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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.03.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-03-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950315026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895031502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895031502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-03
- Tag1895-03-15
- Monat1895-03
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Organ fSr Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr Freitag den 15. März 1895. Politische Tagesschau. * Leipzig, l5. März. Der Widerstand gegen den Verzicht auf eine Ehrung Bismarck'S im Reichstage hat sich m den letzten Tagen derart verstärkt, daß diese Angelegenheit jedenfalls wird aus genommen werden mllssen. Eine Fahrt der Mitglieder der nationalen Parteien de- Reichstags nach Friedrichsruh, wie sie ebenso von Seiten der Mehrheit der preußischen Land tagsabgeordneten geplant ist, kann nicht «IS ein vom Reichs tage ausgehendes Unternehmen angesehen werden, auch wenn Herr v. Levetzow das Wort an den Fürsten richtet. Er kann nicht im Namen des Reichstags sprechen, sondern nur im Namen der an der Huldigungsfahrt betbeiligten Abgeordneten. Diese Fahrt ist Privatsache, das Land aber will einen amt lichen Act deS deutschen Reichstages und das auf die Gefahr hin, altgewohnte Unanständigkeiten der linken Seite zu sehen. Die herrschend gewordene Meinung geht dahin, daß daS Totschweigen des 80. Geburtstags Bismarck'S im Reichstage, der in allen Dörfern des Reiches und an unzähligen stellen deS Auslandes gefeiert wird, eine unauslöschliche Schmach für ganz Deutschland wäre, während der Widerspruch gegen die Ehrung nur auf seine Urheber und die von ihnen Vertretenen zurückfiele. Allerdings, die nationalen Parteien haben die Mehrheit nicht, und der Dank für Bismarck'S Großthaten kann deshalb vielleicht nicht zu Protokoll gegeben werden. Aber müßte man auf den gebührenden Beschluß verzichten, so doch nicht auf die gebührende Würdigung des Fürsten. Bei der Ver handlung eine- Initiativantrags hat der Antragsteller das erste Wort, und der Reichstag bat den Mann in seinen Reihen, der berufen und befähigt ist, Sorge zu tragen, daß in den Sitzungsberichten des Reichstags eine Rede zum Ruhme und Preise des hohen Nationathelden der Nachwelt ausbewahrt wird, „Aus naheliegender Veranlassung" entnimmt die „Nat.- Lib.-Corr." de» stenographischen Berichten des Reichstags, VIH. Legislaturperiode I. Session 1890/91. S. 1040 Folgendes: „Präsident: Meine Herren! In der Geschichte der Parlamente ist eS gewiß ein sehr seltener Fall, daß ein Abgeordneter den Tag seines Eintritts in das 80. Lebensjahr durch persönliche lebendige Theilnahme an den Verhandlungen einer gesetzgebenden Körper schaft feiert. In dieser, soll ich sagen, glücklichen Lage ist inein verehrtes vis-ü-vis, der Herr Abgeordnete Kr. Wtx-t Horst, in der gewohnten Frische des Körpers und Geistes. Aus der Besonderheit des Falles leite ich für mich die Be- sugniß her — und ich bin überzeugt, daß Sie mir zustimmen — dem Herrn Abgeordneten Vr. Winbthorst einen freund lichen Glückwunsch im Namen des Reichstages dar- zubrinaen. (Lebhaftes Bravo auf allen Seiten des Reichstage».) Abgeordneter vr. WindtHorst: Herr Präsident! Darf ich mit wenigen Worten meinen herzlichen Dank aussprechen'? ES ist bas eine Auszeichnung, die ich zu den größten rechne, die mir in meinem Leben zu Theil geworden sind. Meinen besten Dank! (Lebhaftes Bravo.) Weiter nimmt die „N. L. C." aus derselben naheliegenden Veranlassung den stenographischen Berichten des Reichstags, VIII. Legislaturperiode I. Session 1890/91, S. 2049, Folgendes: „Präsident: Meine Herren! Wir stehen alle sichtlich bei wegt unter dem Eindruck der Trauerbotschaft (der Reichs- tag erhebt sich) die uns dieser Morgen gebracht hat. Der Abgeordnete vr. Windt Horst, welcher noch am vergangenen Montag unter uns weilte und am letzten Sonnabend mit be kannter Lebendigkeit sich an unseren Verhandlungen betheiligte, ist heute früh 8>/« Uhr nach kurzer Krankheit in seinem 80. Lebensjahre auS dieser Zeillichkeit abgerufen worden. Mitglied des Norddeutschen und des Deutschen Reichs tages von Anfang an, seit säst fünfundzwanzig Jahren, hat vr. Windthorst durch seine ungewöhnliche Geistesschärfe, seine Arbeitskraft, seine Gewandtheit, durch seine Gabe, sich versvnlichen Einfluß zu verschaffen und ihn zu üben, durch seinen weiten Blick den Weltruf eines Politikers und Parlamentariers und unter uns eine Stellung von eminenter Bedeutung sich erworben. Wenn er — und daS geschah bei jeder wichtigen Gelegenheit — das Wort ergriff, so waren wir auf allen Seiten dieses Hauses gewohnt, seiner Rede zu lauschen. In und außerhalb deS Hauses wurde auf seine Meinung über schwebende Fragen großes Gewicht gelegt, und gar oft ist sein Wort schwer in die Waagschale ge fallen. Auch im persönlichen Verkehr verstand eS der Heim gegangene, durch Liebenswürdigkeit, Humor und Frische Alt nnd Jung an sich zu fesseln, und ich selbst habe für manche Beweise seiner freundlichen Gesinnung ihm herzlich zu danken. Kaum Jemand im Reichstag dürfte rechts und links und in der Mitte so vermißt werden, wie diese verehrte „kleine Excellenz". Sein Leben ist köstlich gewesen, denn es ist Mühe und Arbeit gewesen von Jugend auf bis ins späte Greisenalter, und arbeitend ist er gestorben. Sie haben, meine Herren, zur Ehre des Heimgegangenen sich erhoben. Er ruhe in Frieden!" Seitdem der Präsident des Transvaal, Krüger, auf dem in Pretoria von den dortigen Deutschen veranstalteten Kaisercommers am 26. Januar sich in äußerst sym pathischer Weise über das deutsche Element im Gegensatz zu dem englischen ausgesprochen, sind die Engländer am Cap sehr verstimmt gegen die Transvaalregierung. Es hat auch nicht an publicistiscken Kundgebungen gefehlt, um diese Ver stimmung zu vermehren. So hatte die „Volksstem" gesagt: „Fortan wird über das Loos von Südafrika nicht mehr aus schließlich in Downingstreet entschieden, man wird in Zukunft auch in Berlin über das, was in Pretoria, Bloemsontein und sonstwo geschieht und gesagt wird, ein aufmerksames Ohr haben. Uns wird es von Tag zu Tag deutlicher, daß das Eintreten der deutschen Regierung für das freie holländische Element in Südafrika keines wegs eine plötzliche Aufwallung der Dienstfertigkrit oder eine politische That ist, die einem ganz anderen Ziele nachjagt, als men oberflächlich sehen kann, sondern daß sie nur den Anfang der Ausführung eines systematisch ausgearbeiteten, gut durchdachten und ernsthaften Planes darstellt, den unsere englischen Freunde bei ihren Berechnungen fortan nicht außer Acht lassen dürfen." Diese sehr deutliche Sprache hat am Cap nicht miß verstanden werden können, und der frühere Minister Merri- man hat dem Präsidenten Krüger offen gesagt, dieser sei bestrebt, der englischen Regierung in Südafrika die deutsche entgegenzustellen. „Es darf", so sagte Merriman, „sich kein fremdes Element zwischen Holländer und Engländer einschieben. Ihr» Streitigkeiten sind nur oberflächlicher Art. Wir sind froh, daß wir Fremde unter uns haben, aber wenn Deutschland und Frankreich nach Südafrika als Mächte kommen, die England ln den Weg treten wollen, dann liegt die Sache etwas anders. Der Mann, der einen fremden Staat als Gegengewicht gegen die sogenannte englische Tyrannei kn die Waagschale werfen will, erweist den Interessen Südafrikas einen sehr schlechten Dienst. Gelingt ihm dies, dann werden unsere Kilideskinder die Folgen davon spüren; cs ist auch sehr wohl mög lich, daß es geschehen wird; aber drei Mal verflucht soll der Mann sein, der diese Missrthat auf sich geladen hatl" Annahmeschluß für Anzeige«: >brnd-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Margen-AuSgabe: Nachmittags 4Uhr. Eonn- und Festtags früh '/,9 Uhr. Vei den Filialen und Annahmestellen je ei« halbe Stund« früher. Anzeige» sind stets an die ExPe-itiva zu richten. Druck und Verlag von E. Pol» k Leipzig 89. Jahrgang. In wird di-,- uA" «°b'K"P°MiVP-M^ >»> «u? d-m -ich,-s-n Wege befindet. Je mehr sich Frankreich allmählich zu der schmerzlichen Ueber- zeugung bekennen muß, daß Deutschland m > . Erweiterung der HeereSorganisation -E S1,r,tt vor mXets aemackt bat dem Frankreich Mit ckcuckllchl aus seiuc ?eri,.aere Bevölke?unaSziffer bei bestem Willen nicht w.rd solren können desto höheren Werth legt man darauf, durch die Großa^ Aeransta tungen und Hebungen die Bedeutung und Leistungsfähigkeit der franz fischen Armee in den Vordergrund zu stellen So ist A die -S- ädrigen großen Manöver, wie „Le Progrös m,l,sture mit,utbeilen weiß, ein Plan ausgearbeitet, der an Groß artigkeit und breiter Anlage Alles hinter sich laßt, waS die übrigen europäischen Armeen selbst be. °ußerüewobnl.ch n Gelegenheiten zu leisten pflegten. In der Zeit vom 9. US 17. September sollen nämlich zwei Ärmee-Abtheiliingcn - die eine unter dem Oberbefehl des Generals de .cegner aus dem 7. und 8. Armee-CorpS, die andere unter dem Oberbefehl des Generals Iamont, aus dem 0. und einem combinirten Armee-Corps bestehend und beide mit größeren Cavalleriekörpern auSgestattet — in dem Dreieck Langres- Neuschateau-Epinal gegen einander manövriren. Die Leitung wird General Saussier übernehmen, dem der General de Boisdeffre als Generalstabschef beigegeben ist. In den letzten Tagen dieser Manöver-Periode sollen überdies unter Befehl Saussier's beide Armee-Abtheilungen zu einer Armee (4 Armee-Corps) vereinigt werden und gegen ein inzwilchen bei Mirecourt als markirter Feind zusammengezogenes com- binirteS ü. Armee - Corps mit Cavallerie - Division einen Angriff auSsühren, der mit dessen Zurückwerfung in die Vogesen endet. Am 18. September würde eine bei Mirecourt vor dem Präsidenten der Republik statt findende große Parade den würdigen Schluß der Hebungen bilden. Auch ungewöhnlich groß angelegte Artillerie-Ilebungen sollen in der Zeit vom 17. bis 28. Juli im Lager von Chalons unter Oberleitung des Generals Lavocat, Vorsitzenden des lechnischen Artillerie-Comitös, stattsinden. Nüchtern urtl,eilende mililairische Kreise und selbst ein Tbeil der militairischen Presse stehen, wie den „M. N. N." aus Paris geschrieben wird, diesen großen Veranstaltungen sehr skeptisch gegenüber und sprechen innen jeden Werth ab, so lange noch Uebungen in kleineren Verbänden, wie die im vorigen Jahre zwischen nur zwei Armee-Corps abgehaltenen großen Manöver den Beweis liefern, daß ihre kriegsmäßige Durchführung noch viel zu wünschen übrig läßt. Deutsches Reich. * Berlin, 14. März. Die Verhandlungen des Staats- raths über den ersten Gegenstand der Tagesordnung, Maß regeln zur Hebung des Getreidepreises, wurden, dem „Reichsanzeiger" zufolge, am gestrigen und vorgestrigen Tage fortgesetzt. Beschlossen wurde, die Abstimmung über die Vor schläge des Referenten bis zum Berhandlungsschluß aus- zusetzen, um durch eine besondere Commission die allseitig zu berücksichtigenden Vorschläge vorbereiten zu können Betreffs deö zweiten Gegenstandes derTagesordnung, Maßregeln zur Hebung deS Zuckerpreises, wurden die Anträge des Referenten ange nommen : 1) Deraußerordentlich niedrige Stand derZuckerpreise sei eine Folge der übermäßigen Erzeugung, veranlaßt durch große Ernten und Erweiterung des Betriebs. Die Be kämpfung der Zuckerkrisis auf internationalem Gebiete ist aussichtslos. Die Hebung des Weltmarktpreises ist erst durch kleinere Ernten oder durch Productionsverminderung er wartbar. 2) Die Hebung derZuckerpreise in Deutschland ist, abgesehen von der Besserung des Weltmarktpreises, nur durch Erhöhung der AuSfuhrvergütung möglich, die auszu bringen ist theils durch Erhöhung der Verbrauchssteuern, theils vielleicht durch eine für größere Betriebe steigende Betricbsabgabe. Die Erhöhung der Ausfuhrvergütung erfordert unumgänglich, die Production einigermaßen einzuschränken, um die schnelle Vermehrung zu verhindern, auch um der über mäßigen Inanspruchnahme der ReichSsinanzen vorzubeugen. Betreffs der Maßregeln zur Hebung der Spirituspreise wurden folgende Anträge des Berichterstatters angenommen: Grundzüge einer zwar noch nicht im Wortlaut veröffentlichten Novelle des Branntweinsteuergesetzes, nämlich Einführung einer fünfjährigen Contingentirungsperiode, Aufhebung des Zwanges, das Coiitingent jährlich abzubrennen. Eine von fünf zu fünf Jahren einzutretende Reduetiou deö Höchste»«- tingentS um r/eü des 15,0 000 Liter betragenden Maximums, Beschränkung des neuen Contingents aus 80 000 Liter Maximum, Abwehr der Gefahr der gesteigerten Melasse- spiritusprodnction für die landwirthschastlichcn Brennereien, Einführung einer besonder», mit Freilassung der kleinern Brennereien progressiv ansteigenden Betriebösteuer, deren Ertrag lediglich im Interesse der Spiritus-Industrie zur Hebung des Exports zu verwenden sei, Steuererhöhung für den Sommerbetrieb. Es erscheint geeignet, durch Ein schränkung der Production und Hebung der Ausfuhr die Lage des BrennereiaewerbeS zu verbessern wegen der Gefahr der demnächstigen Steigerung der Melassespiritusproduction. Das Inkrafttreten des zu erwartenden Gesetzes ist womöglich am l. Juli erwünscht. Der Verkehr des denaturirten Spiritus ist möglichst frcizugeben. * Berlin, 14. März. Die „Boss. Ztg." meldet: Prinz Joachim, der jüngste, am 17. December 1890 geborene Sohn des Kaisers ist schwer erkrankt. Vorgestern stellten sich bei ihm die ersten Krankheitserscheinungen ein. Im Lause des Abends verschlimmerte sich sein Zustand erheblich; er wurde besorgnißerregend und der Generalarzt Vr. Junker, der Leibarzt der Kaiserin und der kaiserlichen Prinzen, wurde in das Schloß gerufen, wo er die Nacht verblieb. Im Laufe des heutigen Tages trat eine neue Verschlimmerung in dem Befinden des jungen Prinzen ein, so daß schwere Befürchtungen gebegt werden. Dem Vernehmen nach leidet der Prinz an einer Blinddarmentzündung und hat Hobes Fieber. Heute Abend wurde auf dem Straßcn- damme des Schloßplatzes, nach dem hinaus das Kranken zimmer des Prinzen liegt, Stroh gelegt, um das Geräusch der vorbeisahrenden Fuhrwerke zu dämpfen. Kutscher und Schaffner der Straßenbahnwagen erhielten von den Schutz leuten Anweisung, nicht zu klingeln und alle Fuhrwerke mußten Schritt fahren. Gegen Mitternacht wurde mitgetheilt, daß das Befinden des Prinzen unverändert sei. — Wie die „Ostpreuß. Zeitung" berichtet, hat der Kaiser am Montag telegraphisch dem Fürsten Bismarck die Ernennung des Grafen Wilhelm zum Oberpräsidenten in Form eines Glückwunsches mitgetheilt. Der „Reichs-Anzeiger" veröffentlicht in seiner heutige» Nummer die Ernennung des Grafen zum Ober-Präsidenten. Dieser und sein designirter Nachfolger im Regierungspräsidium in Hannover, v. Bra ir denst ern, speisten gestern beim Minister des Innern v. Köller. Farrillet-ir. Ein Lecher Lethe. 251 Roman von R. Teilet. Nachdruck verboten. (Forksetzuna.) Auf all' dieses und noch viel Derartiges wußte ich nichts zu erwidern. Wenn Mrs. Darviü's Geschichte auf Wahr heit beruhte, war Ethelren der Liebe, die ich für sie hegte, selbstverständlich unwürdig. Es war nur ;u wahrscheinlich, daß sie die Frau eines Anderen und daher für mich verloren war. Meine Gedanken wirbelten wild durcheinander — ich vermochte sie nicht zu sammeln. Für den Moment hielt ich es für das Beste, so wenig als möglich zu sagen. „Mrs. Darvill", bemerkte ich endlich, „waS Sie mir erzählt haben, ist so wunderbar und überraschend, daß Sie mir Zeit lassen müssen, darüber nachzudenken. Ich weiß einstweilen noch nicht, was ich thun muß." „Aber Sie werden mir den erbärmlichen Schurken suchen helfen?" fragte sie erregt. „Vergessen Sie nicht, aus welchem Grunde ich Ihnen all daS erzählt habe. Nur um Ihren Beistand zu erlangen. Sie boten ihn mir, wie Sie wissen, in Ihrem Briefe an. Ich hoffe, Sie haben kein falsches Spiel mit mir getrieben?" „Gewiß nicht", antwortete ich. „Wenn ich nur könnte, hülfe ich äkmen gern. Aber sagen Sie mir nur wie?" Sie biß die Zähne zusammen und zischte die Worte hervor: „Finden Sie mir nur den Verräther, dann will ich mir schon selbst Helsen." „Mir liegt ebensoviel daran, ihn zu finden, als Ihnen", sagte ich. „Aber Sie müssen nicht so wilde Ideen von persönlicher Rache nähren. Das würde Sie nur in noch größeres Unglück stürzen. Ueberlaffen Sie ihn mir lieber." „Finden Sie ihn nur", wiederholte sie, „finden Sie ihn mir nur! Das Uebrige wird sich dann von selbst machen. Und an da- größere Unglück glaube ich nicht — kann es denn einen unglücklicheren Menschen geben, al« ich jetzt bin?" Ich sah ihr vor Erregung dunkelroth gefärbte« Gesicht, ihre vor Zorn zitternden Lippen, ihre Augen an, in denen jeder Strahl von Liebe und Freude erloschen war, und hielt es für das Beste, ihre Frage unbeantwortet zu kaffen. Sie warf sich auf das Sopha und brach in heftiaeS Schluchzen au-, wobei sie sich wand, als ob sie physische Schmerzen litte. So sehr und von Herzen ich sie bemitleidete, war ich nicht im Stande, daS Mindeste für sie zu thun. „Mrs. Darvill", sagte ich, „ich will mich jetzt von Ihnen verabschieden, verspreche Ihnen indessen, bald von mir hören zu lassen. Gestatten Sie mir, Ihnen nochmals herrlich für die mir freundlichst mitgekheilte Geschichte Ihres Levens zu danken." Sie gab keine Antwort und schaute mit leerem Blick um sich. Da verließ ick, so rasch ich konnte, das Zimmer und daS melancholische Haus. 30. Capitel. Als ich um 6. Uhr nach der Melburystraße zurückkehrte, erzählte mir der Diener, Inspector Teakle sei dagewesen, habe nach mir gefragt und binterlassen, daß er um halb sieben nochmals vorsprechen wollte. Trotzdem ich keine be sondere Sehnsucht nach ihm hatte, da ich längst zu der Ein sicht gekommen war. daß ich weder von ihm noch von seinen Trabanten vielen Beistand erwarten durfte, sagte ich dem Diener, er sollte es mich wissen lassen, wenn Teakle käme, und begab mich in das Atelier, wo ich Vaux an einem Bilde beschäftigt fand, daS ganz von seiner sonstigen Regel abwich. Es stellte Cleopatra dar, und das Modell für die egyptische Königin war eben abwesend. Vaux schien gern an dem Bilde, zu arbeiten, hatte jedoch mit der Vollendung keine Eile. Das Modell war nicht nur wie die meisten Modelle, sehr schön, sondern es hatte auch ein sehr angenehmes, bescheidenes Wesen. Ihre Geschichte war sehr traurig. Der Vater war Cassirer in einer Bank gewesen, und hatte in einem bösen Augenblicke Geld unterschlagen und Wechsel gefälscht. Dafür war er zu langer Gefängnisstrafe verurtheilt worden. Seine Frau batte daS Unglück nicht ertragen können und war einige Monate nach der Berurtheilung an sogenannter Ab zehrung gestorben. Nun stand die Tochter ganz allein da und Niemand nahm sich ihrer an. Sie bemühte sich um eine Stelle als Erzieherin, aber umsonst. Dann nähte sie jür ein Geschäft, und schließlich vertauschte sie diese weibliche Sclaverci mit dem leichteren Leben eines Künstlermodells. Solche Modelle werden gewöhnlich mit einem Schilling die Stunde bezahlt, aber Vaux gab ihr mehr. Obgleich er seinen Worten nach (Zyniker war, hatte er doch ein weiches Herz, und obzwar er ein großer Weiberfeind zu sein schien, konnte doch eine unglückliche Frau sein ganzes Mitleid erregen. Wenn ich sagte, VauxZei gerade beschäftigt grwesen, so ist daS nicht genau die Wahrheit. Es fand bei meinem zu lassen pflegen. , , , ^ der gastfreundlicher als seine Collegen war, seine Model stets mit Erfrischungen. Auch jetzt saß Miß LinSkill im Prack vollen Gewände der egyptischen Königin in einem Seff und trank Kaffee. Wir reichten uns die Hände und ich bl merkte aufs Nene, wie schon sie sei. Sie besaß nicht die zart ideale Schönheit Elhelren's, sondern jenes volle, königlick Aeußere, wie es kaum Cleopatra selbst vollendeter besessc haben konnte. Sonst freute ich mich stets, wenn ich sie tra beute aber wäre es mir lieber gewesen, Vaux allein zu finde, da ich darauf brannte, ihm Alles, was ich von MrS. Darvi erfahren hatte, zu erzählen, und mit ihm NatheS zu pfleae, WaS ich nun thun sollte. „ES thut mir leid, wenn ich gestört habe", sagte st Du warst eben in einer lebhaften Unterhaltung, als ich de Corridor entlang ging." „Wir beide haben immer denselben Streit", sagte Vau „Miß LinSkill möchte mich gern berühmt sehen, und mir gel meine Bequemlichkeit über meinen Ruhm." „Miß LinSkill hat offenbar idealere Ansichten als D Vaux." „Vielleicht. Ich bin nun einmal realistisch, materie prosaisch. Ich wünschte, ich wäre als Neger geboren und hät nichts zu thun, als flach ans dem Rücken zu liegen, in d Sonne zu sehen und Paradiesäpfel zu essen, wenn mi hungerte." köps'e'^"^ ^0^ b^mststet man, Du idealisirtest Deine Frauei „Von Cleopatra wird da- Niemand behaupten. Sie i nicht halb so schön wie das Original Miß LinSkill'S Wangen bedeckten sich mit warmer Röth "" Schönheit ganz vorzüglich stand. „Wie Sie nur so sprechen können, Mr. Vaux", sagte si „Ich denke, Schmeicheleien, und noch dazu so übertrieben seien im Atelier verboten." „Für gewöhnlich allerdings. Aber jetzt, da wir a! Freunde sind, müssen Sie mir schon ab und zu ein Abweich von der Regel zu gute halten." ^ Er ist r», der die Würde de» Atelier- aufrecht rrhiUt und L Kunst die Unpersönlichkeit wahrt. Und ebenso ist er eö, der das Modell fähig macht, in einer Lage die für weibliche Ein samkeit ein wenig gefährlich ist, seine Selbstachtung ru be wahren. Und doch hat er auch seine Schattenseite. Durch ihn sinkt daS Modell zu einer bloßen Tbonsigur herab — oder zu dem eines auf Stunden gemietheten Besitzthumes. Seine Menschenwürde i't beeinträchtigt, seine Individualität nur körperlich in Frage gezogen. Es lag auf der Hand, daß Vaux' Beziehungen zu Miß Linskill anderer Art waren, und daß er weniger auf geschäft lichem als auf menschlichem Fuße ihr gegenüber stand. Ich amüsirte mich, wie sie heiter miteinander plauderten und sich gegenseitig neckten, als bestünde nicht der mindeste gesell schaftliche Unterschied zwischen ihnen. Erst Inspector Teakle'S Ankunft vermochte mich, das Atelier zu verlassen. Pünctlich aus die Minute um halb sieben kam er und wurde in die Bibliothek geführt, wobin ich ihm folgte. Es fiel mir sofort auf, daß sein holziges Gesicht einen betrübten Ausdruck hatte. „Nun, Inspector", sagte ich, in der Absicht, den Stier bei den Hörnern zu fassen, „was bringen Sie mir Neues?" Diese Begrüßung setzte ihn offenbar in Verlegenheit. „Nun, sehen Sie, mein Herr, ich dachte, ich könnte etwas durch Sie erfahren." „Wenn ich nach Ihrem Beistände Verlangen getragen hätte, würde ich allerdings nicht verfehlt haben, Sie zu be nachrichtigen." „Die Sache mit Jarvis ist mir sehr unangenehm", sagte der Inspektor entschuldigend. „Ter Mann that sehr Unrecht, das Bild auch nur für einen Moment außer Augen zu lassen." „Darin bin ich nicht ganz Ihrer Meinung" erwiderte ich. „Im Gegentheil, ich finde, es war das Gescheiteste, was er thun konnte." Der Inspector kratzte seinen Kopf. Es war offenbar eine große Iprüsnng für ihn, daß mein Geist sich hartnäckig weigerte, in derselben Weise wie der seine zu denken und zu arbeiten. „Schön", sagte er endlich und bemühte sich, recht höflich zu sprechen, „aber wenn man einen Mann bezahlt, daß er etwas Bestimmtes thut, so darf er auch nicht fortgehen und etwas Anderes thun." „Sie haben den Gesichtspunkt gewechselt", versetzte ick. „Sehen wir die SaHe nicht von ihrer moralischen, sondern von ihrer geistigen Seite an."
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