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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.05.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-05-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950528022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895052802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895052802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-05
- Tag1895-05-28
- Monat1895-05
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Reklamen unter dem NedactionSstrich (4gd- spalten) 60^, vor den Familirniiachrichten (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- Verzeichnis. Tabellarischer und Zisscrnsatz nach höherem Tarif. (sxtra »Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen - Ausgabe, ohne Poslbefördernng 60.—, Nlit Postbeförderung 70.-». Ännahmeschluß für Anzeigen: (nur Wochentags) Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Ubr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz kn Leipzig» 89. JahrganK Die Schleswig-Holsteiner in Friedrichsrnh. * AriedrichSruh, 26. Mai. Die vom Telegraphen schon kurz gemeldete Rede des Fürsten Bismarck an 3000 Schleswig- Holsteiner lautet wörtlich nach den „Hamb. Nachr." folgender maßen: „Meine Herren und meine Damen! Sie wissen, daß mir in den letzten Wochen, seit ich 80 Jahre geworden bin, zahlreiche Be grüßungen aus allen deutschen Gauen zu Theil geworden sind, von Ostsriesland bis in die deutschen Alpen hinein, und auch von Len verschiedenartigsten Richtungen unserer inneren Politik. Ich bin weit entfernt, die Ehren, die damit verbunden sind, für meine Person in Anspruch zu nehmen (Ruse: Doch! Doch!) Sie gelten der Sache, sie gelten den Mitkämpfern, die ich ein Menschenalter hindurch gehabt habe; sie gellen auch mir, und ich bin dank bar dafür, wenn sie ausgesprochen werden. Aber ich würde doch in meinem Alker und bei meiner Körperschmäche mich der Ausgabe entziehen, gewissermaßen die Empfangs stelle für die Bekenntnisse deutscher nationaler Gesinnung zu sein, wenn ich nicht der Ueberzeugung wäre, daß durch die Bethätigung der nationalen Gesinnung vermöge praktischer Handlungen und äußerlicher wahrnehmbarer Erscheinungen sie in sich gestärkt wird (Zustimmung), und daß man in der Erinnerung an irgend eine Bestätigung dieser Gesinnung sein Gedächtniß auifnscht, und daß es zur Belebung und Kräftigung des nationalen Gefühls bei trägt, wenn der zu Grunde liegende Gedanke öffentlich und i» freiem Worte Ausdruck findet — mag ich nun der Adressat davon sein oder die Gesammtheit meiner früheren Milarbeuer. Infolge dessen halte ich mich nicht berechtigt, in einer fatschen Bescheiüenheit die Huldigungen, die mir widerfahren, dadurch abzumehren, daß ich sie als persönliche auffasse. Ich betrachte sie als Be kenntnisse der nationalen Gesinnung (Zustimmung) und des halb freue ich mich, wenn sie durch äußerliche Bekun dungen bekräftigt werden. Unter diesen ist nun für mich vor Allem die Ihrige von hohem Werth. Ich bin ja nicht in diesen Herzogthümern geboren und erzogen; ich bin von Haus aus Ail- preuße, aber ich bin durch Einwanderung Schleswig-Holsteiner geworden auf diesem Boden, der zur Provinz gehört (Bravo!), und aus Ihrer Begrüßung entnehme ich das Zeugniß, daß Sie mich adoptirt haben. (Lebhafter Beifall.) Ich gehöre eben zur Provinz und bin stvlz darauf, denn Ihr Land ist doch nach meinen politische» Erinnerungen der Ausgangspunkt unserer deutschen Entwickelung überhaupt gewesen. (Bravo!) Wenn ich zurückdenke an die Zeit, wo ich zuerst mit der großen Politik in Berührung kain, so waren es zwei Fragen, dir baS deutsche Gemükh bewegten: Schleswig-Holstein und die deutsche Flotte. Beide stehen ja nothwendig in einem engen Zusammen hang, auf den ich mir erlauben werde zurückzukommen. Aber ich erinnere nur daran, daß wie Sie Alle wissen, die noch die Zeiten von 48 vor- und nachher, selbst miterlebt haben — ich erinnere nur daran, daß, als das Militair bei der Berliner Revolution unbeliebt war, man den erste» Versuch der Versöhnung dadurch machte, daß man die Truppen nach Schleswig-Holstein schickte, also sie in den Dienst der Frage stellte, die alle Gemüthcr schon damals beschäftigte. Ich erinnere daran, daß wer irgend etwas wollte vo» der öffentlichen Meinung, in der Wahl oder sonstwie, der zog die Flagge der deutschen Flotte auf. Es waren das die beiden Fragen, die in den Jahren vor und nach 1848 unsere öffentliche Meinung absolut beherrschten, Fragen, auf welche sich das deutsche nationale Gefühl, das ja in schwachen Keimen vorhanden, damals war, nach meiner Auffassung zuspitzle, sobald es sich äußern sollte. Beide Frage» waren in ihrer praktischen Lösung außerordentlich schwierig. Vor Schleswig-Holstein lag nicht nur das Schloß des dänischen Besitzes und der geschichtlichen Tradition, sondern auch noch die Wachsamkeit der gesammten europäische» Großmächte, von denen keine dem deutschen Volke und in apoeio damals dem preußischen Staate die Entwicklung gönnte, die man voraussah. wenn der deutsche nationale und maritime Ehrgeiz durch Len Erwerb von Schleswig-Hol- stein — ermuthigt würde. Wir waren damals, in Preußen, nicht jo stark wie jetzt das deutsche Reich ist, es war die schwächste der Großmächte, cs war in seiner Armeeorganisatio» nicht fertig, es befand sich in inneren Kämpfen von größter Schwierigkeit, die so leidenschaftlich geführt wurden, daß auch die auswärtige Geltung dabei nicht respectlrt wurde. Wir konnten deshalb mit gewalt- thätiger Entschlossenheit so sehr viel damals nicht durchsetzen in Bezug auf Schleswig Holstein, und die Frage der deutsche» Marine, die damit untrennbar verkoppelt ist, die kounte nicht gelöst werde», solange sieben, oder ich glaube acht souveraine Staaten sich in die deutsche Seehoheit und maritime Kriegsberechtigung lheitten — es waren das Hannover, Oldenburg, drei Hansestädte, Schleswig-Holstein, Mecklenburg, Preußen in der Ostsee. Zwischen denen eine Einigung derartig zu Stande zu bringen, wie sie nothwendig ist, um eine nationale Flotte weit über daS Weltmeer in einen einheitliche» Zu- iammenhang zu führen, das war eine Aufgabe, die zu über winden ich mir, waghalsig wie ich damals war, nicht ge traute (Heilerkeil). Wir haben in der anderen Frage, daß uns die Großmächte Schleswig-Holstein nicht gönnten, theils aus Abneigung gegen die nationale deutsche Entwickelung, die sich aus diesen Punct festgcbisse» batte, theils auch aus Sorge über den mächtigen Zuwachs — über die haben wir uns init Mühe Hinweg- Helsen müssen. Es war ja von preußischer Seite der Londoner Vertrag abgeschlossen. Wenn der in Geltung btieb, und er blieb wahrscheinlich in Geltung, wenn die Dänen nicht so agressiv verfuhren, wie es schon mit der Casino-Politik im ersten Anfänge — die älteren Herren werden sich erinnern, was ich damit sagen will — und wie es später mit der Jncorporation der Herzoqlhnmer sich zeigte, wenn diese dänischen Herausforderungen nicht staltfanden, wenn die Ber- bitterung und die schlechte Behanvlung der Deutschen unter dänischer Herrschaft nicht stattfande», ^ jst gar kein zwingender Grund, an« znnekmen, daß nicht auch in den Herzogthümern die Erinnerung an die Jahrhunderte langen Beziehungen zum dänische» Königs hause die Oberhand gewonnen hätte, und daß wir schließlich vielleicht mit einer Personal-Union abgeschlossen hätten, deren Leitung aber immer in Kopenhagen geblieben wäre. Es war für meine damalige politische Auffassung ja doch die Frage: welche von den verschiedenen Abstufungen schleswig-holsteini scher Unabhängigkeit sind erreichbar und welche nicht? Und begehe ich nicht einen Fehler, wenn ich das Erreichbare, wie die Personal-Union, n limins abweise und dafür unter dem Zwange der Großmächte und ohne Unterstützung durch die geringe Macht Preußens, auf die ja Schleswig-Holstein zu meinem Bedauern sich zwei Mal ohne Erfolg verlassen hat, das Größere erstrebe — ich war zweifelhaft, aber ich möchte nun dahin concludire», daß Sie den Dänen wegen ihrer anspruchsvollen Herrschsucht Tank schuldig seien. (Heiterkeit.) Die Dänen haben das deutsche Wider st ands- gesühl in die Höhe gezwungen durch ihre Hartnäckigkeit und durch die Kraft ihrer Bureaukratie da, wo sie wieder Herrscher geworden waren, nicht bloß in den Herzogthümern selbst, auch im übrigen Deutschland. Tie Tauen wäre» es, die u»S die Möglich, keit gegeben haben, schließlich in der schleswig-holsteinischen Frage noch einen Zipfel zu finden, an dem es möglich wurde, die deutsche Frage zu lösen. (Bravo! Heiterkeit.) Ich habe im ersten Augenblick kein festes Vertrauen auf die Möglichkeit einer Deutsche» Flotte unter den sieben Uier-Souverainen gehabt, und ich bin mit thälig gewesen beim Verkauf der an geblichen deutschen Flolte (Heiterkeit) — ich brauche bloß den Preis u nennen, der mir ungefähr in der Erinnerung ist, es wurden cchs schwere Fahrzeuge für 230,(XX) Thaler verkauft (Heiterkeit), es war der Rest der deutsche» Flolte, Fischer war der Auctionator, das ist mir noch in der Erinnerung. Es gelang mir, als Bundes tagsmitglied für Preuße», zwei von den Schiffen, die ich nicht aus- gewählt Halle, sondern Sachkundige, für uns in Sicherheit zu bringen. Das war aber das einzige »och einigermaßen preiswürdig Verwendbare. Aber ich sagte mir, ohne Schleswig-Holstein keine deutsche Flotte, und i» der deutschen Nation war Las Gefühl lebendig: wir wollen doch nicht in der Lage bleiben, daß uns ein Staat wie Dänemark die See verbieten kann, und daß wir unter der dänischen Blockade er sticken müssen in der Ausfuhrlosigkeit einem Staate vo» 2 Millionen Einwohnern gegenüber. Auch außerdem war cs eine Frage der nationalen Würde, daß eine Nation wie Deutschland nicht in Zeiten der Krisis einer Flotte zweiter Classe zur See gewachsen sein sollte — wir waren damals doch sehr viel schwächer wie alle Andern — wir waren nicht den europäischen, amerikanischen, orientalischen Flotten gewachsen — mit Ausnahme von England »nd Frankreich, mit denen zu rivalisiren würde ich für eine Ueberlreibung halten — wir müssen zur See so stark sein, daß wir uns die See nicht von Mächten zweiter Classe, namentlich solchen, die wir zu Lande nicht langen könne» (Heiterkeit), verbieten lassen können, und das iuv wir defensiv, wenn wir eine Anzahl von Schlachtschiffen haben, and namentlich müssen wir unsere Kauffahrer in fernen Meeren chüyen können. Dazu gehören Kreuzer, und mehr als wir gegen wärtig besitzen. In »leinen inneren Sympathien habe ich mehr Neigung für Kreuzer als für Parade- und Panzerjchisie, aber ich bin nicht berufen, mitznreden in diesen Dingen, ich warte in Ruhe ab, was befohlen wird. Ich habe mir aber von Haus aus gesagt: ohne die Herzogthümer wird die Reichsregieiung nie eine deutsche Reichsslotte haben können. Wenn die Hcrzog- thümer in einer militairisch unabhängigen Situation bleiben, wie damals von vielen Seiten erstrebt wurde, so in der Zeit namentlich, wo auch in Hannover noch Unabhüngigkeits- bestrebungen in Bezug aus die Flotte herrschte» — Hannover er strebte eine d ittiche Admiralsstellnng — das wäre Theilwerk geworden. Da habe ich mir gejagt: Wenn wir die Herzogthümer nicht besitzen und erwerben, dauernd, so werden wir nie eine Seemacht werden können; die Herzogthümer und die Flotte sind unzertrennbar von einander, sie gehören zusammen, außerdem die Bevölkerung der ympathischen plattdeutschen Sprache niederjächsischen Ursprungs, die gehören zu uns. (Bravo!) Ich habe von der ersten Eröffnung der Frage durch den Tod des Königs vvn Dänemark im November 1863 gleich die Ucber- zeugung gehabt und vertrete», amtlich vertreten: dat möt wi bebben! (Bravo!) Zu Anfang habe ich wenig Liebe gesunden, weder bei meinen heutigen engeren Landsleuten noch bei meinen amtlichen Mitarbeitern, noch auch höheren Orts; aber in mir saß die Ueberzengung jo fest, und meine Liebe zu diesem Lande und mein Glaube au die Kräftigung, die Preußen dadurch erfahren würde, war so groß, daß ich sagte: und wenn wir die drei schlesüchen Kriege mitsammt dem siebenjährige» darum führen sollen, so führen wir sie, aber haben müssen wir sie! (Bravo!) Meine Herren! Ich habe ja damals nicht gcurtheilt wie ein geborener Schleswig Holsteiner, ich habe geurt heilt wie ei» geborener Preuße mit einer stark deutschen Empfin dung und habe mir gesagt: Soll Deutschland überhaupt sich consolidiren und zur See mächtig werden, so ist die Ver mehrung der Mittelstaaten im Bunde nicht der Weg, ans dem wir dazu gelange». Da habe ich schwere Kämpfe damals gehabt, und waS mir zu Hilfe gekommen ist, das ist der deutsche Smn der Bevölkerung dieser Lande a» sich, die sind doch allmählich zur Besinnung ihrer Situation und der Situation des deutschen Volkes gekommen. Und das Bednrfniß, der großen deuijchen Gemeinschaft enger anzugchören, hat sich mehr und mehr befestigt, schon vor dem Kriege von 1870, wo wir sechs Jahre nach der Annexion mit den schleswig-holsleiniichcn Truppen im Kriege schwere Gefahren bestanden haben, von denen kein einziger Soldat weder an seiner deutschen Gesinnung und seiner Fahnenlreue schwach geworden ist, noch auch an seiner Körperkraft, daß sie versagt hat unter sehr schwierigen Verhältnissen. Ihre Regimenter haben ja damals an den schwierigsten Theilen der Winterfeldzügc von 1870—71 mit Theil genommen und haben sich geschlagen wie dir Helden, wie man von dem alten nordalbinischen Blut nicht anders erwarten konnte. (Bravo!) Infolge dieser Rückerinnerung nehme ich a», daß, wenn man über das, was vor dreißig oder vierzig Jahren hätte geschehen sollen, damals zweifelhaft war, doch heute über alle Zweifel der Art Absolution ertheilt worden ist (Zustimmung) bei Ihnen in Ihrer Hcimnth, und daß von Allen, die damals Gegner waren, eine Indemnität in den Herzen bewilligt worden ist (Zustimmung), und wenn unsere jchleswig-holstcinische Bevölkerung einmal ihre Wahl mit Sachkunde getroffen hat, dann hält sie auch fest, und deshalb ist cs inir nicht zweifelhaft, daß das „ewig ungedeelt" sich nicht bloS ans Schleswig-Holstein, sondern auch in Zukunft auf Schleswig- Holstein und das gesammte Deutschland immer mit Erfolg in An wendung bringen läßt (Bravo I), und wer es auseinander bringen will, der muß ganz andere siegreiche Kriege führen, als wir gethan haben, um es zusammenzubringen (Bravo!). Nun, meine Herren, die Versöhnung zwischen den früheren widersprechenden Meinungen hat ja einen äußerlichen Aus druck gesunden in der Thatjache, daß wir eine Landsmännin von Ihnen, eine schleswig - holsteinische Prinzeß, zur Kaiserin haben, und ich glaube Ihnen deshalb einen landsmannschastlichen Gruß zu bringen, wenn ich Sie bitte, mit mir ein Hoch aus die Kaiserin, die Prinzeß von Schleswig-Holstein, auszubringen: sie lebe hoch! hoch! hoch! Den Hurrab- und Hoch-Rufen schloß sich der Gesang des Liedes „Schleswig-Holstein meerumschlimgen" an. Dann kam der Fürst vom Balcon in den Park herab und wandelte in gewohnter Art, mit Diesem und Jenem ein freundliches Gespräch anknüpfeiid. durch die dichtgedrängten Reihen. Nach dem Frühstück kam der Fürst, die lange Pfeife rauchend, auf den Balcon binauS und ließ sich noch mit den in der Nähe stehenden Herren in ein gcmütblichcs Gespräch ein, wobei er scherzend sagte: „Rauchen Sie nur auch. Wer raucht, verbessert die Staatsfinanzen. Mir selbst wird's Rauchen schon manchmal sauer, aber ich tbue eS dennoch Ihnen zuin Borbild im allgemeinen StaatSintercsse." Politische Tagesschau. * Leipzig, 28. Mai. Ueber die gesetzgeberische Ergebnislosigkeit der verflossenen Reichstagssession herrscht überall, wo man eine Bvrwärtsentwickclung des Reichs überhaupt will, bedauernde Uebereinstimmuiig. Es wird auch anerkannt, daß in der Unfruchtbarkeit des Parlaments das Symptom einer poli tischen Krankheit zu erblicken sei. Fragt man aber, ob der parlamentarische Organismus während seines nahezu sechsmonatigen unregelmäßigen Functionirens Anstrengungen gemacht habe, Krankheitöstvffe auszuscheiden, so lautet die Antwort verneinend. Das Berbältniß der Parteien zu einander verheißt beule so wenig eine künftige Besserung, wie am Tage des Zusammentritts des Reichstags, und in den Parteien selbst bat sich kein frischerer Zug Eingang zu ver schaffen vermocht. Es fehlte nicht an Anlässen zu festeren Gruppirungen. Die Klerikalisirung der Umsturzvorlage war der erste. Wir schenken der vom Freiherr» v. Mantcussel feierlich abgegebenen Erklärung, daß in dieser Angelegenheit ein conservativ-klerikales Bünbniß, wie es zum Zweck der Durchführung der Zedlitz'schen Schulgesetzgebung abgeschlossen worden sei, nicht bestanden habe, vollen Glauben. Aber es steht doch auch fest, daß die Eonservativen schwere Bedrohungen des Proteslanlismus — von der Freiheit der Wissenschaft empfiehlt es sich in diesem Zusammenhänge zu schweigen — hingenommen haben, weil sie der klerikalen Action die Kraft zntrautcn, eine enge Verbindung der beiden Parteien und ein Regiment nach ihrem Sinne herbeizuführen. Das war doch auch die conservative Meinung bei dem Zedlitz'schen Schulgesetz gewesen, gegen welches die schwersten, gleichfalls von der evangelischen Ueberzeugung cingcflößten Bedenken innerbalb der Partei obwalteten. Es wurden damals harte Kämpfe in der Fraction auögcfochten, und nicht der Inhalt der Schulvorlage entschied den Sieg der mit seiner Billigung in dcrFraclion zur Führung gelangten Hammcrstein'schcn Richtung, sondern die Hoffnung ans die Herrschaft im Berliner Schloß und in dem Ministerium. Politische Aspirationen waren auch jetzt wieder für die conservative Nachgiebigkeit gegen die klerikalen Ansprüche bestimmend, und wie 1802 sind ministerielle Kreise an den Versuchen, das Centrum und die Conservative,, im Blute des Protestantismus Bruderschaft trinken zu lassen, nicht unbetbeiligt gewesen. Ueber die nächsten Ursachen Des schließlicken Mißerfolgs Be trachtungen anzustellen, ist unnütz. Pläne dieser Art sind an sich aussichtslos. Die Conscrvativen können mit dem Centrum kein dauerndes Bündniß schließen, nicht wegen der auf idealen Gebieten liegenden Treniiungspuncte, sondern weil die konser vative Partei eine territoriale Wirthschaftspartei geworden ist und das Centrum nolhgedrungen gleichfalls regionale Wirthschaslsintcressen, die sich gerade mit den einseitig betonten Feurlletsir. Die Erbin von Abbot-EnjUe. 19j Original-Roman von F. Klinck-Lütetsburg. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Lord Ruthbert hatte die Nacht durchwacht — durchkämpft. Er war von einem heftigen Zorn gegen das Schicksal erfüllt, daS ihn in eine Lage gebracht, auS welcher er niemals sieg reich bervorgehcn konnte. Warum war Mary Connor reich geworden und er zum Hüter ihres Erbes eingesetzt? Wie ganz anders war es damals gewesen, als sie, von aller Welt verlassen, hilfsbedürftig in seinen Schutz sich begehen hatte! Die Ehre seines Namens galt ihm viel, und doch würde er sich keinen Augenblick besonnen haben, Mary Connor als seine Gattin heinzzuführen, selbst wenn es ihm nicht gelungen sein sollte, ihre Ehre wieder herzuffellen. Jetzt war er machtlos. Er durfte niemals daran denken, um Mary'S Liebe zu werben, ohne daS Unheil der Welt geradezu herauSzufordern. Er war arm. Welchen häßlichen Verdacht würde er auf sich laden, wenn er mit seiner Absicht, die Erbin zu heirathen, hervortrat! So mußte er ihr sern bleiben. Aber dann kamen wieder andere Gedanken und Betrach tungen, di« Vorstellung von manchem Worte, manchem Blick, die ihm eine süße Hoffnung ins Ohr geflüstert. Sollte er um das Unheil der Welt willen sein Glück zerstören, viel leicht — vielleicht gar das ihre? Sie war in der letzten Zeit, ihm gegenüber, von einer großen Scheu und Befangen heit gewesen. Es waren Augenblicke gekommen, in welchen er irre an ihr geworden war, aber er war auch geneigt, die Schuld au ihrem veränderten Benehmen sich selbst bei zumessen. Sie zweifelte auch an ihm. Den Grund vermochte er nicht zu erforschen. In Allem, was «r für sie gethan, batte sie nur treue Sorge für ihr Glück erkennen können, wie er auch in Zukunft bemüht sein würde, ihr ein solche« zu ver schaffen, wenn sie eS annehmrn wollte, wenn der schwere Schlag, von welchem sie in ihrer Jugend betroffen worden war, nicht Alles vernichtend gewirkt hatte. Sie durfte nicht allein, nicht ihrem Schicksal überlasten bleiben, nicht weiter tasten auf der betretenen Bahn, die kein Mensch gehen konnte. Mit dieser Ueberzengung batte er sich nach Violet-Valley begeben. Schweigen zu Unrechter Zeit hatte zum Mindesten ebensoviel Unheil gestiftet als ein unbesonnenes, rasch ge sprochenes Wort. Mary Connor empfing Lord Ruthbert in dem Salon. Sein Komme» hatte sie nicht in Aufregung versetzt, sie war auch überzeugt, daß sie heute ruhiger bleiben würde il,m gegenüber. Die tiefe Trauerkleidung war ihrem Aussehen nicht förderlich. Lord Ruthbert fand, daß ihre Wangen sehr schmal geworden waren, daß das feine, blaue Geäder zu beiden Seilen der Stirn besonders deutlich erkennbar war, und auch ihre Gestalt erschien ihm zarter als sonst. „Ihr Befinden ist nicht gut, Miß Connor", sagte er mit dem gütigen Klang in dem Tone seiner Stimme, der immer einen so tiefen Eindruck auf sie gemacht und der ihr auch setzt das heiße Blut in die Wangen trieb. „Ich fürchte, das Leben hier ist Ihrer Gesundheit nicht angemessen, und in diesem Falle dürfen Sie sich nicht für MrS. Gray aufopfern." Sie war ganz verwirrt und fand kein Wort zu einer Entgegnung. Ihre Hand ruhte zitternd und eiskalt in der seinen. „ES ist etwas zwischen uns getreten, Miß Connor", fuhr er fort und seine Worte klangen an ihr Ohr wie aus einer fernen, fernen Zeit. Sie gab sich Mühe, den Bann abzu- schütteln, denn sie war überzeugt, daß nur ein Traum sie affe, aber es tönte immer weiter, so eindringlich, daß alle finsteren Schatten in ihrem Herzen davor zurückweichen mußten: „Darf eS sein? Jst eS mit meinem guten Willen und Ihrem Versprechen vereinbar, wenn zwischen uns eine Kluft sich aufthut, die sich täglich, stündlich erweitert? Wir sind auf wunderbaren Wegen zusammengekommen und treue Freunde geworden, warum wollen wir eS nicht bleiben? Bin ich schuld an der Spannung, Miß Connor?" Sie sagte noch immer nichts, obwohl sie eine Anstrengung machte, zu sprechen. „Ich daaste — ich dachte", stammelte sie endlich verwirrt. „Lord Ruthbert — Sie sind mir nickt mehr böse?" „Döse? Ich — Ihnen? Miß Connor, was gab Ihnen Grund zu einer solchen Annahme? Etwa meine veränderte Stimmung?" Sie nickte stumm mit dem Kopfe, während Thränen ihre Augen füllten. Harry Ruthbert athmete tief und schwer, er fühlte sich schon jetzt wie ein Besiegter, aber er glaubte noch für sich einstehen zu können, er war entschlossen, etwas aus dem Kampf zu retten. „Ich glaubte, Sir Lionel habe Ihnen Mittheilungen ge macht, die Sie batten annehmen lassen, daß ich nicht recht an demselben gehandelt." „Sir Livnet sprach nur gut von Ihnen. Er täuschte sich nicht über die Ursachen, welche Großvater und Enkelin ge trennt." „Aber Sie Ware» nicht mit mir zufrieden, Lord Nuth- bert", fuhr Mary mulhiger fort, indem sie die bange Sorge schwinden fühlte, die sie so schwer bedrückt hatte. Er gab ihre Hand frei, und trat von ihr zurück, wie um einen Raum zwischen sich und ihr zu legen, ihre Berührung wirkte lähmend auf ihn. „Nickt mit Jbnen zufrieden. Miß Connor? Welche selt same AnnahmeI Ich war nur nicht mit mir zufrieden. Mary, werden Sie mir nicht zürnen, wenn ich Ihnen etwas sage, das ich tief in meinem inneren verbergen wollte. Es muß zwischen uns klar werden. Darf ich auch niemals daran denken, Ihre Liebe zu gewinnen, so muß doch treue Freundschaft zwischen unS bestehen bleiben. Ich will sie hoch und heilig halten; Sir Lionel Connor's Vertrauen, das er in mich setzte, wird nicht geläusckt werden, aber ich habe einen schlechten Anfang dazu gemacht und nichts gethan, mir Ihr Vertrauen zu erwerben." Sie sah ihn mit sehr gemischten Empfindungen an. Er sprach mit sichtlicher Anstrengung und wich ihrem forschenden Blick auS. Lord Ruthbert hatte nickt gedacht, daß Das, was zu sagen er gekommen war, ihm so entsetzlich schwer werken würde. „Lord Ruthbert, warum sprechen Sit so?" fragte sie mit sanftem Borwurf in dem Tone ihrer klangreichen, biegsamen Stimme. „Ick will mir nicht eine Schuld aufbürden, die ich nicht trage, Miß Connor. Niemand könnte sagen, daß ich etwas Unterlasten Kälte, Ihre Interessen zu fördern, aber ich bin zur rechten Stunde nicht wahr und ausrichtig gegen Sie gewesen, und da- rächt sich nun bitter. Als Sie »och Miß Lilian Smitb waren, war ich fest entschlossen, den Versuch zu machen, Ihre Liebe zu gewinnen, auch später noch, als Miß Connor. Mancherlei Bedenken hielten mich ab, daS entscheidende Wort zu sprechen, und dann — dann kam der große Neichthum dazwischen. Sie saß, die Hände im Schooß gefaltet und den Blick zu Boden gesenkt. Sie wagte nicht ein Glied zu rühren, noch auch den Sprechenden nur anzusehen. Sie verstand ihn nicht recht. Sie hatte nur gehört, daß er, als sie Miß Lilian Smiths Namen getragen, entschlossen gewesen war, um ihre Liebe zu werben. Später nicht mehr. Das erschien ibr natürlich, aber die Worte ver ursachten ihr dock einen herben Schmerz — es wäre besser gewesen, er hätte ibr dies nicht gesagt, aber er war gekommen, um sich mit ibr zu verständigen und einen Freundschaftsbund mit ibr zu schließen. Ach, ihr war plötzlich so Manches klar geworden! Aber er sagte auch noch etwas von dem Reichthum. Hiun fuhr er fort: „Wenn ich Ihnen verändert erschien, Miß Connor, so war dies keine Täuschung. Ich hatte erkannt, daß wir Beide uns niemals würden angehören können und fürchtete mich Jbnen zu verrathen. So war ich schroff und kalt gegen Sie, und zwang mich zu einer Zurückhaltung, die mir unendlich schwer geworden ist. Ich batte oftmals ein so heißes Ver langen, Sie zu trösten und zu beruhigen und ich fürchtete mich zu vergessen und Ihnen Alles zu sagen, was mich so tief be wegte. Versieben Sie mich, Mary?" „Nein." Sie hob den Blick zu ihm empor. „So muß ich noch deutlicher zu Ihnen sprechen; Sie sollen Alles erfahren, ick bin fest entschlossen, diese Stunde nicht vor- übergehei, zu lassen, ohne das; Klarheit zwischen uns einge- tretcn ist. Es sind heute zwei Jahre her, als ein Jugenoge- nosse, ich kann ihn nicht mehr Freund nennen wie ehemals, wo eine Kindergewohnheit mich ihm noch den Namen geben ließ, mir das Bild seiner Braut zeigte. DaS Bild machte einen unauslöschlichen Eindruck auf mich, der Gedanke an dasselbe ließ mich nicht mehr zur Ruhe kommen, er weckte in mir einen mir bis dahin fremd gebliebenen Charakterzug, den Neid, obwohl meine äußeren Äerbältnisse mir nicht einmal gestattet haben würden, um bas Original deS Bildes mich zu bemühen. Es war Ihr Bild, Miß Connor. Dann kam das furchtbare Ercigniß auf SaunderS-Hall. Ich will Ihnen sagen, waS ich in jenen Tagen gelitten habe, wie ich empört war, ich glaubte, daß ich im Stande sein würde daS unheimliche Gewebe zu zerreißen, ich war in Gedanken bei Ihnen, jede Stunde deS Tages und der Nacht. Aber waS konnte ich thun? Wie Jbnen nützen? WaS ich in Erfahrung brachte, geschah durch die Zeitungen, ich hatte ja kein Recht, mich in die An gelegenheit zu mischen und — o, Gott! — ich glaubte Sie im Schutze eines zärtlich liebenden Bräutigams, er würde Sie zu trösten und zu vertheidigen wissen. Statt dessen — doch
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