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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.05.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-05-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950501021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895050102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895050102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-05
- Tag1895-05-01
- Monat1895-05
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Sie hat zunächst drei Sitze im Reichstage gewonnen: Plauen, wo der Genosse Gerisch gewählt wurde, Pinnebera (v. Elm) und Dresden-Land (Horn). Plauen und DreSden-Vand waren niemals im Besitz der Socialdemokratie, während Pinneberg bereits einmal durch einen Socialdemo kraten vertreten war. Auch die socialdemokratische Landagitation fängt an, erfolgreich zu werden, wir sich bei den Wahlen zum altenburgischen Landtag gezeigt hat, wo dir Socialdemokraten zwei ländliche Wahlkreise ziem lich leicht eroberten. Der Feinde von links ist die Partei ledig; die Unabhängigen haben ihren Frieden mit der Fraction gemacht, und die Anarchisten sind ihrer schärfsten Waffen gegen die Fraction verlustig gegangen, und Herr Singer braucht nicht mehr zu fürchten, daß ihn die feindlichen Brüder an die Mantelnäherinnen erinnern; auch die Ver suche, den „Socialist" wieder inS Leben zu rufen, scheinen definitiv aufgegeben zu sein. Die Nachrichten über die socia listische Bewegung im AuSlande sind ebenfalls dazu an- gethan, den Mutb der deutschen Socialisten zu schwellen. Zum ersten Mal wurden in die belgische Kammer Social demokraten gewählt und zwar gleich in einer so starken An zahl, daß die socialdemokratische belgische Kammcrfraclion die relativ stärkste aller socialdemokratijchen Fractionen ist. In Dänemark hat die Socialdemokratie bei den letzten Folke- thingswahlen ihre Stimmenzahl von 2 auf 8 vermehrt, und diese 8 Stimmen sind das Zünglein an der Waage. Die socialvemokratischen Wahlsiege in Frankreich sind be kannt. In Holland kämpften die anarchistische und die socialistische Richtung erbitterte Kämpfe, in denen die Anarchisten längere Zeit siegreich blieben; jetzt haben die Socialisten, unterstützt von den deutschen Genossen, in Holland das Heft in die Hand bekommen. In England hat sich der Abmarsch der Brulle8 Duions in das socialistische Lager beinahe vollständig vollzogen. In Oesterreich ist stellen weis die Socialdemokratie ganz mächtig ins Kraut geschossen, wie sich das bei verschiedenen Krankencaffenwahlen u. s. w. gezeigt bat. Also eS ist in der Tbat wahr, daß die Social demokratie noch niemals in so günstiger Position sich befunden bat, wie heute. Ueberaus verkehrt wäre es daher und könnte die verhängnißvollsten Folgen haben, wenn die bürgerlichen Parteien durch einen ruhigen Verlauf des heutigen Tages und eine mäßige Betheiligung der Ge nossen an den Feierlichkeiten sich in Sicherheit wiegen und zu dem Glauben verleiten ließen, die Umsturzbewegunx sei in Abnabme begriffen und mache keine gesetzlichen Dämme nötbig- Wahrscheinlich würde der Verlauf des heutigen Tages in Deutschland ein ganz anderer sein, wenn nicht die Um sturzvorlage trotz ibrer durch die Commission bewirkten Verschlechterung noch als drohendes Gespenst am politischen Horizonte stände. Heute versammelt sich die Tabakfteuercommtssion de« Reichstags, der auch die Finanzreformvorlage über wiesen ist, zu ihrer ersten Berathung nach den Osterferien, um mit der zweiten Lesung des Entwurfs zu beginnen, nach dem die erste mit der Ablehnung aller Bestimmungen des Entwurfs und sämmtlicher aus der Commission hervor gegangenen Anträge geendet hat. Die „Freisinnige Zeitung" giebt mit Genugthuung eine Auslastung der „Correspondenz für Centrumsblätter" wieder, die ;ur Begrüßung der wieder zusammentretenden Commission er folgt zu sein scheint und in der es beißt: „Ein Uebriges in der Behinderung der gesetzgeberischen Frucht- barkeit des Reichstags thaten die alten unglückleligen Steuer vorlagen. Daß di» Tabakfabrikalsteuer auch in dieser Session keine Aussichten hat, konnten sich die Herren Miquel und Gras Posadowsky vorher sagen. Entweder hätten sie die Sache ganz ruhen lassen, oder eine neue Form der Steuer in vorheriger Fühlung mit den entscheidenden parlamentarischen Factoren suchen sollen. Auf jeden Fall hätten sie aber den Reichstag mit dem „Auto maten" verschonen sollen, dessen Aussichtslosigkeit doch mit Händen zu greifen war." Wir sehen davon ab, daß die Fruchtbarkeit eines Parla ments von sehr zweifelhaftem Wende ist, wenn sie von der Nichtbefassung mit dringlichen Aufgaben abhängt, und wollen nur darauf aufmerksam machen, daß das Centrumsvrgan und die „Freisinnige Zeitung" ein gleichmäßig schlechte« Ge- dächtniß verrathen, indem sie in der vorstehenden Be urteilung der „Steuervorlagcn" die ursprüngliche Auf fassung des Centrums erkennen. Von der Aussichtslosig keit der beiden Entwürfe brauchte die Regierung keineswegs "'erzeugt zu sein, und wenn das Centrum entschlossen war, sie zu Falle zu bringen, so hat eS diese Absicht bei den ersten Lesungen meisterhaft zu verschleiern ver standen. Namentlich gilt dies von der Finanzreform, der jetzt eine von Anbeginn vorhandene qualisicirte Aussichts losigkeit angedichtet wird. Am 25. Februar hat sich Herr I)r. Lieber, zum Tbeil in Form und Polemik Hegen H^-rn Richter, der die Finanzreformvorlage vorher bekämpft batte, in einer Weise über das Gesetz ausgesprochen, die Herrn Richter am folgenden Tage veranlaßte, sein „aufrichtiges Be dauern" über die Erklärungen des Centrumsführers zu be kunden, von denen er sagte: „Sie eröffnen mir, wenn diese seine (vr. Lieber'-) Ansichten ge- theilt werden von seinen Fractionsgenoffen, eine verhängnißvolle Zukunft in finanzpolitischer Beziehung." Aus dieser Besorgniß des betriebsamsten Gegners der Ordnung der Reichs- und Landesfinanzen geht ohne Weiteres hervor, daß Herr Or. Lieber sich nicht ungünstig über die Reformvorlage ausgelassen haben kann. Noch unerklärlicher lassen eS die damaligen Erklärungen des Abgeordneten Hug erscheinen, wie die „Freisinnige Zeitung" beute meinen kann, das Centruni hätte von jeher mit ihrem Leiter in der Be- urtheilung des CbarakterS und der Aussichten der Finanz reform übereingestimmt, denn dieser Abgeordnete schloß seine Ausführungen mit folgenden Worten: „Ich vermag dir Einwendungen, die der Abgeordnete Richter gegenüber diesem Gesetzentwurf crdoben hat, keineswegs als richtig anzuerkrnire» und kann mich nicht abhalten lassen, gegenüber dem Gesetzentwurf eine freundliche Stellung einzunehmen." Auch zur Tabaksteuervvrlage erklärte der erste Redner deS Centrums, Müller-Fulda, keine durchweg ablehnende Stellung einzunehmen, und sein Fractionsgenofse Sch adler hob eine Reihe von Vorzügen der vorgeschlagenen Be- stcuerungsform hervor und gab dem Wunsch Ausdruck, daß die Commission eine naw allen Richtungen hin ausgleichende Lösung finden möge. Nach dem allen irrt entweder die „Correspondenz für Centrumsblätter", wenn sie eS so Lar stellt, als ob ihre Partei die Tabakfabrikatsteuer und die Finanzreform von vornherein als „unglückselig" und aussichts los angesehen hätte, oder sie beschuldigt das Centrum einer verwerflichen Spiegelfechterei, die die Regierungen über seine Auffassungen und Entschließungen zu täuschen bestimmt war Gegen den deutschen Gesandten »»Tanger, v. Tatten- bach, finden sich in einem Theil der deutschen Presse An griffe, die durchaus im Gegensatz zu den lobenden Worten stehen, die man gelegentlich des Neumann-Falles aussprach Besonders ist es die „Tägl. Rundschau", die in zwei Briefen aus Dar-el-Be'ida ihm den Vorwurf macht, daß er nicht schneidig und praktisch genug für die Deutschen ein trete, und dann einige Fälle anführt, welche diese Kriti unterstützen sollen. Der eine Fall ist der, daß v. Tattenbach den Erlaß des Kaid Bargasch in Casablanca unterstützt habe wonach die marokkanische ^ Regierung ^ür^ die übernimmt, Ausritte aus der ^tadt keine Ar ungefähr was nach dem Berichterstatter k„ien Be- L LS vertheilt werden, vom Gesandten die M^da^U^ ^ wurde, unter dem Hinweis, ^aß . . y„wrcne Zahlung von fünf spamfchen ^al«n w ^n^ ^ Kleidung genug belohnt fei. Jener Veria, , paß es da Zustände grau m grau und wenn wirauch, g n, ß incht"mSaun.^halwn' kann, d!ß aber Deutschland unmöglich auf eigene Faust durch Truppen sich Recht m mag. Es ist bekannt, daß oftmals an die Konsuln und 0)e sandten Ansprüche von ibren Schutzbefohlenen gestellt werden, d.e be. nüchterner Beur.heilung der Berechtigung -nt^ Immerhin ist öffentlich Klage gegen den Gesandten erbode ».« »--»alb S°ch " kein Hehl machen; denn die unmittelbaren Interessen Deutschlands könnten diesen Zug nicht ausreichend erkläre», man muß aus das Ziel Hinblicken, Vas Deutschland vielleicht von rückwärts her verfolgt. Zwischen Rußland und Frankreich ist also Deutschland hineingeschliipst. Wir können nichts daran ändern. Wie immer die Verhältnisse auch liegen und ob die Beweggründe und Ziele überrinstimmen oder ver- schieden sein mögen, Frankreich, Deuljchtand und Rußland werden vielleicht nach Vereinbarung ihre Geschwader in die chinesischen und japanischen Gewässer senden. Unter französischer und deutscher Flagge wird man vielleicht zusammen das Geschützfeuer gegen einen gemeinsamen Feind eröffnen, ein deutsches Schiff wird vielleicht ein französisches Schiff retten. Hat die Regierung das reiflich erwogen k Und wenn wir im fernen Osten Freunde, Verbündete, Waffenbrüder werden, wenn wir vielleicht den Deutschen ver pflichtet werden, werden wir dann gleichzeitig Gegner und Feinde bleiben können, Soldaten auf der Wache, bereit, zur Waffe zu greisen und einander von beiden Seiten der deutsch-französischen Grenze den Tod zuzusenden? Lhne Zweifel könnte, wie seinerzeit im mexikanischen Kriege das Ein- vernehmen mit Spanien und England, es vor dem Kriegszuge oder infolge desselben zum Bruche kommen, aber es könnte sich auch be haupten und erweitern und der allgemeinen Lage ein neues Bild geben. Wer weiß — sagt man schon heute —. ob sich nicht dort drüben dir Berständigung für hüben findet? Wir wollen nicht» behaupten und nichts bestreiten, wir wissen nichts und behalten un» Alles vor. Aber noch einmcll: Hat die Regierung alle diese Mog- lichtesten in- Auge gefaßt? Hat sie sich ernstlich gefragt, was sie vorcen, u„v 7"'r„ Marokko eine will'-' Weiß sie, wohin der Entschluß, den sie vielleicht schon gefaßt teilen. Wir ßlaubn» und, wünschen mäst, ", Marokko eme ^ ^ ^ vor den möglichen Folgen zurückzuschrecken? Wir gehören nicht zu Denen, die fortwährend verlangen, daß man Frankreich Deutschland gegenüberstelle; aber wir zählen zu Denjenigen, die fordern, daß man vollständig im Klaren sei über das, was man thut und wohin man geht, ehe man sich Schulter an Schulter zu sammenstellt." „Diese Auslassung ist", so bemerkt der Pariser Correspondent der „Hamb. Nachr.", „symptomatisch. Dies Symptom deutet an, welch' ungeheure Revolution sich in Folge des letzten Krieges in unseren eingesressenen politischen Anschauungen zu vollziehen beginnt. Man hat ein Jahrhundert lang mit dem Dogma vom europäischen Gleichgewicht gewirthschaftet, das es niemals gegeben hat, und nun steht die Welt mit einem Male vor der Frage des asiatischen und des afrikanischen Gleichgewichts, das eS wabrscheinlich ebensowenig geben wird. Die europäische Politik erweitert sich zusehends ur planetarischen, wenn man so sagen darf, und ihr Gebiet wächst so riesenhaft an, daß daS „Loch von Belfort" der Menschheit sehr bald wirklich nur noch als ein winziges Pünctchen erscheinen wird. Je früher die Franzosen zu dieser Einsicht gelangen, desto besser ist eS für- alle Theile, desto sicherer werden sie sein, in dem alten brüchigen Erdtbeile jene Rolle zu behaupten, deren sie zu ihrer Macklentfaltung in dem neuen, jungfräulichen Bereiche des internationalen Wettbewerbes bedürfen." Bis vor Kurzem noch gewährten die „H. N." einer derartigen Auffassung keinen Raum. zweite Auflage des Falles Peyer zu erleben. Es scheint, als ob Japan nicht gewillt sei, die am 8. Mai ablaufende Frist für den Austausch der Ratificationen des Friedensvertrags zu verlängern, und zwar m der Erwartung, die Action der drei Intervenlionsmächte durch ein tust sceompl» zu paralysire». Diese Erwartung ist völlig grundlos, und eine als ofsiciös gekennzeichnete, telegraphisch schon signaufnte Erklärung in der „Nordd. Mg. Ztg." laßt darüber kem-n Zweifel, daß die Bedenken der drei Machte nach Vollzug der Ratification dieselben bleiben werden wie vorher, mag nun Japan den Krieg fortsetzen oder nicht. Eme solche Meinung scheint auch sehr am Platze, denn wir einem englischen Interviewer gegenüber ein Mitglied der japanische» Regierung sich geäußert, glaubt man inVokio sich für seine Forderungen noch immer aus die Annexion Elsaß-Lothrrngens durch Deutschland berufen zu können. Hiernach zu schließen, scheint dort doch unter dem Einflüsse der ActionSpartei eme beträchtliche Begriffsverwirrung Platz gegriffen zu haben. Deutschland batie 1870 gegen den Versuch einer fremden Einmischung in feine inneren Angelegenheiten sich zu wehren; ihm war der Berlbeidiqungskrieg von Frankreich geradezu ausgezwungen; die von Deutschland gebrachten Opfer waren unvergleichlich größer als die japanischen; es begnügte sich mit der Zurücknahme altdeutschen Gebietes, dessen Preis gabe einst den vorwiegenden Einfluß Frankreichs in Süd westdeutschland begründet batte. Aber adgeseben von alledem, ist Elsaß-Lothringen bei Weitem nicht so groß wie die Insel Formosa allein, welche Niemand Japan streitig machen will; sie übertrifft Elsaß-Lothringen an Ausdehnung um reichlich 20 000 czkw. Gerade der Hinweis auf Elsaß-Lothringen kann nur die Maßlosigkeit der japanischen Forderungen in daS hellste Licht rücken. — Von besonderem Interesse ist die Haltung der Pariser Presse gegenüber dem Zusammen gehen Frankreichs und Deutschlands an der Seite Ruß lands. Blätter natürlich, die wie die „Libre Parole", „Jn- transigeanl" und „Autoritv", welche nur vom Chauvinismus und dem Nussentaumel leben, sind voller Gift und Galle über die „Schlanqenlist" Deutschlands, das sich zwischen Frankreich und Rußland geschlichen habe, um deren Bund zu sprengen. Einer so beschränkten Auffassung begegnen wir in den anderen Blättern nicht, aber auch in ihnen herrscht das Gefühl vor, als hätte sich in Europa etwas geändert, seitdem die drei Reiche sich zu gemeinsamem Handeln verbunden. So schreibt der „Gauloiß", das Hauptorgan der Monarchisten: „Sehr geschickt hat Deutschland alsbald für Rußland Partei ge nommen. Es war Las ein Meisterstreich, wir dürfen uns darüber Die griechische» Wahlen sind gänzlich zu Delyannis' Gunsten, und zwar des alten TheodoroS Delyannis, für den seit Trikupis' Rücktritt sein Neffe Nikolas Delyannis den Play deS Ministerpräsidenten warmgehalten hat. aus gefallen. Die Kammer besteht, wie gemeldet, aus 207 Ab geordneten; von diesen sind in der neuen Volksvertretung 140 Delyannisten, 16 Trikupisten, 18 Ralliisten, 24 Un abhängige, 4 Progressisten und 4 Deligiorgisten. Delyannis verfügt also über eine reichliche Zweidrittelmehrheit. Am Sonnabend Abend bat derselbe nochmals vor einer nach Tausen den zählenden Wählerversammlung in Athen sein Programm entwickelt und betont, daß die Wähler diesmal ibr kostbares Recht zu üben haben, um daS Land vor einem schmachvollen Bankrott zu retten und dessen Credit in den Augen Europas wiederberznstellen. Eine Einigung mit den Gläubigern sei unumgänglich nothwendig, denn ohne ein solches sei eine Heilung der Finanznoth, eine Besserung der Geldverbältnisse ausgeschloffen. Die fortschreitende Entwertbung des griechischen Gelbes wurde fürderhin jede Verbesserung des Budgets un- FeitiHetoir. Gustav Freytag -s-. Die Kunde von dem gestern Abend um 10 Uhr eingetretenen Tode Gustav Freytag'S, die von Wies baden soeben hierher gelangt ist, wird in unserem Leipzig ein lebhaftes Echo erwecken: hat doch der gefeierte Dichter Jahr zehnte lang, von 1848 bis 1878, mit kurzen Unterbrechungen, zu denen man auch seinen regelmäßigen Sommeraufeuthalt auf seiner Besitzung in Siebleben bei Gotba rechnen mag, hier gelebt, und zwar bi» 1870 journalistisch thätig als Rrdactrur der „Grenzboten". Bon allen deutschen Städten bat also Leipzig daS größte Anrecht, den Dichter zu den Berühmtheiten zu zählen, deren Namen mit der Geschichte ihres geistigen Lebens eng verknüpft ist. Wir zweifeln nicht daran, daß unsere städtischen Behörden jetzt nach dem Tode deS Dichters der Ueberzeugung von der Zugehörigkeit desselben zu unserer Plrißestadt irgend einen auf längere Zeitdauer berechneten Ausdruck geben werden. Da» ganze deutsche Volk beklagt den Tod eine» ebenso hervorragenden wir erfolgreichen Schriftsteller-, der mit seinen Schöpfungen die weitesten Kreise der Lesewelt gefesselt, ohne jemal» dem bloßen UnterbaltungSbedürfniß Zugeständnisse zu machen, und deffen Werke noch immer von der Bühne herab ein» lebendige, durch di« Zeit nicht geschmälerte Wirkung auf dir einander folgenden Geschlechter der Theaterbesucher auSüben. Gustav Freytag ist ein Schlesier, rin Sohn dieses Phan tasie- und poefiereichen Landes, welches in unserer älteren Literatur mit mehreren Dichtrrschulen vertreten ist und neuerding» Poeten wie den Grafen Strachwitz und Max Waldau, Leopold Schefer und Sallet, Carl von Holtei und Heinrich Laube bervorgebracht hat. Freytag ist am 18. Juli 1816 zu Kreuzburg geboren, wo sei« Vater als Arzt und später als Bürgermeister lebte. Die Gegenden jen seits der Oder haben nicht entfernt den Reiz der schle sischen Gebirgslandschaften. Kreuzburg liegt ganz in» Flachland« und zwar in einer Gegend, wo von allen Seiten das polnische Element in daS deutsche hinüber zugreifen beginnt, an der Grenze der sogenannten Wasser- polackei. Wenn der Dichter in seinen „Erinnerungen" von den landschaftlichen Schönheiten dieser Gegend spricht, so mag man dies seinen Kindheits- und Iugenderinnerungen zu Gute halten, die ja jenen Aufzeichnungen überhaupt ein so warmes Colorit geben. Weiß er doch noch viel von allen seinen Knabenspielen zu erzählen und vom ganzen Leben in seinem elterlichen Hause. Später bezog er daS Gymnasium der Stadt Oels, wo er sich zu einem tüchtigen Griechen und Lateiner ausbildete; man glaubte damals, er werde sich über haupt dem Studium der alten Philologie widmen; doch nachdem er 1835 die Universität BreSlau bezogen hatte, sattelte er um und wendete sich dem Studium der germanischen Philologie zu. Einer seiner Lehrer war der Dichter Hoffmann v. Fallers leben, der später, in dis politische Bewegung der vierziger Jahre verwickelt, seine« Amtes entsetzt wurde, neuerdings aber durch sein schon damals gedichtetes Lied „Deutschland, Deutschland über Alles" in die Reihen der volksthümlichsten deutschen Nationaldichter eingetreten ist. Eine Zeit lang studirte Freytag auch in Berlin; damals schrieb er seine lateinischeDisser- tation „über die Anfänge der scenischen Poesie in Deutschland". Im Jahre 1839 habilitirte er sich als Vrivatdocent an der Breslauer Universität ; er verkehrte viel in kaufmännischen Kreisen, war besonders Hausfreund bei Molinari, Gelegen- beitSdichter und Festredner bei den Festen der „Börse", Vor sitzender verschiedener Vereine; doch ein Theil der Studenten trug e« dem hochaufgeschossenen Privatdocenten nach, daß er eine Art von mrutro cks ^lawir in Kreisen war, welche der Universität fernstanden. Seine Gedicht« in der Sammlung zu BreSlau (1845) trugen auch nicht dazu bei, ibn populair zu machen. Eine eigentlich« lyrische Ader besaß Freytag nicht; hier und dort findet sich in diesen Gedichten ein ansprechendes Situationsbild. Mehr Erfolg batte er mit seinem damals verfaßten Lustspiel „Die Braulfahrt" oder „Kunz von der Rosen" (1844), daS bei einer damals vom Berliner Hoftheater ausgeschriebenen Concurrenz einen Preis erhielt. Das Stück wurde mehrfach gegeben und taucht auch jetzt bisweilen noch auf den Bühnen auf; di« lockere Scenenfolg«, di« zu häufigen Verwandlungen, eine in Bezug auf den dramatischen Kern zu weitschweifige Ausführun hinderten größere und dauernde Bühnenerfolge, welche de anmuthige Humor besonders in der Charakterzeichnung de Kaisers und seiner Hofnarren und manche glückliche dramatisch Eingebung verdienten. Seine beiden nächsten Stücke, „Di Valentine" (1847) und „Graf Waldemar" (1850), machte- den Weg über die deutschen Bühnen und haben sich bis heut auf denselben erhalten. Freytag bewegte sich hier »in Fahr Wasser der Iungdeutschen, die er später so eifrig te feld's gerettet, der selbst ein nächtliches Wagniß nicht scheu das ihn in den Verdacht bringt, einen gemeinen Diebstal verübt zu haben. Umgekehrt wird Graf Waldemar von sein« Blasirtbeit durch die Liebe eine» einfachen schlichten Mädchen der Gärtnerstochter Gertrud, gerettet. Ein überaus graziös« Dialog mit feinen Pointen und gelegentlicher Iovialitä sowie ein geschickter dramatischer Aufbau sicherten d Bühnenwirkung dieser Stücke um so mehr, als die Titc rollen hervorragenden Darstellern und Darstellerinne willkommen waren. So war z. B. der blasirte Graf Waldema eine Lieblingsrolle Ludwig Barnay'S. Seiner akademischen Thiitigkeit hatte Freytag inzwischc entsagt; nach einem kurzen Aufenthalt in Dresden wandte , Leipng, wo er bald darauf zusammen m Julian Schmidt d,e Herausgabe und Redaction der ..Gren boten übrrnabm, eines Organ«, da« alsbald eine tonanaebcnl Bedeutung gewann wenngleich die oft nörgelige und a hastige Kritik von Jul,an Schmidt sich an namhaften Größc wie Gutzkow versündigte und zuletzt einseitig die realistisc, Richtung bevorzugt^ Freytag selbst betheiligte sich vorzugswei durch ieme vortrefflichen Gesch.chtS-und Culturbilder, die er spät gesammelt berausgab. an der Zeitschrift. Die Redacteu hatten f.ch in .bre Arbeit so getbeilt. daß der Löwenanthc Sinter Freytag zusiel, i». Sommer Iulic «chmidt, da dann der Erster- meisten« die Sommerfrische «Tdüm. """ s giebt glückliche Momente im Leben der Dichter, denen eine günstige Stimmung sie zu dauernden Schöpfungen begeistert; die ländliche Nube von Siebleben und die fried lichen Reize der herrlichen Natur trugen dazu bei, daß Frey tag hier seine trefflichsten Werke schuf: 1854 sein Lustspiel „Die Journalisten", 1855 seinen Roman „Soll und Haben". Man wird wohl keinen Fehlgriff thun, wenn man behauptet, daß an diese beiden Werke sich Frehtag's Name für alle Zukunft knüpfen wird. Zu groß ist die Masse der Production, als daß Alles, was die Zeitgenossen intercssirte, Anwartschaft hätte auf die dauernde Theilnahme der Nachwelt. DaS gilt auch von den Werken hervorragender Schriftsteller — da bleibt sehr Vieles als tobte« Residuum zurück, wenn auch wichtig für die Entwickelung der Dichter und für die Literatur forschung, und nur einzelne stLnllarll vorks retten sich und den unvergänglichen Namen der Verfasser aus der literarischen Sintflutb. Die „Journalisten" können als der glücklichste Wurf der neuen Lustspieldichtung betrachtet werden; der Kampf der politischen Parteien ist darin meister lich geschildert, ohne den Parteigruppen ein allru kennt liches Etikette anzubeften, so daß das Stück bei seiner all gemeinen Haltung nirgends Anstoß erregen kann. Die frische und heitere Laune, die treffliche Zeichnung der journalistischen Charakterköpfe, die volksthümliche Gestalt Piepenbrink's in den unübertrefflichen Scenen, in denen das kleinbürgerliche Wesen mit so vielem Humor gestaltet ist, raumen diesem Lust spiel einen hohen Rang ein; eS ist da« auf allen Bühnen, großen uffd kleinen, am meisten gegebene Stück der modernen Thalia. Und ebenso ist »Soll und Haben" wohl der erfolgreichste Roman der Neuzeit. Die seinciselirte Dar stellung mit vielen köstlichen Arabesken deS Humors» der Contrast zwischen dem soliden kaufmännischen Bürger thum und dem speculirenden Landadel, der naive Charakter des Helden und daS burschikose Wesen de» Herrn v. Fink, eines Doppelgängers von Bolz in den „Journalisten'', daneben lebendige Schilderungen au« den Kreisen des Breslauer IuventhumS und au« dem polnischen Aufstande in Posen — das Alle« kam zusammen, um diesem Roman eine Bedeutung und einen Erfolg zu sichern, der weit über den Beifall des TageS hinauSgebt. Der nächste Roman: „Die verlorene Handschrift" (1864),
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