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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.05.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-05-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950517020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895051702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895051702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-05
- Tag1895-05-17
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Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Zissernsatz nach höherem Tarif. Grtr««VetiageN (gefalzt), nur mit der Morgen »Ausgabe, ohne Postbesörderung >1 60.—, mit Poslbeförderung >>l 70-—. Ännahmefchluß für Anzeigen: (nur Wochentags) Abrnd-Au-gabe: Vormittags 10 Uhr. Morgea-AuSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. ^-243. Freitag den 17. Mai 1895. 89. JchrganK Politische Tagesschau. * Leipzig, 17. Mai. Wie der Telegraph bereits gemeldet bat, macht die „Köln. Ztg." einen neuen Vorstoß gegen den preußischen Minister des Innern v. Koller, gegen den daS rheinische Blatt vor einigen Tagen den Vorwurf erhoben batte, er habe mit seiner am letzten Freitag im Reichstage gehaltenen Rede den Zweck verfolgt, „die verbündeten Regierungen in einen schweren Eonflict mit dem Reichstag bineinzutreiben". Wir haben (s. unsere Morgen-Ausgabe vom Dienstag, Nr. 236) die Richtigkeit dieser Auffassung be zweifelt, da wir nicht glauben mochten, daß Herr Koller für seine staatsrechtlich unhaltbaren Aeußerungen auf die Zu stimmung der verbündeten Regierungen gerechnet habe. Die „Köln. Ztg." hält jedoch an ihrer Auffassung fest und sucht sie folgendermaßen zu begründen: „Fand Herr v. Köller die Ausführungen des Herrn Lenzmann verletzend und unhöflich, so hätte ihm Niemand eine schroffe Antwort verdacht, die sich ausschließlich gegen Herrn Lenzmann gerichtet hätte. Dem ganzen Reichstag aber als geschlossenem Ganzen, als einer durch die deutsche Reichsversassung gewährleisteten konstitutionellen Einrichtung den burschikosen Standpunkt deS „Wenn nicht, dann nicht" vorzuhalten, ihm ins Gesicht zu rufen „Wir bedürfen Ihrer nur so weit, als Sie den Gesetzen zuzustimmen haben, die vorgelegt werden, oder die Gelder zu bewilligen haben. Sie mögen Ihre Zustimmung zu Gesetzen verweigern, dann werden es keine Gesetze", Las verräth eine so bedenkliche und offenkundig den Anschauungen des Fürsten Hohenlohe widerstreitende Auflassung der constitutionelle» Rechte und Pflichten einerseits des Reichstags, andererseits des Bundesraths, daß wir nur an unserer Ansicht feslhalten, daß ein Minister, der solche Anschauungen äußert, direct auf einen Eonflict mit dem Reichstag hinsteuert." Ueber das Gefährliche eines solchen Zweckes äußert sick dann das rheinische Blatt folgendermaßen: „Ein solcher Eonflict wird ja von manchen Hitzköpfen in unver antwortlicher Stellung angesichts der beklagenswerthen Zusammen- jetzung des Reichstags und des endlosen Parteiwirrwarrs sehnlichst erwünscht. Wirerblicken in solchen Bestrebungen eine der größten Gefahren für die Zukunft unseres Vaterlandes, wir sehen in ihnen unreife und gemeingesähriichePläne, denen rechtzeitig und mit vollstem Nachdruck entgegenzutreten wir als eine unserer wich- ligsten Pflichten erkannt haben. Zum Fürsten Hohenlohe haben wir, Dank der Kenntniß seiner langjährigen verdienst volle» Wirksamkeit» das unerschütterliche Vertrauen, daß er sich nicht auf solche für Kaiser und Reich verderbliche Wege abdrängen lassen wird. Um so mehr liegt daran, daß die Herren, die ihm in seiner schweren, verantwortungsvollen Stellung als berufene Rathgeber zur Seite stehen, nicht den Anschein erwecken, als wollten sie über seinen Kops hinaus handeln Das Ansehen des Reichstags ist zur Zeit in der Oeffentlichkeit gesunken, aber dennoch ist es Pflicht der Presse, die Rechte der deutschen Volksvertretung zu schützen. Wenn unsere parlamentarischen Freunde iin Reichstag allein den radikalen Elementen die Zurück Weisung des Köller'schen Standpunctes überlassen haben, so liegt der Grund dafür nicht darin, daß sie nicht ebenso tief wie jene über seine verletzende Haltung verstimmt gewesen wären, sondern vielinehr in dem Umstande, daß sie dem Fürsten Reichskanzler auf richtig dankbar dafür sind, daß er in so schwieriger Zeit eine so schwere Amtsbürde übernommen hat, daß sie ihm diese Last nicht noch schwerer machen wollen und daß sie das Vertrauen zu ihm haben, daß er rechtzeitig dafür sorgen wird, daß solche Wege nicht wieder von einem preußischen Minister oder einem andere» Bundesrathsbevollmächtigten gewandelt werden." Die „Köln. Ztg." beklagt cs dann, daß augenblicklich in dem böheren Beamtenthume Preußens Manael an tüchtigen Minister- candidaten und besonders an solchen Männern gering ist, welche die parlamentarische Schulung besitzen, durch die die Kom missare des Kriegsministers sich auszeichnen. Dieser Mangel an parlamentarischer Schule möge einzelne Unbedachtsam keiten entschuldbar. Aber bei Herrn von Köller handle es sich nicht um Unbedachtsamkeiten, sondern um die Denk weise, die sich in den verschiedensten Wendungen geäußert habe und bereits zu den übelsten Folgen hätte führen müffen, wenn sie bei dtr Frage über die Kreuzer oder die Bewilligung der Kosten für de» Nordostsercanal so schroff zu Tage getreten wäre. Zum Schluß heißt es dann: „Dieser ganze Standpunct des „Wenn nicht, dann nicht" ist eben von Grund aus verfehlt. Ein Minister arbeitet nicht, um seine Zeit mit theoretischen Arbeiten zu verbringen oder die Schaar seiner Beamten oder die Parlamente zu beschäftige». Er arbeitet und ruft die Volksvertretung an, wenn er vor handene Mängel in unserem Staatsleben erkannt hat, die der Ab hilfe bedürfen. Er wird für diese Abhilfe kample», so lange er Mittel und Wege sieht, ihnen abzuhelfen, und wenn er einmal de» Widerstand einer schlecht unterrichteten und aus dem Bolkswille» heraus besser zu belehrenden Volksvertretung findet, so wird er nicht ein verächtliches „Tann nicht" ausstoßen, sondern um so nachdrück licher dafür ringen, daß Abhilfe ersolgt, so lange sie noch möglich ist. In den sieben Monaten seiner bisherigen ministe- riellen Thätigkeit hat uns und dem deutschen Reichstag Herr v.Kölier die tleberzeugung gegeben, daß sei» bur schikoser Standpunkt der Wurstigkeit, des „Wenn nicht, dann nicht" der Grundanschauung seines constttutio- nellen Denkens entspringt. Daß bei weiterer Durchiührnng dieses Standpunctes unfehlbar ein Stocken der Maschine oder aber bitterer Eonflict mit dem Reichstag entstehe» muß, bedarf sllr uns keiner weiteren Darlegung. Je verwirrter und verworrener unsere Purteiverhältnisse sind — und abgesehen von de» radicalstcn Parteien ist zur Zeit keine einzige Fraction des Reichstages einheitlich und fest geschlossen —» um so mehr bedürfen wir einer einheitlichen und fest zusammenhängenden Regierung. Erst dann werden wir wieder zu gesunden inneren politischen Verhältnissen kommen können. Vor läufig sind wir leider »och weit davon entfernt. Jedenfalls dürste es sich empfehle», die positiven Leistungen mit dem hochsahrenden und geringschätzigen To» einigermaßen in Einklang zu bringen; denn das schneidige Wort wirkt nur dann wohilhätig, wenn es bo» einer bedeutende» geistigen Kraft getragen wird." Wir können uns nicht denken, baß die „Köln. Ztg", die sich sonst an ministerstürzlerischen Bestrebungen nicht zu be theiligen pflegt, diesen wiederholten Vorstoß ganz auf eigene Faust unternommen habe. Und wer die Gepflogenheiten und die Verbindungen des rheinischen Blattes kennt, wird sich der Vermutbung nicht entschlagen können, daß diese Vorstöße von solchen Personen gedeckt werden, die Anlaß zu der Annahme haben, Herr v. Köller bewege sich wirklich in den ihm vorge- worfeneu Gedankenkreisen und habe wirklich die Absicht, die verbündeten Regierungen mit dem Reichstage in einen Eonflict zu treiben, der durch einen die Rechte des Reichstages vermindernden Bruch der Ver fassung gelöst werden solle. Nun ist es aber selbstver ständlick, daß ein einzelner Minister mit einem solchen Plane sich ernstlich nur dann tragen und nur dann Versuche zu seiner Verwirklichung machen kann, wenn er nicht nur in der Regierung, der er selbst angehört, sondern auch in den Kreisen anderer Bundesregierungen Gesinnungsgenossen kennt, auf deren Unterstützung er rechnen darf. Wäre also wirklich Herr v.Kölier der Träger einer zu fürchtenden EonflictS- idee, so müßte diese Idee auch noch andere Träger haben Das will, wie es scheint, der Verfasser des Artikels auch andeuten, indem er die Hoffnung ausspricht, Fürst Hohenlohe werde rechtzeitig dafür sorgen, „daß solche Wege nicht wieder von einem preußischen Minister oder einem anderen Bundes rathS-Bevollmächtigten gewandelt werden" Die Prüfung, der Fürst Hohenlohe nach dieser schwerwiegen den Anklage die Denkweise des Herrn v. Köller zu unter werfen haben wird, wird sich demnach auch weiter erstrecken müssen. Sollte sie so aussallen, wie die Gewährsmänner der „Köln. Ztg." aniiehmen, so würde Fürst Hohenlohe entweder selbst seine Entlassung fordern, oder die Beseitigung der Träger des ConflictSplanes fordern müffen. Wie die Entscheidung fallen würde, kann keinem Zweifel unterliegen. Sollte sich aber Herausstellen, daß Herr v. Köller, wie wir annehmen lediglich durch eine große Ungeschicklichkeit in den Verdacht der EonflictSlüsteriiheit gekommen sei und wider seinen Willen auch Andere in gleichen Verdacht gebracht habe, so würde der „Köln. Ztg." und ihren Gewährsmännern auf bas Eindring lichste klar zu machen sein, daß die unbegründete Erbebung schwerer Anklagen noch weit weniger zu verzeihen ist, als die gröbste parlamentarische Ungeschicklichkeit. In der österreichisch-ungarischen Krise ist nach mehr denn vterzebntägigen, vergeblichen Versuchen Franz Josephs, eine güt- iche Ausgleichung der Gegensätze zu finden, die Lösung jetzt wenigstens »ach der einen (seile hin, soweit sie de» Competcnz- Conflict zwischen dem gemeinsamen Minister des Aeußeren und dem ungarischen Ministerpräsidenten betraf, eingetrelen: Graf Kalnoky hat sein Entlassungsgesuch erneuert und der Kaiser hat dasselbe genehmigt. Es wird glaub würdig versickert, Kalnoky habe sich zu diesem Schritt eitt- 'chlossen, weil Banffy neuerdings eine dem ungarischen Ministerrall» streng vertraulich gemachte Mittheilung, welche gleichzeitig das Ministerium des Aeußeren berühren, — es bandelt sich um die signalisirle Abberufung Agliardi's — schleunigst public gemacht habe, und zwar diesmal durch Ver öffentlichung in der Wiener Presse. Bestätigt sich diese Meldung, woran wir nicht zweifeln, so ist sie nur ein weiterer Beleg dafür, daß der Eonflict zwischen beiden Ministern nicht, oder doch nur in letzter Linie durch persönliche Anlipalhicn hervorderufen worden ist, sondern daß demselben aus der Natur des Verhält nisses der beiden Reichsbälften resultirende, tiefgehende sach licke Differenzen in ihrer Auffassung von dem beiderseitige» Wirkungskreise zu Grunde liegen. Gras Kalnoky bat in der durch die „Pol. Eorr." gegen Baron Banfsy veröffentlichten Note vom 3. Mai offenbar zu erkennen gegeben, daß er die Verantwortung für die auswärtigen Angelegenbeite» nur dann trage» könne, wenn in allen Fragen, welche dieses Ge biet berühre», jede Acußerung des ungarischen Minister Präsidenten seiner Controle unterworfen und von seiner Zustimmung, selbst rücksichtiich der Form, abhängig sei, während Baron Banffv, und mit ihm das ungarische Gesainmt Ministerium in solchen Fragen, wenn sie auch eine inner- politische Seite haben, in Bezug aus die letztere die Eompetenz des Ministers deS Aeußeren nicht anerkennt und sich darin a» seine Zustimmung nicht gebunden erachtet. Daß bei so schwerwiegenden Differenzen in der heikelsten staats rechtlichen Frage, die es in Oesterreich-Ungarn giebt, ein längeres Nebeneinander der beiden Minister nicht denkbar war, liegt ans der Hand, zumal es notorisch ist, daß dieselben auch über die Notbwendigkeit der Eontinuität des liberalen Regiins in Ungarn völlig entgegengesetzter An sicht sind und auch persönlich nickt Wohl mit einander Harmoniken. Aber die Entscheidung für den Monarchen war — und hieraus erklärt sich auch die lange Verzögerung der selben — deshalb eine so schwierige, weil seine Stellungnahme in der Personenfrage zugleich eine solche p rincipieller Natur in sich zu schließen scheint. Ließ der Kaiser den Grafen Kal noky fallen, so gab er der Auffassung des ungarischen Ministe riums Recht und schwächte damit die Autorität des gemeinsamen Ministers des Aeußern, nöthigte er Baron Banfsy zum Rück tritt, so entfachte er den magyarischen Ehauvinismus aufs Neue und gefährdete in bedenklichster Weise den Bestand der Monarchie. Welches von beiden ist das kleinere Uebel? Aus diese Frage halte sich für den Monarchen die Frage zngespitzt. Er entschied sich sllr Banfsy und gegen Kalnoky. Weiser konnte die Lösung der Frage nicht erfolgen, denn die Einbuße, welche das Prestige deS Ministeriums des Aeußern erlitte», läßt sich wieder gut machen durch eine genaue gesetzliche Abgrenzung seiner Eompetenzen, so schwierig dieselbe auch sein mag, eine Ver letzung des ohnehin so reizbaren magyarischen National- gesühls dagegen wäre von unberechenbaren und aller Wahr- cheinlichkeit »ach unaufhaltbaren Folge» für den österreichisch- ungarische» Dualismus gewesen. Mit richtigem Blick hat Kaiser Franz Joseph offenbar schon von Beginn des Con- icts an erkannt, daß, wenn die persönliche Harmonie wischen den beiden Dienern der Krone nicht wieder- derzustellen sei, dir Entscheidung so außfalle» müsse, wie er sie jetzt getroffen hat. Schon darin, daß er die Verlesung des vertraulichen Schreibens Kalnoky'S an Banffy im ungarischen Abgeordnetenhaus? gestattete, ließ er durch- blickrn, daß er principiell auf Seite der Anpassung Banffy'S stkbe, denn jenes Schreiben involvirt, wie all gemein zugegeben wird, eine fast absolute Rechtfertigung des ungarischen Ministers. Daß man in Ungarn voller Jubel über den Ausgang der Krise nach dieser Richtung bin ist, läßt sich denken. Man erhofft davon eilte günstige Rückwirkung auf das Schicksal deS letzten Stückes der Kirchengesetzgebung, welches die Freiheit der Eon essionen und dir Eonfessionslosigkeit betrifft. Bekanntlich lautete das Votum deS Oberhauses ablehnend, und das Gesetz gebt »nn an das Unterhaus zurück, um von diesem abermals dem Oberdause präsenlirt zu werden, bas es nun ebenfalls mit Ja votiren dürste, nachdem es, wenn auch mit Hilfe derStimme des Präsidenten, der Receptio» der Juden die Sanktion gegeben bat. Tann hätte der ungarische Liberalismus auf der ganzen Linie der großen, von ihm in die Wege geleiteten Actio», wenn auch mit genauer Noth, über die klerikal- conservative Reaction gesiegt und es bliebe nur noch die leidige Nuntiusangelegenbeit zu ordnen. Nach dem bisherigen Verbalten des Kaisers in der dreifachen Krise tekt zu erwarte», daß er auch Rom gegenüber die richtige Lösung finden wird. Ein Schritt auf diesem Wege wäre ja i» der Abberufung Agliardi's zu erblicken, dem freilich die längst in Aussicht gestellten Neclamationen bei der Eurie vorausgeben müßten. Rom wirb allerdings nur in der Form, nicht in der Sache nachgeben, aber für den Augenblick kommt es darauf an, daß der Staat und sein kaiserliches Oberhaupt das Princip ihrer Prärogative den Machtaiisprüchcn der Eurie gegenüber energisch wahren. — Wir lassen nunmehr noch die über die Lösung der Krise Kalnoky- Banffy eingelaufenen Meldungen folgen: * Wien, 16 Mai. Die Blätter geben den Rücktritt des Ministers des Auswärtigen Grasen Kalnoky in Extraausgaben bekannt. Die Nachricht ruft eine tirfeBewcgung hervor. Dem Extrablatt des „Fremdenblatt" zufolge erfolgte die Annahme des Temiisionsgesuches schon gestern. Man könne annchnien, die Pester Mittheilungen über die Abberufung des Nuntius Agliardi, welche abermals in den Wirkungskreis des Ministers des Auswärtigen eingegrifsen hätten, hätten dessen Ent schluß zur Reife gebracht. Niemand wird sich der Em pfindung entschlagen, daß der Kaiser den wichtigen Ent- schlufi in reiflichster Erwägung aller für das Wohl und den Frieden der beiden Reichshälslen maßgebenden Verhältnisse gefaßt habe, Niemand in Oesterreich-Ungarn, ja in Europa werde Kalnoky'S Verdienstes um den europäischen Frieden und die Macht- stellung der Monarchie vergesse». * Wir«, 16. Mai. Der Kaiser empfing den Minister präsidenten Baron Bansfh und Minister a lakere Baron Josika um ei» Uhr in gemeinsaincr Audienz. Banffy kehrt morgen Abend nach Pest zurück. In Besprechung des Rücktritts Kalnoky'S führt die „BudapesterCorrcspondrnz " an-, derselbe je! nament- lirh vom ungarischen Standpunct bedauerlich wegen des außerordentlichen Verdienste Kalnoky's um den europäischen Frieden, die Großmachtslellung und die handelspolitischen Interessen Oesterreich-Ungarns. Aber diese Form der Lösung der ktrise sei nicht umgehbar gewesen, da ein Hinüberspielen des Con- fllctes zwischen dem Minister des Aeußern und dem ungarischen Ministerpräsidenten auf daS publiristische Gebiet unmöglich als ein Präcedenzsall belassen werden konnte. Banffy werde die Interpellationen Helsy's und Ugron'S in der am Montag slattfindendcn Sitzung des ungarischen Abgeordnetenhauses be antworten. FritNletoir. Vie Erbin von Äbbot-Lastle. UI Original-Roman von F. Klinck-Lütetsburg. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Er athmete tief auf. In diesem Augenblick glaubte er in ibrer Seele zu lesen. Wohl stürmte daS Blut wild durch seine Adern und er mußte sich Zwang auferlegen, um nicht zu verrathen, was in seiner Seele vorging, aber er konnte ihr nicht in dieser Stunde sagen, was ihn bewegte. „Werden Sie ruhig, Miß Connor. Versuchen Sie, in mir den Freund zu sehen, der Ihnen eine starke Stütze sein kann und sein möchte. Können Sie Vertrauen zu mir fassen?" „Wie können Sie fragen, Lord Rutbbert? Ich habe Niemand, der sich meiner angenommen. Und doch — Mrs. Gray war immer gut gegen mich." „Sie werden die alte Dame von dem Sachverhalt in Kenntniß setzen müffen, Miß Connor." „Mrs. Gray weiß Alles, schon seit dem Sommer." Harry Ruthbrrt wunderte sich darüber, er hatte nie im Leben ein Menschenkind geseben, das so von Vorurtheilen er füllt war als MrS. Gray. Mary Connor hatte auch auf sie ihren Zauber ausgeübt. . „Und Ihr Großvater war einverstanden, daß Sie hier blieben?" forschte er weiter. „Er weiß nicht- davon." Sie theilte ihm MrS. Gray'« Absichten in Bezug auf ihre Person mit. Harry Ruthbrrt war erstaunt und schüttelte mißbilligend mit dem Kopfe. „Ihr Großvater wird sofort von ver ganzen Angelegen beit benachrichtigt werden müssen, Miß Connor. Welche Idee, Sie unter dem Namen Lilian Smith hier fortleben zu lassen! Hier müssen ganz andere Mittel «»gewendet werden. Mary, noch einmal: Wollen Sie mir vertrauen? Wollen Cie in mir den Freund sehen, der Ihre Sache vertreten und zu der seinen machen will?" Ob sie wollte! Sie sab ihn nur mit einem Blick an, und in dem Blick lag die Antwort. „Wollen Sie mir einen Beweis Ihre« Vertrauens geben?" fragte er. Jeden", entgegnet« sie, ohne Besinnen. „Nun Wohl, dann theilen Sie mir mit, wie es geschehen konnte, daß man einen scheußlichen Verdacht auf Sie ge worfen hat. Ist es Ihnen nicht in dieser Stunde möglich, dann werde ich wiederkommen, zu jeder anderen Zeit, wenn Sie befehlen. Ich muß hier aber klar sehen, um den rechten Weg einschlagen zu können, Ihnen zu nützen und, wenn möglich, auck Ihnen eine öffentliche Gcnugthunng zu ver schaffen. Verschieben wir diese Angelegenheit auf einen anderen Tag, aber ich möchte noch wissen, waS — Will Gullham Ihnen zu schreiben bat." Sie nahm den Brief von dem Tische und überreichte ihm denselben. „Es wird am besten sein, Lord Ruthbrrt, Sie lesen ihn." „Darf ich ihn erbrechen?" „Ich bitte darum." Während er las, lag Mary mit geschlossenen Augen. Iyk war's, als könne sie ohne äußere Eindrücke erst ganz da« Glück erfassen, was ihr aufgeblüht war. „Miß Connor — es ist rin — ein seltsame« Schreiben. Hatten Sie eine Ahnung, daß Will Gullham Sie liebte?" „Ich habe keinen schlimmeren Feind gehabt al« ihn." „Er wirbt um Ihre Hand. Sie sollen ihm nach Indien folgen, er verspricht Ibnen eine glänzende Zukunft. Ihre ehemalige Freundin Miß Harriet Clutcher, welche Doctor Strathey gebeiratbet bat, erwartet Sit, wie er schreibt, mit Sehnsucht. Bitte, lesen Sie selbst." Sie wehrte schaudernd mit der Hand. „Sir Gullham kann nur Furchtbare« im Schilde führen — er haßt mich/ Lord Ruthbrrt legte den Brief ohne ein weiteres Wort in sein Portefeuille. „Ich lasse Sie allein, Miß Connor, bis morgen. Ver suchen Sie sich zu beruhigen, während ich mit MrS. Gray spreche." Er drückte noch einen innigen Kuß auf ihre Hand und ließ sie allein. Neuntes Capitel. Draußen stand Harry Ruthbrrt einige Augenblicke still, wie sich besinnend. Er fragte sich, ob eS angebracht sein würde, der alten Dame in einem solchen Zustand hochgradiger Bewegung gegenüber zu treten, wie er ihn beherrschte. Doch nein — kein Zögern, hier waren die Minuten kostbar. MrS. Ethel Grah war wenig durch den unerwarteten Besuch ihre« nächsten Nachbar« erfreut. Ihr lag seit jeder nicht viel daran mit der Außenwelt in Verbindung zu treten, seit dem Sommer hatte sie nur noch de» Wunsch, daß kein fremder Fuß ihr Haus betreten möge. Noch größer wurde ihre Aufregung, als Lord Rutbbert ie von dem Zweck seines Kommens in Kenntniß setzte. Sie sagte ihm, daß er doch nicht auf die Phantasien einer Fieber kranken kören solle, sie glaube, es habe sich bei ihrer Enkelin eine fixe Idee festgesetzt. Miß Connor sei doch längst in Abbot-Castle begraben. „Mrs. Gray, es ist ganz unmöglich, daß Sie Ihre Ab sichten in Bezug auf daS junge Mädchen durchführen können, Sie bringen dasselbe in eine Gefahr, welche ungleich größer ist, als die, in welcher eS gewesen ist. Nehmen wir beispiels weise Ihren Herrn Sohn, Mrs. Rose Gray» die Kinder! Wenn nur einer von ihnen hierberkäme." „Sie werden nicht hierherkommen", sagte die alte Dame mit großer Entschiedenheit. „Verzeihen Sie, Mrs. Gray, wenn ich Sie daran zu er innern wage. Ich finde den Muth dazu in Ihrer Grohmuth einer Verlassenen und Verfolgten gegenüber. Sie haben ein Alter erreicht, das sich gewiß erhöhen kann und sich hoffentlich auch erhöhen wird, dessen Dauer aber nicht bestimmt ist. In welche Gefahr muß das junge Mädchen für den Fall Ihres Todes kommen?" „In keine, wenn Sie vernünftig sind und mir nur in meinen Absichten beisteben wollen. Ueberlegen Sie doch nur einmal, Lord Rutbbert, was soll sie mit Ihrem Namen an fangen ? Sie bleibt überall ein Stein im Wege. Rühren Sie nicht daran, wenn Sie nicht wollen, daß sie ein ganz elendes Leben vor sich hat. Sie kennen die Welt und dir Menschen nicht. In demselben Augenblick, in welchem ich daS Kind beim rechten Namen nenne, laufen mir meine ganzen Dienst boten davon." „Ist es nur diese Sorge, Mrs. Gray ?" „Nein, nicht allein, wenn sie auch schwer genug bei mir alten Frau in die Waagschale fällt. Da sind noch viele andere Gründe, und ich habt sie alle reiflich erwogen, dir mich be stimmt haben, den Weg. den dir Vorsehung wir gezeigt, zu betreten und daraus Weiler zu geben." „Mrs. Gray, die Vorsehung führt den Menschen keine derartigen Wege. Es kann kein Gute« daran« entstehen." „Aber, so zeigen Sir mir einen anderen", eiferte die alte Frau, ,,e« giebt keinen der vernünftiger ist al« der von mir vorgrschlagene. Da bleibt Alle« beim Alten, so viel ist sicher. Meine Kinder kommen nickt und im Testament ist Alles vor« geseben, auch Doctor Donald weiß davon Bescheid und hat nichts dagegen einzuwenden gehabt." „Doctor Donald?" fragte Lord Ruthbrrt im höchsten Grade verwundert. „Ja — Doctor Donald, er ist eben ein vernünftiger Mann, der mit den Verhältnissen rechnet und die Menschen kennt. Als Mary Connor kann sie nickt in der Cottage bleiben, so viel ist sicher. Ich kann sie eben nicht entbehren. Nach meinem Tode kann sie ihren Namen wieder annehmen und »lit dem Gelbe irgend wohin ziehen, wohin eS ihr be liebt und wo Niemand sie kennt." Lord Ruthbrrt war das heiße Blut in daS Gesicht ge stiegen. War es möglich, daß ein Egoismus in der Welt sich fand, wie er ihm hier entgegentrat? „Mrs. Gray", sagte er ernst, beinahe feierlich, „so darf Mary Connor'S Schicksal sich nicht gestalten. Dadurch würde ein großes Unrecht an ihr verübt werden, ein größeres, als man ihr früher zugefügt. Wir müssen für da« tief beklagenS- wertbe Mädchen eintrcten." „Wie soll ich das verstehen?" fragte die alte Frau mürrisch Die ganze Geschichte verdroß sie. E« wäre am Ende doch bester gewesen, sie folgte nicht ihrem gute» Herzen und hätte sich lieber ander« beholfen. „Mr«. Gray, Sie glauben an die Unschuld deS jungen Mädchen«?" „DaS sollte Ihnen klar sein, Lord Ruthbrrt, ich würde mich sonst gehütet haben, sie da zu behalten, ich wäre ja selbst nicht meine« Leben« sicher gewesen, insbesondere wenn sie mich beerben sollte." „Warum wollen Sie nicht offen bekennen, daß Sie an ihre Unschuld glauben, indem Sie Mary Connor in Ihrem Hause Schutz gewähren?" „Weil mir alle« Geschwätz zuwider ist. E« ist unent schieden, am besten eS bleibt so, wie ich e« angeordnrt habe." Lord Ruthbrrt sah rin, daß e« vergeblich sein würde, die alte Dame für seine Absicht zu gewinnen. Er hatte etwas Andere« erwartet. Seinem leidenschaftlichen Verlangen, Mary Connor gerecht zu werden, war dieser Widerstand im höchsten Grade peinigend. Nichtsdestoweniger war er entschlossen, vorwärts zu dringen, wenn es denn sein mußte, mit Um- ' gehung von Mr«. Gray. Er erbob sich, um sich zu verabschieden. In seinem Ge sicht prägte sich deutlich eine tiefe Verstimmung au«. Eie entging natürlich der alten Dame vollständig. ..Ueberlegen Sie sick die Geschickte, Lord Ruthbrrt", rittz
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