Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.05.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-05-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950511022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895051102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895051102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-05
- Tag1895-05-11
- Monat1895-05
- Jahr1895
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
BezugS.PreiS W Haupt expedirion oder den im Stadt« -Mtrt und de» Vororten errichteten AuS- oabestellen abgeholt: vierteljährlich^4.50. bei zweimaliger täglicher Zustellung in» Lau» 5.ü0. Durch die Post bezogen für Deutschlaud und Oesterreich: virrteliädrlich » 6.—. Direct» tägliche kreuzlw" -q tu« «u»land: monatlich ^ Mend-Audgabe di« Abeud-AuSgabe Wochentag» b Uhr. Nedartto« und Lrpeditioa: A«hanneS>aff« 8. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen grösfuet von früh 8 bi» Slbend» 7 Uhr. Filialen: Otto Klemm'» S-rtim. (Alfred Hahn), UniversitStSstraße 1, L-uiS Lösche. Katharinenstr. 14, Part, und König-Platz 7. amigcrTllMIt Anzeiger. Lrgan fiir Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Anzeigerr.PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reclamen unter demRedactionSstrich (4go« spalten) S0/^, vor den Aamtliennachrichtea (6 gespalten) 40^. Gröbere Schriften laut unserem Preis- verzeichaiß. Tabellarischer und Zisserasatz »ach höherem Tarif. Extra »Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung »l> 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Ännahmeschlub für Anzeige«: (»ur Wochentag») Abend-Ausgabe: Vormsttag» 10 Uhr. Margen-Au-gabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeige» find stet» an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 233. Gonnabend den 11. Mai 1895. 89. IahrganK Politische Tagesschau. * Leipzig, 11. Mai. Die gestrige Sitzung de» Reichstags hat den Beweis da für erbracht, daß wir völlig im Rechte waren, als wir wiederholt davor warnten, das Schicksal der Umsturzvorlage alS besiegelt anzuseben, und Ueberraschungen als wahrschein lich bezeichneten. Eine größere Ueberraschung, als der gestrige Verhandlungstag gebracht hat, ist kaum denkbar. Vorgestern batte der preußische Iustizminister Schönstedt dem Cent rum Dinge gesagt, die wie Sphärenmusik in den Ohren der Abgeordneten dieser Partei tönen mußten. Er hatte nicht nur den „sonst so klaren Blick" dieser Herren gelobt, dir kurz vorher eine sckarse Berurtheilung aus dem Munde deS Kaisers batten vernehmen müssen, er hatte den Culturkampf und mit ihm die Politik, welche die Negie rung deS Kaisers und Königs lange Jahre verfolgt hat, in Pausch und Bogen verurtheilt und dadurch die starke Ver- muthung erregt, daß mindestens er selbst bereit sei, die letzten Reste der Eutturkampfgesetzgebung beseitigen zu helfen. Er war demCenlrumsoweil entgegengekvmmen, daß man ein Entgegen kommen auch dieser Partei für beinahe unausbleiblich halten mußte. Aber das directe Gegentbeil erfolgte. Daß der Abg. Gröber mit dem Minister des Innern v. Kö ller wegen seiner geringschätzigen Bemerkungen über die Aufgaben und die Bedeutung der Volksvertretung abrechnen und das „Schweinc- glück" der Socialdemokratie Preisen würde, der in der schwie rigsten Situation ein Minister das Eoncept zu der schönsten Rede fertig mache, war vorauszusehen. Noch immer, wenn das Centrum nach scharfer Opposition in das Regierungs lager abschwenken wollte, maskirte es diese Abschmenkung durch einen Angriff aus einen Regierungsvertreter, der sich „verhauen" batte. Aber daß Herr Gröber auch die mit den zartesten Aufmerksamkeiten umhüllten Mahnungen des Herrn Iustizminisiers Schönstedt als ungehörige Schulmeistereien schroff zurückweisen würde, hatte außer den Gesinnungsgenossen des Redners, die vorher eine Fractionssitzung abgehalten baden sollen, im ganzen Hause wohl kein Mensch erwartet. Am wenigsten der Herr Minister selbst, der in seiner Ueber raschung den Zweck seiner vorgestrigen Rede ganz vergaß und auf einen groben Klotz einen sehr derben Keil setzte, einen Keil, der im außerparlamentarischen Leben selbst ein festgefügtes Verhältniß auseinander zu treiben geeignet wäre. Aber wir haben es eben mit parlamentarischen Verhält nissen und noch dazu mit höchst verzwickten zu thun. Wie das oben erwähnte Kaiserwort den preußischen Iustizminister nicht abgehalten hat, das Centrum vorgestern überaus sanft — um nicht mehr zu sagen — zu behandeln, so braucht ihn auch ein Scharmützel mit Herrn Gröber nicht davon abzuhallen, mit einem andern CentrumSführer sich über eine praktische Frage zu verständigen, und wie das reactionäre Centrum durch eine heute mit den „Freisinnigen" ausgefochtene Fehde sich von der Unlersti.^ung freisinniger Candidaten bei Wahlen nicht abschrecken läßt, so braucht eS auch durch das Rededuell einer seiner Redner mit dem preußischen Iustizminister sich von einem Conipromiß mit den verbündeten Regierungen nicht zurückhallen zu lassen. Jedenfalls hat der gestrige Berathungs- tag gezeigt, daß die seltsamsten Ueberraschungen bei der Plenarberathung der Umsturzvorlage nickt zu den Unmöglich keiten gehören. Zunächst hatte das unerwartete Aufeinander- prallen die Folge, daß bei der Abstimmung über den 8 111 ein Bild der größten Confusion sich ergab. Zuerst wurde der Antrag Barth, die Voraussetzung der Strafbarkeit einer Verherrlichung verbrecherischer Tbaten u. s. w. schärfer zu strssrn, mit allen gegen einige freisinnige Stimmen abgclehnt. Für den Antrag Levetzow, den Widerstand gegen die Staatsgewalt (8 N3) in den 8 lll einzuziehen, stimmten die Conservaliven, der Abg. Krupp von den Freiconservativen und etwa zwei Drittel der Nationalliberalen. Für den An trag Levetzow, die Nötbignng von Staatsbeamten u. s. w. (8 l 14), erhob sich nur dieselbe Minderheit. Für den An trag Gröber, den tbätlichen Angriff aus Beamte u. s. w. in Ausübung ihres Amtes unter den Schutz des 8 lll zu stellen, stimmte nur das Centrum. Der Schutz des 8 lll für Religions vergehen (88 166, 167) wurde mit allen gegen die klerikalen und die polnischen Stimmen abgelehnt. Für die Einfügung des Wortes „Ehebruch" in den 8 lll erhoben sich mit dem Centrum nock einige Conservativr. Dem Antrag Barth, den Duellparagraphen mir aufzunehmen, stimmten beide frei sinnige Gruppen und die Socialdemokraten zu. Hiermit waren die Eventualabstinimungen beendigt und es folgte die Gesammtabstimmung über die Commissionsfassung deS 8 lll, für welche unter großer Heiterkeit des Hauses nur noch das Centrum aufstand. Schließlich wurde, da nun kein Vorschlag eine Mehrheit gefunden hatte, über di« Regie rungsvorlage abgcstimmt, in welcher der 8 lll noch «erhellt war. Für den dortigen 8 tkl stimmten nur die Conservativen, für den dortigen 8 lila erhob sich Niemand, und unter schallendem Gelächter ging damit das Abstimmungs- geschäft zu Ende. In Serbien ist ein neuer Scenenwechsel zu ver zeichnen. Exkönig Milan ist, vorläufig wenigstens, von ver Bildfläcke verschwunden, gerade noch rechtzeitig, um der Exkönigin Natalie aus dem Wege zu gehen, welche, enthusiastisch vom Volke begrüßt, gestern ihren Einzug in Belgrad gehalten bat. Seil idrer am 20. Mai 1891 er folgten, aus einen Beschluß der Slupschlina durch die Polizei erzwungenen Abreise aus Serbien hat sich dort manches ge ändert. Ihr Sohn, der damals ohnmächtig den wüsten Scenen zusehen mußte, hat die Gewalt an sich genommen, während der in jenem Augenblicke allmächtige Regent Ivan Ristitsch sich in Ungnade befindet und die radikale Partei zur Unthätigkeit verurtbeilt ist. Die Königin selbst ist in Serbien heute noch so populär wie früher und es wird kaum ausbleiben, daß die radicale Partei, für welche Natalie immer große Sympathien gehabt, mit ihrer Hilfe wieder an daS Ruder zu gelangen sucht. Die Königin hat zwar wiederholt versichert, daß sie der Politik fern bleiben wolle, allein eS können leicht ohne besondere Absicht gemachte Aeußerungcn eine politische Bedeutung erhalten. Man weiß, wie sie den heutigen Cabinetschef Nikola Christitsch haßt, da dieser die Scheidung durchgesührt und die Wegfiihrung deS damaligen Kronprinzen aus Wiesbaden veranlaßt dar. Ein anderer ihrer Gegner, Vukasin Petrovilsch, ist bereits vor einigen Tagen geopfert worden, und es verlautet gerüchtweise, daß die Königin dabei nicht ganz unbetheiligt sei. Nicht minder unbequem dürften ihr andere Personen sein, so der General adjutant des Königs, Oberst Tschivitsch, der Minister des Aeußeren Bogistevitsch und der Kriegsminister Pavlovitsch. Dagegen behauptet eine unwidersprochen gebliebene Meldung, Natalie habe dem König bereits von Frankreich aus geratbe», Nicola Pasitsch, den Führer der Radicalen, an die Spitze eines Coalitionsministeriums zu berufe». Dieser Vor schlag zeigt, daß Natalie die Verhältnisse in Serbien besser zu beurlheilen versteht als Milan, denn ein solches Coalitions- minislerium mit radicaler Spitze, in welchem das gemäßigte radicale Element überwiegen müßte, ist gegenwärtig wenigstens, die einzige Negierungsform, welche eine gewisse Dauer ver spricht und geordnete Zustände aus absehbare Zeit garantirt. Allein anscheinend kommt dieser gute Rath schon zu spät, denn jetzt, wo die radicale Partei darauf Hinweisen kann, daß -o- v-rsuch-, °d»l !>- -»„»I-mm-n, m««» b8 Zurücksetzung und beispiellose Vergewaltig»»^» allein '-Ä'" U MWi-d-- SL WL o-L'«-'- Mb«», dieses Grundgesetzes arbeitet oder ll'-'ln,mn.t m, l. Iahttn Zuchthaus zu bestrafen ,st. Dazu kommt, daß ^ „ haben, und wenn der König diesen NH °usl,eferte, wäre e sehr bald um die Dynastie Obrenowitsch geliehen. C was aber muß jetzt gescheben, denn trotz aller offenste" Ableug nungen ist m!t dem gegenwärtigenMin.steriun^E undenkbar, da es keinen Rückhalt ben Wablermassen - ES wurde, mit dem Gewaltmenschen Christitsch an der Spitze, berufen, um nach Aushebung der liberalen Verfassung ohne ein von der Skupscktina bewilligtes Budget, ^d,g.ck nach Decreten des Königs und Christ,tsch's zu r-ü'"'n. D e sinanz'eU Roth drängle jedoch zur Einberusung der Skupschtina. welche für eine neu- große Anleihe, welche auch den neuen erheblichen Geldbedarf Milan'S decken sollte, d.e parlamentarische Sanct.on schaffen sollte. Die Wahlen wurden auSaeschrieben und Christitsch glaubte vermittelst unerhörter Wahlbeeinflussungen thatsächlick ein lediglich aus seinen Creaturen zusammen gesetztes Parlament erzielt zu haben, das angeblich aus lauter Fortschrittlern bestehen sollte. Da ereignete sich das Unerwartete: DaS Parlament weigerte sich, den vorgelegtev Anleibeverirag zu genehmigen, eS gehorchte nickt, und nun war es klar, daß entweder die Fortschrittspartei, welche Christitsch glaubte um den Finger wickeln zu können, >bre Selbststän digkeit doch nicht völlig geopfert hatte, oder daß die Mehrheit der Skupschtina aus verkappten — Radicalen bestand. In beiden Fällen zeigt sich die Stellung der Regierung stark er schüttert. Das Land braucht die Anleihe, lue finanzielle Ver waltung hat mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen, die Cassen sind höchst ungenügend versorgt, und die Deckung des Iuli-CouponS ist eine unbedingte Nothwendigkeit, wenn Serbien sich nickt bankerott erklären soll. Hoffentlich kommt doch noch durch Vermittelung der Königin ein Arrangement mit den Radicalen zu Stande, die, einmal wieder am Ruder, die Anleibe bewilligen würden. Andernfalls stehen Serbien neue Erschütterungen bevor. Nachrichten aus Saffi in Marokko zufolge bestätigt es sich, daß die von dem »rutschen Gesandten, Grafen Tat len» bach» in Sachen der Ermordung des Kaufmanns Rockstroh eingeleitete Action mit Energie und Aussicht aus Erfolg burch- geführt wird, lieber die Unterredung, welche der Gesandte am 24. April mit dem Gouverneur von Sassi hatte, haben wir schon kurz berichtet. Sie fand außerhalb der Stadl aus einem Hügel statt, auf welchem der Gouverneur Zelte hatte ausschlagen lassen. Da« Auftreten des kaiserlichen Gesandten war höflich und zuvorkommend, aber äußerst energisch und scharf und kurz und bündig in seinem Verlangen. Er ließ den Gouverneur nicht im Unklaren über den Zweck seiner Sendung, sagte ihm unter Anderem, daß er nicht eher wieder sortgeben werde, als bis er die Mörder festgenommen wisse, und wenn er ein Jahr dort zu bleiben hätte. Als der Gouverneur eine ungenügende Antwort gab und Graf Tattenbach den Entschluß kundgab, selbst nach dem Orte der Unthat zu gehen und den Mörder von dem Kaid Abd-el-AsiS Zeri zu fordern, bat der Gouverneur den deut schen Gesandten, dies ja nicht zu tbun; bei dem jetzigen un ruhigen Zustande deS Landes sei nickt die geringste Sicher et vorhanden, und eS könnte ihm, falls er nach Dukalla reise, eicht etwas zustoßen. Der Gesandte antwortete, daß er ich in dieser Beziehung nichts vorschreiben laste; er habe eine Pflicht zu erfüllen und werde sie erfüllen. Stoße ihm etwas zu, so sei bas seine Sache; er werde schon für seine Sicherheit zu sorgen wissen. Am Nachmittage de» 26. April ankerte daS deutsche Kriegsschiff „Alerandrine" auf der Rhede von Saffi und trat noch an demselben Tage mit dem Lande in Verbindung, obwohl die See daS Passiren der Barre zwischen den Klippen sehr erschwerte. Am folgenden Morgen früh landete der Commandant des Schiffe-, Capitain S. Schmidt, um dem deutschen Gesandten seine Mel dung abzustatten. Graf Tattenbach begab sich bald darauf in Begleitung deS Commanvanten an Bord, von wo er mit ihm und 12 bewaffneten Matrosen zurückkehrte. Da der Kaid durch eine Bekanntmachung erklärt hatte, daß sein Ansehen in der nächsten Umgebung der Stadl durch die Aufständischen der Provinzen Abda und Dukalla völlig erschüttert sei, so zog daS Matrosen-Commando in das Lager vor der Stadt, trotz des Widerstandes der Behörden, an deren Spitze der Kaid der Stadt, Sid Hamsa Ben Teib Ben Hima, vollständig den Kopf verloren hat, und übernahm dort den Wachdienst. Ein vom Kaid den gesammten Consuln der andern Nationen inSafsi unterbreiteter Einspruch gegen die Landung der Matrosen hatte keinen Erfolg, da die Verhältnisse sie durchaus nölhig machen. Än Saffi brachte daS Landen der kleinen Truppen- abtbeilung entschieden einen wohlthätigen Eindruck hervor, ebenso wie das Näberkommen des Kriegsschiffes, das Anfangs eine größere Strecke vom Lande geankert hatte. Die Namen und wahrscheinlichen Aufenthaltsorte der Thäter sind bekannt und vielleicht werden die Mörder von ihren eigenen Leuten ausgeliefert, die aus Furcht vor der Strafe der allgemeinen Zerstörung es vorziehen würden, die Missethäter zu ergreifen. Mit der Bewältigung des Aufstandes auf tkuda geht es dock nicht so rasch, als die von Madrid verbreiteten schön särberischen Berichte glauben zu machen suchen. DerRegierungs- telegraph ließ die gegen die Aufständischen operircnden Truppen einen Sieg über den anderen erfechten, er schilderte die Haltung der Vereinigten Staaten als die den Interessen der spanischen Politik denkbar günstigste, er versicherte noch vor wenigen Tagen, daß der Mutb der Aussländischen gebrochen sei und die Bewegungen den letzten Zügen liege, allein Nachrichten von anderer Seite verderben den Urhebern dieser Berichte das ganze Concept, denn sie melden von ebenso vielen Schlappen der Spanier, als diese Siege davon getragen haben »vollen. Nur ein entjcheidender Schlag, zu dem aber ein weit größeres Truppenausgebot und bedeutendere Geldmittel nölhig sind, als Marschall Martine; zur Verfügung stehen unv auch schwerlich zur Verfügung gestellt »verden, könnte den Ausstand noch rechtzeitig ersticken. Statt dessen kommt die Meldung, daß am Montag die Insurgenten unter Gomez bei Guaimaro einen glänzenden Sieg über die Spanier erfochten haben, der natürlich der separatistischen Bewegung neue Nahrung geben und ihre Hoffnung auf officielle Unterstützung von Nordamerika stärken muß. Allerdings hält man die Meldung von dein Sieg bei Guaimaro in Madrid für unbegründet, aber selbst wenn sie sich — woran man noch sehr zweifeln muß — nicht be wahrheiten sollte, stehen die Chancen der Spanier nichts weniger als gut. Vor wenigen Tagen hieß es, Martine; CampoS werde sich in Santiago mit dem General Sacedo über die besten zur Unterdrückung des Aufstandes geeigneten Maßnahmen beratben. Der Ton, der aus dieser Meldung klingt, ist wesentlich gedämpfter als jener, der bi» dahin Feuilleton» Die Erbin von Äbbot-Cajile. Sf Original-Roman von F. Klinck-Lütet-burg. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Fünftes Capitel. Hätte Lord Rutbbert zu derselben Zeit, als er heftig gegen sich selbst kämpfte, um ein Vorurtbeil zu überwinden unv vernünftigen Gedanken sich hinzugeben, einen Blick in daS Zimmer werfen können, in welchem sein Gast die Vor bereitungen für seine Abreise hatte treffen »vollen, so würde seine Unruhe sich nicht nur um ein Geringes vergrößert haben, wenn er auch nicht im Stande gewesen sein würde, eine Erklärung für daS Gebühren Will Gullham'S zu finden. Derselbe durchkreuzte mit schnellen Schritten daS geräumige Zimmer. Die Arme hatte er auf der Brust übereinander geschlagen, und sein bleiches Gesicht zeigte.einen finsteren, furchterregenden Ausdruck. Die Falte über der Nasenwurzel batte sich vertieft, die buschigen Brauen vereinten sich. Hier war kein Spiel der Natur möglich, waS Harry Ruthbert ihm auch sagen mochte. Der eine Blick aus ihren Augen ließ nicht zu, daß er irgend einer TäuschunaRaum gab. Diesem Blick war er vorher nur ein einziges Mal im Leben begegnet. Er war als Zeuge in der Angelegenheit Mary Connor vernommen worden und hatte au-gesagt, WaS er wußte und was er für gut gehalten. Im Abtreten batte sein Blick die Angeklagte gestreift, welche zum ersten Male seit dem Beginn der Verhandlungen da« Gesicht erhoben. Sie sab ihn an mit einein Ausdruck, der ihn seit jenem Tage unablässig, Tag und Nacht verfolgte. Staunen, Ver wunderung, Angst »nd Entsetzen waren in dem Blick, mit welchem sie ihn angesehen, zum Ausdruck gelangt, und dieser Blick halte ihn heute zum zweiten Male getroffen. Mary Connor war nicht todt — sie lebte. In seiner Seele war kein Zweifel, er gab einem solchen auch nicht einmal vorübergehend Raum. Sie lebte, sie allein konnte Auskunft über den Verbleib des Testamentes, das ihn rum Universalerben de« Grasen SaunderS gemacht, geben. Und sie mußte diese Auskunft geben. Eine wahrhaft teuflische Entschlossenheit prägte sich in Will Gullham'S Zügen aus. Er hatte Alle», waS ihn dir lange Zeit hindurch gedrückt und gequält, vor dem einen Gedanken, daß noch eine Möglichkeit sich ihm eröffnete, da- Ziel seiner Sehnsucht und Träume, so lange er denken konnte, den Reichtbum zu gewinnen, vergessen. Mary Connor mußte wissen, wohin das Testament gekommen war, sie allein war nicht von der Seite des Lebenden und Sterbenden gewichen und — Mary Connor lebte. Wie war sie nach Violet-Valley gekommen? Rechtsanwalt Primrose hatte ihre Leiche recognoscirt, dieselbe war nach Abbot-Castle tranSportirt worden. Will Gullbam hatte zu großen Antbeil an dem Verlauf all dieser Vorgänge ge nommen, als daß er nicht hätte wissen sollen, wie der geringfügigste Umstand sich entwickelt. Er war nicht einen Augenblick darüber im Zweifel, daß die Leiche von Miß Lilian Smith nach Abbot-Castle gebracht worden war und Mary Connor unter deren Namen in Violet-Valley lebte. Die Gründe, welche daS junge Mädchen bewogen, eine solche Täuschung zu begehen, waren gewiß nicht fernliegend, es hatte die Dinge sehr klug für sich zu benutzen verstanden. Er würde ein leichte- Spiel mit ihr haben. Will Gullbam bedauerte auf daS Lebhafteste, daß er sich bereit- von Lord Ruthbert verabschiedet batte; er würde, ohne Aufsehen zu erregen, noch ganz gut einige Tage haben bleiben können, da seine Abreise nach Invien doch plötzlich ganz in Frage gestellt war. Er würde sich nun gezwungen jeher», in der Nachbarschaft ein Unterkommen zu suchen und dadurch die Gefahr heraufbeschwören, Lord Ruthbert, wenn er ihm zufällig begegnen oder von ihm hören sollte, auf merksam zu machen. Auch Will Gullbam legte sich lange nach Mitternacht zum Schlafen nieder, ohne indessen Ruh« zu finden. Schon der wenige Stunden später tagende Morgen fand ihn wieder wach, ungeduldig den Zeitpunct erwartend, zu welchem er Ruthbert- Hall verlassen konnte. Der Kutscher war angewiesen, den Gast nach der Bahn zu fahren. Als er sich in den Stall begab, um die Pferde hervorzuziehen, kam die Magd, ihm zu sagen, daß der Fremde vorgezogen habe, eine» Moraenspaziergang zu machen und zur Zeit die Station vielleicht bereits erreicht habe. Mary Connor war keineswegs überrascht, als am darauf folgenden Tage dir HauSmagd kam, um ihr mitzuthrilen, vaß ein fremder Herr sie zu sprechen wünsche. Sie war seit vorgestern auf irgend etwa« Furchtbare« vorbereitet gewesen, sie halte gewußt, daß jener entsetzliche Mensch, den sie in Lord Nuthbert's Begleitung gesehen, sie erkannt habe, und daß eS nun mit dem kaum gewonnenen Frieden vorbei sein würde. Ihr erster Gedanke, nachdem sie sich von Will Gullham erkannt gesehen, war gewesen, Mrs. Ethel Gray'S Cottage sogleich zu verlassen und ihren Wanderstab in die Hand zu nehmen. Aber — WaS sollte daraus entstehen? Die alte Dame war seit wenigen Tagen an ihr Lager gefesfelt und begehrte von ihr hunderterlei Handlungen, die angeblich Nie mand als sie allein verrichten konnte. Sollte sie dieselbe im Sticke lasten? Nach reiflicher Neberlegung war sie zu bleiben entschlossen, wenigstens so lange Mrs. Ethel Gray ihrer noch bedurfte. Sobalv dieselbe genesen war, wollte sie ihr wiederholen, WaS sie ihr bereits gesagt hatte, damals, als sie wieder zum Be wußtsein gekommen war. Sie batte rin Gefühl, daß Mrs. Gray ihr verzeihen, vielleicht sogar ihr glauben werde. Unter diesen Umständen fand Will Gullbam eine Andere ^ finden erwartet. Sie hatte ibn in den Spion fuhren lassen und sich unverweilt zu ihm begeben, wahrend Mrs. Gray, der Obhut der Haushälterin anver traut, schlief. Sr war überzeugt gewesen, daß sie sich ver- leugnen, daß sie allerlei Ausflüchte finden werde, um einer Begegnung mit ihni auSzuwrichen. >srine Pläne waren für emen solchen Fall vorgeieben, nickt für ibr Erscheinen in dieser stolzen Haltung, mit dieser Miene einer Fürstin, welche durch ihre schwarze Kleidung noch einen besonderen Ausdruck erhielt. „Sie wünschen Mr. Gullham?" »lrich eine Antwort. Ihre Stimme über- walt.gte ihn förmlich. Er hackte, daß er besser gethan haben wurde, nicht mehr nach IioletAalley zu kommen, sondern da« Gebein,n,ß ,n,t über den Ocean zu nehmen ^.'Sic erinnern sich meiner, Miß Connor?" brachte er endlich mit Anstrengung hervor. »» r rr „Wie sollte ich nichl?" Sind Sie doch mit der Srinn.*..«« an die schwersten Stunden meines Lebens verknüpf „Durch einen Zufall. — oder wir soll ick es 9 erfuhr ,ch Ihren Aufenthaltsort. Man ist allaemrin ' v Ansicht, daß Miß Mary Connor ^ >-"> -°pi „Bon der Gerechtigkeit ereilt ist" °°°«»«--». Und wieder stockte er. Vor dem forschenden Blick ihrer Augen erstarken ihm die Worte auf den Lippen. „Der Irrthum wird bald aufgeklärt sein. Seitdem ich Sie wieder gesehen, weiß ich, daß es eine Vermessenheit war, zu hoffen, daß dieser Betrug unentdeckt bleiben würde." „Wie soll ich daS verstehen? Ich bin weit davon ent fernt, Sie zu verrathen, vorausgesetzt — vorausgesetzt —" Der Zorn flammte in seinem Gesicht auf. Wie war eS möglich, daß er sich diesem Mädchen gegenüber befangen fühlte? „Ich fürchte einen Berrath Ihrerseits nicht", gab sie bobeitSvoll zurück, „sondern werde MrS. Ethel Gray, sobald sie genesen ist, den Sachverhalt klarlegen. Sie mag dann entscheiden, ob sie so viel Vertrauen zu mir gefaßt hat, daß sie mich in dieser bescheidenen Stellung lasten will." Will Gullbam lachte überlaut. „Damit ist das neue Verbrechen, daS Sie begangen haben, nicht auS der Welt geschaffen", stieß er sinnlos vor Wuth hervor, denn er sah sich in seinen kühnsten Hoffnungen be trogen. „Sie baden sich hier unter einem falschen Namen eingeschlichen. Sie gestatten, daß man Ihre vermeintliche Leiche nach Abbot-Castle bringt, Ihre Strafe wird dieses Mal eine härtere sein, Miß Connor. Bis zur Stunde weiß Niemand von dem Verbrechen, daS Sie begangen haben. In demselben Augenblick, in welchem ein Gerichtshof von dem Vorgänge Kcnntniß erlangt, sind Sie verloren. Hat man auch nicht vermocht, Sie des an dem Grafen Saunders verübten Mordes zu überführen, so wird der Fall doch wesentlich dazu beitragen, daß man Ihre Strafe verschärft." Sir war blaß und zitterte. Die Worte trafen sie wie Donnerschläge, aber sie behauptete doch ihre Haltung, ob wohl sie sich namenlos elend fühlte. „ES war anfangs nicht mein Wille. Ich habe meinen wahren Namen nicht verhehlt", murmelte sie kaum hörbar. Will Gullham zuckte jäh zusammen. Die unheimlichen Gespenster, welche er mit Mary Connor begraben geglaubt, schwebten wieder empor. „Wem haben Sie es gesagt?" „Mrs. Gray, und auch — dem Arzte. Man wollte eS mir nicht glauben." „Ah! Da- ändert an dem ganzen Sachverhalt nichts, Miß Connor, eS macht Sie auch nicht minder strafbar. Sie wollen nun einmal nicht den Mann in mir erkennen, der Ihnen sehr wohlgesinnt gewesen und noch ist, obwohl ich allein
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite