist ihr Kummer, Deutschland nicht zu vergessen ihre Freude. Nur Wenige sind eS, die wieder heimkehren können. Wa< sie jetzt hier suchen, ist nicht« weiter als «in Stück Brod und einen warnien Winkel.... Als sie von Deutschland au»- zogen, da sah es ander- au- i» ihren Köpfen Da erfchie» ihnen dabeim Alle« müde, morsch, verstaubt; da spukte «h»e» die neue Well mit ihren neuen Idealen im Hirn ...» Sir haben sie jetzt kennen gelernt, dies« Ideal»!
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