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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.06.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-06-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950607029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895060702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895060702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-06
- Tag1895-06-07
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Daß eine Krisis vorhanden war, haben ja die Blätter der Partei offen bekannt; sie haben sich auch sehr offen darüber ausgesprochen. Wir meinen damit nicht etwa die Fährlichkeiten, welche daö Eentrum auf parlamentarischen Wegen zu über- slehen hatte. Weder die Eifersucht der Radikalen zur Zeit der konservativ-klerikalen Arbeitsgemeinschaft in der Umsturz- .ommission, noch die Etiquettenfragen nach dem 23. März tonnten darnach angethan sein, das Eentrum wirklich in Vcr- lezenheit zu bringen. Dazu ist es der Ziffer nach zu ge wichtig» als daß es nicht am letzten Ende die parlamentarischen Verhältnisse doch wieder zu meistern vermöchte. Nein , wenn die Führer des Centrums unruhig und gereizt erscheinen, liegen die Ursachen dafür stets in der Partei selbst. So war es zu Windthorst's Zeiten, so ist es geblieben, nur mit dem Unterschied, daß Windthorst mit ganz anderem Geschick es vermochte, der Außenwelt die währen Ursachen des häus lichen Krieges zu verschleiern, während man heute in dieser Beziehung durchaus nicht mehr auss Vermuthen angewiesen ist. Wir haben vor Kurzem erst darauf hin- gewicsen, daß ein Gegensatz der socialpolitischen Be strebungen innerhalb des Centrums ausgebrochen war, aber m sorgsamer Behandlung schließlich dergestalt ausgeglichen wurde, daß der Kathedersocialist Ilr. Hitze den Ultramontanen, der ultramontane Abgeordnete Hitze den Kathedersocialisten gegenüber die Bürgschaft eines dauernden moclus vivonäi übernahm und in seiner Person seither verkörpert. Damit sind die radikalen Socialreformer so zufrieden, wie die klerikalen Parteipolitiker, — wenigstens so lange, als cs neue Wünsche zu vertreten gilt, deren praktische Verwirk lichung gute Weile haben muß. Anders aber hatten sich doch die Dinge in Bezug auf die agrarPo litische» Fragen entwickelt. Der Gegensatz mußte hier naturgemäß tiefer greifen, weil die parlamentarische Vertretung der Partei täg uch entscheidende Abstimmungen mitzumachen, also überall die Verantwortung für die Gestaltung der realen Verhältnisse zu tragen hatte. Nachdem aber der Urheber und die Ver irrter deS Antrags Huene zur 1893er Militairvorlage aus der Reichstagsfraclion verdrängt waren, fehlten zufällig gerade diejenigen Personen, die als Agrarpolitiker zwischen der Fraction und dem hochschutzzöllnerischen Anhang im Lande hätten vermitteln können. Vielmehr begegnete man einigen der Verdrängten seither an der Spitze einer Agrarbewegung, die schroff gegen die Partei, deren Leitung und ofsicielle Presse gerichtet war. Der Streit zwischen „Germania" und „Rheinischer Volks stimme" hat den Stand der Dinge jeweils getreulich wider» gespiegelt, und alle Welt war Zeuge, wie schließlich, in der zweiten Aprilhälfte, die kritische Wendung eintrat. Es schien sich um nichts Geringeres als um eine Schilderhebung des Rheinischen Bauernvereins gegen das Centrum zu handeln, wobei das Letztere nach allen äußeren Anzeichen ent schieden im Nachtheil sich befand. Der Bauernverein ließ den Ortsverbänden ein Programm „zur Hebung der Getreidepreise" unterbreiten, das nicht nur den Antrag Kanitz für die Hebung der Preise des Einfuhrgetreides vorschlug, sondern auch den gesammten Handel mit innerem Getreide durch gesetzlich zu bildende Berufsgenossenschaften aufsaugen wollte. Die „Ger mania" mußte gegen Beides Verwahrung einlegen, und es kam dabei so