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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.01.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-01-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950119025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895011902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895011902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-01
- Tag1895-01-19
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Bis zum vorigen Jahre hatte Faure nur Aemter zweiter Ordnung verwaltet, wie in den l880cr Jahren das Unterskaatssecretariat »n Handels- und im Colonialministerium: unter Dupuy's Ministerpräsidentschaft erhielt er allerdings das Marineministerium, indessen ist er auch in diesem Amte zu wenig vor das allgemeine Publicum getreten, als daß man in ihm einen der leitenden Männer Frankreichs gesehen hätte. Er war einfach Fachminister; aber er nahm sein Amt sehr ernst und verwaltete es, wie Fachleute bezeugen werden, mit großem Geschick. Denn Seemann ist Faure von Hause aus, zwar in Paris geboren (1842), aber in Havre als Kaufmann und Schiffs- rheder ansässig. Frühzeitig bethätigte er sich im öffentlichen Leben in der Weite, die dem Kaufmann am besten fruchtet: er nahm regen Antheil an den Berathnngen der Handels kammer und ward zur Anerkennung dafür zum Mitglied des Handelsgerichts gewählt. DaS Jahr 1870 fand ihn aus dem Pfade der vaterländischen Pflicht: Faure ward zum Commandeur des 6. mobilen Bataillons des Departements Seine-Jnf6rieure ernannt, um bald darauf zum Schwavrons- cbef im Generalstabe der Hilfsarmee aufzurücken. Noch in jugendlichem Alter wurde er Beigeordneter des Bürger» Meisters von Havre und im Jahre l88l sandte ihm diese Stadt in die Abgeordnetenkammer. Schon im November 1881 hatte sein Ruf als Geschäftsredner sich soweit gefestigt, daß er im „großen Ministerium" Gambetta'S das UnterstaatS- secretariat des Handels- und Colonialministeriums erhielt. In dem Ministerium Ferry übernahm er dann das Unter- siaatSsecretariat im Ministerium für Marine und Colonien. Seine Parteirichtung bekundete er dadurch, daß er sich in die republikanische Union, die Gruppe der Opportunisten, auf nehmen lies. Faure batte sich als parlamentarischer Berichterstatter u. A. über das Budget des Handelsministeriums, dann durch einige Reden über das Consulatswesen und die Postdampferdiensle in der Kammer schon einen Ruf erworben, ehe er mit mehr Nachdruck an die nationale Marine berantrat. Er ist für eine zeitgemäße Socialpolitik und bat schon vor vielen Jahren einen Gesetzentwurf über die Haftpflicht für Betriebsunfälle ausgearbeitet. Wie sein bisheriger College Hanoteaux, ist Faure ein eifriger Colonialpolitiker. In seinem Wahlkreis Havre hat Felix Faure, wie die „K. Ztg." in Erinnerung bringt, am 5. November 1893 eine Rede gehalten, die unter den heutigen Umständen be sonders bemcrkenswerth erscheint und gewissermaßen als das persönliche Regierungsprogramm deS neuen Präsidenten gelten kann. Der Redner erklärt sich im Eingang als einen gut liberalen Republikaner und zieht alsbald gegen den Radi» caliSmuS zu Felde, der goldene Berge verspreche und nichts halte, der u. A. die Trennung von Kirche und Staat in Aus sicht stelle und sie nicht einmal dann vollziehe, wenn «in bei nahe einstimmig radicale» Cabinet am Ruder sei. Faure ver langt eine starkeRegierung und versteht darunter: eine Versamm- lung von Männern, die, wenn nicht denselben AusgangSpunct, so doch dieselben Bestrebungen baden und ein gemeinsames Pro gramm, zu dessen Erfüllung sie ihre Mitwirkung und ihre Action ehrlich beibrinaen, ohne Hintergedanken, unter Anwendung einer genau bestimmten Politik, die Jedermann verständlich ist und von den Beamten eine offene und ehrliche Haltung fordert." Eben darüber klagt Redner, daß die Beamten sich der Regierung nicht fügen, daß hier der Präfect ein ruhiges, liberales Regiment führt, während die klnterpräfecten andern Strebungen nachgeben, daß sogar Beamte sich um die Be friedigung der Regierung kümmern, die da kommen wird, nicht derienigen, die da ist: eine wahre Anarchie, wovon das Land nichts mehr wissen wolle. Reckt eigenthüinlich, volkötbümlich sind folgende Aeuße- rungen über Frankreichs Vermögenspolitik, aus der sich die auswärtige Politik aufbauen soll: „Wir haben Recht, stolz darauf zu sein, daß die Republik nach zwanzigjährigen Be mühungen in der Welt eine der ersten Stellen einnimmt, wie es ihr zukommt. Wir wünschen uns Glück, und zwar im Interesse des Friedens und der Eultur, zu den Bündnissen, die uns geworden sind. Aber, meine Herren, diese Bündnisse verdanken wir nicht den Feinheiten der Diplomatie, sondern dem „wollenen Strumpf" (worin der französische Bauer seine Ersparnisse zu verwahren pflegt). Dank den arbeitsamen und sparsamen Eigenschaften des französischen Volkes haben wir vor zwanzig Jahren unser Gebiet von der Anwesenheit deS Feindes befreit, haben alsdann unsere Grenzen neu befestigt und unser Heer umgestaltet, haben uns endlich einen großen Finanzmarkl erhalten, der uns in die Lage setzen soll, den uns befreundeten Mächten eine werthvolle Hilfe angedeihen zu lassen. Bergessen wir es nicht, am Ende des neun zehnten Jahrhunderts ist das finanzielle Gewicht, der Reich thum eines Landes von entscheidendem Gewicht in der Waage der Weltpolitik. Darum sollen wir nach Kräften bestrebt sem, unsere Förderungsmittet zu erhöhen, unsere Finanzmacht zu er weitern, und darum werden wir mit der äußersten Thatkrasl alle Lehren bekämpfen, die daS Capital einzuschüchtern geeignet sind." Faure hält sogar die Einkommensteuer für eine wirlh- schaftlich bedenkliche Neuerung. Im weiteren Zusammenhänge gelangt der Redner zu einer unverblümten Kriegserklärung gegen die socialistisckcn Hetzer und schließt mit den Worten: „Ja, eben im Interesse der Arbeiter muß man diesen Hetzereien gegen das Capital widerstehen, das ja weiter nichts ist, als die Ersparnisse der kleinen Leute. Wenn zum Unglück diese Ver suche dahin führten, das angesammelte Capital, das in der Bildung begriffene Capital zu ängstigen, dann wäre es auS mit aller Anregung, dann würden unsere industriellen Kräfte aus einandergeben, es wäre daS Ende aller Unternehmungen; und damit müßte unsere Herstellung von Werthen abnehmen und die Löhne müßten sinken. Das hieße auch unstreitig die Auswanderung des Capitals veranlassen und unserer finanziellen Macht einen ernsten Stoß versetzen, mithin die erzielten Ergebnisse in Frage stellen und die Gefahr lanfen, Frankreich um die Stellung zu bringen, die eS sich in der Welt wiedererobert hat." Es ist somit zu begreifen, daß die Socialisten gleich die erste Gelegenheit, nämlich die Wahl selbst, benutzt haben, um dem neuen Präsidenten ihre lärmende Unzufriedenheit kundzulhun. Tie Wahl Felix Faure'S würde gewiß als eine äußerst glückliche Inspiration bezeichnet werden dürfen, wenn in Frank reich normale Verhältnisse herrschten. Der bisherige Marine minister besitzt zweifellos Eigenschaften, die seine Persönlichkeit als in jeder Hinsicht sympathisch erscheinen lassen. Er gilt als Vertreter des Princips der Versöhnung, und an Gelegenheit, diesen Grundsatz geltend zu macken, wird es ihm nicht fehlen, denn der Riß, der durch die französische Nation geht, klafft heute breiter als je zuvor. Royalisten und Socialrevolutionaire haben ihren unversöhnlichen Gegensatz untereinander und wider die bestehenden Staatseinrichlungen während des Wahl aktes in Versailles und nach Schluß desselben in lärmendster Weise an den Tag gelegt. Es ist dort bei Weitem erregter und tumultuarischer zugegangen, als bei der Wahl Perier's, und Titulaturen wie „Dieb", „alter Schurke" re. schwirrten durch die Lust, eS war ein unwürdiges, beklagenswerthes Schauspiel. Eonservative und Socialisten hassen einander aufs Tödtlichste, aber noch stärker als ihr Haß ist ihre Enttäuschung ob des Wahlergebnisses, so daß man schon jetzt mit Gewißheit annehmen kann, daß der neue Präsident Felix Faure den politischen Kampf um die Erhaltung und die weitere Aus bildung der bestehenden Staatseinrichlungen mit doppelter Front, gegen die Umsturzelemente der äußersten Linken wie der äußersten Rechten, wird führen müssen. Von diesen erklärten Feindschaften abgesehen, ist ja augenblicklich die Situation in Frankreich ganz hoffnungsvoll. Es hatte wie eine bleierne Last auf der Volksseele gelegen, daß der Sturz des Ministeriums Dupuy in Verbindung mit dem Rücktritt Casimir-Perier's bereits den Anfang des Endes einleiten könnte. Tie kleber- tragung des höchsten Staatsamtes auf eine Persönlichkeit der mittleren politischen Verbaltungslinie hat deshalb für den Augenblick entschieden beruhigend gewirkt. Aber so war eS auch nach Perier's Wahl, und nirgends vollziehen sich Stimmungsumschläge plötzlicher und launenhafter, als gerade in Frankreich. Der neue Präsident mag die besten Absichten haben und vom aufrichtigsten Willen beseelt sein, indeß die heftigsten Angriffe und ärgsten Enttäuschungen werden ihm nicht er spart bleiben, wenn er seine politische Action erst eröffnet haben wird. Die innere Zersetzung ist eben schon zu weit vorgeschritten, als daß sie mit Hausmittelchen zu curiren wäre. Eine Politik der Versöhnung kann Wunver thun, wenn Parteien und Verhältnisse sich versöhnen lassen wollen, die socialrevolutionaire Gefahr ließe sich ja am Ende noch beschwören, wenn alle staatserhaltenden Kreise und Parteien einig und geschlossen für Verlheidigung der staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung eintreten wollten. So lange aber Einer den Andern mit Nkißtrauen beobachtet, seine eigene Auf fassung von den Aufgaben des Staates nur den Gesichts punkten deS persönlichen ober parteitaktischen Eigennutzes unler- ordnet uud wenig darnach fragt, ob er die Geschäfte der Umsturzmänner befolgen hilft, wenn er nur einem unbequemen Concurrenten den Weg verlegen kann, so lange ist Mühe und Arbeit verloren. Wenn die tonangebenden Parteien aus eigener Kraft einer sittlichen Wiedergeburt fähig wären, hätte sich schon längst die Reaktion gegen den socialdemokratisch- anarchistischen Hexeusabbalh mit unwiderstehlicher Gewalt zur Geltung gebracht. Da daS aber ausgeschlossen erscheint, so beruht die Hoffnung, der schwebenven Krise auf glimpfliche Art Herr zu werden, nur in dem Hervortreten einer mit dominirenden Charaktereigenschaften begabten Persönlichkeit. Frankreich braucht einen Mann, der Freund und Feind imponirt und allen seiner Willensmeinung aufsässigen Politikern den Daumen aufs Auge drückt. Nach Carnot's Ermordung glaubte man in Casimir-Perier einen solchen Retter des Vaterlandes gesunden zu haben. Er verzweifelte an der Möglichkeit der Rettung. Wird sein Nachfolger an der Spitze des Staates dieser gesuchte Mann sein ? Wenn ja, so mag Frankreich und Europa sich beruhigen; wenn nein, so hat die parlamentarische Republik nur eine Galgenfrist vor sich und niag nur immer ihr Haus bestellen. DaS Frühjahr steht vor der Thür, und seine Stürme sind für Frankreich schon manches Mal verhängnißvoll gewesen — man denke an die Februarrevolution und die blutigen März tage der Commune. Als den Erben ihrer Traditionen be trachtet sich der Anarchismus. Politische Tages schau. * Leipzig, 19. Januar. Während der Reichstag vor leeren Bänken die Novelle zum Gerichtsverfassungsgesetze und zur Straf- rroceßordnung berät!,, welche die wünschenSwerthe gründ liche und eingehende Prüfung nur in der Commission finden kann und daher, trotz ihrer Wichtigkeit, im Plenum sowohl, wie in der Wählerschaft kühler Theilnahmlosigkeit begegnet, erörtert man in Abgeordnetenkreisen und in der Presse eifrig die Frage, ob derBundeSrath diesmal dem CcntrumSantrage auf Aufhebung deS Jesuitengesetzes geneigter sein werde, als im verflossenen Jabre. Die Meinungen darüber sind getbeilt; mit derselben Bestimmtheit, mit welcher von einer Seite behauptet wird, der Bundesrath werde bei seiner ablehnenden Haltung verharren, wird von der anderen Seite versichert, der Bundesrath werde es gern sehen, wenn er durch eine Reichstagsmajorität zur Aufhebung des Jesuiten gesetzes gedrängt werde, da er die Unterstützung des Centrums bei der Umsturzvorlage nicht entbehren könne. Wie es scheint, liegt die Wahrheit in der Mitte und würde man es in BundesrathSkreisen gern sehen, wenn der Reichstag diesmal die Aufhebung des tz. 1 des Gesetzes ab- lebnte, aber dem Anträge Rickert gemäß, den ß. 2 — Aus weisung und Jnternirung von Mitgliedern des Jesuiten ordens — zu beseitigen beschlöße. Daraus läßt eine an scheinend osficiöse Correspondenz schließen, in der eS heißt: „Es ist nicht ausgeschlossen, daß diesmal die dritte Berathung des Gesetzentwurfs einen anderen Verlauf nimmt (als im vorigen Jahre). Wenn daS Centrum in erster Linie an seinem Anträge sesthiett, sich aber bereit erklärte, im Falle der Ablehnung des Antrags für den Antrag Rickert zu stimmen, der nur den 8. 2 des Gesetzes ausheben will, so kann man darin den Vorbehalt sehen, in einem späteren Stadium den Antrag Rickert freundlicher zn behandeln. Für eine Partei, die mit dem, was möglich ist, rechnet, läge es nahe, den Versuch zu machen, wenigstens die Beseitigung dieser Ausnahmebestimmung herbeizusühren. In der Thal hat der Abg. Lieber erklärt, daß dos Centrum sich für die dritte Lesung freie Hand Vorbehalte. In dieser hat das Centrum es in der Hand, die Mehrheit für die Aufhebung des 8. 2 zn schaffen, indem es selbst dafür stimmt. Mit den nationalliberalen Befürwortern des Antrags, in deren Namen der Abg. Friedberg sprach, und der Linken wäre die Mehrheit fertig." In einem anderen, anscheinend gleichfalls officiösen Artikel, wird durch Hinweis daraus, daß auch nach der Aufhebung des tz. 2 die ausländischen Jesuiten ausgewiesen werden könnten, gleichfalls Stimmung für den Antrag Rickert zu machen gesucht. Welche Folgen die Annahme dieses Antrags durch Reichstag und Bundesrath haben würde, haben wir bereits dargelegt: der Jesuitenorden würde nicht dem Namen nach, aber in der Thal sich wieder einbürgern. Trotzdem würden wir uns nicht wundern, wenn es so käme. Der kürzlich von unserem Berliner 42 - Corresponbrnten besprochene Vorschlag der „Germania", eine Steigerung -cs (KctrciLepreises durch gesetzliche Einführung einer Ver brauchs- beziehungsweise Verkehrs st euer herbeizuführen, bat die Hoffnung der ,^kreuzzeitung", daß das Centrum fick, am Ende doch noch für den bekannten Antrag Kanitz auf Berstaatkichu ng oder Contingentirung der Getreide- einfuhr erwärmen werde, neu belebt. DaS Blatt sucht an Farrillaton. Graf Jarl. 16> Roman von Hermann Heiberg. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) „Nein, es giebt keinen, wie den Herrn Grafen, Sie sollten bloS hören?" „Der beste Mensch hat Gegner, Nclly. Der Mund spricht, daS Herz eifert anders —" „So fragen Sie doch giitigst, Herr Gras!" Hören Sie selbst!" „Ich komme einmal wieder ber, Nelly, da meine Schwester hier vorläufig noch wohnen bleibt." „Das ist auch unser Aller Trost!" „Nun denn, stoßen wir an, Nelly." Hachmann aber hatte sich erhoben und ließ in bewegten Worten den Grasen leben. Auch auf die unvergleichliche, ehemalige Schloßherrin, Comtesse Eleonore, trank er sein GlaS aus. Eine Weile später zog sich Eleonore zurück; und gegen zwei Uhr waren von der Dienerschaft die letzten Lichter auS- gelvscht. Nun hatte der Mond sein Lichtreich ganz allein für sich Als Gras Adam um acht Uhr von seinem Ritt zurück kehrte und nach Weckfel seiner Toilette sich zum Frühstück niedersetzte, fand er zwei Briefe, einen von Eva und einen von der Gräfin Kalte, deren Lectüre ihn ausS Aeußerste be schäftigte, aber auch den Entschluß in ihm reifte, so bald wie möglich nach Berlin znriickzukehren. Eva schrieb kurz: „Tausend Dank, mein lieber, theurcr Onkel. Dein Brief war meine Erlösung auS schwerster Oual, obschon, seitdem ich Dir schrieb, nichts anders geworden ist. Nur Bedenkzeit ist mir gewährt. Der Graf überschüttet mich mit Aufmerksamkeiten, die mich rühren, aber nur noch mehr ängstigen. Ach, wenn ich Dich doch sprechen, doch hei Dir sein könnte. Kommst Du nicht bald? Ich hoffe, daß ich eS genau befolgen werde, was Du mir vorgeschrieben hast und warte Deiner weiteren Entscheidung. Es umarmt Dich Deine dankbare Eva." In dem Schreiben der Gräfin Kalte hieß es am Schluß: „Also Alles zusammengenommen, mein hochverehrter Graf, ist die Gesellschaft bereits im Begriff, Sie zu vergessen und sich neuen, pikanten Affairen zuzuwenden. Kommen Sie nur bald, um ihr den fehlenden Stoff zu ersetzen. Ich kann eS nicht erwarten, Sie als Lebrer des Gesanges und der Musik auftreten zu sehen und dabei mit Ihnen die Haltung der Menge zu studiren. Daß nicht viel Gold dabei zum Vorschein gelangen wird, ist sicher! Aber Sie mit Ihrem bezwingenden Wesen werden doch vielleicht dem GewvhnbeitSverfahren ein Schnippchen schlagen? Wie hat Ihr Fräulein Schwester, die Comtesse, die traurige Nachricht aufgefaßt, und wie fanden Sie Ihre Landsleute^? Ich bin sehr begierig, Näheres zu erfahren, aber nicht auS Neugierde, sondern aus dem innigsten Interesse für Alles, waS Sie angebt. Doch nun will ich fchließen und bin Ihre ergebene Gunda von Kalte." -» * » Ein offenes Fuhrwerk mit zwei Falben und blauem Ge schirr, das Graf Adam nach Flensinünde an den Bahnhof bringen sollte, stand pünktlich zur befohlenen Zeit vor dem Schloß. Peter Hunck nahm hinten Platz, Gras Adam ergriff vorn die Zügel und kutschirte das Fahrzeug blitzschnell über das Gutsgebiet ins Dorf hinein. Als er sich aber dem Pastorenhause näherte, lenkte er die Renner in ein lang sameres Tempo und gab durch wiederholtes Peitschenknallen von seiner Annäherung Kenntniß. Tessa hatte gebeten, daß er ihr daS Fuhrwerk mit den berühmten, blaugesckirrten Falben vorführen möge. Pferde waren ihre ganze Passion, und reiten zu lernen ihr sehn lichstes Verlangen. „DaS macken wir. wenn ich noch einmal von Berlin zuriickkehre, und im klebrigen, wenn Ihr Verlobter eS er laubt —I" batte Graf Adam auf ihre Aeußerung hin geworfen. Aber er batte es nur gesagt, um ihr einen an genehmen Eindruck zu verschaffen. Es war ihm nicht ernst; er wollte sie nicht wieder sehen. Als der Wagen hielt, trat Tessa sogleich vor die Thür. Sie trug ein Helle« Morgenkleid. Auf der Brust saß eine gelbe Rose. Die Farben standen ihr zu dem Dunkel des Gesichts und dem schwarzen Haar unnachahmlich. Am liebsten hätte sie Graf Adam auf seinen Wage» gehoben und wäre mit ihr — auf Nimmerwiederkehr — in die Welt davon gefahren. So aber versteckte er Alles unter einer gleichgiltig scherzenden Miene und Rede und schloß auf Tefsa's bewundernde Worte: „Ja, ja! Wenn ich noch der Graf Jarl von ehedem wäre, hätte ich Ihnen mit dem Gespann, da es Ihnen so sehr gefällt, ein HochzeitS-Cadeau machen können, gnädiges Fräulein. Bei der Sachlage aber müssen Sie sich nun mit dem bloßen Anschauen begnügen! — Doch jetzt leben Sie wohl! Es wird allmählich Zeit für den Bahnhof!" Er faßte die Zügel fester. „Wen wollen Sie denn eigentlich holen ?" warf Tessa noch hin. „Jst's Ihr Freund, von dem Sie früher sprachen ? Wie heißt er? bleibt er lange?" „Nein! Er reist schon morgen früh wieder ab. Ich werde deshalb auch leider keine Gelegenheit haben, ihn Ihnen vorzustrllen." „So — ich glaubte, es sei ein Besuch auf längere Heit —", hörte Jarl Tessa zuletzt sagen, dann trafen sich noch einmal rasch ihre Blicke mit der Zurückhaltung im Ausdruck, den sie sich beide künstlich auferlegten, und wenige Augenblicke später war Jarl im Staub der Dorfstraße verschwunden. „Sie nennen Niemandem Baron von Hadelns Namen, Dorfkind, wenn Sie gefragt werden! Jetzt und später er klären Sie, Sie wüßten den Namen nicht. Ueberhaupt weichen Sie auS, wenn Sie Jemand etwas fragt! Verstanden, Peter Hunck?" „Zu Befehl, Herr Graf." Emen Umweg ums Dorf herum nehmend, kehrte Graf Adam zwei Stunden später in Begleitung Haeeln« zurück und hielt mit den dampfenden Thieren vor dem Schloß. „Wetter ja, ist das herrlich!" ries Hadeln, als er vom Wagen gesprungen war, und warf einen Blick auf das mächtige Gebäude und die sauber glänzende Umgebung. „DaS nenne ich mir einen Besitz!" Aber er kam zu keinen weiteren Worten der Bewunderung, denn Jarl nöthigte ihn rasck in den Flur und trat noch vor der Toilette mit dem Freunde zu Leonore ins Empfangs zimmer. Als sie nach dem Frühstück in Jarl's BibliothekSzimmer zusammen saßen und eine Cigarre rauchten, sagte Jarl: „Hören Sie nun einmal, mein bester Hadeln, wie ich mir den Tag ausgedacht habe. Hoffentlich wird'- Ihre Zu stimmung finden. „Wir rüsten uns allmählich, um einen Gang über daS ganze GutSgehöft zu machen! Ich zeige Ihnen Scheunen und Stallungen mit dem einst mir gehörenden Inhalt. Dana macken wir eine Wanderung durch den Park und auf eins der Vorwerke. Endlich führe ich Ihnen vor Tisch die Räume im Schloß vor. Nach dem Diner unternehmen wir eine Ausfahrt in die Umgegend, trinken in einem LandwirthShauS ein Glas Bier und spielen nach dem Abendbrot» eine Partie Billard, ober mit meiner Schwester Whist! Wie es Ihnen gefällt. Morgen in der Frühe bringe ich Sie an den Bahnhof zurück!" Darauf dein mehr als betroffenen Blick von Hadeln be gegnend, fuhr er in liebenswürdiger Offenheit rasch fort: „Ich muß Ihnen nämlich, mein guter Hadeln, die Bitte vortragen, von einem längeren Aufenthalt auf Horst Abstand zu nehmen. Anfangs wollte ich Ihnen über das nachträglich ein- getretene Hinderniß schreiben, habe es aber doch vorgezogen, mündlich die Dinge mit Ihnen zu besprechen, schon deshalb, weil ick sonst sicher gar nicht die Freude gehabt hätte, Sie auf Horst zu sehen. Sie würden mir geantwortet haben, eS lohne sich nicht der Müde. Fragen Sie mich — ich bitte — auch nicht weiter nach den Gründen. Sie sind zwingender Natur. Aber etwas Anderes darf ich Ihnen vortragen. Machen Sie einen kleinen Ausflug nach Kopenhagen und Seeland. Es lohnt sich der Mühe. Sie haben es ja von hier nicht weit. Ihr Manco bei Fernando habe ich derzeit billig erworben. Ich bin also noch in Ihrer Schuld und stelle Ihnen den Betrag zur Verfügung. Am liebsten möchte ich Sie begleiten, aber es geht leider nicht. Ich werde noch einige Tage hier bleiben, muß aber dann nach Berlin zurückkebren. Nickt wahr, Sie schlagen mir meine Bitte nickt ab — und, Hadeln, Sie glanben mir ohne Erklärung, daß nicht BequemlichkeitS-, überhaupt keine nichtigen Gründe vorliegen, wenn ich Sie bitte, Ihren Aufenthalt auf Horst auf dies Minimum zu reduciren?" Hadeln batte Jarl'S Rede mit liebenswürdiger Miene zu« gehört, war auch einige Male in Begriff gewesen, das Wort zu nehmen, aber Jarl'S eifrige Rede hatte ihn nicht dazu ge langen lassen. Jetzt aber griff er nach Jarl'S Hand, drückte sie ,n lebhafter Empfindung und sagte: „Wenn es mir natürlich auck eine große, schmerzliche Enttäuschung ist, Sie, mein bester Jarl, so rasch wieder ver lassen zu müssen, so ist eS dock selbstverständlich, daß ich mich ohne Weiteres Ihren Anordnungen füge, auch bedarf eS natürlich keiner Erklärungen! Etwas Anderes ist e« aber, daß ich Sie, noch dazu in Ihrer Lage, mit Ausgaben in-
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