Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.04.1895
- Erscheinungsdatum
- 1895-04-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189504226
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18950422
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18950422
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-04
- Tag1895-04-22
- Monat1895-04
- Jahr1895
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.04.1895
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
112,80 102, ao 104.7b 101 Zs io«.— 102.10 108ZO 102.10 108.40 103. — 128.— 122.SO ic — I23.7L 48,— 14380 184.- 116,28 IbU— SS.— 336,- 208.28 162Z8 241Z0 24SH0 118.— 283.— 70,— SS.- 72- 1»1.— 148,— 187,25 108,— 4S — 386,— 12».— 288.— 188,— 18».— 814>0 122,SO 85.— 88.— 246,— 101.80 108,— 81,05 80,80 166,80 218,10 217,40 218.05 rivotir >5 O. — bi iO v. >0 6. '5 S. lS «. »0 ». »0 1. »0 8. »0 S. - 6. - 0. 'S U. lb 6. - <1. iO S. IS 6. - s. >8 S. - d-S. iS O. - 6. iS 6. - 0. - 0. 8 S. 0 L - S. - 6. 8 v. - (1 - S. - v. - O. O S, - 0. - v. - U. - 6. -o LtNcle. I 72'» 81^ 14>z 41 08 58'. 25'» 96>!« 45'i. 105 14'» '»"» 80'!4 Uillsii- ;ek !0/>l-, toiöli^lu.. .täte ro«o 6,87, t v'lnliül , N^iui- > 45 X 6 u. rsn per >«,- 8t., BezugSPretS i» der tzanptexp,ditto» oder den tm Stadt, bezirk und den Bororten errichteten AuS- gabeslrllen abgeholt: vierteljährlich^4.50, vei zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljäbrlich 6.—. Direkte tägliche Kreuzbandiendung tut Ausland: monatlich 7.50. Die Morgen-Ausgabe erscheint täglich mit Aus nahme nach Sonn- und Festtagen '/,7 Uhr, di« Abeud-AuSgabe Wochentags b Uhr. Ledaciion und Expedition: AohanneSgasse 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abend- 7 Uhr. Filialen: vtt» Klemm- Sorttm. (Alfred Hahn). Universitätsstraße 1, LauiS Lösche. Katharinenstr. 14, Part, und Künigsplatz 7. tlMM Anzeiger. Drgan für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. AnzeigeN'PreiS die 6 gespaltene Petitzeile LO Pfg. Reklamen unter dem Redactionsstrich (4ge- spalten) bO^Z, vor den Familiennachrichten (6 gespalten) 40 Größere Schriften laut unserem Preis. Verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernjatz nach höherem Tarif. Krtra»Beilagcn (gesalzt), nur mit der Morgen - Ausgabe, ohne Postbesörderung >4 60.—, mit Postbesörderung X 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: (nur Wochentags) Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. ^-199. Montag den 22. April 1895. 89. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. Bekanntmachung. Während der Messe liegen im Büchersaale unserer Bibliothek eine große Anzahl verschiedener in- und ausländischer Städteadreß bücher, sowie Branchen-, Fach-, Export- und Reichsadreßbücher zur unentgeltlichen Einsicht aus. Die Bibliothek ist an Wochentagen von 10—12 Uhr und von 4—6 Uhr geöffnet, Neue Börse, Tr. I. Die Bibliothekverwaltung der Handelskammer. 4. Fortbildungsschule für Knaben. Die Anmeldung der neu ettttretenden Schüler erfolgt Mon tag, den 22. April, bis Mittwoch, den 24. April, Bormit- tagS von 8—12 Uhr in der Expedition des Unterzeichneten Directors (Merseburger Straße Nr. 58, 2. Etage). Der Bezirk der Anstalt umfaßt alle westlich der Wcststraße ge- legenen Straßen von Alt-Leipzig und die Stadttheile Lindenäu, Plagwitz, Kleinzschocher und Schleußig. Bei der Anmeldung ist das Abgangszeugniß derjenigen Schule vorzulegen, welche der betr. Schüler bisher besucht hat. kucke. Städtische Höhere Schule für Mädchen, Albcrtstratzc 23. Das neue Schuljahr beginnt für Classe IX—I Montag, 22. April, Vormittag 8 Uhr, für Classe X Mittwoch, 24. April, Vormittag 9 Uhr. Nachprüfung und zweite Aufnahmeprüfung Montag, 22. April, Vormittag 9 Uhr. Leipzig, 13. April 1895. I)r. IVxckxraw. Vom Unterzeichneten Amtsgericht sollen die zum Nachlaß dcS Restaurateurs Carl Hermann Mchnert in Borna gehörigen Grundstücke aus der hiesigen Pegaucr Straße, ». das Wohngebäude, Fol. 160 des Grundbuchs, Nr. 176 des dasigen Flurbuchs und Nr. 171 des Brandcatasters für die Stadt Borna, mit 126 Steuer-Einheiten belegt, geschätzt auf 8459 Mark, b. das Wohnhaus mit Nebengebäuden und Hofraum, Fol. 161 des Grundbuchs. Nr. 17? des Flurbuchs und Nr. 172 des Brandcatasters für die Stadt Borna, mit 195 Steuer-Einheiten belegt, geschätzt auf 39 799 Mark, auf Antrag der Erben Donnerstag, de» 25. April 1895, Bormittags 19 Uhr au hiesiger Gerichtsstelle öffentlich versteigert werden. Im Grundstück unter d, welchem die Braugerechtigkeit zu vier Bieren zusteht, ist bisher Gastwirthschaft betrieben worden. Erstehungslustige werden ersucht, zur angegebenen Zeit hier sich einzufinden und über ihre Zahlungsfähigkeit auszuwcisen. Wegen der VersteigerungSbedingungen wird auf den an Gerichts stelle anshängenden Anschlag verwiesen. Auch erhalten Interessenten über die hypothekarische und sonstige Belastung der Grundstücke schon vor dem Termine bei dem unter zeichneten Gericht nähere Auskunft. Borna, den 23. März 1895. Königliches Amtsgericht. I)r. Nodig. Gtz Politische Tagesschau. * Leipzig. 22. April. Morgen nimmt der Reichstag, gleichzeitig mit dem preußischen Abgeordnetenhaus«, seine durch die Oster ferien unterbrochenen Sitzungen wieder ans. Er findet eine für die vorgerückte Parlamentszeit ganz ungewöbnlich umfang reiche Arbeit vor, eine Folge der Verschleppungstaktik, welche die Mehrheitsparteien bis zur Pause beobachtet haben. Die Annahme, baß sie nun hierin einen Wandel eintreten lassen werden, findet in der politischen Lage keine Stützen. Dem Centrum scheint es mit Rücksicht auf seine Wähler geboten, die Erledigung der Branntweinsteuernovelle nicht zu ver zögern, und so wird dieser Stoff bald bewältigt sein, sonst dürfte diese Partei, da das Börsengesetz kaum mehr in dieser Tagung dem Hause zugehen wird, keiner der wichtigen Borlagen gegenüber die Pflicht einer sachlichen Behandlung anerkennen, und seine Verbündeten vom 23. März sind solcher sonder baren Schwärmerei erst recht nicht zugänglich. Höchstens daß die Klerikalen noch für das Zustandekommen der Ge werbeordnungsnovelle Interesse bezeigen werden, wenn es in ihrem Sinne erfolgt. Bon der Erledigung der Iustiz- gesetze, die sich wie die meisten anderen Entwürfe noch in einem weit zurückgebliebenen Stadium der Berathung befinden, ist keine Rede mehr, und daß hinsichtlich der Tabak besteuerung und der Finanzreform etwas beschlossen wird, ist mindestens sehr unwahrscheinlich. Da und dort liest man noch, diese beiden Objecte könnten Gegenstand eines Handelsgeschäfts werden, in dem als Gegenleistung des Reichstags die klerikale Umsturzvorlage figuriren werde. Dies wird jedoch durch den Umstand ausgeschloffen, daß die Ablehnung des Umsturzenlwurfs durch den Reichstag sicher ist, die Negierungen dem Centrum also nichts bieten könnten, selbst wenn sie Lust dazu hätten, was nicht nur für Würt temberg und Baden bezweifelt werden muß. Die Dinge sind so weit gediehen, daß Parteien, die zu einer Mehrheitsbildung unentbehrlich sind, sich sogar hüten müssen, das wenige Brauch bare in den Beschlüssen der Commission, also vor allem die Bestimmungen gegen die revolutionäre Agitation im Heere, zu stark zu betonen. Von den im — wenn auch rein äußerlichen — Zusammenhang« mit dem ultramontanen Knebelungsparagraphen Gebotenen kann