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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.02.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-02-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950209024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895020902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895020902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-02
- Tag1895-02-09
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Tabellarischer und nach höherem Tarif. Annaismeschluß für Iiiyeiße«: Abend »Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittig» »Uhr. Sonn- und Festtags früh '/,< Uhr. Vei den Filialen und Annahmestelle» je et»« halbe Stunde früher. Anreigen sind stets an dt« Ggtzeditt»» zu richten. Druck und Verlag von E. Pol» I» Leipzig ^°74. Zur gefälligen Beachtung. Unsere Expedition ist morgen Sonntag, den 10 Februar, Vormittags nnr bis VzS Uhr geöffnet. Lxpedltlou des ^LlLodlattvs. Politische Tagesfchau. * Leipzig, 9. Februar. Die von dem Centrum angeregte fast dreitägige NeickS- tagS-Debatte über die Arbeiterfürsorge bat das Resultat gehabt, daS vorauSzusehen war: sie bat bewiesen, daß die verbündeten Regierungen und die ausschlaggebenden Parteien des Reichstags den Boden der kaiserlichen Erlasse vom 4. Februar 1890 keineswegs zu verlassen gedenken, aber in den gegenwärtigen Verhältnissen keinen Anlaß zu hastigem Vorwärtsschreiten ans dem betretenen Wege finden; und sie bat ferner der Socialdemotratie willkommenen Anlaß gegeben, die principielle Geneigtbeit der Regierungen und der bürgerlichen Parteien zu einem Vorwärtsschreiten als schlagenden Beweis für die gänzliche Unzulänglichkeit der bestehenden Arbeiter schutzgesetze, die Abneigung gegen überstürztes Vorgeben als Beweis für die Hartherzigkeit und Arbeirerfeindlichkeit der Bourgeoisie auszudeuten und auszubeuten. Der preußische HandelSminister v. Berlepsch suchte zwar den socialdemo kratischen Rednern die Gelegenbeit zu der letzteren Frucli- sicirung der Debatte durch die Erklärung abzuschneiden, die preußische Regierung behalte sich nnr bezüglich der Zeit und des Modus des Weiterschreitens ihre Entschließungen vor; aber die Socialdemokratie wird ihm für diese Erklärung nickt dankbar sein, denn so lange man über Zeitpunct und Modus deS Vorgehens in einer Sache Entschließungen noch nicht gefaßt hat, befindet man sich dieser Sache gegen über tatsächlich im Zustande des Stillstehens und Ab wartens. Anderes haben auch die Interpellanten nicht erwarten können. Das augenblickliche Zögern in der Weiter führung socialer Reformen widerstreitet nicht nur nicht der kaiserlichen Kundgebung, welche für die Arbeiter eine Vertretung „zum freien und friedlichen Ausdruck ihrer Wünsche und Beschwerden" anstrebt, sondern entspricht ihr vollkommen. Bei der Stimmung, welche die Socialdemokraten in der Arbeiterschaft erzeugt bat, und bei dem TerrorismuS, den sie übt, würden Organisationen, deren Handhabung durch diese Partei nun einmal nicht zu verhindern wäre, sich weder friedlich belbätigen, noch den nichtsocialdemokratischen Arbeitern freie Aussprache gestatten. Die sociale Gefahr durch staatliche Maß nahmen erhöben, heißt nicht für den socialenFrieden arbeiten. So lange die Gewißheit besteht, daß die Organisation, welche die Interpellation Hitze vornehmlich im Auge gehabt zu baben scheint, anstatt Arbeiterinteressen zu fördern, ein Gefäß abgeben wird, das die Socialdemokratie, um ein Bild des Ministers v. Berlepsch zu gebrauchen, mit ihrem Gifie an- siillt, so lange ist eine solche Organisation zweckwidrig vom Standpuncte des SocialreformerS. Man kann den Feinden der bestehenden Ordnung nicht rechtliche Hand haben zur Erweiterung ihres Einflusses geben und man darf keine Gesetzgebung machen, die eine bestimmte Partei,! auch wenn sie keine revolutionäre wäre, den Arbeitern als I Sonnabend den 9. Februar 1895. die natürlicke Vermittlerin zwischen ihnen nnd den Arbeit gebern erscheinen lassen müßte. Es touinu hinzu, daß Deutsch land mehr und mehr mit der Concurrenz von Staaten zu kämpfen hat, wo in Folge der niedereren Lebenshaltung der Arbeiter die Production billiger ist. Die deutsche Gesetzgebung hat den Unterschied noch vergrößert, wes halb Vorsicht doppelt geboten erscheint. Die oberste Auf gabe alter Arbeiterpolitik ist und bleibt die Erhaltung der Arbeitsgelegenheit. Mit Sicherbcit darf man entnehmen, daß dieses zweite große Hinderniß bedenkender Fortschritte der Socialresorm in Folge der unaufhaltsamen Ausbreitung der in Deutschland sleischgewordenen Ideen sich mehr und mehr verkleinert. So lange es aber im jetzigen Umfange be steht und so lange andererjeiks eine Organisation der Arbeiter lediglich die Socialbemokratie stärken und privilegiren würde, ist ein „langsameres Tempo" der socialen Reformen durch die Rücksicht auf die innerpolilischen und wirthschaftlichen Verhältnisse der Gegenwart dringend geboten. Wäbrend in Württemberg die Deutsche Partei für die Stichwahlen allgemein die Parole ausgegeben hat, ihre Anhänger sollen gegen Socialdemokraten und Ceiitrumspartei stimmen, hat das engere Landescomilv der Voltspartei beschlossen, „bei der Verschiedenheit der Verhältnisse und der Haltung der gegnerischen Parteien in den einzelnen Stich wahlen die Entscheidung den Parteigenossen jener Bezirke zu überlassen". Wie dieser Beschluß zu versieben ist, dafür giebt seine Ausführung in den Wahlkreisen Stuttgart- Stadt und Cannstadt genügende Aufklärung; in beiden Städten stehen Socialdemokraten in Stichwahl mit Candidalen der Deutschen Partei, und in beiden hat die locale Leitung der Volkspartei, die den Ausschlag zu geben hat, beschlossen, für das „kleinere Uebel" — in ihren Augen nämlich —, für den Socialdemokraten zu stimmen. Da auch Stuttgart-Amt, wo ein Socialdemokrat und ein Volksparteiler um den Sieg kämpfen, wahrscheinlich der Partei des ersteren Candidalen zusällt, so werden, Dank dem Zwiespalt der bürgerlichen Parteien, in den Ständesaal in Stuttgart zum ersten Mal drei Mitglieder der socialremo- kratischen Partei als Abgeordnete einziehen. Die politischen Gegner des nngarischou Cabinets Bansfh sind durch das Ergebniß der bisherigen Nachwahlen zum Abgeordnetenbause, von denen drei mit glänzenden Siegen ebensovietcr Cabinctsmitglicder geendet haben, einigermaßen aus dem Concept gebracht. Um den erlittenen eigenen Echec einigermaßen zu bemänteln, tbut man im Lager der neuen „Volkspartei", als wären die Wahlerfolge der Regierung nnr das Ergebniß eines ans die Wähler von oben berab auSgeübten Druckes. Der Wahrheit ungleich näher käme man, wenn man den Spieß umkehrte. Denn thatsächlich ist von den Gegnern der Regierung mit allen Mitteln ein Sieg der gouverncmentalen Candidalen bintanznballen versucht worden. Die katholische Geistlichkeit und der seudal-reactionaire Großgrundbesitz wett eiferten in den betreffenden Wahlbezirken in maßloser Beein flussung der Wähler zu Nngunsten der Regierungscandidaten. Daß trotzdem die zur Wahl gestellten Cabinetsmitglieder — auch der Cultusminister Wlassic ist vorgestern in Csakaturn nach heftigem Wablkampf gegen den Candidalen der katholischen Volkspartei, Pfarrer Major, durchgedrungen — dem Terro- riömuS der Gegner so erfolgreich Stand halten konnten, beweist wohl zur Genüge, wie wenig die neue „Volks partei" sich des Vertrauens eben jenes Volkes rühmen darf, dessen Beglückung die bocharistokralischen und kirchen- fürstlichen Begründer jener Partei auf ihr Firmenschild ge schrieben baben. Der politischen Mündigkeit des ungarischen Volkes stellt sein Widerstreben, sich durch demagogische Phrasen »r di- S-ch- d-r n-u-n Parl-igriindung g-winnm -- -in blichst -br-no-t»« Z-uMch «».-Z»- H iestiakeit der Parlamentär,,chen Stellung des Ministeriums *anny spricht aber ebenso charakteristisch die (telegrapl.u^) ES gemeldete) von sämmtlichen Abgeordneten si-benbnrg. ch- LW Nationalität unterzeichnet: Erklärung, .nbalt ch E sie nach wie vor fest zur Fahne des 'mgar.ichen L.b-^ alismus stehen zu wollen bekennen. Dieje zUaritellima l<erbällnisses der Sachsenpartei zur Negierung vervollständigt 'as Prestige des CabinetS Bansty vurch Zusichrung d r -ympalhicn eines im Rahmen des ungarischen ^^atslebcns mmerbin koch bedeutsamen Factors. Das Cab.net Ban Y tarf daher mit berechtigter Genugthuung auf sein polit,ci debnt schauen. In den Niederlanden hat der erste Versuch einer von sociali sten geführten Gemeindeverwaltung kläglich siasco gemacht. An der Spitze dieser ,n Fr.esland de- inblichen "beiden Gemeinden standen schon ,eit mehreren Jahren >'orstände, welche die Verwaltung nach socialistischcn Principien ührtcn Das Ergebniß dieser Verwaltnngsinetbode war ein ehr j'mmcrliches. Es fehlte selbst zur Bestreitung der lewöhnlicnstcn Gemeinde-Auslagen an den „othigen Mitteln, o daß die beiden Gemeinden fortwährend an das Lanbcs- 'ubsidium appelliren mußten. Dieses Institut wurde zu dem Zwecke errichtet, um jenen Cvmmunen, die trotz correcter Verwaltungsgebahrung in Noth geratben, Unterstützungen m gewähren. Die Regierung fand, daß diese Voibebmgung -iner Aushilfe aus dem Landessubsidium bei den beiden fraglichen Gemeinden nicht zutreffe, und gab deren Vorständen wiederholten Bescheid in diesem Sinne. Ta dies nichts fruchtete, so griff die Regierung zu dem ihr verfassungsmäßig zustebenden Rechte, die Autonomie der in Rede stehenden Communen aufzubebcn, indem sie den Gcneralstaaten einen diesbezüglichen Gesetzentwurf unter breitete. Es geschah zum ersten Male, daß die Negierung seit Bestand der Verfassung von dieser Befug,liß Gebrauch machte. Der Antrag der Regierung kam kürzlich in der Zweiten Kammer zur Berathung und wurde mit 5? gegen 28 Stimmen angenommen. Dagegen stimmten nur die Radikalen und Ultra-Protestanten. Auch die Erste Kammer, welche sich mit der Regierungsvorlage demnächst befassen In dem ein Nachspiel zum großen italienische»« Bank- processe bildenden Strafverfahren wegen Unter drückung beschlagnahmter Bankpapiere ist die Vor untersuchung endlich geschlossen worden. Der Gencralstaats- anwalt hat der Anklagekammer den Antrag auf Verfolgung des Er-Polizeidirectors von Nom, Felzani, sowie der Polizei- coimnissare Pcrfctti, Magnetti, Rinaldi, Pezzi und Bo ein- gercicht. Persetti und Magnetti werden beschuldigt, am l9.Jannar 1893 und in der folgenden Nacht im Hause des verhafteten Bankdircctors Tanlongo, wo Gelder und Papiere mit Beschlag belegt waren, die angelegten Siegel entfernt und einen Tbei der Papiere beseitigt zu haben. Felzani soll dazu den Auftrag gegeben baben. Er nebst Bö, Pezzi und Rinaldi haben dann am nächsten Tage und in der darauf folgenden Nacht auch in den Räumen der Danca Nomanct das Gleiche vorgcnommcn. Jedermann fragt sich natürlich, ob die Untersuchung nicht auf Feststellung der Auftraggeber der Polizeibeamten aus gedehnt worben sei, welch letztere offenbar nickt auf eigene Faust gebandelt haben. Wie man erfährt, deutet die An klageschrift in der Tbat an, daß die damalige Regierung -- an deren Spitze Herr Gio litti stand — als intellec- tuelle Urheberin und Anstifterin der Strastbaten zn be trachten sei und daß die unterschlagenen Tocnmcnte in 88. Jahrgang. ibrcn Besitz gelangt seien. Augenscheinlich hat die Rücksicht auf den Artikel 47 der Verfassung, welcher dem Parlament das Recht vorbehält, die Minister wegen amtlicher Ver gehen anzuklagen. den Untersuchungsrichter gehindert, sich ngenS mit Feststellung der Verantwortung Giolitti's zu de- chästigen. Es heißt jedoch, daß schon am 14. December v. I. dem Iustizminister der Antrag des GeneralstaatSanwalts auf Einholung der parlamentarischen Ermächtigung zur Vor ladung Giolitti's zugegangen und erst in der zweiten Halste deS Januars mit dein Hinweise beantwortet worden sei, daß die Schließung der Session ihn gegenstandslos mache. Diese Verzögerung must als im höchsten Grabe fehlerhaft bezeichnet werden. Denn wenn auch gegen weitere Schuldige später noch verhandelt werden kann, so wird dadurch, daß man die Sache auf die lange Bank schiebt, und statt den Haupt schuldigen erst die Nebenschuldigen, die jedenfalls wieder als in höherem Auftrag handelnde, freigesprochen werden, den Proceß macht, allen möglichen Verdächtigungen wieder Thür und Thor geöffnet. Deutsches Reich. * Berlin, 8. Februar. Ueber den Vortrag deS Kaiser« in der Militairischen Gesellschaft berichtet der „Berl. L.-A": Freitag Abend hatten sich in der Aula der Kriegsakademie die gesammte Generalität und ein erheblicher Theil des Oificiercorps von Berlin und Potsdam versammelt, um den Vortrag des Kaisers anzuhören. Als die Geladenen eiu- trafen, erfuhren sie, daß der Kaiser mit dem Prinzen Heinrich schon längst anwesend sei; der Monarch war mit seinem Bruder im Ausstellungspark gewesen und kam im Schlitten um 0H4 Uhr vor der Kriegsakademie an, wo ihn der kur; vorder benachrichtigte Dircctor derselben, Generallieutenant von Brauchitsch, mit dem ersten Directions- Mitgliede, Oberstlieutenant Litzmann, empfing und alsbald nach der Aula geleitete. Dort nahm der Kaiser die nach seiner Anordnung aufgestellten VortragLlulfsmittel eingehend in Augen schein und traf noch mancherlei Abänderungen bezüglich deren Gruppirnng. Unterdessen fanden sich etwa üOO Officiere aller Waffengattungen in dem Saale ein und füllten denselben schließlich bis auf den letzten Platz. Anwesend waren außer dem Vorsteher der militairischen Gesellschaft General der In fanterie von Keßler, der Kriegsminister von Bronsart, die Admirale von der Goltz und Karcher, der Chef des General stabeS Gras von Schlicffen, die commandircnden Generale des Garde- und deS Hl. Arm eecorps von Winterfeld und Prinz Friedrich vonHohelizollern, die Cavallerie-Inspecteure v. Krosigk undv.Roscnberg, der Chef des Jngenieurcorps Golz, der General- Inspectcur der Fußartillerie von der Planitz, Fürst Anton Rabziwill u. A. m. Ter Kaiser begann pünctlich um 7 Ubr seine Rede über das Thema: „Die Notbwendigkeit deS Zu sammenwirkens von Heer und Flotte mit Berücksichtigung deS chinesisch-japanischen-Krieges". Der Vortrag zeigte, wie aufmerk sam er die eingegangenen fachmännischen Berichte vom dortigen Kriegsschauplätze stutirt hatte. In der bei militairischen Vorträgen üblichen Weise unterstützte er seine Worte durch Hinweise ans die vorhandenen Special-Karten. Er kam dabei zu dem Schluß, daß in allen modernen Kriegen eine Unter stützung des Heeres durch eine starke und gut ausgebildete Marine durchaus nothwenvig sei, und daß die neuesten Seeschlachten wiederum die hohe Bedeutung der Panzer schiffe im Kampfe gegen die bestbewafsneten Kreuzer be wiesen hätten. Erst nach 8^/4 Uhr schloß er seinen Vortrag und lud die oben genannten Generale und einige andere Officiere, namentlich vom Obercommando der Marine, im Ganzen 40 Herren, zu einem gemüthlichen Zusammensein im Speisesaal der Kriegsakademie ein, wo er dieselben mit F-ttNletstt. Ein Liebesopfer. Sf ' Don Karl Wartenburg. Na-druL verboten. (Fortsetzung.) Das konnte nun allerdings Guido nicht. Sein Spiel- schuldengläubiger hatte- ihm in der That angekündigt, daß er die Sache an seinen Oheim bringen werde, wenn er nicht bis zum nächsten Vormittag das Geld habe, und Guido kannte Len Menschen zn gut, um nicht zu wissen, daß er seine Drohung wahr machen werde. Er wußte, daß der Schau spieler selbst Schulden batte und daß hinter ihm der oder jener unnachsichtige Manichäer stand, welcher ihn rücksichtslos vorwärts trieb. Und alle diese Leute kannten Herrn Sieler zn gut, um nicht zn wissen, daß er den Ebrenschein seines Neffen einlösen würde. DaS klebrige kümmerte sie nicht. „Das hilft mir nicht", drängte Guido mit fliegender Hast, „ich muß das Geld bis morgen haben. — Wenn ich ein paar Tage warten lönnle, dann wurde ich an meinen Anwalt schreiben und ihn um einen Vorschuß bitten. Aber ich brauche das Geld bis morgen früh, lieber Müller. — Wenn Sie mir das Geld auf die paar Tage aus der (Lasse leihen wollten. — In drei Tagen haben Sie cs wieder. — Niemand erfährt etwas davon und Sie haben das Glück zweier Menschen begründet. — O, ich wollte Ihnen ewig dankbar dafür sein." „AuS der Casse — aus der Casse deS Geschäfts — daS ist unmöglich —", rang es sich angstvoll und gepreßt aus der Brust Gottfried's, wäbrend seine Augen wie nach Hilfe suchend nach der hohen Wölbung des Comptoirs emporflogen und dort an dem Bilde des alten Herrn Sieler haften blieben. Nun entstand ein Kampf zwischen Pflicht und Herz auf der einen, Angst, Verstellung und Selbstsucht auf der andern Seite. „Es ist ja nnr ein Darlcbn auf ein paar Tage", rannte Guido dem Cassirer in s Obr^ — „Mein Oheim erleidet ja keinen Verlust. — Wenn Sie sich weigern, wenn mein Oheim von meiner Schuld erfährt, ist zwischen mir und ibm Alle« vorbei. — Martba wird nie die weinige! O, eS wird ein traurige« WeibnachtSfest für dir Arm« werden." Gottfried kämpfte einen schweren Kampf niit sich selbst. Die Augen deS alten Herrn dort oben auf dem Bild, an welchem seine Blicke hingen, schienen sich warnend und drohend auf ihn zu richten und ihn abzumahnen, während an seiner Seite ihm Guido das Herz erbeben machte durch die Schilderung von Martba's Verzweiflung. Ein heftiger Husten überfiel ihn. Gottfried drückte die Hand gegen die Brust. Guido rang die Hände. — Wenn man ihn höre, wenn der Oheim herunter käme und fragte, was sie noch so spät im Comptoir machten. Noch einmal beschwöre er ihn in Martha's Namen, ilm zu retten. Die Augen des alten Kaufherrn blickten zornig auf die Beiden berab. Auf Gottfried's Stirn stand kalter Schweiß. — Er wandte das Auge von dem Bilde ab. „Es ist ein Unrecht, eine Sünde, aber ich will eS thun — Martha soll nicht unglücklich werden." Guido wollte den Cassirer umarmen. Müller wehrte ab. „Gebe Gott, daß Herr Sieler eS nicht merkt", sagte er traurig. — „Wir haben jetzt gerade große Einkäufe zu machen — Abschlüsse mit Tabakshändlern aus der Pfalz und aus Bremen — da wird das Geld oft knapp." „In ein paar Tagen baben Sie es wieder. Noch heute schreibe ich au meinen Advocateu." Gottfried schloß die Casse auf. — „Hier sind fünfhundert Thaler. —" Und er legte fünf kleine durch schmale Papierstreifen festgehaltene Päcketchen auf daS Pult. „Wie soll ich Ihnen danken?" — stammelte Guido — dem Cassirer die Hand entgegenstreckend, „und nicht wahr, Eie versprechen eö mir — kein Mensch erfährt davon — wer es auch sei?" „Ich verspreche es Ihnen", die Casse wieder schließend, ohne die dargebotene Hand deS jungen ManneS zu berühren — es bedarf keines Handschlages. Aber es ist Zeit, daß wir gehen", setzte er nach einigem Stillschweigen hinzu. Gnldo schob die Cafsenschcine in seine Brusttasche, wäbrend Müller seinen Paletot anzog nnd die Gasflamme ausdrebte. „Ich begleite Sie ein Stück", sagte Guido aufgeregt. „Ach, wenn Sie wüßten, welche Last Sie mir von der Brust ge nommen. Ewig werde ich Ihnen dankbar sein — und nie mals werde ich wieder spielen." . „Was haben denn die Beiden mit einander", murmelte rer aus ..... .Hausmann verwunocri, a.s er ccn rLajjirer m Guido zusammen fortgeben sah. „Die passen gerade zusammen, wie meine Arbeitshos, und deS Herrn Guido Ballfrack. Na, den Müller versüh man nicht zu dummen Streichen. Das ist kein Nachtschwärm wie der Mosje Neffe, der bis zum frühen Morgen im La cllmois sitzt und das Geld verspielt. Für den kann ich g sagen." Wenn Martha, als sie oben am Fenster stehend, ihr, Vetter und Gottfried zusammen Len Brühl hinabgehcn sa geahnt hätte, was die Beiden an diesem Abend znsamme geführt! Unter den öffentlichen Wirthschaften des damalig Leipzig — am Ende der vierziger und im Anfang d fünfziger Jahre — nahm das „Schwarze Bret" in d Ritterstraße, das aber zu seinen Restaurationslocalitäten au eine Eingangsthür im Hinteren Parke batte, eine eigenthü, liche Stellung ein. Das „Schwarze Bret" war damals d Herberge der leiblich Armen und geistig Neichen. Hier c der unbemittelte Student, wenn er nicht im Convict seine Freitisch hatte, für drei Groschen zu Mittag, in Gesellscha von alten Magistern, in Gemeinschaft junger Privatdocente deren Köpfe voll Gelehrsamkeit, deren Hörsäle aber ohr Zuhörer waren. Hier speisten junge Literaten, die noch ans der nnlerstc Sprosse der RuhmeSleiter standen, gering besoldete klci» Beamte, arme Privatgelehrte. — Man konnte nicht leiü einen zweiten Ort entdecken, wo sich auf engem Raum dis neben einander sitzend, so viele junge Köpfe mit glühend« Ideen, leidenschaftlichen Plänen und großen Erwartungen v< der Zukunft neben so vielen alten Gesichtern mit tiefen Ei) täuschiliigen in gelblich haderen, runzligen Zügen, so v stille Notb, die sich verschämt verbarg, so viele juaendlii Sorglosigkeit neben verzagender LebenSsorge zusammcnfar Wer freilich nur flüchtig m diesem großen Zimmer weil würde von alledem wenig bemerkt baben. Ibm würde : nächst die lange bagere Gestalt des WirtbS ausgefallen se Zr«cke mit langen Schößen, schwär - s-l'warzen Hosen einem alten Magister nicht . vi- V-'n", Locale auf- und abging, niemals sel ^ bedienend sondern nur zuweilen durch eine Har beweaung einen Bl.ck d.e beiden Kellner anweisend. be" beiden Kellnern war der eine schon rin Mensch, a k,'Schwarzen Bret". Es war rin lebendiges Student, album. DiS auf dreißig Jahre konnte man in dein Bn seines Gedächtnisses zurückblättern, er kannte alle Originale längst dahingegangener Stutcntengenerationen. Sie batten tüchtige Arbeit in den Mittagsstunden, diese Beiden, wenn sie den Gästen die dampfenden Schüsseln mit Kartoffelstückchen und Rindfleisch oder Weißkohl, oder Kalbs braten und gebackenen Pflaumen brachten. Sehr mannig faltig war der Speisezettel im „Schwarzen Bret" allerdings nicht, aber Alles schmackhaft und billig. Wenn Jemand dann der Unterhaltung an verschiedenen Tischen gelauscht hätte, würde er oft ein lateinisches und auch griechisches, selbst ein hebräisches oder chaldäisches Wort gehört haben. Es war eine gelehrte Kneipe dieses „Schwarze Bret", von dem heute nur noch der Name übrig geblieben ist, während sich diese akademische Herberge zu einem modernen Restaurant umgewandclt hat, daß sich in nichts von anderen Localen dieser Art unterscheidet. Auch Gottfried batte seinen Mittagstisch im „Schwarzen Bret". Heute wollte ihm aber das Essen nicht schmecken. Eine innere Aufregung, die er nicht bcilleistcru tonnte, durchloderte ihn; ein brennender Durst verzehrte ihn, Zunge und Gaumen waren wie ausgedorrt. — Wenn er^an den gestrigen Abend zurnckdachte, schüttelte es ihn wie Fieberschauern. Er halte die ihm anvertraute Casse seines Principals angegriffen. Wenn Herr Sieler das Fehlen :es Geldes entdeckte, ehe cs wieder ersetzt war! Gottfried batte zwar noch gestern Abend nach Plauen geschrieben, um sein Guthaben bei der dortigen Sparcasse zu erheben, aber wer bürgte dafür, daß das Manko nicht früher bemerkt würde? Heute früh erst waren Avise von befreundeten Geschäfts häusern eingctroffcn, welche die Ankunft von deren Reisenden meldeten. — Da wurde viel Geld gebraucht. Herr Sieler machte seine Kaufsabschlüssc stets per Casse. Der heutige Vormittag war Gottfried zur Ewigkeit geworden. Be» jeder Bewegung seines Principals, bei jeder Anrede war er zn- sammcngeschreckl. Ach, ein böses Gewissen muß eine Höllen quäl sein, seufzte er für sich. Er atbmcte tief auf, als es zwölf Ubr schlug. Ein halber Tag war vorüber. Heule war Freitag. Bis Sonnabend Abend konnte daS Geld ans Plauen in seinen Händen sein. Aber trotzdem konnte Gottfried nicht essen. Der alte Geörg — „Sclwrsch" riefen ibn die Gäste — hatte ihn, Salzbratcn und vogtländische Klöße, ein Leidesten Gottfried s, gebracht, aber er rührte nichts an, es war ihm, als hätte ihn eine eiserne Faust an der Kehle gefaßt. Da sah er plötzlich an der GlaSkhür deS Eittgang« ten
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