weit, daß der Bauernverein den Cardinal Rampolla als Zeugen für sich ins Feld führte und dem Berliner Organ vorwarf, im praktischen Falle das eigene Programm der berufssländischen Gesellschaftsgliederung zu verleugne», — im Grunde lediglich aus dem Bedürfniß, regierungsfreundlich zu bleiben. Das waren scharfe Pfeile, die vom Rhein her geflogen kamen, und die kritische Aus einandersetzungschien um so weniger umgangen werden zu können, als man in Berlin nichts schuldig blieb, sondern mit dem Vor wurfe „bewußter Irreführung" und dergleichen aufwartete. Das war am l4. Mai. Zwei Wochen später erklärte die „Rheinische Volksftimme", der Friede sei im Stillen geschlossen und beschworen, der Streit werde nicht weiter geführt, wenn auch die sachlichen Differenzen fortbestehen müßten. Was in diesen vierzehn Tagen hinter den Coulisseu geschehen war, ist natürlich das Geheimniß der Betheiligten. Wer die Personen und Sachen, insbesondere auch den starken Druck der mit berührten materiellen Interessen, richtig einzuschätzen weiß, kann nicht im Zweifel darüber sein, daß nur eine ungewöhn liche Machtprobe diesen Wandel bewirken konnte. Aus welche Weise sich dieser auch vollzogen haben mag, der Effect ist jedenfalls der, daß die fraktionelle Leitung einen vollen Erfolg erstritten hat und vorläufig wieder das Ge wicht einer in sich einigen Partei in die Waagschale Wersen kann, wo — politische Entscheidungen anstehen. Die Ge fahr, durch wirthschaftspolitische Gegensätze zerstückelt und demgemäß des ausschlaggebenden Einflusses beraubt zu werden, ist abermals beschworen, und es entsprach durchaus dem Hochgefühl dieses ungeschmälerten Besitzes von Macht und Einfluß, als vor einigen Tagen ein leitendes klerikales Blatt ungenirt damit hcrausrückle, was man Alles noch fordern würde, wenn erst einmal das palamentarische Regieruiigssystem gelten sollte und einem Centrumsmann die Bildung des Cabinets übertragen würde. — Inzwischen setzt ^Liberalismus das Geschäft der Selbstzersplitterung mit unvermindertem Eifer fort!! In gewissen französischen Kreisen ist anläßlich der Kieler Einladung die Hetze gegen Deutschland noch immer im besten Zuge. So ist die Paste ur'sche Ordens- angelegenheit in der Form wie sie in der Pariser Presse colportirt wird — wenn an derselben überhaupt etwas wahr ist, so ist es höchstens dies, daß Pasteur im Privatgespräch zu irgend Jemand geäußert bat, er möchte einen preußischen Orden nicht gern haben — einfach deshalb erfunden, um den „Patriotismus" Pasteur'S dem „Mangel an Würde" ent gegenzuhalten, mit der die Regierung die Einladung nach Kiel angenommen und zugleich um den Malern und Bild hauern „in die Suppe zu spucken", die in Deutschland aus stellen und deutsche Auszeichnungen angenommen haben oder eventuell annehmen werden. — Ein anderer Fall: Am Pfingst sonntag fand zn Nancy ein Festmahl von Angehörigen der ehemaligen französischen medicinischen Facultät von Straßburg statt, bei welchem Professor Picot eine Rede hielt, in welcher er an den Glanz der Straßburger Facultät erinnerte, um dann fortzufahren: „Ach! Die düsteren Tage sind gekommen. Straßburg, die theure Stadt, ist uns entrissen worden. Die alte französische Facultät besteht nicht mehr.. Nancy hat die Ueberlieferung fortgesetzt. Die lothringische Stadt hat der alten Straßburger Facultät Zuflucht gewährt. Straßburg ist die Vergangenheit, meine lieben Genossen, Nancy ist die Gegenwart. Was wird die Zukunft sein? Unsere Herzen geben Allen Antwort. Die Zukunft wird die Vereinigung der Vergangenheit und der Gegenwart sein. Das betrauerte Land ist heute das gelobte Land, ein Land, gelobt unserer Verehrung für das Vaterland, gelobt unseren Tugenden, unserer Liebe. Die Zukunft — mein lothringisch straßburgisches Straßburg" Herz sagt des unberufenen Propheten, das ist mne eine andere Frage. nun leer werden derselben läßt sich der unter Anderem wie folgt in Di. -in.«- P--U- dem NorS-cstfcc-tianal. So räumt das hol, me ein, daß Dänemark nicht langer der Schlu ,^ zur st.'k-e sei Schiffe mit einem Tiefgang bis zu -c» riu» werden nunmehr durch den Norw-Ostsee-Canal die Pro »c e des Westens direct nach der Ostsee bringen, sagt..Politiken und wirft dann die Frage aus: „Wird es im Sund?" Zur Beantwortung „Kr.-Ztg." zufolge das Blatt ^Sm'icht'man mit Männern, die in dieser Frage am meiste» intereflitt sind. es sind dies unsere größeren ^ und rheder und Freihafenleute, so schutte n ,ie untdemKop un° meinen, daß man augenblicklich nicht -n d e Zukunft lchaue'. könne. Sie meinen, es sei lehr .viel von der Energie oe Äopenhagener Handelsstandes abhängig, Ger ste !»g biiiru die Zeit sei vorbei, wo wir mit Achselzucken aus oen Canal Le? Jetzt s°i er da Ter S»»d w°- ft» er ^ goldene Pforte der Ostsee. Jetzt nennt der Deutsche de«, bui nur eine Hinterthür. Wochenlang vor den Eröffnungsfeier lichkeiten, welche die Aufmerksamkeit der Welt ausKiel lenken werden, befindet Deutschland sich gleichsam ,n einem Rausch. Und diese wachsende Gefahr von äugen ist bisher lnnerhaib der da lscken Grenzen nicht genügend gewürdigt worden. Noch suhl. man h ec einen zerstörenden Widerstand gegen Len Freihafen, welcher die Hop- „ung aller Dänen sein müßte. Und dieser Widerstand rührt heimlich und offenbar von den Leitern der Börse her, welche so, selbstversla d- lich ohne es zu wollen, Hand in Hand mit den Deutschen gehen, um uns ein neues Düppel zuzusügen. Das ist es, sagt „Politiken , was in den Interessentenkreisen gesagt wird. . „ . - Das Blatt sucht sich dann damit zu trösten, daß die Macht der Gewohnheit doch viele Schiffe auch in Zukunft nach Norden ziehen, daß die Skagens-Route für diejenigen Schiffe, welche auf der Fahrt von Amerika nordwärts von Schottland steuern, doch die bequemere sein werde und daß die großen transatlantischen Dampfer den Canal schon aus dem Grunde nicht benutz*» könnten, weil sie wegen ibreS großen Tiefganges die meisten Ostseehäfen nicht anzulaufen vermöchten, eine besondere Zuversicht in die Stichhaltigkeit dieser Trostgründe zeigt das Kopenhagener Blatt aber nicht. Von dänischer Seite hatte man auch gehofft, daß die Durch fahrt durch den Canal so vertheuert werden würde, daß selbst Schiffe auS den Häsen in der Nähe der Elbmündung die Route um Skagen vorziehen würden. „Diese Hoffnung", schreibt „Politiken", „ist leider nicht in Er süllung gegangen." Das Blatt druckt hierauf den Abgabentarif ab und erläutert denselben ausführlich. Zum Schluß wird endlich die größere oder geringere Gefahr erörtert, welche mit den beiden Routen verbunden ist. Der Capitain in der dänischen Marine. I. S. Hohlenberg, habe zwar nachgewieseu, daß in der Zeit von 1858 bis 1885 an den dänischen Küsten 6316 Schiffe gestrandet seien, von denen 2823 total untergingen, aber seit 1885 hätten sich die Verluste in Folge der Verbesserung des Leuchtfeuerwesens an der jütischen Küste um 30 Proc. vermindert. Daß der Weg um Skagen bedeutend gefährlicher ist, als derjenige in den Gewässern an der Elbmündung, räumt „Politiken" indes) ein Deutsches Reich. * Berlin, 6. Juni. Frühere Mittbeilungen ergänzend, schreibt heute die halbamtliche „Berl. Corr.": „Zufolge eines von Allerhöchster Stelle kundgegebenen Wunsches hat das Cultusministerium die Herstellung eines Jubiläums- pr achtwerk es aus Anlaß des bevorstehenden Ablaufes eines sünfuudzwanzigjährigen Zeitraumes seit dem deutsch- sranzö fischen Kriege in Angriff genommen. Mit dcr Herausgabe ist der ordentliche Professor der Geschichte au der Universität Halle vr. Theodor Lindner betraut. Den Verlag des Werkes hat die Buchhandlung von A. Asher L Co^ Hierselbst, Unter den Linden 13, übernommen. Die bildliche Ausschmückung des Werkes liegt in den Händen des Malers C-Röchling und anderer tüchtiger Schlachtenzrichner. Der Druck, sowie die Vervielfältigung der Bilder und Pläne erfolgt durch die besten deutschen Firmen. Es steht daher zu soffen, daß das Werk auch der Ausstattung nach seinem Ziele entsprechen wird. Der Preis des etwa 20 Bogen in Ouart- vrmat umfassenden Werkes für das in Prachtband gebundene Exemplar ist für den Buchhandel auf 4 -L festgesetzt. Au Behörden, Vereine und sonstige Körperschaften wird das Werk von der Verlagshandlung in gleicher Ausstattung bei direkter Bestellung von mindestens 20 Exemplaren zum Preise von 2,50 -F, bei geringeren Bestellungen zum Preise von 3 -L abgegeben werden, wobei die Verpackungs- und Transport kosten den Empfängern zur Last fallen. Ein etwaiger Rein ertrag ist für patriotische oder sonstige gemeinnützige Zwecke bestimmt. Das Werk soll rechtzeitig vor dem Sedantage ausgegeben werden. Die bis zum l. Juli d. I. einlaufenden Bestellungen werden bis zum 20. August erledigt werden. Später eingehende Bestellungen größerer Mengen von Exem plaren werden, soweit sie über den zunächst gedruckten Vor rath von 60 000 Exemplaren hinauögchen, wenigstens inner halb eines Zeitraumes von 9 Wochen vom Tage der Bestellung erledigt werden." — Der Kaiser bat laut der „Nat.-Ztg." auf die Meldung von dem Tode des Ltaatsministers a. D. von Friedberg folgendes Beileidstelegramm an die Wittwe gerichtet: „Neues Palais, 3. Juni. Mit aufrichtiger Betrübniß vernahm Ich die Kunde von dem Tode Ihres Gemahls. Mit ihm ist einer der treuesten Freunde und Berather Meines Herrn Vaters aus dem Leben geschieden, dem Ich ein dankbares Andenken für seine Treue und seine hervorragenden Verdienste bewahren werde. , Wilhelm R." Im Anschlüsse hieran sei bemerkt, daß der „Reichs anzeiger" vom Tode Friedberg'S nur insoweit Notiz ge nommen hat, als er in zwei Zeilen die Todesnachricht unter Angabe eines falschen Datums brachte. Dagegen widmet das amtliche Blatt dem heute verstorbenen Polizeipräsidenten Freiherrn von Nichthofen schon in seiner heutigen Ausgabe einen längeren Nachruf. — Es bestätigt sich, daß Herbert Spencer den Orden I'onr io morito abgelehnt hat. Nach dem Streitfall mit Herrn Pasteur muß dieses Verhalten Spencer's um so pein licher berühren, als man nicht versteht, wie die Verleihung des Ordens an den englischen Gelehrten erfolgen und amt lich veröffentlicht werden konnte, ohne daß die zuständige Berliner Behörde seiner Bereitwilligkeit zur Annahme der Auszeichnung sich vergewissert hatte. — In der bayerischen Armee sind zum ersten Male Hauptleute der Reserve zu Majors befördert worden. In der preußischen und sächsischen Armee giebt es Stabsofsiciere der Reserve nicht. — Major v. Wissmann wird nach der „Kreuz-Zeitung" erst in der zweiten Hälfte des Juni sich auf seinen Posten nach Ostafrika begeben. — Die Agitation der Impfgegner gegen die Schutz pockenimpfung wird seit einiger Zeit wieder mit besonderer Lebhaftigkeit betrieben und scheint insbesondere auch in ärzt lichen Kreisen neuerdings mehr Unterstützung als früher zu finden, wofür unter anderen Anzeichen auch die in einzelnen Fruitlet-ir. Haus Hardenberg. If Roman von Ernst von Waldow. Nachdruck «erboten. Erstes Buch. I. „Noch eins, Rosa —" „Zu Befehl, Frau Commerzienrath." „Sehen Sie im Schulzimmer nach, ob Fräulein Erbach noch dort ist, und sagen Sie ihr, daß sie Leopoldine heute früher zu Bett bringen möge. Ich wünsche nämlich Fräulein ValeSka's Gesellschaft für den Abend, denn wir erwarten einen Gast." „Ich werde dem Fräulein die Botschaft Wohl ausrichten, aber —" „Nun, was bedeutet Ihr „aber" — ich liebe derlei dunkle Anspielungen und halbe Worte nicht." „Wenn ich mir erlauben dürfte, offen meine Meinung zu äußern, gnädige Frau?" „Nur heraus damit, sind Sie doch lange genug im Hause, um sich ein freies Wort, ein Urtheil zu gestatten." „So möchte ich mir die Bemerkung erlauben, daß, wenn es sich auch heute darum handelt, im Salon den Thee zu bereiten, die Gouvernante sich weigern wird, dies zu thun." Die Wangen der corpulenten alten Dame, welche in einem mit violettem Sammet bezogenen Lehnstuhl bequem zurückgelehnt dasaß, färbten sich höher und ihr sonst gut- müthiges Antlitz erhielt einen anderen Ausdruck, gemischt aus Aerger und Erstaunen. Doch als sie den Blick der Kammerfrau auf sich gerichtet sah, beherrschte sie sich sogleich, und mit scheinbarer Gleichgiltigkeit fragte sie, zu der Dienerin gewendet: „Wie kommen Sie zu dieser seltsamen Voraussetzung — haben Sie vielleicht gehört, daß sich Fräulein Erbach über die Behandlung beklagt hat, die »ihr in meinem Hause zu Theil geworden?" „Das gerade nicht", meinte gesenkten Blickes die alternde Kammerzofe, „aber als ich ihr letzten Sonntag — die Frau Baronin Wellenbach war zum Besuch gekommen — eine gleiche Bestellung ausrichtete, sah Fräulein Valeska mich mit großen erstaunten Blicken an, so von oben herab, wie nur sie blicken kann — und dann fragte sie kurz und stolz: ob Frau Martin krank sei, daß man die Hilfe der Gouvernante beanspruche, um die Pflichten der Wirthschafterin zu erfüllen." „So — so — es ist gut. Bitten Sie das Fräulein, sich auf einen Augenblick zu mir bemühen zu wollen." Rosa verschwand aus dem Salon, indem sie schleichenden Trittes, fast geräuschlos zur Thür hinausglitt. Die Dame des Hauses, Frau Ferdinande Goldstücker, blickte ihr einen Moment gedankenvoll nach, dann entriß sie sich ihrem Nachsinnen, und den Kopf zur Seite wendend, fragte sie: „Hast Du gehört, Samuel?" Die schweren Vorhänge, welche einen Erkerausbau von dem Zimmer schieden und so ein abgesondertes, kleines Cabinet bildeten, wurden zurückgeschlagen und hinter einem Zeitungsblatte größten Formats kam das kable Köpfchen eines schmächtigen Mannes zum Vorschein, dessen unschöne Züge durch einen sanften Ausdruck von Güte und Wohl wollen veredelt wurden. „Was soll ich gehört haben?" gegenfragte er achselzuckend, „das Geplauder einer neidischen alten Person, die stets be müht gewesen, Unfrieden zu stiften." „Du weißt, daß ich gerecht bin, Samuel, ich verdamme Niemand ungehört, und deshalb habe ich Fräulein Erbach herbestellt, um aus ihrem eigenen Munde zu hören —" Das Gesicht des kleinen Mannes hatte einen ängstlich zu nennenden Ausdruck angenommen; er unterbrach der Gattin Redefluß durch eine hastige Handbewegung und den Ausruf: „Also Du willst der armen Valeska eine Scene machen? DaS lohnte der Mühe wegen einer solchen Lappalie!" „Es bandelt sich um meine Autorität als Frau vom Hause, und das ist keine Lappalie. Ich fordere Gehorsam von den Personen, welche in meinem Dienste stehen." „Die Lehrerin unserer Tochter ist keine Dienerin." „Hm — wie man es nehmen will. Jedenfalls steht sie in einem abhängigen Verhältniß zu mir." „DaS lasse ich nicht so ganz gelten, Ferdinande, denn es besteht einfach das Verhältnis von Leistung und Gegen leistung." „Neumodischer Schnickschnack", meinte achselzuckend die Frau Rath, dann fügte sie begütigend hinzu: „Sei ganz ruhig, Samuel, es wird Deinem Schützlinge kein Haar ge krümmt werden, und wenn ich Valeska den Standpunkt ein wenig klar mache und den Kopf zurecht setze, so wird sti mir das einst danken, denn mit ihren verschrobenen Ansichten würde sie schwer durch die Welt kommen. Wir leben nicht mehr in den Zeiten der Romantik und auch ein ritterliches Wappenschild muß heutzutage vergoldet sein, wenn es etwas gelten soll." Der Commerzienrath lächelte. Jedenfalls stimmte er seiner Gattin bei, was deren letzte Aeußerung betraf, dann aber bemerkte er, beharrlich auf den Ausgang des Gespräches zurückkommend: „Diesmal ist Fräulein Erbach im Recht und Du stellst eine ungerechtfertigte Anforderung an sie, indem Du verlangst, daß die Gouvernante die Pflichten Deiner Haus hälterin übernimmt. Warum wünschest Du denn überhaupt, daß dies geschieht?" „Weil es sich viel besser ausuehmen wird, wenn ich Herrn Wolfgang Hardenberg, der zum ersten Male unser Haus be sucht, den Thee durch ein Fräulein v. Erbach bereiten lasse, als durch die Hände der alte» Martin." „Ach, darum handelt es sich — nun, das hätte ich freilich errathen können; Ihr Frauen seid ja Ehestifterinnen von Profession." „Jetzt verstehe ich Dich nicht, Samuel!" „Das sagst Du nur so, um mich von der Spur abzu bringen. Mein Geschäftsfreund ist seit Jahren Wittwer, auch sagte ich Dir erst neulich, daß Hardenberg wünsche, sich wieder zu verehelichen, schon seiner Töchter wegen, welche einer mütterlichen Leitung dringend bedürfen. Die verständige Valeska wäre eine geeignete Gattin für ihn." Frau Ferdinande starrte ihren Eh^herrn an, als zweifle sie, daß er sich im Vollbesitze seiner geistigen Fähigkeiten befände, dann schlug sie die Hände zusammen und rief überlaut: es nur möglich, schäftsmann so Der Engroshändler Söhne —, der Spro schlechtes, sollte zur daß in unserer Zeit romantische Faseleien ein praktischer 6 Vorbringen Hardenberg — Firma Hardenberg l eines angesehenen, aeldstolzen > °°r. »ich, -d-r in sogar--I,b-rühm-n^!stkch°i aa"°^ """" " Ed-ssränl-« - da. ,iU H „Streiten wir nicht darüber, gute Ferdinande", me einlenkend der friedfertige kleine Commerzienrath. „Ehen werden bekanntlich im Himmel geschloffen, deshalb wollen wir die Wiedervermählung unseres Freundes Hardenberg getrost jenen höheren Mächten überlassen. Davon abgesehen, möchte ich Dich aber bitten, daß Du Leopoldine gestattest, heute ein Stündchen im Salon zu weilen. Wenn Fräulein Erbach dabei ist, wird uns die Kleine nicht lästig werden und ich wünsche, unser Töchterchen dem werthen Geschäfts freunde vorzustellen." Die Frau Rath nickte freundlich Gewährung, denn sie errieth nicht, daß der Wunsch des Gatten zu Gunsten der Gouvernante geäußert und von seinem guten Herzen dictirt worden war. Denn wenn Fräulein v. Erbach mit ihrer Schülerin im Salon weilte, dann gewann die Sache ein anderes Ansehen und die Bereitung des TheeS war keine Demüthigung mehr für die junge Lehrerin. Im Gegentheil, cs war ganz selbstverständlich, daß sie in liebenswürdiger Bereitwilligkeit der Hausfrau zur Hand ging. Während der alte Herr sich über den Erfolg seiner kleinen Kriegslist freute, ahnte er freilich nicht, daß die Person, zu deren Gunsten er eben eine Lanze gebrochen, sich in so unmittelbarer Nähe befand, daß sie den Inhalt deS hier geführten Gespräches unwillkürlich batte vernehmen müssen. An den Pfosten der Thür des SalonS gelehnt, die nur durch eine Sammetportiöre von dem Nebengemache getrennt war, verharrte Valeska von Erbach unbeweglich in ihrer Haltung. Das edel geschnittene Antlitz des schönen Mädchens, um wallt von goldblondem, lockigem Haar, hatte etwas Statuen haftes, und das schlichte, weiße Kleid, welches sich dicht an die Formen der schlanken Gestalt schmiegte, erhöhte noch diesen Eindruck. Doch jetzt preßten sich die vollen Lippen des kleinen rothen Mundes schmerzlich zusammen und Valeska murmelte düster vor sich hin: „Also eine bezahlte Dienerin, die sich dem Willen der Gebieterin zu fügen hat, soll sie nicht gescholten oder gar ans dem Hause geschickt werden — das ist aus Valeska Erbach geworden, deren Stolz die Mitschülerinnen einst unbeugsam nannten! Wahrlich, das Fach der Dienstbarkeit drückt schwer, und oft ist es mir, als müsse ich unter der Last des Kreuzes zusammenbrechen, daS ich so muthig auf mich genommen." Ein Geräusch im Nebenzimmer erschreckte sie, um keinen Preis wollte sie hier überrascht werden; der Aufforderung
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