nichts auf Annahme rechnen. Daß die Borlage sehr bald, wenn auch nicht, wie gemeldet worden, schon in diesem Monat zur zweiten Berathung im Plenum gelangt, scheint in der Thal beabsichtigt zu sein und wäre erwünscht, da die allgemeine politische Lage, nicht die Beunruhigung wegen der aussichtslosen reactionären Centrumsbeschlüsse an sich, eine Erklärung der Negierungen zu den Letzteren nothwendig macht. Ist diese im ablehnenden Sinne erfolgt, so wird die ganze Angelegenheit im Lande kein großes Interesse mehr beanspruchen können, selbst wenn sich der Reichstag in dritter Lesung mit ihr be schäftigen sollte. Den entgegengesetzten Fall glauben wir vorläufig nicht in Rechnung ziehen zu müssen. Daß ver Reichstag nach Beseitigung der Umsturzvorlage noch lange beisammen bleiben werde, ist vorerst nicht anzunehmen Das Wenige, was er zu leisten im Stande sein wird (außer dem schon erwähnten Branntweinsteuergesetz etwa die Aenderung des Zolltarifs und des Binnenschiff fahrt s ge setz es), kann vor Pfingsten erledigt sein, und agitato rische Reden wird die Regierung bis dahin Wohl genug ge hört haben. Interessantes bieten vielleicht für den Rest der Tagung die neuen Präsidialverhältnisse, die sich vor Ostern — es haben nach der Bismarck - Abstimmung nur uns Sitzungen stattgefunden — noch nicht erproben konnten. Wenn Herr Liebknecht die in der Unterredung mit dem Vertreter eines französischen Blattes ausgesprochene „Drohung", die Kaiserdepesche vom 23. März zur Sprache zu bringen, wahr macht, so wird Frhr. v. Buot oder der bis dahin hoffentlich aus Pallanza zurückgekehrte Herr Schmidt Ge legenheit finden, sich auszuzeichnen. Die ostasintische Angelegenheit ist durch die telegraphisch schon anzekündigte, unmittelbar bevorstehende Stellung nahme mehrerer europäischer Mächte zu dem chinesisch japanischen Friedensvertrag in ein neues Stadium getreten und so zu einer europäischen Frage von eminenter Bedeutung geworden. Wir haben wieder holt hervorgehoben, daß Deutschland erhebliche merkantile Interessen in Ostasten, speciell in China hat, haben die Wahrung dieser Interessen als eine Frage von höchster Be deutung bezeichnet und der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß Deutschland, wenn es auch nicht berufen dazu ist, die Initia tive zu ergreifen, dock den Augenblick, wo seine Interessen ein Eingreifen nöthig erscheinen lassen sollten, nicht verpassen möge. Die Reichsregierung hat diesen Augenblick bereits für gekommen erachtet, denn an dem hochofficiösen Charakter der Meldung der Nordd. Allg. Ztg.", daß die Regierung nicht gesonnen sei, Äbsliiienzpolitik zu treiben, und der schon kurz skizzirten Mit- tbeilung der „Köln. Ztg.", daß auf Initiative Rußlands hin Deutschland mit diesem und mit Frankreich wegen der Ab tretung chinesischen Festlandsbesitzes an Japan diplomatisch inlerveniren werde, ist nicht zu zweifeln. Der Artikel der „Köln. Ztg." über die bevorstehende Action der drei Mächte lautet wörtlich: „Tie deutsche Regierung hat von Anfang an, vom Ausbruch des chinesisch-japanischen Krieges, den Grundsatz strenger Neutralität burchgeführt. Sie hat vor Allem auch den Versuchen fremder Mächte» vorzeitig sich einzumischen, nachdrücklichen und erfolg, reichen Widerstand entgegengesetzt. Auf der anderen Seite konnte ihr nichts von den Bestrebungen der japanischen radicalen Kriegspartei entgehen, welche daraus abzielten, die in maßvollen Bahnen weiterschreitende japanische Regie rung zu Schritten zu dränge», welche in ihrer Uebertreibung zur Verletzung wichtiger Interessen der europäischen Mächte und damit auch zu einer Beeinträchtigung der freundschaftlichen Beziehungen zwischen Japan und den europäischen Machten führen könnten. Tie deutsche Regierung hat deshalb bereits Anfang März ihren Gesandten in Tokio telegraphisch angewiesen, der japanischen Regierung zur Mäßigung in den Friedensbedingungen zu rathcn mit dem Hinzu, fügen, daß nach deutscher Auffassung die Forderung einer Gebiets abtretung auf dem Festiande besonders geeignet sein würde, eine Einmischung europäischer Mächte hervorznrufen. Als einige Wochen daraus aus den ersten Nachrichten über die Friedens, bedingungen hervorzugehen schien, daß die japanische Regierung diesem freundschaftlichen Rathe weniger als dem Drängen der dortigen Actionspartei Rechnung getragen hatte, wurden bereits am 23. März die ersten Schritte zu einer Berständignng de europäischen Mächte in dieser Hinsicht eingeleitet. Nachdem zwischen Deutschland und Rußland eine völlige Ueberein- timmung der Anschauungen erzielt war und auch ein Zusammen gehen mit Frankreich gesichert ist, wird nunmehr von diesen rei Mächten gemeinsam in Japan ein diplo matischer Schritt zur Wahrung ihrer Interessen in Ostasien unternommen werden. Dabei wird zunächst die Gcbietsveränderung ins Auge gefaßt. Theils sind die wirth- chastlichcn Abmachungen noch nicht genügend bekannt, theils glaubt man annehmen zu müssen, daß die Festsetzung Japans in wichtigen Thcilen des chinesischen Reiches» also vor Allem die Besitzergreifung eines Theiles der Halb- nsel Liau-tong, eine Festsetzung in Wei-het-wai als Bürgschaft für die Kriegskostenzahlung ein entschiedenes lieber- gewicht Japans über China bedeute und damit auch die Ent- Wickelung der wirthschastlichen Lage Chinas und ihre Beherrschung durch Japan diesem einen maßgebenden Einfluß einräumen würde, daß Japan sich an allen wichtigen Orten gewissermaßen als Schild - wache vor den Haupteinfuhrstraßen festzusetzen bestrebt sei und wie in Port Arthur und Wei-hei-wai den Zugang zu dem Gelben Meere, den Fischerinjeln und Formosa die Haupthandels, straße nach China beherrsche, sich mit einem festen Gürtel um ganz China herumgelegt habe, um es gegebenenfalls ganz von außen, von Europa absperren zu können. Die europäischen Mächte wollen daher zu rechter Zeit eine Schädigung ihrer Interessen abwehren. Die japanische Regierung >at in ihrem bisherigen Vorgehen Ucberlegung und eine richtige Erkenntniß des Erreichbaren bewiesen, so daß die Hoffnung berechtigt ist, daß sie auch in ihren diplomatischen Schritten dafür orgen wird, daß der Bogen nicht überspannt werde. Deutschland insbesondere wird es jederzeit gern sehen, wenn Japan sich in vollem Umfange der reich verdienten Früchte seiner miiitairijchen Tüchtigkeit erfreue, in der Erwartung, daß diese Erfolge nicht eine Verletzung der deutschen Interessen herbeisühren werden." Ob Japan in wesentlichen Puncten dem diplomatischen Drucke der drei Großmächte nachgeben wird, ist bei dem zu erheb licher Höhe gewachsenen Selbstbewußtsein der „führenden Nation Asiens" immerhin noch zweifelhaft, zumal die Kriegs- Partei in Japan noch nicht einmal mit dem jetzigen Abkommen zufrieden ist, sondern die japanischen Truppen in Peking ein- marschiren sehen wollte und jetzt über die fremde Einmischung großen Lärm erheben wird. Weigert sich Japan, dann dürste in erster Linie Rußland die Aufgabe zufallen, seinen Ansprüchen mit den Waffen in der Hand Nachdruck zu verleihe», wobei es wahrscheinlich auf die Unterstützung Frankreichs wird rechnen können. Bon Frankreich sollte man eigentlich a» nehmen, daß cs bei seinen geringen commerciellen Beziehungen mit Ost-Asien der Gestaltung der dortigen Verhältnisse ziemlich gleichgiltiggegenüberstchen könnte und mit Rücksicht auf Tonking eher eine Stärkung Japans auf Kosten Chinas wünschen sollte. In Paris brennt man aber vor Begierde danach, mit Rußland einmal in einer großen Frage Hand in Hand zu gebe», da man sich von einer solchen Entente offenbar eine Rückwirkung auf europäische und sonstige schwebende inter nationale Fragen erhofft. Diese Hoffnung wird freilich, so lange es bei dem gemeinsamen diplomatischen Feldzug gegen «lampker Irszäeo" !«nr Io :»rville" ^pril: !7isuv,- LlU l 1-eltli, o' o»d> So»roo, j* oscli ». .Vlä- 1-onckov, ?aprivt" Lo^oo, Io >o Soll. >t»»d«r2 17j Die Französin. Roma« von Arthur Zapp. (Fortsetzung.) Nachdruck verboten. Endlich hob er sein Haupt und mit feierlichem, ein dringlichem Ernst sagte er: „Ich sehe, in tiefer Betrübniß sehe ich, daß man srevlerisch, um egoistischer Zwecke willen den Schleier von jenem un glückseligen Vorgang gelüftet, den Deine Mutter pietätvoll vor Dir geheim gehalten. Man hat einen unnatürlichen, unberechtigten Haß gegen mich in Dir geschürt. Du arme Mißleitete, Schlechtberathene, Du thust Unrecht, wenn Du mir die Schuld an dem Tode Deines armen Vaters auf bürden willst. Ich war nichts als das willenlose Werkzeug einer stärkeren Macht. Nicht ich trage die Verantwortung, nicht mich klage an! Klage die Institution des Krieges an, die so Gräßliches zuläßt! Nicht auS eigenem Willen handelte ich, ich that nur, waS man mir befahl, was man mich gelehrt hatte, als meine Pflicht zu betrachten. Hätte ich den Gehorsam geweigert, es hätte mir Schaden gebracht, doch Deinem Vater keinen Nutzen; ein Anderer wäre an meine Stelle getreten und seinem Verhängniß wäre Dein unglück licher Vater nicht entgangen. Du aber siehst nur die Thal und rechnest sie mir an. Thörichtes Kind! Du mit Deinem in Liebe und Haß schnell fertigen Kinderherzen ahnst nicht, welche schmerzlichen Kämpfe meme Seele zerrissen vorder und nachher, wie ich seit jener unvergeßlich schrecklichen Morgen stunde die Freude an meinem Berufe verlernt habe. Das glänzende Märchen vom frischen fröhlichen Krieg hat seit jenem Augenblick, wo ich Deinen armen Vater vor mir zusammenbrechen sah, für immer seinen Zauber für mich verloren. Nur noch die raube, scheußliche, bestialische Seite sah ich am Kriege und keinen sehnlicheren Wunsch habe ich, als mich und jeden andern fühlenden Menschen vor einer Wiederholung des Gräßlichen, Furchtbaren, das ich mit an gesehen, mit erlebt, bewahrt zu sehen Wohl trifft mich eine Schuld, aber nicht die, deren Du mich anklagst, sondern die, daß ich mit meinem Vater, adelsstolz, in den Traditionen des ClassendünkelS befangen, den Fremven, den Bürgerlichen, den social unter uns Stehenden, der die Augen zu meiner Schwester zu erheben sich erkübnte, mit Hohn und Spott zurückwies. Dir aber bin ich allezeit mit herrlichem Entgegenkommen begegnet, nicht wie einem ungern gesehenen Eindringling, sondern wie einem gleichberechtigten, geliebten Familienmitglied, und daß ich heute als reifer Manu nicht mehr auf de« engherzigen Staudpunct von ehemal« stehe, daS bat Dir jeder meiner Blicke, jede meiner Handlungen bewiesen." Madeleine wehrte sich mit krampfhafter Anstrengung gegen den Eindruck der Worte, die wie Friedensgeläute in ihr wundes, kampszerwühltes Her; tönten. Sie biß die Zähne auf einander und versuchte sich mit Trotz und Härte zu wappnen und den Haß und leidenschaftlichen Zorn, der vorher in ihr gewüthet, in sich anfzurufen gegen den Mann, dessen milde, freundliche Augen mit einem Ausdruck tiefer Trauer auf ihr ruhten und von dem sie allezeit verzeihende Nachsicht und unerschöpfliche Güte erfahren. Vergebens! DaS Gefühl der Empörung und Entrüstung versagte in ihr; vor der bezwingenden Gewalt seiner Worte schwanden Bitterkeit und Groll, die künstlich in ihr erweckt worden, und nichts blieb als eine tiefe seelische Erschütterung, als das Bewußtsein ihres Unrechts, das Gefühl unendlicher Zerknirschung und Beschämung. Mit einem Rest von Trotz aber kämpfte sie diese Regung von Weichheit, die sie auf die Knie ziehen wollte, nieder und wandte sich um, ohne ein Wort der Entgegnung das Zimmer zu verlaffen. Aber der alte Ofsicier, der seine Ekasticität und Frische rasch wiedergefunden batte, war mit zwei, drei schnellen Schritten an ihrer Seite. Der Gedanke an das, WaS ihm selbst widerfahren und an die Unerquicklichkeiten, die ibm möglicherweise noch bevorstanden, trat immer mehr zurück vor der Sorge um Madeleine selbst. „Madeleine", sprach er zu ihr, „ick will Dich nicht von mir lassen, ohne Dir zu sagen, daß ich Dich mehr beklage als Dir zürne. Denn viel schwerer bist Du getäuscht und verrathen worden als wir. Dich hat man listig, gewissenlos bethört und Dir Liebe geheuchelt, während nur kalte Selbst sucht im Spiel war. Der Mann, der sich nicht entblödete, sich Deiner zu bedienen und der nun seiner gerechten Strafe nicht entgehen wird, war unehrlich und falsch auch gegen Dich — oder waren es nicht Liebesschwüre, mit denen er Dich gewonnen? Sollte er Dir erzählt haben, daß er bereits in Paris durch Bande der Liebe gebunden ist?" Madeleine fuhr herum, als sei sie mit einem glühenden Eisen berührt worden. Alles, was diese unerwartete Mit theilung innerlich in ihr aufwühlte, machte sich in dem un gestüm hervorgestoßenen Aufschrei Luft: „DaS ist nicht wahr! Du lügst!" Der Oberst aber bewegte mit mildem Vorwurf sein Haupt. „Würde ich es Dir sagen", entgegnete er ruhig und be stimmt, „wenn ich es nicht von zuverlässiger Seite wüßte?' Sie sah ihm forschend, zweifelnd, verwirrt in die Augen; plötzlich riß sie sich loS und stürmte hinaus. XIV. Madeleine hatte sich in ihrem Schlafzimmer eingeriegelt. Sie ruhte m halb sitzender, halb liegender Stellung aus dem Sopha, daS Gesicht in die Polster gedrückt. Mit An- trengung wehrte sie sich gegen die Verzweiflung, die näher und näher gegen sie anrückte, gegen die Erkenntniß, die sich ihr klarer und klarer aufzwang: Gaston, auf den sie ihre Zukunft gesetzt, hatte sie schändlich verrathen; jedes seiner Worte, jedes seiner Versprechen war eine Lüge gewesen. Und nun drohte ihr dasselbe Schicksal, das ihn ereilte: das Gefängniß. Es war ihr, als wanke Alles rings um sie, als seien nun Hoffnung und Zukunft für sie unwiederbringlich dahin. Sie preßte die Fäuste gegen die Stirn und haderte mit sich. Warum war sie nicht ihrem Gefühl gefolgt, das sie vor Gaston warnte, als er ihr die erste Unredlichkeit zumuthete? Aber sie hatte sich durch seine listigen Worte täuschen lassen und war blind, urtheilsios in die ihr gestellte Falle gegangen. Und nun hatte sie, um eines Betrügers willen, sich unent schuldbar an dem Mann versündigt, dem sie Dankbarkeit und Ehrfurcht und Liebe schuldete. Ja Liebe, trotz der Vergangenheit, trotzdem Oberst von Marenburg ein Deutscher war. Ein bitteres Lächeln umspielte die Mundwinkel der düster vor sich Hinbrütenden und mit einem Ruck schnellte sie in die Höhe. War sie nicht eine Närrin gewesen, sich durch Gaston's heuchlerische Phrasen bethören zu lassen ? War es nicht unsinnig. Jemanden zu hassen, weil er zufällig in einem anderen Lande geboren war, als sie? Hatte jemals ein Mensch schändlicher, gewissenloser gegen sie gebandelt, als Gaston de St. Sauveur, der Franzose und Landsmann? Und nun haßte und verachtete sie ihn aus Herzensgrund. War es nicht das Richtige, Menschliche. Naturgemäße, va zu lieben, wo man Gutes und Liebes erfuhr, und va zu hassen, wo man sich übel behandelt sah? Wieder preßte sie in ohnmächtigem Zorn gegen sich selbst die Fäuste gegen die Stirn und schwere Seufzer stiegen aus der bedrückten Brust empor. Warum war ihr diese befreiende Erkenntniß nicht eher gekommen? Nun war es zu spät. Geschehenes ließ sich nicht ungeschehen machen. Liebe und Vertrauen hatte sie sich für immer verscherzt und sich der Heimath, die man ihr traulich bereitet, unwerlh gemacht. Konnte sie dem Oberst je wieder unter die Augen treten? Mußte sie nicht die Last des Schuldbewußtseins zu Boden drücken? . . . Leises Klopsen an der Thür schreckte die Grübelnde auf „Komm', Madeleine!" wisperte die Stimme der Cousine hinein — „da- Mittagessen ist augerichtet. Wir warten alle auf Dich." Ein Schauder durchrieselte die Lauschende. „Wir warten alle auf Dich." Und sie sollte nun wieder unter ihnen erscheinen, als wäre nicht» geschehen, al» hätte sie nicht Güte und Gastlichkeit mit Lug und Trug gelohnt? Nein, Nein! Von Neuem erscholl das Pochen. Mit schnellem Entschluß war Madeleine an der Thür. „Entschuldige mich", sagte sie, den Ton ihrer Stimme beherrschend, um sich nichts Außergewöhnliches anmerken zu lassen. „Ich bin nicht recht wohl und habe keinen Appetit. Ich lege mich nieder." Und jetzt stand sie, während sich Else's Schritte ent fernten, mitten im Zimmer, die Hände an die schmerzende Stirn gelegt. Was nun? Wie eine Nacht voll Dunkel und Schrecken lagen Welt und Leben vor ihr. Hoffnung und Zukunft dahin! Zum Sterben matt fühlte sie sich. Sterben! Wie ein Ruck ging es durch ihren Körper. Sterben! Das war die^einzige Lösung, der einzige Weg aus Irrung und Schmach, der ihr noch übrig blieb. Mit einem Satz flog sie zu der Thür, die in des Obersten Arbeitszimmer fübrte. Es hieß, die Gelegenheit nützen. Gerade jetzt, während die Andern bei Tisch saßen, war sie ungestört. Sie wußte, daß der Oberst in seincrHausapotheke einigeMorphiumpulver bewahrte, die er bei schwereren Fällen von Schlaflosigkeit gebrauchte. Leise, auf den Zehenspitzen huschte sie in das Zimmer. Das Kästchen stand auf der Etagöre am Fenster. Gott sei Dank! Der Schlüssel steckte wie gewöhnlich. Sie nahm die Pulver — drei Stück waren es — und schüttete sie in ein Wasser glas, in das sie ein wenig Wasser goß. Ein Schauder lies ihr vurch den Leib. Aber nur einen Moment dauerte die Anwandlung von Furcht und Schwäche. Nasch kehrte sie in ihren kleinen Salon zurück. Keine Minute war zu verlieren. Auf dem Sopha nahm sie Platz. Eine wahnsinnige Aufregung glühte in ihr, daS Herz pochte ihr zum Zerspringen, die Schläfen klopften ibr schmerz haft. Zaudernd ruhte ihre Hand, die sich krampfhaft um das GlaS preßte, im Schooß. Gab es nicht noch einen anderen Ausweg? Nein, nein! Sie biß die Zähne heftig aufeinander, daß ein knirschender Ton durchs Zimmer klang, und hob daS GlaS mit einer energischen Bewegung. Was wollte sie denn noch hier? Gaston war ihr für immer verloren und gehörte einer Anderen. Bei ihren Verwandten aber hatte sie sich für immer unmöglich gemacht. Sie war es müde, von Neuem zu ringen und zu kämpfen; sie sehnte sich nach Ruhe und Frieden. Entschlossen setzte sie das Glas an die Lippen. Es schüttelte sie, aber mit einem schnellen, ungestümen Ruck schüttete sie die Flüssigkeit in ihren Mund. Mit einem kurzen Aufschrei taumelte sie zurück, dann bäumte sie sich wieder, von einer wahnsinnigen Angst gefoltert, in die Höhe. Ihre zitternden Hände tasteten nach einem Halt. Lechzend sank sie zu Boden ...." (Schluß folgt.) .
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite