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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.03.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-03-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950314024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895031402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895031402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-03
- Tag1895-03-14
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Jetzt wird der Sachverhalt in der „Kreuzztg." folgendermaßen klar gestellt: „Wir erfahren, daß ursprünglich in Aussicht genommen war, durch Beschluß des Hauses der Abgeordneten den Präsidenten, Herrn von Koller, mit der Ueberbringung der Glückwünsche des Hauses an den Fürsten Bismarck ossiciell zu beauftragen. Da die beiden conservativen und die nationalliberale Fraction über die Majorität im Ab geordnetenhause verfügen, bätte ein solcher Beschluß er zwungen werden können. Man war sich indessen darüber klar, daß ein Glückwunsch Namens des Abgeordnetenhauses nur dann werthvvll sein konnte, wenn er ohne erheblichen Widerspruch gefaßt wurde. Bei den Vorbesprechungen stellte eS nun sich heraus, daß die Ce nt rumspart ei dem Anträge, den Fürsten Bismarck Namens des preußi schen Abgeordnetenhauses zu beglückwünschen, oppoinrt haben würde." Also weil das Centrum „opponirt" haben würde, streckt man von vornherein die Waffe», anstatt für die Mit- und Nachwelt feststellen zu lassen, wessen die Parteileidenschaft auch in der preußischen Volksvertretung fähig sei. Und das, obwohl eine sichere Mehrheit für die Ehrung des Fürsten vorhanden ist! Dieses Maß von Resignation und Selbst verleugnung wird die große Mehrheit der nationalgesinnten Wähler noch weniger begreifen, als ein ähnliches Verhalten der nationalen Parteien des Reichstags. Hat doch Fürst Bismarck gerade den preußischen Staat so erhöht, wie dieser es niemals vorher war, er hat diesen Staat, indem er ihn um drei Provinzen vergrößerte, erst in den Stand gesetzt, im deutschen Reiche die Vormacht-Stellung zu behaupten, von welcher die Festigkeit des Reiches nicht am wenigsten bedingt wird. Also auch der preußische Staatsmann Bismarck hat eine ehrende Kundgebung verdient. Aber das preußische Abgeordnetenhaus fühlt sich zu einer solchen amtlich nicht berufen — aus zarter Rücksicht auf das Ce nt rum! Just an demselben Tage, an dem der Antrag Kanitz im Reichstage eingebracht wurde, nämlich am 12. d. M., wurde der „Köln. Ztg." von der Mosel geschrieben: „Eine Anzahl von Winzern aus Zeltingen a. d. Mosel hat eine Eingabe an den zurZert tagenden preußischen Staats- rath gerichtet, worin sie nach dem Muster des Kanitz'scheu Antrages den Wunsch aussprechen, daß zur Hebung des Preises für die reinen Natnrweine der Ein- und Verkauf des ausländischen nach dem Reiche kommenden Weines nur für Rechnung rcS Reiches erfolgen solle. Ferner soll aller auf künstliche Weise vermehrte Wein dem Fabrikanten durch das Reich abgekauft und dann vom Reich an die Consumenten verkauft werden. Etwaigen Ueberschuß soll das Reich behalten. Der Preis, zu dem das Reich beide Sorten, den ausländischen und den Kunstwein, verkauft, muß so hoch gestellt sein, daß dadurch nicht mehr dem ein heimischen reinen Naturwein Concurrenz gemacht wird." Vivant 8ectU6nt68! fügt das rheinische Blatt seiner Corre- spondenz hinzu. Vivant 8e<zaent68! sagen auch wir. Denn je rascher die Co nseq uenzen des Antrags Kanitz klar zu Tage treten, um so eher ist zu hoffen, daß auch die Zahl seiner überzeugten Anhänger zusammenschmilzt. Die aus Pont-Saint-Vincent in FrauzAsisch- Lothringen gemeldeten Ruhestörungen hatten einen ernst hafteren Charakter, als ursprünglich angenommen wurde. Eine Compagnie Infanterie und zwei Schwadronen Cavallerie mußten aus Nancy Aufgeboten werden und blieben auch, nachdem die Ruhe wiederhergestellt worden war, in Pont- Saint-Vincent. Wiederum handelte es sich um einen Zusammenstoß zwischen französischen und italie nischen Arbeitern, ohne daß jedoch von Seiten der ersteren blutige Metzeleien, wie vor einigen Jahren in Aigues-Mortes, verübt wurden. Die Angelegenheit wurde insofern auf das chauvinistische Gebiet gespielt, als es sich um Arbeiten für das bei Pont-Saint-Vincent zu errichtende Fort handelte. Nachdem die französischen Unternehmer unlängst eine größere Anzahl Arbeiter entlassen und die Absicht kundgcgeben hatten, Italiener einzustellen, rotteten sich, als diese am Sonnabend eintrafen, die Franzosen zusammen und versperrten den Fremden den Weg. Die Italiener mußten daher unter dem Schutze einer starken Abtheilung Gendarmerie die Rückfahrt antreten. Als dann aber einer der beiden fran zösischen Unternehmer in Pont-Saint Vincent eintraf, wurde er von einer drohenden Volksmasse empfangen. Kaum hatte er den Wagen bestiegen, als die Arbeiter den Pferden in die Zügel fielen, so daß der hart bedrängte Bauunternebmer nach der Mairie flüchten mußte, wo er sich mit Frau und Tochter einschließen ließ. Die Volksmenge tobte draußen inzwischen weiter und stürzte den Wagen in die Mosel. Anstatt das Vorgehen der französischen Arbeiter aufs Entschiedenste zu verurthcilen, läßt sich selbst ein großes Organ, wie der „Figaro", aus Nancy schreiben: Die Bevölkerung zollt den entlassenen Arbeitern Beifall, die durch die Anwerbung der Italiener erbittert sind . . . Fügen wir hinzu, daß viele Personen darüber er staunt sind, daß jeder Fremde, der als Arbeiter gekleidet ist, frei in das Fort eindringen kann, während die Anordnung, wonach der Zutritt dem Publicum untersagt ist, streng beobachtet wird." Man sieht, wie der ..Figaro" bemüht ist, den ckauvin istischen Stachel hervorzukehren, der —fried liche „Figaro"! Zwischen Japan und China sind die Friedensverhand lungen, und zwar nicht obne Aussicht auf Erfolg, in die Wege geleitet; die Abgesandten Chinas mit Li-Hnng-Tschang an der Spitze und, wie anzunehmen ist, diesmal mit aus reichenden Vollmachten versehen, haben Tientsin verkästen und befinden sich auf dem Weg nach Hiroshima. Wenn der „New-Aork Herald" aus Shanghai meldete, obgleich Li-Hung-Tschang ge neigt sei, die Bedingungen Japans anzunehmen, hege man in hoben japanischen Kreisen wenig Zuversicht, daß es zum Friedensschlüsse koiiime, die japanische Armee sei entschlossen, in Peking einzuziehen, so sind diese Mittheilungen wohl nur mit Vorbehalt aufzunehmen, denn Shanghai ist nicht gerade der Ort, wo „hohe japanische Kreise" ihre Meinungen abzu lagern pflegen, und außerdem hat die japanische Armee keine eigenen Entschlüsse zu fassen, sondern lediglich die jenigen deS Kaisers von Japan auszuführen. Mit dem officiellen Beginn der Friedensunterhandlungen tritt auch die Frage der Intervention der europäischen Großmächte wieder in den Vordergrund. Nachdem in Berlin der Staatssecretair des Auswärtigen, Freiherr von Marschall, am Sonntag mit dem englischen und dem japanischen Vertreter am Hofe Conferenzen gehabt hatte, conserirte er mit dem französischen Botschafter Herbette und darauf mit dem chinesischen Gesandten Hsü-Ching-cheng. Es liegt ohne Weiteres nahe, daß es sich in beiden zsa-n u», »i- ,»w-i-ud.u 7r i L w°" -.E-bm-, v°^» wegen einer bedeutenden Geldentschadigung nnl s lassen und auch zur Abtretung .nsularen ^b'clsw--;.B. LN L L*'-u.7L--'°" Miich?.» ,»°'n die Annexion größerer Tbeile der s^te Widerstand Rußlands stogen wurde ^er W.e unS Heu e gemeldet wird, verdienen die Meldungm der „.cow l Höremja" a.,S Tientsin, daß^Iapan tbatsachl.ch ^ tretung eines beträchtlichen -Stuckes ber Mandschuici b-Itcl, kleinen Glauben, und was über ^'e Absichten Japans die Mandschu-Dynastie zu entthronen und berichtet wlrd ist sicherlich auf Rechnung russischer Schwarzseverei zu setzen. Es ist. wie natürlich, über die Friedensverhandlungen Sicheres noch nicht bekannt geworden, dieselben stnd bls aus Weiteres Geheimniß deS ispaniscken CabmetS. Was aber die Hoffnung CbmaS betrifft, daß e.ne Intervention der Mächte ihm viel Nutzen bringen werde, so theilen w»r b,e,e Ansicht nicht, da die Concurrenz Englands und Rußlands es kaum zu einem gemeinsamen Schritte kommen lassen wird. Auf einen „eventuellen" Anschluß Deutschlands an die übrigen Mächte aber braucht China nicht zu rechnen, wir haben absolut kein Interesse daran, dem siegreichen Japan ,n die Arme zu fallen. Deutsches Reich. 6. ll. Berlin, 13. März. Die .gestern in der späten Abendstunde bekannt gewordene Nachricht, daß Gras Wil helm Bismarck zun, Oberpräsidenten von Ostpreußen er nannt worden sei, bildet natürlich heute daS Hauptgesprach. Wir können versichern, daß der Kaiser mit der Ernennung deS Grafen Wilhelm Bismarck zum Oberpräsidenten dem Fürsten Bismarck eine besondere Geburtstagsfreude bereiten wollte und auch bereitet hat. Nachrichten aus Friedr,chsruh besagen, daß der Fürst auf das Höchste beglückt war, als ihm dbe Ernennung seines Jüngsten zum Oberpräsidenten gemeldet wurde. In der Audienz, welche der Minister des Innern von Köller am Sonnabend Nachmittag 2 Uhr beim Kaiser hatte, soll letzterer auf die eventuelle Ernennung des Grafen Wilhelm zum Oberpräsidenten zu sprechen gekommen sein. — Politisch ist Gras Wilhelm in der letzten Zeit wenig hervorgetreten. Jedoch darf wohl als ganz sicker angenommen werden, daß er im Gegensatz zu seinem Bruder, dem Grafen Herbert, ein Gegner des An trages Kanitz ist. Bei Hofe hat Graf Wilhelm wegen seines jovialen Auftretens viele Freunde, während das Gleiche vom Grafen Herbert nicht gesagt werden kann. In Hannover wird dem Grafen Wilhelm nachgerühmt, daß er ein durchaus gewissenhafter Arbeiter sei, der namentlich alle Vorlagen so schnell aks möglich erledigt. Als er noch Landrath des Kreises Hanau war, hat er ja zuweilen etwas eigenthümliche Ansichten entwickelt (wir erinnern an den Erlaß über daS Skatspielen der Lehrer in WirthShäusern.) Aber heute gilt Graf Wilhelm als ein durchaus gemäßigter Mann, dem von „junkerlichem" Wesen nicht daS Geringste anhaftet. Berlin, l3. März. Wenn gegenwärtig in einigen Blättern verschiedene Vorlagen aufgezählt werden, welche den gesetzgebenden Factoren deS Reichs während der Zeit der Reichstagstagung noch bestimmt zugehen sollen, so be ruhen diese Mittheilungen umsomehr auf Bermuthunzen, als schon jetzt der Reichstag so mit Arbeitsstoff belastet ist, daß eS sehr fraglich ist, ob er ihn bis Pfingsten wird vollständig erledigen können. Nur betreffs derjenigen Vorlagen, deren Ausarbeitung schon sehr weit vorgeschritten ist, wird an eine Einbringung in der laufenden Tagung gc dacht. Zu diesen gehört aber zweifellos irgendein Entwurf, der sich auf eine ArbeiterversicherungSfraae bezieht, nicht. Als im Juni v. I. die Entwürfe über die Reform dcc bisherigen Unfallversicherung und über die Erweiterung aus daS Handelsgewerbe und Handwerk veröffentlicht wurden, glaubte man in weiten Kreisen, daß der Reichstag sich in seiner jetzigen Session mit einer UnfallverstcherungSvorlage beschäftigen würde; denn wenn auch bald nach der Veröffentlichung deS Er- weiteruugseiitwurfs klar war, daß das HandelSgewerbc sowohl wie daS Handwerk, jedes allerdings auS ver schiedenen Gründen, gegen die Belastung Front machten, so meinte man wenigstens, daß die Revision der be stehenden Unfallversicherungsgesetze, welche in recht vielen Puncten auch die Zustimmung der Berufsgenoffenschaftcn gefunvcn halte, bald vorgenonimen werden würde. Jedoch auck hier haben sich Schwierigkeiten gezeigt, welche eine nochmalige gründliche Durcharbeitung der gemachteu Vorschläge angezeigk erscheinen ließen. Von der Einbeziehung der Strafgefangenen m die Unfallversicherung, die gleichfalls geplant war, hat man über haupt nichts wieder zu hören bekommen. Als jedoch die December- stürme des vorigen Jahres vielen Seefische rn den Unter gang bereiteten, dachte mau daran, wenigstens einen Theil der Erweiterungsvorlage fertig zu stellen und die Seefischerei der Woblthaten der Unfallversicherung bald theilhaftig werden zu lassen. Jedoch die Arbeiten, welche auf diesem Gebiet vorgenommen sind, haben jetzt schon gezeigt, daß daS Ziel nicht so leicht zu erreichen ist. Einmal liegen die Verhältnisse der Seefischerei selbst, namentlich nachdem die Dampf-Hoch seefischerei ins Leben getreten ist, sehr verschieden, und dann darf den wenig wohlhabenden Küstenfischern nicht die völlige Aufbringung der nolhwendigen Kosten zugemuthet werden. Also auch eine Vorlage über die Unfallversicherung der See fischerei wird in der gegenwärtigen ReichStagStagung nicht mehr zu erwarten sein. — Wie nach dem „Hamb. Corr." in parlamentarischen Kreisen verlautet, lehnt die Regierung die Kündigung dcs Handelsvertrags mit Argentinien ab. — Die Nachrichten von einer persönlichen oder Vertretung» weisen Theilnahme fremder Souveraine an der Eröff nung des NordostseccanalS beruhen nach der „Post" ino- gesammt auf Combination. Zu den Eröffnungsfeierlichkeiten würden Mitglieder nicht deutscher Fürstenhäuser nur insoweit erwartet, als sie als Vertreter seefahrender Staaten er scheinen. — Ebenso wie in der Session im Februar 1890 sind auch jetzt die Mitglieder der engeren Versammlung des StaatSrathes gebeten worden, über den Verlaus der Berathungen Geheimniß zu bewahren; die Beschlüsse sollen durch den „Reichs-Anzeiger" veröffentlicht werden. Die „Post" meldet gleichwohl: In der gestrigen Sitzung der engeren Versammlung des Staats- rathes sprach nach der Eröffnung durch die bereits mitgetheüte Rede des Kaisers zunächst G ra s v o n K a n i tz»P o d an g e n, dem daS Referat über den ersten Punct der Tagesordnung, „Maßregeln zur Hebung des Getreidepreises" übertrage» war. Wie uns mitgetheilt wird, tra: Feuilleton. Lin Lecher Lethe. 24s Roman von R. Teilet. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) „Wurde ihr das Vermögen ohne jede Clausel vermacht?" „Ja, im Falle ihres Todes — aber nur dann — sollte ich es erhalten. DaS hatten sie so arrangirt, damit das Testament einen glaubwürdigeren Anstrich bekam, und die Bermuthung erregte, meinte Tante habe meine Ansprüche genau erwogen, ehe sie den Beschluß faßte, dem hergelaufenen Mädchen ihr Geld zu lassen." Es war wunderbar, mit welcher Selbstbeherrschung MrS. Darvill sprach, aber ich bemerkte deutlich, daß der Kampf, einen leidenschaftlichen Ausbruch zurückzuhalten, mit jedem Momente schwerer wurde. Die großen Hände zuckten krampfhaft und bas rothe Gesicht arbeitete seltsam. Sie machte eine kurze Pause, dann fuhr sie in ihrer Er zählung fort: „Ich war zu leidend, um dem Begräbniß meiner Tante beiwohnen oder vorher nach Hause zurückkehren zu können. Als ich nach einigen Wochen dort eintraf, waren RiSdon und seine Mitschuldige verschwunden. Vermuthlich wollten sie mir nicht begegnen. Aber daS schändliche Mädchen hatte einen Brief hinterlaffen, in dem sie mich bat, im Hause zu bleiben und ihr Haus stets als meine Heimath zu be trachten." ,^Nun, das war großmüthig genug", sagte ich unüberlegt. Sie sah mich zornig an. „Sie handelte aus Schamgefühl so", rief sie, „denn ihr Gewissen sagte ihr, daß mir von Rechtswegen Alles gehörte. Natürlich lehnte ich daS Anerbieten ab. Ich verließ daS HauS und zog nach London. Ich wollte den Mann, der mir geschworen hatte, mich zu heirathen, verfolgen. Andere Frauen wären zu blöde und ängstlich gewesen, um einen der artigen Vorsatz zu hegen, ich nicht. Ich wollte ihn zwingen, sein mir verpfändetes Wort zu halten — nicht aus Liebe, sondern aus Rache. Ich wollte meine Rivalin zu Boden werfen. Gelang mir das nicht, so wollte ich mich in anderer Weise rächen." „Mein Suchen war erfolglos. Beide waren verschwunden, ohne eine Spur zu hinterlafsru. Natürlich war ich fest davou überzeugt, daß sie sich geheirathet hatten und zusammen in dem Reichthum schwelgten, um den sie mich betrogen hatten. So verging die Zeit, bis etwa vor zehn Monaten ein Brief an mich auS meiner früheren Heimath eintraf. Der Brief war von Risdon, der mich um die Erlaubniß bat, mich auf suchen zu dürfen. Was wäre mir erwünschter gewesen! Ich schrieb ihm sofort, daß ick sein Gesuch zu erfüllen bereit sei. Er war in London und ich lud ihn in meine derzeitige Wohnung ein. Ich hatte mir vorher genau überlegt, waS ich sagen und thun würde; ich batte mir vorgenommen, ihn in aller Ruhe an sein Versprechen zu erinnern, und falls er nicht verheirathet war und seine Schlechtigkeit bereute, so wollte ich ihm vergeben und seine Frau werden. Sollte er meine Verdräugerin dagegen heirathen wollen oder gar schon mit ihr verheirathet sein, so wollte ich kein Mitleid mit ihm haben, sondern nur an meine Racke denken. Ich kann sehr entschlossen sein, Mr. Lindley. Wenn einer Frau Derartiges zugefügt ist wie mir, verschwindet jede weichere Regung in ihrem Herzen und ihre Seele wird hart wie Eisen." Ich verneigte mich zustimmend. Keiner zweifelte weniger als ick an ihrer Energie und Schlauheit. „Er kam pünktlich auf die bestellte Minute, Mr. Lindley, und sah frisch, heiter und schön wie immer auS; als ich ihn erblickte, liebte ich ihn mehr denn je. Aber eben diese Liebe hätte meine Hand gegen ihn gestählt, wenn eS ihm nicht ge lungen wäre, mich sofort durch seine ersten Worte zu ent waffnen. Ihr Männer versteht uns Frauen nicht, aber Ihr könnt unS so leickt betrügen. Eine Frau wie ich würde ihren Liebhaber lieber tödten, als ihn sich durch eine Rivalin entreißen lassen. Jedoch, wie gesagt, seine ersten Worte entwaffneten mich. „Kannst Du einem reuigen Sünder vergeben?" sagte er. „Ich weiß, ich habe schlecht an Dir gehandelt und verdiene Strafe, aber nicht wahr, Geliebte, Du vergiebst mir trotz dem?" „Ihm vergeben! Ob ich es thatl Er war meine ganze Welt, und wußte das wohl. Als er sah, daß er nicht» zu fürchten hatte, näherte er sich mir. umschlang mich und sprach mit der leisen berückenden Stimme, der kein Herz widerstehen kann: „Du hast mich ehemals so lieb gehabt — willst Du eS nicht wieder thun?" fragte er. „Du weißt, wie von ganzem Herzen ich Dich liebte, bis jenes falsche Geschöpf zwischen unS trat. Ich gebe eS zu, daß sie mich für kurze Zeit zu fesseln verstand — aber nur für kurze Zeit. Jetzt habe ,ch sie längst von mir geschüttelt. Du warst meine erste Liebe — Du sollst von nun ab wieder meine einzige sein." „Sollte ich ihm nicht Alanden? Er war zu mir zurück- gekehrt, er hielt mich in seinen Armen, er flüsterte mir süße LiebeSworte und Versprechungen ins Ohr. Und war es nicht der beste Beweis seiner Liebe, daß er zu mir, der Armen, zurückkehrte und um meinetwillen die Reiche aufgab? Ich konnte nichts Anderes thun, als ihm glauben. „ES war eine vorübergehende Thorheit von mir", sagte ', „diese Meinung für Ethelren. Es ist wahr, sie ist hübsch — aber damit ist auch Alles gesagt. Sie ist falsch und wankel- müthig, schlecht und treulos. Ich habe genug und mehr als genug an ihr." Ich sagte ihm, daß ich mir eingebildet hätte, er sei mit ibr verheirathet. Er leugnete jede derartige Absicht aufs Entschiedenste. „Du kannst Dich darauf verlassen", erwiderte er, „daß ,ch sie sehr wenig gesehen habe. Auch habe ich durchaus keine Sehnsucht nach ibr. Mag sie sich ihres ans Unrechte Welse erworbenen ReichthumS freuen! Er kann mich nicht reizen, wenn ich Deine Liebe in die andere Waagschale lege. Sterbliche ^ bin der glücklichste «So er und ich armer Thor glaubte ihm und war Mancher denn je. Es hat wohl kaum einen zweiten Bräutigam gegeben, der zärtlicher gegen seine Braut gewesen Ware oder dringender auf baldige Hochzeit bestanden hätte als RlSdon. Er wollte von keinem Aufschub hören und drang beständig m mich, den Hochzeitstag festzusetzen, da er immer befürchtete, eS könnte etwas dazwischen kommen und mich ihm entlegen. Natürlich gab ich seinem Drängen nach. Wenn eine Frau liebt, so liebt sie ganz. Ich war weiches Wach» ,n seinen Händen und fügte mich iedem seiner Wünsche. AH kurzem Brautstande fand die Hochzeit statt. Aus RlSdon S Wunsch sollte sie ganz klein gefeiert werden. Wir wurden h,rr m der Nähe in einer Kirche getraut - in St. James — ,n einem Viertel, in dem wir ganz unbekannt waren. Nur der Geistliche, der Küster, ein Freund meines Mannes und die Tochter meiner Wirthin wohnten der Trauung '"Ed""- >°" k sNr Das. was sie jetzt zu hatte, m.t neuer Kra t rüsten und wisch e sich den feuchten Schimmer au- ihren Lugen fort. ' ^ . „Als ,ch nach Hause kam, traf mich der betäubende Schlag. Das Ungeheuer verschonte mich keinen Moment. Ich hatte ihm nichts zu Leide gethan; ich betete ihn, trotz seiner Unbeständigkeit an — aber er hatte kein Mitleid mit mir. Er ist ein Mensch ohne jede» Gefühl. ES giebt viele solcher Menschen, Mr. Lindley, Menschen, die nur ihre eigene Person lieben und für die Leiden anderer kein Mitgefühl haben. Er hatte seinen Zweck erreickt und bedurfte meiner nicht mehr, daher war ich ihm im Wege und er wollte mich so rasch als möglich abschütteln. „Nun", sagte er, sobald wir unS allein im Wohnzimmer befanden, „ich habe mein Dir gegebenes Wort eingelost und Dich geheirathet. Du wolltest durchaus meine Frau werden und Du bist meine Frau geworden. Ich hoffe, Tu bist zu frieden." „Mehr als zufrieden", erwiderte ich, „ich bin überglücklich in dem Bewußtsein, von Dir geliebt zu werden." „Bah!" ries er, „für so dumm halte ich Dich nicht, daß Du Dir das embilden könntest Glaubst Du wirklich, daß eS möglich sei, ein Gesicht wie Deines zu lieben?" „O, eS war schrecklich — der Schlag war zu hart. Viel leicht hätte ich — so brutal die Beleidigung war, sie ertragen — denn Liebe erträgt Alles, aber die Offenbarung, daß er mich nicht liebte war ein zu großer Schmerz. Der Gedanke, daß er mich nie geliebt hatte, daß er mich im Gegentheil verabscheute, war fürchterlich, und mir war zu Muthe, als sei ich mit einem Schlage gebrochen und vernichtet. „Du liebst mich nickt, RiSdon?" fragte ich. Er war augenscheinlich ent schlossen, mich tödtlich zu verwunden, da er mich auf diese Weise am schnellsten los zu werden hoffte. „Natürlich nicht", antwortete er. „Aber um Gottes Barmherzigkeit willen, warum hast Du mich denn geheirathet?" „DaS will ich Dir sagen", erwiderte er, mich ohne jede» Mitleid, mit verächtlichem Blick anschauend. „In solchen Fällen ist Aufrichligkeit immer daS Beste. Ich habe Dich um Deines Geldes willen geheirathet." „Aber ich besitze so wenig, RiSdon", sagte ich. „O, ich denke nicht an Deine lumpige IahreSrente", sagte er. „Jetzt kann ich Dir mittheilen, was Du bisher nicht wissen durstest: Ethelren Stuart ist todt und Du hast ihr Vermögen geerbt." Wie ich die furchtbare Mittheilung ertrug, weiß ich nicht. Aber ich erinnere mich, daß mir in jenem Momente war, als spränge etwa« in meinem Kopfe. Seitdem bin ich nie mehr die Frau gewesen, die ich früher war. Aber damals
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