Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.01.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-01-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950124024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895012402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895012402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-01
- Tag1895-01-24
- Monat1895-01
- Jahr1895
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
vrzu,»>Vr«U b« ^nnplexpedttlnn oder den k« Eltali-- beztrk und de» Vororten errichtete» And- aobestellen abgeholt: vierteljährlich ^4^k bet zwrimaliaer täglicher Znstellnng in« Han» >l ü.üv. Dnrch di« Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich «.—. Direkte tägliche Krruzbaadjrnduag ins Ausland: mouatlich 7.L0. Mi»M»rge»>«usgab« erscheint täglich '/,?Uhr, di« Abend-Ausgabe Wochentags b Uhr. Lrdartton und Lrprtttto«: Autznnnesgafse 8. Die Erpeditton ist Wochentags onantrrbroche» ge-w-t NN» früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filiale«: vtt» Ar»»«'« Snrti«. (AlfreH Hah»sh lluiversitätsstrabe 1, Lanis Lösche. Katharinrnftr. 14. v«t. und Königsplntz 7L Abend-Ausgabe. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Kandels- und Geschäftsverkehr. Aazsigsn-Vrett dle «gespaltene Petitzeile SO Pfg) Reklamen unter dem Redaktion-strich (4ge- spalten) bOH. vor den Kaonliennachrichie« ««gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernjag nach höherem Tarif. Extra-Verlagen (gesalzt), nur mit d« Morgen - Äusaaoe. ohne Postbrsorüerung ^<t 60.—. mit Postbesördrrnug 7V—. ^mrahmeschlub für Anzeigen-. Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Sonn- and Festtag- früh '/,N Uhr. Vei de» Filialen uud Annahmestelle» je «in« Halde Stund« früher. Anzeige« sind stets an dir Grhehttia» zn richten. Drnck und Verlag von <k. Pol» in 8tl-»ig . i» it. Donnerstag den 24. Januar 1895. 89. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 24. Januar. Im Reichstage hat gestern der obligatorische Be fähigungsnachweis zum zweiten Male eine Mehrheit gefunden; wenigstens konnte der Präsident nach vorgrnommener Gegenprobe conjtatiren. daß das Bureau einig sei, daß die Mehrheit für den Antrag Kropatscheck-Jacobskötter und nur die Minderheit gegen denselben aufgestanden sei. Wenn vorher eine Auszählung des HauseS stallgefunden hätte, so würde sich nicht entfernt eine beschlußfähige Anwesenheitsziffer ergeben haben; eS waren höchstens 150 Mitglieder an der Ab stimmung bethriliat und günstigsten Falles waren 80 Stimmen für den Antrag Kropatscheck. Mit der Minderheit stimmten gegen diesen Antrag die Freiconservativen, soweit sich über sehen ließ, geschlossen, nut ihnen der Abg. Graf Herbert v. Bismarck. Die Mehrheit setzte sich wiederum aus den Conservativen, dem Centrum unv den Polen zusammen. Die zweite Frage, die gestern zur Entscheidung kommen sollte, war diejenige der Organisation von Handwerker kammern, wie sie in der Interpellation Frbr. v. Heyl und' Genossen angeregt und in einem Antrag Gamp und Genossen gefordert war. Dieses Verlangen fand eine große Mehrheit, bestehend aus der ganzen Rechten, dem Centrum und ven Nationallibcralen. Ehe man in die Berathung des dritten TheileS der zur Tagesordnung gestellten Initiativanträge schritt, wurde vom Slaatssecretair von Boetticher die Er klärung abgegeben, daß die preußische Regierung bereits dir allerhöchste Ermächtigung erlangt habe, betreffs der Neu regelung des Verhältnisses der Consum vereine und Consumanstalten dem Bundeöratb einen Gesetzentwurf vorzulegen, der in kürzester Frist bereit- an den Reichstag gelangen werde. Daraufbin verzichteten sowvbl die Abgg. 0r. Hainmacher und Genossen, deren Jnitiativ-Gesetzentwurf volle Verwirklichung in der versprochenen RegiernngSvortage finden dürfte, als auch die Abgg. Hitze und Genossen (Centr.) und Zimmermann und Genossen (Aniis.) auf die Beratbung ihrer weitergehenden Anträge gleichen Betreffs, natürlich unter dem Vorbehalt, daß sie ihre nicht erfüllten Wunsche zur Regierungsvorlage nachträglich noch geltend machen würden. Die „Umsturz-Commission" des Reichstags hat gestern ihre erste Abstimmung vollzogen, die leider ganz anders aus gefallen ist, als fast allgemein angenommen wurde. Die Commission nahm allerdings zunächst den ersten Absatz des Art. Ill des Strafgesetzbuches mit Einstimmigkeit an, aber dieses einhellige Votum war selbstverständlich, denn der erste Absatz des vorgeschlagcnen Art. 1 l l ist bis auf eine rein redac- tionelle Aenderung identisch mit dem Absatz 1 des alten. Beide lauten: 8. 111. Wer auf die im 8- 110 bezeichnete Weise zur Be gehung einer strafbaren Handlung auffordert, ist gleich dem An stifter zu bestrafen, wenn die Aufforderung die strafbare Hand lung oder einen strafbaren Versuch derselbe» zur Folge gehabt hat. Wir fügen auch den hier angezogenen ß. 110 des Straf gesetzbuches an: 8. 110. Wer öffentlich vor einer Menschenmenge, oder wer durch Verbreitung oder öffentlichen Anschlag oder öffentliche Aus stellung von Schriften oder anderen Darstellungen zum Ungehorsam gegen Gesetze oder rechtSgiltige Verordnungen oder gegen die von der Obrigkeit innerhalb ihrer Zuständigkeit getroffenen Anordnungen auffordert, wird mit Geldstrafe bi» zu sechshundert Mark oder mit Gefänglich bis zu zwei Jahren bestraft. Erst in Absatz 2 der Regierungsvorlage ist gegen daS jetzt geltende Gesetz eine Aenderung vorgesehen. Absatz 2 des tz. 111 lautet nämlich in der neuen Fassung: Ist die Aufforderung ohne Erfolg geblieben, so tritt Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder Gefängnißstrafe bis einem Jahr, und sofern es sich um die Aufforderung zu einem Ber- brechen handelt, Gefängnißstrafe bis zn drei Jahren ein. Die Strafe darf jedoch, der Art oder dem Maße nach, keine schwerere fein, als die auf die Handlung selbst angedrohte. Die durch den Druck gekennzeichnete Strafverschärfung ist neu in den bisherigen Text eingeschaltet. Hier wurden zunächst die auf Eventual-Geldstrafe abzielenden Anträge abgelebnt und sodann der ganze Absatz in der Form der Regierungsvorlage mit 14 gegen 12 Stimmen »Fall gebracht. Es soll also nach dem Willen der Mehr est der Commission in Bezug auf die Aufforderung zu straf baren Handlungen Alles beim Alten bleiben; wer ebne Erfolg zu einem Verbrechen auffordert, soll nickt strenger bestraft werden können, als wer erfolglos zu einem Vergeben anreizt. Bester konnten Socialdemokraten und Anarchisten sich« nicht wünschen; sie werden den ultra- montanen und freisinnigen Helfershelfern, die ihnen zu diesem Triumpbe verholfen baden, ihren Dank bei den nächsten Wahlen nicht schuldig bleiben — vorausgesetzt, daß das Centrum sich nicht anders besinnt und den in Gestalt der Aufhebung des Iesuitengesetzes winkenden Dank der Regierung dem der Umstürzler vorzieht. In Belgien, dem Eldorado des Ultramontanismns, wird die Lage immer ernster und ein antimonarchisch er Geist macht sich von Tag zu Tag mehr bemerkbar. Abermals er hebt sich die Arbeiterpartei, um das allgemeine Stimmrecht bei den Gemeindewahlen zu erzwingen, die Militairsteuer zu beseitigen und die Annexion vcs Congostaales zu verhindern. In Verviers, Lüttich, Gent, Brüssel und im ganzen Henncgau wird ein Aufruf zum Generalausstande verbreitet. Im Hennegau wird offen die Fahne der Republik aufgehißt und die focialistischen Deputirten und Arbeiterführer fordern in zünden den Reben die Arbeiter auf, die Erwerbung des Congostaales mit der Beseitigung der Monarchie zu beantworten! Nach den Versicherungen der Hennegau'scken Zeitungen wird die Herstellung einer Republik weder Widerstand finden, noch Befremden Hervorrufen. Auch die Brüsseler Arbeiterpartei bat ein sehr aufreizendes Manifest an das Volt erlassen mit heftigen Angriffen auf die nur die Armen belastende Steuer, auf die den Reichen gestattete militairische Stellvertretung, auf den jährlich 60 Millionen Francs verschlingenden Militarismus und auf die Congoannexion. „Volk! so schließt das Manifest, kein Ausnahme-Regime mehr! Kein Freiwilligenbienst! Keine gegen das Volk gerichtete Armee! Allen Bürgern eine Flinte und ein Stimmzettel bis zu dem gesegneten Tage, an dem Du, Deiner Macht bewußt, die Grenzen auslöschen und die Armeen beseitigen wirst." Die katholische Presse erklärt unentwegt, daß die Höflinge und die Congoannexion der belgischen Monarchie das Grab graben und von Antwerpen aus wird, um auf die Kammern zu wirken, verbreitet, der König wolle, falls die Uebernakme des Congostaales abgelehnt wird, abdanken! Das giebt der socialistischen, republikanischen Wühlerei neue Nahrung uud erhöht nur die Unsicherheit der Gesammtlage. Ueber die Gründe der plötzlichen Abberufung des italienischen Botschafters in Paris, Reßmann, ver lautet jetzt ossiciös, daß die folgenden Umstände zusammen- gewirkt haben, um diese Maßregel herbeizusühren. Vor Allein sei man an den maßgebenden Stellen in Rom zu der Ucberzeugmig gelangt, daß der vieljäbrige Aufenthalt des Herrn Rebmann in der französische» Hauptstadt, der dadurch begreiflicher- weise in mancher Beziehung fast znm Franzosen geworden war, sich für die Wahrnehmung der Interessen Italiens, die in verschiedenen Fällen ein bei aller Freundlichkeit und Mäßigung immerhin auch nachdrückliches Auftreten erforderten, keineswegs als vonheilhast erwiesen hat. Ein zweites Moment, das zu einer Kritik der diplomatischen Thätigkeit des Herrn Reßmann heraussorderte, bildete die Thatsache, daß ihm die Jntriguen, die von Franzosen seit geraumer Zeit gegen die Italiener in Afrika gesponnen wurden, verborgen geblieben sind. Diese Umtriebe sollen allerdings von Franzosen ohne jeden amt- lichen Charakter ausgegangen «ein, und die französische Regierung lehnt jede Verantwortlichkeit für diese Vorgänge, mit denen sie nichts zu schaffen habe, ab. Immerhin meint man, daß die diplomatische Vertretung Italiens m Paris bei ent sprechender Wachsamkeit diese Vorgänge hätte entdecken müssen. Es wäre insbesondere auch eine Pflicht dieser Vertretung gewesen, der Lrganisirung einer gegen die Italiener gerichteten Action in Obok und an der tripolitanischen Grenze mit scharfem Proteste ent- gegenzutreten. Schließlich sei der sofort nach der Abberufung des Herrn Reßmann allseits hervorgehobene Umstand anzusübrrn, daß derselbe gegenüber den maßlosen Angriffen der sranzösiichen Presse» darunter auch der mit der Regierung in Fühlung stehenden Blätter, eine allzu passive Haltung beobachtet hat. Damit wird vollauf bestätigt, was bisher schon über die Abberufung Reßmaun's bekannt geworden war, und man sieht sich nur in der Ueberzeugung bestätigt, daß es höchste Zeit war, an einen Wechsel zu denken. Schon wieder gelüstet es England, sich in den ostnsiatifchcn Krieg einzumischen. Nach Londoner Meldungen hätte, wie wir berichteten, Lord Kimberley am 2l. d. eine andertbalb- slündige Unterredung mit dem deutsche» Botschafter gehabt, in der eS sich angeblich um den Vorschlag gebandelt habe, daß die deutschen und die englischen Kriegsschiffe in den chinesischen Gewässern die Besetzung von Tschifu und der anderen Vertrags Häsen seitens Japans verhindern sollen. Unsere Zweifel, die wir dieser Nachricht entgegenbrachten, finden Bestätigung durch folgende Berliner Information des „Hamb. Corr.": B>Sher ist von eincm solchen Vorschläge in Berlin nichts be- kannt geworden. Es bleibt aijo abzuworle», ob es mit der langen Unterredung des Grasen Hatzseldt und Lord Kimberley seine Richtigkeit hat. Englischerseits soll man sich auf Versprechungen berufen, welche Japan beim Beginn des Krieges abgegeben habe. Ist England der Empfänger dieser Versprechungen, so steht es ihm frei, sich ihrer zu erinnern. Wenn hinzugefügt wird, Admiral Frecmantle habe schon längst Befehl, vor kommenden Falls mir Gewalt Angriffe der Japaner auch in Vertragshäfen zu rejpecuren, so hätte die Mitwirkung der deutschen Schiffe nur eine ornamentale Bedeutung. Ueberdies drängt sich auch die Frage auf, ob Deutschland jetzt mehr als vor einigen Monaten Anlaß hat, durch eine Einmischung in den Kamps Japan in den Arm zu fallen Es ist auch nicht recht verständlich, weshalb der Charakter von „Vertragsdäfen", d. h. der für den aus wärtigen Handel geöffneten chinesischen Häsen ein» Besetzung drr« selben im Kriegsfälle auSschließe. Unter diesen Umständen bleibt abziiwarten, ob die Londoner Meldungen etwas Anderes sind als der Widerhall der Mißstimmung über die Erfolge der fapanischen Kriegsführung. Sollte Lord Roseberh doch noch mit dem Ansinnen einer Cooperation an Deutschland herantreten, so wird er sich hoffentlich ebenso blamireii, wie mit seiner ersten diplomatischen Intervention in der chino-japanischen Angelegenheit. Wenn die Japaner wirklich Tschifu besetzen, was noch recht unwahr scheinlich ist, so werden sie gewiß keinem Europäer Gewalt anthun, etwaigen Schaven an Eigentbum aber loyal ersetzen. Für England bandelt eS sich auch gar nicht um den Schutz der Europäer. Ueber Shanghai u >d Tschifu, wo große chinesische Heeresmassen sich ansammeln, bezieht die Pekinger Regierung massenhaftes Kriegsmaterial vorwiegend englischer Provenienz, und dies seltene Geschäft möchte man sich doch durch die Javaner nicht verderben lassen. Deutsches Reich. * Leipzig, 24. Januar. Der Borstand vom Deutschen Verein für Knabenhandarbeit hielt unter dem Vorsitz des Abgeordneten von Schenckendorff am 19. und 20. Januar in Berlin Sitzungen ab, zu welchen auch der dem Ausschuß angehörige Lehrer Groppler, erster Vorsitzender des Berliner ?ehrervereins, und Lehrer Gärtig (Posen), sowie Direktor )r. Jessen vom Berliner Kunstgewerbe-Museum besonders nnzugczogen waren. Die Lehrerbildungs-Anstalt de« Deutschen Vereins inLeipzig soll, unter Belassung ber seitherigen Elemen- tareurse, von 1896 ab zu einer Ceutral-Lehrerdildungs- Anstalt ausgebaut werden. Der Rath der Stadt Leipzig macht -ekanntlich das Erbieten, rin Gebäude hierfür nach den vom Deutschen Verein anzugebenden Bedürfnissen zu bauen; eia Vertragsentwurf hierüber wurde angenommeu. Sodann wurde beschlossen, für die verschiedenen ArbeitSrichtungen Muster lehrgänge, die dem Interesse des Kindes zugleich mehr angepaßt sind, zu schaffen. Zunächst wird damit be gonnen, solche für die Hobelbank- und die Papparbeit herzu- slellen. Es wurden hierfür zwei unter der Leitung des Di- reclors vr. Götze in Leipzig stehende Ausschüsse gewählt, welchen auch Direktor Oi. Jessen angehört. Der Vorsitzende er örterte in Weiterem die Notdwenoigkeit zur weiteren Förde rung der Bewegung allmäblich ein System von Vertrauens männern über ganz Deutschland zu schaffen, und es soll hiermit für das Königreich und für die Provinz Sachsen, sowie für Thüringen und Anhalt der Anfang gemacht werden. In Verbindung hiermit stand der später zu realisirende Vor schlag, gewisse Grundsätze anzunehmeii, nach welchen die einzelnen in Deutschland vorhandenen Handfertigkeitsschulen als solche vom Deutschen Verein anerkannte erachtet werden können. Der Ausschuß des Deutschen Verein- soll am 25. März in Berlin zusammentreten und die diesjährige Hauptversammlung wird voraussichtlich am 4. und b. Juni in Weimar zusammentreten. 1t Berlin, 24. Januar. Wie in den Entschließungen der preußischen Staatsregierung aus Beschlüsse und Resolutionen des Abgeordnetenhauses aus der vorigen Tagung mitgetheilt ist, wird der Erlaß eines Gesetzes oder rrglementarischer Be stimmungen zur Bekämpfung der Geheimmittel- un wesenS für das deutsche Reich von dem Reichskanzler noch erwogen. Die Frage reichsgesetzlich zu regeln, ist schon seit längerer Zeit in Aussicht genommen, jedoch stellen sich der Lösung auf diesem Wege große Schwie rigkeiten entgegen. Eber dürfte eS möglich sein, sie durch den Erlaß von Polizeiverordnungen zu erledigen, die.nicht blos für einzelne Provinzen, sondern möglicher Weise für den ganzen Staat erlaffen werden könnten. Der preußische Cultusminister hat vor einiger Zeit eine Anregung in die em Sinne gegeben und es sind auch mit den zumeist bethei- tigten Regierungen Verhandlungen eingcleitet worden. Zu welchem Ergebnisse die letzteren geführt haben, ist allerdings nicht bekannt geworden. Solche Polizeiverordnungen würden sich aber nur soweit einführen lassen, als ihnen nicht in gesetzlichen Bestimmungen Hindernisse im Wege ständen. Nun haben sich namentlich für die Presse die bestehenden gesetzlichen Be stimmungen über daS Gebeimmittelunwesen in der Rhein- provinz drückend fühlbar gemacht. Der Beschluß des Ab geordnetenhauses in der vorigen Tagung, auf welchen die oben angegebene Entschließung des Staalsministerium- erfolgt ist, betraf gerate diese französischen Bestimmungen. Es ist sicher, daß zum Erlaß von Polizeiverordnungen in dem ge dachten Sinne die Beseitigung dieser Bestimmungen nolh- wendig ist. Vielleicht wäre eS deshalb angebracht, zu erwägen, ob nicht die veralteten und zu groben Mißstäuden führenden französischen Bestimmungen vorher durch Gesetz aufgehoben würden. Man bat sich in ber vorigen Tagung mit der Auf hebung der im Geltungsbereich drS rheinischen Recht- be stehenden Vorschriften über die in die Geburtsregister ein- zutragenden Vornamen kurzerhand zur Abstellung eines krassen Mißstanves entschlossen, der auf die frauzösische Gesetz- Feuilleton. Graf Jarl. 20> Roman von Hermann Helberg. Nachdruck verboten. «Fortsetzung.) „O, daß ich nickt gesprochen hätte!" murmelte die Frau erregt. „All die Hoffnungen, die ich mir gemacht batte, sind dabin! Wie ich'S auch beginne, ich habe den Nachtheil! Rede ich, so begebe ich einen schmählichen Verrath, und büße die Freundschaft jener ein, setze auch vielleicht meine ganze Stellung auf's Spiel. Schweige ich aber, so verliere ich ihn sicher ganz. Er wird mir vorwerfen, daß ich keines OpferS fähig sei. Ja, wenn er mich zu seinem Weibe machen wollte! Aber heute hat sich'S erwiesen, daß er an alles Andere eher denkt als daran " Sie biß die Zähne zusammen und die Leidenschaft ent stellte ihre Züge. — Aus Liebe begannen sich Trotz, Nach sucht, ja, Haß zu regen. * * „Passe auf, Peter Hunck, wenn geklingelt wird. Gleich nach zwölf Uhr erwarte ich meine Nichte, Comtesse Eva! Und merke: Sie kommt versteckt zu mir. Du weißt nichts, weist Jeden ab, der während ihres Hierseins erscheint und sprichst überhaupt — Du erinnerst Dick unserer alten Ab rede — kein Wort über die Dinge, die sich bei mir zutragen." Peter Hunck nickte. Er machte heute ein vergnügtes Ge sicht. Vertraulichkeiten mit der Comtesse Eva waren nach seinem Geschmack. Es konnte kein weibliches Wesen aus der Welt geben, daS er mehr verehrte, als dieses vornehme Ge schöpf mit den treu blickenden, ehrlichen Augen und der sich stets gleich bleibenden, seinen Liebenswürdigkeit de- Wesens. Gewiß! Wenn Graf Adam sie heirathete, konnte Alles noch einigermaßen gut werden. Campe« waren sehr reich, da brauchte der Graf keinen Unterricht zu ertheilen, mit dem eS ohnehin doch nichts werden würde. Dann werde er schon von selbst die unglück lich« Idee aufgrben. E- war nicht zu sagen, wie Peter Hunck fick nach dem schönen Horst sehnte. Nicht« ähnliche« gab eS auf der Well, al- viesen Fleck Erde mit seinem stolzen Schloß, den herr lichen Feldern und Wiesen und seinen treuherzigen Bewohnern. Und Freiheit und Vogelsingen I Und der Gras stets so guter Laune, so frisch, so lebensprühend. Seit sie in Berlin waren, schien sein Humor gar nicht mehr derselbe. Er scherzte wohl, aber eS war künstlich. Hunck sab, wie die Dinge ihn drückten, wenn er sich auch den Anschein gab, als ob es anders sei —! Die Uhr batte kaum Zwölf geschlagen, als Hunck Jemanden die Treppe herauskommen hörte, und er öffnete, bevor noch die Klingel angezogen wart. Vor ihm stand in einem dunklen Paletot, daS zarte Gesicht von einem leichten Roth übcrgosscn, Kleid und Handschuh in mausgrauer Farbe, Comtesse Eva Campe. Guten Tag, lieber Hunck, liebes Dorfkind!" stieß Eva läckelnd bervor und neigte den Kopf. „Wie geht's? Wir haben uns lange nicht gesehen. Ich freue mich von Herzen, daß Sie so munter sind." Und leiser: „Ist mein Onkel da! Na, Gott Lob — Ja, ja! — Sie zucken die Achseln. Ich weiß, was Sie sagen wollen. Gewiß, es ist sehr, sehr traurig. Ick kann mich noch gar nicht hinein finden. Wir beide sind wohl überhaupt die einzige», die wirk lich mit ihm fühlen. Nein, lieber Hunck, ich will nicht ablegen. Ich kann nicht lange bleiben. Ohnehin fürchte ich mich sehr — und bitte —" Sie legte den Finger auf den reizenden Mund zum Zeichen des Schweigens. Nun schritt sie, von Hunck unterrichtet, ohne anzuklopfen, leise ins Vorzimmer und trat ebenso unbörbar in die ofsen- stebende Thür des Wobnzemackes. Graf Adam saß. eifrig arbeitend, am Schreibtisch. Er war so vertieft, daß er nichts zu hören schien. Als er aber nun doch zufolge jener Divination den Kopf zu wenden im Begriff war, die uns, ohne daß wir etwas ver nehmen, verrätb, daß Jemand in unserer Nähe ist, legten sich plötzlich zwei kleine Hände über seine Augen und eine verstellte, tiefe Stimme sagte: „Natbe, wer'« ist! Wer kam, um Dir zu sagen, daß er Dich lieb, sehr lieb hat!?" „Ah, Du mein liebes Kind!" stieß Jarl heraus, kehrte sich rasch um und drückte das schöne Geschöpf an sich. Im nächsten Augenblick saßen sie einander gegenüber, und Eva berichtete Alles, was sich in der Zwischenzeit zuze- tragen hatte. Nicht besser, eher schlimmer war'- geworden. Die Gräfin zatte noch Abends vorber erklärt, die Verlobung sei abgemacht, und daran werde nicht mehr gerüttelt. Was Eva denn wolle? Alles habe Graf von der Brede zu bieten, waS nur eine Frau verlangen könne. Eva spräche immer von des Grafen Alter. ES sei aber gerade das richtige Verbältniß. Solche Eben würden die glücklichsten. Und ferner, sie sage, sie liebe ibn nicht! Aber sie respectire den Grafen doch. Das sei das Fundament der Liebe. Ueberbaupt verwandle das, was man Liebe nenne, später sich in ein Gefühl der Ächtung. DaS halte die Menschen zusammen. Sie, die Gräfin wisse, daß Eva sehr glücklich werden würde, und eben weil sie davon fest überzeugt sei, bestehe sie und der Graf, ihr Vater, auf der Verbindung. „Sagtest Du denn niemals, mein Kind, daß Du gar nickt beirathen wolltest?" siel Graf Adam nach ihrem oft von schweren Tbränen und Schluchzen unterbrochenen Bericht ein. „Ack, wie oft! Aber das macht auf Mama gar keinen Ein druck, Adam! Alte Jungfern seien eine schreckliche Decoration in der gesellschaftlichen Welt. Eines Mädchens Bestimmung sei, zu heirathen —" „Aber Du könntest auch einem anderen Mann Dich zu eigen geben! Hast Du nicht gesagt, eS sei dock möglich, daß noch einer käme, der Dir gefalle —? Es giebt doch davon noch mehr! Graf von der Brede ist doch nicht der einzige, der einen Schnurrbart trägt." „Ja, auch das, Adam! Wie oft! Aber dann —" Eva stockte. Sie redete überhaupt nicht mehr und ließ in vollster Bedrückung das Haupt sinken. „Ab, ich verstehe! Dann fasste man Dir armen Mädel, ein Anderer werde Dich nicht heirathen, weil Du mit einem Hasen nickt um die Wette laufen kannst. Empörend benimmt sich meine Schwester, roh und herzlos!" „Ack, bitte, Adam — Es ist doch meine Mutter —" „Ja, verzeih, ich vergaß, mein Herzens,,,ädel. Aber nun vernimm! Ich spreche nnt dem Grafen. Ich höre, daß er übermorgen zurückkchrt." „Ja! Ich wollte eS Dir gerade mittbeilen!" „Schön, also es bestätig» sich. Ich werde ihm die Wahr heit sagen, auch Deiner Mutter Einfluß dadurch Vorbeugen, daß ich gleich erkläre, es sei ein völliges Hirngespinnst von ihr, daß ich Dich heiralhen wolle. DaS ist nämlich Deiner Mutter neueste-ABC! Also daS werde ich gleich abschneiden. Geschieht trotzdem ein ZwangSact, dann begieb Dick, so wie Du gehst und siebst, zn mir. Ich bringe Dich in Sicherheit, an einen Ort, wo Dich Niemand findet, und wo Du eS so gut haben wirst, wie nirgend sonst. Das Weitere laß mich dann nur macken. Nichts soll Dir fehlen. Beunruhige Dich gar nicht. Es geschieht Dir nichts. Ich stehe dafür ein. Es wird auch noch Alles berrlich werden. Und noch eins: „Kennst Du den Baron von Hadeln, den Rittmeister von den Dragonern, und ist er Dir sympathisch?" „Ja, ich kenne ihn von den Bällen. Er wollte bei uns Besuch machen, hat'S aber nicht gethan. Er ist ein feiner, liebenswürdiger Mensch. Weshalb fragst Du, Adam?" „Er war neulich auf Horst. Er erkundigte sich nach Dir. So kam er mir eben inS Gedächtniß! Nichts weiter zunächst. Aber nun wieder zu der Angelegenheit. Bist Du einverstanden, meine kleine Elfe?" „Ach, wie soll ich nickt, Adam, obschon ich mich furchtbar ängstige. Wie wird das Ende werden? Meine Eltern werden es mir nie verzeihen, wenn ich sie verlasse. Wohin willst Du mich bringen? Du Armer, hast ja selbst mit Dir jetzt zu lbun. Du mußt Dich am Ende noch in Ausgaben sur mich stürzen! Wie darf ick das annehmen. — Ach, wäre doch Alles anders. Ick sorge mich schrecklich, auch um Deinetwillen, jeden Tag, Onkel!" „Ist nicht nöthig, mein kleiner Vogel. Ich habe vollauf genug für Dich und mich. Mit solchen Dingen verdrehe Dir nicht den Kopf. Aber nun mußt Tu fort! Deine Abwesenheit könnte auf- fallen. Du hörst von mir. Uebermorgen wird Peter Hunck zwischen zwölf und halb ein Ubr in der Nähe Eurer Wohnung sein. Spähe nach ihm aus und laß Dir einen Brief von mir geben. WaS darin steht, das tbue ungesäumt. Hoffentlich bringt er Dir gute Nachricht, die Botschaft, die Du ersehnst, mein liebes Mädchen. So, nun wüßte ich nichts mehr. Sei unverzagt." So sprach er auf sie ein, berührte ihre reine Stirn und gab ibr das Geleit an die Tbür. „Hunck! Eine Droschke für die Comteffel Bezahle sie! Adieu! Adieu, mein HerzenSmädelI" „Ja, der Herr Gras ist nock dal" bestätigte der Portier im Hotel Petersburg mit einem Blick nach dem Scblüffelbret. „Bitte, hier, gleich rechts parterre, zweite Thür nach vorn." Graf von der Brede stand, als Jarl eintrat, vor dem Spiegel und ordnete an einer jugendlich auffallenden, mit einer Diamantnadel versehenen Cravatte, die unter dem An schnitt deS dunklen Gesellschaftsrockes hervorsah. Er sab sebr elegant aus. Zartgraue Beinkleider, Lackstiefnln, eine weiße Weste mit schwerer Uhrkette vervollständigten den Anzug.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite