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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.03.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-03-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930315026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893031502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893031502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-03
- Tag1893-03-15
- Monat1893-03
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Zwar gebt nur „Lantcrne" so weit, zu fordern, daß man sie wegen Meineid- und falschen Zeugnisses verfolge und unverzüglich verhafte (!), aber auch die anderen republi kanische» Blätter versagen ihr jeden (Claude». Man gicbt zu, das? sie sehr klug und willenSstark ist, siebt aber »ach Goliard'S Aussage in ihrem Auftreten nur eine mit hoher Schauspielkunst gespielte rührselige Tbcalerrolle. Bar- doux, der schwieg, als Gotiard in seiner (Gegenwart bekannte, derGericktSaustrilt sei von Barboux in Seene gesetzt und Gotiard sowie der Frau Evttu seien sorgsam eingcpaukt worden, schreibt jetzt den Blättern, das sei unwabr. Gotiard und Fran Eottu källe» nur in seiner Gegenwart ihre Auszeichnungen verglichen unr> ihre Erinnerungen wechselseitig gestärkt. „Figaro" ick,reibt, die Re gierung arbeite daran, eine Sage zu schaffen, dir Sage, daß die Panama-Angeklagten ein Ränkcspiel ersonnen bätlen, um die Regierung zu cnlcbrcn, und daß die gewandte Frau Lottu dazu auscrlehe» worden sei, diesen Plan zu verwirkliche». Thatsache ist, daß Frau Eottu vor Gericht »ach den ent rüsteten und überzeugenden Aussagen Bourgeois' keinen günstigen Eindruck mehr machte. Der „Figaro" verlangt, man möge nunmehr den Proccß baldmöglichst zu Lude bringen. Die Vertagung der zweiten Lesung der Gladstoue- scheu Homerule-Bill bis nach de» parlamentarischen Osterferien ist vom NegierungStisch zwar mit vollwichtigen geschäftlichen Gründe» belegt worden, der Beifall jedoch, den die Opposition dieser Ankündigung zollte, sowie die Ent täuschung, welche dadurch in den Reiben der Irländer kervor- gerusen wurde, schließen die Annahme nicht aus, daß auch noch anderweitige Erwägungen aus die dilatorische Sach- bebandlung von Einfluß gewesen sein möchten. Der leitende englische Staatsmann selber macht sich Wohl am wenigsten Illusionen hinsichtlich der Masse der Schwierigkeiten, welche einer glatten Abwickelung der Homerulc-Angelcgenhcit im Wege stehen; dazu kommt sein neuestes Unwohlsein, welckcS an sich ja wenig zu besagen haben mag, dennoch aber in Ansehung teS vorgerückten Lebens alters des Patienten nicht auf die leichte Achsel zu iickme» ist, und endlich muß man berücksichtigen, daß Gladstrnc, wenn er seine UntcrbauSinebrbeit sicher und fest i» der Hand behalten will, darauf Bedacht nehmen muß, deren Interesse an einer möglichst diensteifrigen Unterstützung de» RcgiernngSprogramniS nicht vor der Zeit erkalten zu lasten. Inzwischen bat die Lage im protestantischen Ulster an Schärfe noch nicht« verloren. In de» Bclsaster Blättern wird die Bevölkerung mit den heftigsten Worten zum Wider stande bis aufs Aeußerste ausgcsordert. Wie schon kurz ge meldet, erhielt dieser Tage eine englische Waffcnsirma ans Belfast den Auftrag ans schleunigste Lieferung eines größeren Postens von Martini-Henry-Gewehren, man spricht von >00 »00 Stück. Tie Firma trug begreiflicher Weise Bedenken, diese Ordre so ohne Weiteres zu effectuiren, und theilte den Fall ver StaatSrcgierung mit. Letztere verbot daraus den Abgang jener Wafsensendung »ach dem Bestimmungsorte. In ihrem blinden Wüthcn gegen alles Deutsche sind die Panslawisten in Rußland jetzt dabei angelangt, auch den Namen der russischen Hauptstadt, Petersburg, in „Petro grad" »inzuwandeln. DaS genügt aber Blättern wie der „Nowojc Wremja" noch nicht, denn diese sagt, der russische Mittclpunet liege vorläufig nicht da, wohin er gehöre, nämlich nach Moskau. Jedenfalls sei Moskau der cultur-historische Mittelpunkt, und sobald dieser Gedanke allgemein zum Bewußt sein komme, trete die viel wichtigere Frage aus, „Petersburg oder Moskau", und auftretcn werde sic zweilloS! Nack- Westen könne Rußland nicht weiter geben. Durch den Gang der Ereignisse werte cS nach Süden und Oste» gezogen, durch die sibirische Bahn nähere es sich dem Nullen Ocean. durch die TranSkaSpibabn Mittelasien. Könne man aber sage», daß Rußland in Asien bereits seine Grenzen erreicht bade? Petersburg babc seine Auf» gäbe fast erfüllt. Wen» Rußland die Entwicklung Preußen» zuin geeinigten Deutschland nicht zugelasicn Kälte, wäre der geschichtliche Beruf Petersburgs bereits jetzt erfüllt; so aber müsse cS seinen Wachlkienst beim AuSgaug inS west liche Meer noch fortsctzen. Das sei aber auch die einzige Ausgabe Petersburg-; so bald diese erfüllt sei, kehre eS nach Hause, »ach Moskau zurück, denn die wichtige Aufgabe Ruß lands liegt nicht iin Westen, sondern im Oste». — TaS ist sehr erfreulich zu dörr». Warum sammelt Rußland denn aber seine Truppen iu bedrohlicher Weise an der Westgrenze, wenn cS die Mission im Oste» zu erfüllen hat? Der Metropolit der griechisch-orthodoxen Kirche in Sofia» Msgr. Element, gekört bekanntlich zu den entschiedenen Rlinenfrcllntc», welche Eigenschast er »euerdinaS dadurch be- Ikäligt bat. daß er sekr energisch gegen die Abänderung der bulgarischen Bcrsassung Stellung »abm. Die bulgarische Regierung bal i» Folge dessen kurzen Proccß mit Msgr. Elcnicnl gemacht, indem sie ihn seines Amtes ent setzte und verkästen ließ. Bon Bedeutung ist nun die Stellung, welche in diesem Eonflict der oberste Repräsentant der grieckisch-orlbotoxcn Kirche, der bulgarische Exarch Msgr. Joses, cinnimmt. Nach der„Pol.Eorr." erkielt derselbe durch eine Depesche des BicarS der DiöecscTirnowo KcnntnißvondcmVor- gefallcncn. Gleichzeitig rerstäutiglcn der Depulirte der Stadt Tirnowo und Biecpräsidcnl der Sobranjc, Halatschew,- und einige andere Depulirte aus der Umgebung, ferner die Präseetcn von Tirnowo, Rachowitza, Lcskowitz und mehreren anderen Ortschaften den Exarchen aus telegraphischem Wege von der Enlseriiung des Metropoliten und den Beweggründen zu diesem Acte der BolkSjustiz und balen ibn, die Entsetzung Monsignore Elements definitiv zu bestätigen, über den selben das weitere Verfahren einzuleilcn und die Wahl eines neuen Metropoliten vorzunebinc». TagS darauf erhielt Monsignore Josef eine Zuschrift, welche von nahezu allen Ortövorstehern der Diöccse Tirnowo (mit Ausnahme derjenigen von Gabrowa »nd einigen kleine» Ortschaften) unterzeichnet war »nd worin diese im Name» der Bevölkerung die Erklärung abgaben, daß sie da» Geschckcnc vollkommen billigten und wünschten, Msgr. Element möge entsprechend bestraft und durch einen neuen Metropoliten ersetzt werden Bon dieser Kundgebung machte der Exarch der bulgarischen Regierung mit einer De pesche vom d. M. Millkeilung und drückte gleichzeitig sein Bedauern darüber aus, daß Msgr. Element in einer Predigt die Bevölkerung gegen die bulgarische Regierung anshctzcn wollte. Er erklärte sich bereit, die ansicrvrdcnllichc Synode sofort einzuberusen, welche den Metropoliten nach den canvnischcn Kirchengcsetzen und den Statuten res ExarckartS ciburlbcilcn werde. Ekc dies aber gcschcbc, ersuche er die Regierung, Msgr. Element wieder ans seinen Posten ein- usehen, da die Art und Weise seiner Absetzung und Ein- perrung eine ungesetzliche sei und daöAiischcndcrKirchcundder Regierung schwer schädige Aus dieses Telegramm ist bis heute eine Antwort nicht erfolgt Es ist vorauS;uschc»,daßdic bulgarische Regierung dem Wunsch des Exarchen, de» Metropoliten Element bis zum UrtbeilStpriicke der Synode sreizulassen, nicht entsprechen und auch ikrc Zustimmung zur Einberusung einer außerordentlichen Snnode nicht crtbcilcn werde. Letzteres deshalb nicht, weil sic nicht mit Unrecht befürchten müßte, daß die cinbcrufcnc Synode bei dieser Gclcgenbcil, trotz der passiven Haltung, die der Erarck in der letzten Zeit bezüg lich der geplanten Acndcrung des tz. der Verfassung an genommen bat, dennoch direct oder indircct diese Frage berühren könnte. Tie Freilassung oder Wiedereinsetzung dcS Metro politen Element wird aber, wie man in bulgarischen Politische Tagesschau. * Leipzig, 15. März. Bei dermcrgen beginnenden zweiten Lesung derMilitair- dvrlage in der Eommission deS Reichstags werven, wie verlautet, sormulirte Anträge von Seiten der National- liberalen und endlich auch von Seite» deS EentrumS eingebrachl werden. Tie letzteren sollen neue Gesichlöpuncte darbieten. Gleichwohl glaubt die „Nat.-Lib. Corr." an einem vollständig negativen Ergebniß wenigstens der EommissionS- bcrathung nicht zweifeln zu sollen, vielleicht erlebt man aber doch eine Ueberraschung. Wenn die verbündeten Regierungen nach dem Borbilte der preußischen Regierung und die conservativen Mitglieder der ReichStagScommission nach dem Verbilde der conservativen Partei deS preußischen Abgeordnetenhauses bandeln, so ist eS keineswegs aus geschlossen, daß da» Eentrum auch dann die Zustimmung der Eonservativen und der verbündeten Regierungen sür seine Anträge findet, wenn diese hinter den nationalliberalcn Anträgen wesentlich Zurückbleiben. DaS preußische Abge ordnetenhaus hat nämlich gestern die Wahlrechts- vorlage in zweiter Lesung in allem Wesentlichen nack ter EommissionSfassung gegen die Stimmen der ganzen Linken einschließlich der Freiconservativen angenommen. Es ist jetzt ein Werk einer cvnservaliv - klerikalen Mehrheit gegen die Stimmen der Nationalliberalen, Frei- Evnservativen »„d Freisinnigen. Die schädlichen und bedenk lichen Neuerungen, welche zur Gewinnung deS EentrumS an der Regierungsvorlage vorgenomme» wurden, bestehen haupt sächlich in der Beschränkung der Anrechnung teS Einkommen- sleuerbetrages bei der Bildung der Abtheilungen auf 2000 und in der besonderen Dreithriluna in jedem einzelnen Ur- wahlbezirk größerer Gemeinden. Ter Antrag der National liberalen auf Streichung dieser Neuerungen wurde vom Eentrum und den Eonservativen abgelehnt. Die Folgen werte» sich namentlich in den Gemeindevertretungen am Rhein zeigen, wo die ultramontane Partei mehr als bisher da« Uebergewichl erlangen wird. Bei diesem Eom- promiß mitgeholsen zu haben, zeugt wiedervon derKurzsichtigkeit der conservativen Partei und ihrer untilgbaren Neigung, dem Eentrum Vorspanndienste zu leisten. DaSEompromitz erscheint m einer um so seltsameren Beleuchtung, al« gleichzeitig die Mehrheit der CentrumSpartri für alle deutfchsreisiuaigen Anträge einschließlich der Einführung deS No-.chStagswahl- rcchtS stimmte. Es ertönten dann auch laute Zwischenrufe: „Wo bleibt daS Eompromiß?" ES schien, als ob auch vielen Eonservativen eine Ahnung aufdämmcre, daß sie sich da wieder einmal auf einen Abweg hatten verführen lasse». Die preußische Regierung schien eine besonders große Mehrheit zu wünschen: nun >a, sie hat die Ullramontanen gewonnen oder vielmehr sich von den Ullramontanen gewinnen lassen und die jMittelpartcicn dafür abgestoßen. DaS Eentrum soll angeblich im Fall der Ablehnung seiner Wünsche in der WahlrechtSsrage entschlossen gewesen sein, gegen die Steuervorlagen zu stimmen. Wir bezweifeln das wegen naheliegender Interessen der Centrumswähler. Aber selbst wenn eS der Fall wäre, so wären die Steuervorlagen ebenso wie die WahlrechtSvorlage aller Voraussicht nach mit einer conservrtiv-nationalliberalen Mehrheit zu Stande gekommen. Aber das Eentrum muß ja heutzutage überall dabei sein, auch wenn man ihm ganz gut den Laufpaß geben könnte. Und da e« auS rein sachlichen und patriotischen Beweg gründen nichts thut, sondern stets ein Trinkgeld verlangt, wird es eben „geschmiert", und man stößt lieber die zur Stütze de» Staats naturgemäß berufenen Parteien vor den Kops. Wird diese Praxis auch im Reiche und zwar zunächst in der Militaircommissivn eingebürgert, so ist es gar nickt unwahrscheinlich, daß weitergehcnde nalionalliberale Anträge re» den Eonservativen und dem Reichskanzler abgclebnt werden, minderwcrthige Anträge deS EentrumS die Zu stimmung der Eonservativen und der RegierungSvcrtreter finden und die klerikalen Antragsteller obendrein durch einzelstaat Feuilleton. Ums Geld. 17j Novelle von A. Heyl. Nachteil« verboten. «Fortsetzung.) Annita horchte auf; die Stimme war ihr wohlbekannt. Die clezanle Dame, welche da in einem rosa AtlaSkleid auS Betty s Garderobe stolz vor dem Spiegel hin- und herschritt und vor Bewunderung der eigenen Perlon nicht hörte und sah, was »ni sie vorging, war Elsa, das Zimmermädchen. Empört über die Frechheit der neuen Dienerin, trat Annita Roland rasch aus dieselbe zu und rief mit zürnender Stimme: „Was unter stehen Sic sich hier, Elsa?" Die auf der That Ertappte wandte sich erschreckt um, erholte sich aber schnell von der unangenehmen Ueberraschung und er widerte kalb entschuldigend, halb trotzig: „Ich thuc, was mir mein gnädiges Fräulein erlaubt hat." „Sie sind sehr unverschämt, daS zu behaupten", entgegncte Annita mit steigender Heftigkeit. „Meine Cousine kann den Dienstboten solche Rechte nicht bewilligen." „Warum denn nicht?" fragte Elsa, da» Fräulein vom Kopf bis zu den Füßen mit impertinenten Blicken messend. „Mein gnädiges Fräulein kann thun und lasten, was ihm be liebt und das gebt Sic gar nichts an." „Da- geht mich sehr viel an", versetzte diese, ihren Zorn mühsam bemcisternd. „Augenblicklich legen Sie diese Kleider und dieses Geschmeide ab und verlassen dieses Zimmer, daS ich verschließen werde." „DaS Sie verschließen werden", wiederholte Elsa aämisch, die junge Dame in Wort und Miene nachäffend. .Ei der Tausend, man könnte fast denken, Sie wären Herrin im Hause anstatt Fräulein Betty. Wenn ick auch nur ein Tienstbote bin. so verdiene ich mir mein Brod ehrlich mit meiner Hände Arbeit, und davon habe ich jedenfalls mehr Ruhm, als wenn ich fanllcnzen und bei reichen Verwandten da« Gnadenbrod essen würde." liche Eoncessionen „entschädigt" werden, die für den Ultra- montaniSinnS ebenso weribvoll, wenn nicht werthvoller sind, als die Aufhebung deS IesuilengesctzeS. Zu der Bevorzugung, deren das Eentrum sich zu er freuen bat, siebe» im ausfälligsten Gegensätze die mit jedem Tage sich mehrenden Svmplome einer Zersetzung, die im ultramontanen Lager sich vollzieht und daS Eentrum zu einem sehr »»zuverlässigen Bundesgenossen macht. Im Wahlkreise ArnSberg-Mesckeke, wo am 20. d. M. die Ersatzwahl zum Reichstag startfindet, wird eS anscheinend, trotz der größte» Anstrengungen, der EcntrumSlciluiig nicht gelingen, die wilde Eanditatur dcS Klerikal-Demckrate» FuSangcl zu unterdrücken und die Wähler mit den „sauerläudischeu Dick schädeln", wie sich eine klerikale Stimme neulich auSdrückte, zur Unterwerfung unter die EentrumSanordnungen zu be wegen. Vielmehr stimmen alle Berichte überein, daß die Eandidalur FuSangel aufrecht erhalten wird »nd nahezu sichere Aussichten bat, durchzudriugen. Als neulich in Frcdeburg ein Geistlicher von der Kanzel (!) herab den osficiellen CenlrnmScandidaten empsakl, verließen die zahlreichen Anhänger FuSangct'S die Kirche und der NackmittagSgotteSdienst war nur von drei Männer» bcsuckt. Nebenbei bemerkt, ist diese Wahlagitation von der Kanzel herab wieder ein Beweis, was daS Centrum. das sonst sich nicht genug in heuchlerischem Eifer für die Wahlfreiheit er hitzen kann und in Entrüstung gerätb, wenn einmal ein Beamter in einer Fabrik oder einem Bergwerk sich eine Unachörigkeit bei der Wabl zu Sckulden kommen läßt, waS diese Partei für ihre eigenen Wablzwecke erlaubt hält. — Wie in Arnsberg tauchen auch in andern erledigten RcichS- tagSwablkreisen Doppelcandidaturen des EentrumS vom rechten und linken Flügel auf. In Dortmund wird Herr von Schorlemcr-Alst und zugleich Rcdacteur Lcnsing aus gestellt; Erstercr ist für, Letzterer gegen die Militair- vorlage. An- dem durch den Tod de» Adg. Bödikcr erledigten ReickStagSwahlkrciS Mülheim-Wippersürtb- GummerSbach schreibt selbst die klerikale „Köln. VotkS- zeitung": „Anscheinend ist auch da nicht Alle- in Ordnung. Wir schließen daS auS dem Umstande, daß bereits mehrere Eandidaten in den Blättern genannt werden. Wir lehnen r« ab, irgendwelche Eandibatur zu erwähnen, ehe und bevor nickt da» WabteomiG der in Betrackt kommenden Wahlkreise, wohlverstanden daS aus allen drei Kreisen gebildete Wahl- ccniitö, über die Eandidatcnfrage Beschluß gefaßt hat." Nack allen beute cingelauscncn Nachrichten bat eS die gegenwärtige französische Regierung noch einmal ver standen, die öffentliche Meinung auf ihre Seite zu bringen. Ohne Zweifel bat die Energie, mit welcher der bisherige Iustizministcr Bourgeois in dem Zwischenfall Eottu Soinoury ausgetreten ist und die gegen ihn erhobenen An schuldigungen zu nickte gemackt hat, dazu viel bcigctragc». Säiiimtlicke dem jetzige» Regime feindlickeii Parteien: die Monarckistc», die conservativen Eonstilnlionellen, die Ultraradicalcn, die boulangistiscken Demagogen und die Revolutionaire, batten sich znm Sturze des Eabinets ver einigt. Dem Ministerium ist eS aber gelungen, den Angriff abzuschlagen, weil jetzt allzu sehr ersicktlick wird, daß der Panama-Proceß zur Kriegsmaschine gegen die Republik geworden ist, weshalb die republikanische Majorität sich geschlossen um die Regierung schaaren mußte. Die Angriffe der Opposition gegen die Regierung übersteigen denn auch alles Dagcwesenc. Diese Blätter kündigen zugleich neue, noch schlimmere Enthüllungen jener Parteien vor dem Schwur gerichte an. Die Republikaner fordern ihrerseits die Einleitung de» TiSciplinarvcrfabrenS gegen Bardoux, den Bertbcidiger von Lcsseps, den sic beschiildsgen, zu politischen Zwecken den Zwischenfall Eottu „arrangirt" zu baden. In politischen Kreisen wird das Auftreten Eavaignac'S lebhaft besprochen. Bielfach herrscht die Ansicht, daß dadurch zahl Nachdem das kecke Mädchen diese Worte mit Nackdruck gcsprockcn, blickte sie spöttisch auf die Dame herab, um den Eindruck zu beobachten, den dieselben auf sic machen würden. Zu ihrem großen Erstaunen war die Wirkung eine ganz andere, als Elsa erwartete; denn daS Fräulein schien davon belustigt; ein kurzes, eigenthllmlichcS Lachen deutele zum wenigsten darauf hin; sie maß die Magd mit einem Blick, vor dem diese die Wimper senkte, »nd verließ das Ziniincr mit den Worten: „Schon reckt, daS Weitere wird sick finden." Wäre sic über die Impertinenz außer Fassung ge- ratben, so hätte sie damit der gemeinen Seele eine» Triumph bereitet; die vornchme Ruhe jedoch, mit welcher Annita die Unverschämtheit der Dienerin ausnaki», vcrnrsachtc dieser unbehagliche Gefühle. Der Trotz wich einer unbestimmten Angst, sie könne Annita'S Stellung nntersckätzt und sich durch ihre Ungezogenheit ernste Unannehmlichkeiten zngezogcn, viel leicht ihre «stelle ans- Spiel gesetzt haben. Acrgerlich legte sic die Prunkgewänder wieder ab, warf die Kostbarkeiten zornig in de» Schrein, Holle Hauskleid und ArbeitSsckürze aus dem Winkel hervor und drehte dem Spiegel den Rücken. Annita war unterdessen hinabgestiegen, und stand nun in der weiten, düster» Tborballc, unschlüssig, ob sie den Gang über die Straße einscklagcn, oder den einsamen Weg wählen solle, der über den Hos durch den ehemaligen Klostergarlen nach einem Fußpfade führte, welcher, mit dibtcn Brombeerbecken cingesaßt, sich bergan zwischen Gärten und Feldern »ack der Villa Elermont hinzog. Darling, der ihr gefolgt war, blieb eS Vorbehalten, die Entscheidung zu treffen Er scknupperte am Boden hin und her, als ob er etwas suchen wolle, und sprang dann plötzlich, Helle Frrudcntönc auSstoßend, mit mäch tigen Sätzen durch daS offene Tbor in den Hof. Neugierig folgte sie dem Hunde und sah z» ihrem großen Erstaune» am entgegen gesetzten Ende de» großen Hofes Doctor Falk, inmitten einer Gruppe Hausbewohner, unter welchen die Mitglieder der Familie Knicker zahlreich vertreten waren, eifrig bemüht, eine alte Frau, die vor einer Viertelstunde ohnmächtig zusammcn- gestürzt war, rum Bewußtsein zu bringen. Gerne wäre sic wieder umgekehrt: doch daS ging nun nickt mehr an, da man sie bereit- bemerkt batte. Falk, durck Darling « stürmisckc Begrüßung ansmerksam gemacht, wandte sich um, erkannte sofort die Dame seiner Gedanken, verbeugte sich tief vor ihr und wandte dann seine Sorgfalt wieder dem kranke» Weibe zu. Annita überlegte, daß es anffallcn würde, wenn sie fern bliebe oder tkcilnakmloS vorübcrginge; sie nahm alle Kraft, allen Stolz zu Hilfe und schritt hochklopsende» Herzens auf die Gruppe zu. „Ist hier ein Unglück geschehen?" fragte sie Frau Knicker, die mit inürrisckem Gesichte seitwärts stand und müßig zu sah, wie sich der Doctor abmüblc. „Ah, bah, machte diese verächtlich. „Ich behaupte, die Person hat wieder einen Rausch, und wen» inan sic ruhig liegen ließe, würde sie schon zur Besinnung kommen, sobald sie denselben verschlafen bat." „Kennen Sie die Frau, ist sic arm?" erkundigte sich Annita, »ach der Geldbörse greifend. „Die verdient Geld genug, aber sie vertrinkt Alles. Sie ist eine Luiiipcnsainnilcrin, in der ganzen Stadt linier dem Namen die „Lnmpenstine" bekannt. Sie kommt öfters z» uns inS HauS, um alle Hadern, auch Knochen, zu kaufen, und nimmt mit Vorliebe den Weg durch den Garten, so auch heute. Die Kinder, welche im Hof spielte», sahen sie eintreten und zusamnienstUrze». Darüber crsckrcckt, erhöbe» sie ein mördcrisckeS Geschrei. Wer in der Nähe war, eilte bcrzu, auch Herr Doctor Falk, der sich nun sckon eine Viertelstunde mit der Stine beschäftigt. Ick sage aber noch einmal, eS ist vergebliche Mühe, sic hat zu viel Bräunt wein getrunken." „DaS lügst Du in Deinen HalS", ries Stine. die allmälig :»m Bewußtsein gekommen war und den letzten Tbeil der Rede mit angehört hatte. „Du weißt sehr wohl, wie trank mein Kopf ist, seitdem Ihr mich in jener Nacht für tokt auS dem Keller getragen habt, warte nur —" Frau Knicker suchte sie - am Weiterredcn zu verhindern, indem sie näher trat, sich zu ihr niedcrbeugle und sich be mühte, die Erzürnte zu begütigen. „ES war nicht fo böse gemeint, Stine. Jeder Mensch trinkt einmal über den Durst" „DaS nimmt sic von sich ab", warf Stine boshaft hin. »nd sich zum Doctor wendend, sagte sic: „Ich danke Ihne» für Ihren Beistand; ich will jetzt versuchen, mich weiter zu schleppen. Mir ist nickt nickr zu helfen, ich Hab' meinen Theil in jener Nackt ans den Kopf gekriegt." Falk borckte ans. Die Nackt, der Keller, daS Straßen schild, der Mark unk Bein durchdringende Schrei, den sie Alle gekört halten, die alte Stine mit dem kranken Kopf, sollte daS in irgend einem Ziisamnienhang sieben? Er erlaubte sich einige diesbezügliche Fragen, »in der Sacke auf die Spur zu komme». Stine schien die Sache zu durchschauen, wurde wortkarg, sab de» Fragesteller mißtrauisch a», »uv auf sein Anerbieten, sie möge zu ikm komme», daniil er ibrcn Kops ilntcrsuchc» und ihr ei» Heilmittel verschreiben könne, versetzte sie kurz: „Ich habe kein Geld zum Doctorircu." „ES kostet nicht-", versicherte er. „kommen Sie nur." „Warten Sic nicht auf mich, wenn Sic etwas Besseres z» tbnn haben", brummte sic. „Ick halte nichts auf Ihre Kunst; die Doctore» helfen den Leuten vom Geld, aber nickt von der Krankheit. Wenn mir was wck thut, dann hole ick mir Rath beim Schinder, der versteht mehr, al» Ihr alle zusammen" „Wie Sic wollen", antwortete der Arzt gleichmütbig, indem er die Uinstckendcn grüßte »nd dann mit großen Tckrilten Annita Roland nackging, die bereits den Garten- ptad cmporsticg Jetzt war er an ihrer Oritc, ihr scheuer Blick streifte sei» Gefickt kaum eine Sceunde, sie er widerte seine artige Begrüßung mit kaum merklichem Neigen des Kopse« »nd kalte Müde, das Zittern ikrcr Stimme z» bcineislern, als sic ans seine srcnndlicko Anfrage, ob cs ibni gestattet sei, sie eine kurze Strecke zu begleiten, der Höflichkeit gemäß erwidern mußte, cS würde ihr die» Vergnügen macken. „Ick bin erstaunt, Sic »in diese Zeit liier zu treffen, Herr Doctor". knb Annita an, nackdcm sic eine Weile schweigend neben einander bcrgcgangcn waren. „Warm» haben Sie Ihr Vorhaben nickt ansgeführt?" „Welche- Vorhaben?" fragte er erstaunt. Sic sab ikn forschend an. „Ihr Vorhaben, beule Nach mittag in Gesellschaft von Herrn »nd Fräulein Snkow und viel anderer liebenswürdiger Leute die Partie »ach der Schwancninscl mitzuniachen."
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