Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.06.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-06-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950608021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895060802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895060802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-06
- Tag1895-06-08
- Monat1895-06
- Jahr1895
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
BezugS-PreiS k der Hauptexpeditlon oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten Aus- oaoeslellc» ab geholt: vierteljährlich ^14.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Laue ^ 5.50. Durch die Post bezogen siir Deutschland und Oesterreich: vierteliäbrlich ^l 6.—. Directe tägliche llreuzbandsendung inS Ausland: monatlich ^ 7.50. DirMorgen-AuSgabe erscheint täglich init AuS- nähme „ach Soun» und Festtagen '/,? Uhr. die Abend-Ausgabe Wochentags ü Uhr. Nedaclion und Erpedition: JatzanneSgafic 8. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abend» 7 Uhr. Filialen: Vit» Ale«« » Gortim. <Alfre» H»tn), Universitätsstraße I, Louis Lösche, Aatharinenstr. 14, Part, und König-Platz 7. Abend-Ansgave. und Anzeiger. Drgan für Politik, Localgeschichte, Handels- und GeschLftsverkehr. U«zeige«.Prei- die 6gespaltene Petitzeilr 20 Pfg. Reclamen unter dem Redactionsstrich ^ge spalten, tMiz, vor den Famtliennachrichtrn (6gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- Verzeichnis. Tabellarischer und Ziffernjatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen - Ausgabe, ohne Postbefördermig 60.—, mit Postbesürderung >6 70.--. Annatimeschluß für Anzeigen: (nur Wochentags) Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 277. Zonnabend den 8. Juni 1895. Politische Tagesschau. * Leipzig, 8. Juni. Die „Nationalliberale Correspondenz" bringt heute die folgende Mittheilung: Zeitungsberichte über den zur Zeit in Aachen sich abspirlenden Procev Mellage lasse» bereits mit hinreichender Deutlichkeit er- kennen, daß für dt» bischöfliche wie für die Mrdictnal« aufsichtsbehörde im Alexianerkloster Mariaberg außerordentlich viel zu thun gewesen wäre, was leider nicht grthan worden ist. Es darf als selbstverständlich angenommen werden, daß der am 11. Juni seine Arbeit wieder ausnehmende Landtag sich von der Regierung eine Aufklärung über die Gründe erbitten wird, welche es ver hindert haben, daß eine wirksame Aufsicht seitens der beiden Be hörden geübt wurde. Die Regierung ist hoffentlich bis dahin auch in der Lage, dem Lande beruhigende Auskunft darüber zu geben, daß eine Wiederkehr der hier aufgedeckten Uebelstände nicht besorgt zu werden braucht." Man darf aus dieser Mittheilung schließen, daß die national liberale Fraktion deS preußischen Abgeordneten hauses zu einer Interpellation entschlossen ist. Nun scheint es freilich, als wolle die Negierung einer solchen Interpel lation durch die Mitteilung der „Berliner Corr.", es solle in eine eingehende Untersuchung der Verhältnisse der genannten Anstalt, besonders hinsichtlich der Pflege von Nerven- und Geisteskranken, cingctreten werden, zuvorkvininen; aber eine solche Erklärung macht die Frage nicht überflüssig, aus welchen Gründen eine wirksame Aufsicht über die Anstalt bisher unterblieben ist. Man kann also nur wünschen und hoffen, daß die Interpellation wirklich erfolgt und die Interpellanten sich mit Zusicherungen für die Zukunft nicht abspeisen lassen. Der Pastcur'scheu Angelegenheit, deren Eindruck durch die Ablehnung des Ordens pour l« mörito von Seiten des englischen Philosophen Herbert Spencer noch verstärkt wird, widmet die „Weser-Ztg." einen längeren Artikel, in dem u. A. gesagt wird: „Die Pasteur'sche Angelegenheit ist nicht angenehm für Deutsch, land verlausen. Eine der angesehensten wissenschaftlichen Gesell schaften hat sich einen Korb zugezogen, nicht gerade formell, aber es sind doch Vorbesprechungen gepflogen, die dem Professor Pasteur genügenden Grund zu der Ablehnung der ihm vielleicht zu- gedachten Ehre und zu der marktschreierischen Ausbeutung dieser Thatsache gegeben haben. Es ist dann in Deutsch land der Versuch gemacht worden, dein französischen Ge lehrten das Recht zu der Rolle des Ablehnenden zu bestreiten, Allein da er recht mißlich ausgefallen ist, so ist die Sache dadurch eher noch verschlimmert worden. Die Angelegenheit selbst ist eine Nichtigkeit, denn die Berliner Akademie der Wissenschaften steht so hoch, die auf ihre Anregungen vertheilte Friedensclasse des Ordens pour le mvrito hat ein so großes und berechtigtes Ansehen, daß die Antwort des französischen Bacillologen in Wahrheit gleichgiltig ist, möge er nun die Auszeichnung annehmen oder zurückweisen. Wenn Pasteur die Ehre, zu dem kleinen Kreise auserlesener aus wärtiger Mitglieder zu gehören, nicht zu würdigen weiß, weil er Alles durch die Brille einer politisch und philosophisch gleich unberechtigten Revanchepolitik ansieht, wenn er den großen, für die Cultur des Menschengeschlechts so wichtigen und förderlichen Grundsatz, daß Wissenschaft und Kunst international sind, nicht zu würdigen weiß, so jetzt er nur sich herab. Die Berliner Akademie der Wissenschaften könnte auch nach dem formellsten Anerbieten und der formellsten Ab lehnung der Auszeichnung lächelnd zur Tagesordnung übergehen und Herrn Pasteur auf seinem kleinlichen Standpunkt lassen. Aber wenn deutscherseits erst ärgerlich bestritten wird, daß ihm ein der- artiges Anerbieten gemacht sei, und dies hernach, wenn auch mit Einschränkungen, ärgerlich zugegeben werden muß, so wird die Sache verdrießlich." Die „Hamb. Nachr." stimmen diesen Ausführungen zu und knüpfen an sie die folgende Betrachtung: „Das Bedürfniß, welches zu Len Vorschlägen der Berliner Akademie der Wissenschaften geführt hat, lassen wir auf sich beruhen, aber wir geben unserer Verwunderung darüber Ausdruck, daß die Sondirungen bei den ins Auge gefaßten fremdländischen Berühmtheiten so wenig geschickt und nicht in einer Weise erfolgt sind, die jede Möglichkeit einer öffentlichen Ablehnung ausschloß. Bei Pasteur zumal mußte man doch darauf gefaßt sein, daß er, der in erster Linie Franzose ist, dir Gelegenheit ergreifen würde, durch öffentliche Ablehnung des preußischen Ordens sich als großen Patrioten aufzuspielen und da mit eine größere Rrclame für sich zu machen, als ihm die Annahme des Ordens bereitet hätte. Diese wäre mit einer kurzen Zeitungs notiz abgethan gewesen, während jetzt der Name Pasteur wochenlang durch die Spalten aller Blätter der Welt geht, was dem chauvi- nistischen Gelehrten natürlich nur willkommen sein kann. Was die Ablehnung des Ordens pour Io wsrits durch den Engländer Herbert Spencer betrifft, so ist dieselbe, wie tele- graphisch gemeldet wurde, erfolgt, weil Herrn Spencer seine in zahlreichen Schriften wiederholt zum Ausdruck gebrachten An sichten und Grundsätze die Annahme von Orden unmöglich machten. Das mag sein; aber nach dem Falle Pasteur muß der Vorgang um so peinlicher berühren und das Erstaunen über die Art und Weise erhöhen, in der die Orden den Ausländern angeboten, resp. ver liehen worden sind, ohne daß man sich zuvor darüber in geeigneter Weise versichert hatte, daß sie dieselben auch aunehmcn und de» deutschen Geber nicht durch öffentliche Ablehnung bloßzustellen suchen würden. Man fragt sich auch im Spencer'schen Falle vergeblich, wie die Verleihung des Ordens an Len englischen Gelehrten ersolgen und amtlich veröffentlicht werde» konnte, ohne daß sich die zuständige Berliner Behörde seiner Bereit willigkeit zur Annahme der Auszeichnung vergewissert hatte; denn das kann nicht geschehen sein, sonst wäre die Ver leihung doch unterblieben. Weshalb jetzt man sich ohne Noth solchen Refüsirungen aus, die mit Leichtigkeit zu vermeiden sind? Es ist iin deutschen Interesse sehr wenig wünjchcnswerlh, daß preußische Orden im Auslande angeboten, aber öffentlich abgelehnt werden. Wir halten eine amtliche Auskunft hierüber zur Verhütung des Platzgreifens von unliebsamen Auffassungen in weiteren Kreisen für nothwendig." Wenn eine amtliche Auskunft geeignet wäre, unliebsamen Auffassungen vorzubeugen, so würbe sie wohl bereits erfolgt sein. Wir können unS auch in keinem Falle von einer solchen Auskunft viel Bortheil versprechen; läßt man die beiden Vor fälle sich zur Lehre dienen, so ist das jedenfalls besser, als wenn man einen „Sündenbock" vorschiebt und damit genug gethan zu haben glaubt. Was diesmal den österreichisch-ungarischen Delega tionen, welche gestern ihre Sefsion begonnen haben, ihr besonderes Interesse verleiht, ist der Umstand, daß ihnen ein neuer Minister des Aeußeren, Graf Golucbowski, gcgen- übertritt. In den Ansprachen der beiden Präsidenten ist der Minister vertrauensvoll begrüßt, es ist ihm ein Weißes Blatt hingereichl worden, dem er selbst einen Inhalt zu geben hat, und keine Voreingenommenheit wird ihn bindern, seine Kraft zum Wohle der Monarchie und ihrer auswärtigen Interessen zu verwenden. Auch kann Graf GoluchowSki, wenn er die Umstände beherzigt, die den Sturz seines Vorgängers herbeiführten, leicht Alles vermeiden, um sich selbst Schwierig keiten zu schaffen. In der Leitung der Auswärtigen Polin gilt nach wie vor als richtung- und ausschlaggebend der Wille des Kaisers. Sache des gemeinsamen Augenministers wird es sein, den mit dem Verhältnis der Monarchie zur römischen Curie zusammenhängenden ungarischen Forderungen diejenige Gerechtigkeit widerfahren zn lassen, die Graf Kaluoky ihnen nicht zu Tbeil werden lassen wollte. Graf Kalnoky vergaß, daß die ungarische Hälfte der Monarchie die treueste Stütze der Dreibundpolitik ist, er beachtete nicht genug den tiefen Gegen satz zwischen dem Verhalten des VaticanS und dieser Dreibund politik und wurde von dem Gegensätze zermalmt, wie über haupt kein österreichischer Staatsmann, der gleichzeitig die Treibundpolitik pflegen und der römischen Eurie zu Gefallen leben will, über dieses Pentagramm hinwegkommt. Das muß Graf GoluchowSki beachten und die Gelegenheit, sich in der Delegation auch Uber diese Seite seines Programms auS- zusprechen, wird ihm nicht vorenthalten sein. Bei der gegenwärtigen Lage im Orient ist auf eine rasche Abwickelung der zwischen den Mächten und der Pforte chwcbendeu Differenzen wenig Aussicht vorhanden. Die energische Sprache, welche bezüglich des armenischen Reforn- rrojects vorzugsweise von englischer Seite geführt wird, erreicht ihren Zweck nur in sehr beschränktem Maße, weil man in den politischen Kreisen Konstantinopels dem Ministerium Rosebery, so lange es sich keine Gewißheit über die Chancen der liberalen Sache bei den für unausweichlich ge haltenen parlamentarischen Neuwahlen verschafft hat, nicht zu traut, daß es sich auf eine weiter aussehende Action nach Außen einlassen werde. Es müßten schon sehr energisch wirkende PressionSmittel zur Anwendung gelangen, ehe man ich in Konstantinopel dazu entschließt, mit den von den coopcrirenden Mächten gewünschten armenischen Reformen Ernst zu machen. Diese Reformen betreffen im Wesentlichen: 1) Verminderung, wenn nöthig, der Zahl der Vilajets; 2) Bürgschaften für die Wahl der Malis; 3) Amnestie für die infolge politischer Anschuldigungen zu Gefängniß ver- urtbeilten Armenier; 4) Rückkehr der armenischen Auswanderer oder Verbannten; 5) endliche Erledigung schwebender Proceffe über Verbrechen und Vergehen, welche unter das gemeine Gesetz fallen ; 8) Besichtigung der Gefängnisse und Unter suchung der Lage der Gefangenen; 7) Einsetzung eines Obercommissars zur Ueberwachung der Aus führung der Reformen in den Provinzen; 8) Schaffung einer permanenten Control-Com mission in Konstantinopel; 9) Entschädigung für die Opfer der Vorgänge in Sasun, Talon rc.; 10) Regelung der Frage deS Religionswechsels, soweit derselbe bürgerliche Folgen hatj 11) Aufrechthaltung und strenge Anwendung der den Armeniern zugestandenen Rechte und Privilegien; 12) Stel- ung der Armenier in den anderen VilajetS der asiatischen Türkei. Bekanntlich hat der Sultan die Vorschläge rundweg abgelehnt, ja sich jede Einmischung der Mächte in die inneren Angelegenheiten der Pforte verbeten. Wer den Politikern am Goldenen Horn den Nacken so unerwartet gesteift, läßt sich nicht mit Sicherheit sagen, nur so viel weiß man, daß Ruß land sich an der gemeinsamen Action nur darum betheiligt bat, um England in Armenien nicht allein „reformiren" zu lassen, um jeden seiner Schritte in unmittelbarer Nähe con- troliren zu können. Vielleicht entschließt sich nun der Sultan doch noch, aber aus freien Stücken, etwas, wenn auch nicht viel, zu thun, — geschehen muß etwas — aber nicht heute, auch nicht morgen, wie es so orientalische Gepflogenheit ist. — Inzwischen nimmt das Verfahren wegen der Vorfälle in Djeddah seinen gemächlichen Fortgang. Die ersten Verhaftungen, welche seitens der ottomanischen Behörde vorgenommen wurden, betrafen, wie daS ja in solchen Fällen nur zu oft geschieht, ganz unbetbeiligte Leute, da die eigentlich Schuldigen sich schleunigst in Sicherheit zu bringen gewußt batten. Nun sollen auch diese den Behörden in die Hände gefallen sein. Selbst wenn dem so wäre, und die Nachricht nicht dlos zur Beschwichtigung der wegen des wachsenden Fanatismus mit Recht besorgten Europäer in die Welt geschickt sein sollte, dürfte es immer noch fraglich sein, ob mit Ergreifung und Bestrafung der Frevler auch schon die Quelle, aus der solche Unthalen in der Regel fließen, verstopft ist. Die intellektuellen Anstifter des Volkshasses gegen das Europäerthum dürften der behördlichen Ahndung Wohl kaum erreichbar sein und die Möglichkeit erscheint nicht ausgeschlossen, daß die Serie der Gewalttbätigkeiten noch eine weitere Fortsetzung findet. Nellcicht gehört auch das in Konstantinopel au Bord eines ranzösische» Schiffes stattgehabte Rencontre zwischen einem ürkischen Osficier und einem der Schiffsangestellten in diese Kategorie. Jedenfalls kann dem Prestige der Europäer im Orient eine kleine Auffrischung mittels der zu diesem Zwecke geeignet erscheinenden Vorkehrungen nicht schaden. Ob aber der Weg, den der englische Admiral Seymour, welcher in Beirut mit dem Mali die ausgesuchtesten Höflichkeiten anö tauscht, vom Standpunct der gemeinsamen Interessen der richtige ist, erscheint freilich sehr fraglich. Die „Republik" Formosa hat ein rasches Ende gr ünden, aber an einigen Puncte», an welchen die Japaner sich noch nicht zeigen konnten, herrscht noch Anarchie und Ver Wirrung und kommen blutige Ausschreitungen vor. Wie ge meldet wurde, haben die Rebellen in Hobe eS sogar gewagt, auf ein deutsches Handelsschiff zu schießen, auf welches der bisherige Gouverneur, nunmehrige Expräsidenl von Formosa Tang mit chinesischen Soldaten und Flüchtlingen sich in Sicherheit gebracht zu haben cheinl. Als die Rebellen das Schiff mit Kanonenkugeln an der Abfahrt hindern wollten, bat das deutsche Kanonenboot „Iltis" die Abschiedsgrüße in gleicher Weise erwidert und die Forts von Hobe zum Schweigen gebracht. Daß dieses energische Eingreifen des deutschen Commandanten überall lebhaft besprochen wird, ist natürlich. In der Reichshauptstadt ist, wie uns geschrieben wird, nur eine Stimme der Anerken nun g für das ruhige, schnelle und energische Handeln des Capitainlieutenauts Jngcnohl. Alle höheren Marineofsiciere haben sich in dem Sinne ausgesprochen. „Iltis" ist e>ns der kleinsten Kriegs schiffe der deutschen Marine, es hat nur ein Deplace ment von 489 Tonnen, die Zahl der an Bord befindlichen Mannschaft beträgt nur 85; uidicirte Pferdekräfle hat es 350; es gehört ^ur K. Schiffsclasse. Commandant ist, wie schon bemerkt, Capitainlieutenant Jngenohl; er gilt als ein ungemein gebildeter und erfahrener Marineofsicier. Er war längere Zeit Adjutant des commandirendcn Admirals Freiherrn v. d. Goltz. Nach Beendigung der letzten Manöver bei Swinemünd« wurde er zum Commandanten der „Iltis" ernannt; sein Nachfolger wurde beim Oberkommando der Marine der Capitainlieutenant Weber, ebenfalls ein hervorragender Osficier. Erster Ofsicier auf „Iltis" ist der Lieutenant zur See v. Holbach; Lieutenant zur See Fraustädter »nd Untertieutenanl Prasse vervollständigen das OfficiercorpS dieses kleinen Kanonenbootes. Er hatte schon einmal in den chinesisch-japanischen Gewässern Gelegenheit, sich hervorzuthun. Ossiciere und Mannschaften retteten mit Aufopferung mehrere Hunderte dem Tode des Ertrinkens nabe chinesische Matrosen. Der damalige Commandant Graf v. Bauvissin und die Ossiciere wurden vom Kaiser von China wegen ihres beldenmüthigen Benehmens mit Orden aus gezeichnet. Deutsches Reich. * Berlin, 7. Juni. Bekanntlich schenkte der Kaiser dem verstorbenen Justizminister Friedberg vor drei Jahren sein Bild mit der vielerörterten Unterschrift: ,.^smo wo impuus lacsssiG (Niemand reizt mich ungestraft). Es ist damals herumgeräthselt worden, was der Ausspruch bedeuten Frnilletsn. Haus Hardenberg. 2s Roman von Ernst von Waldow. Nachdruck verboten. Dietrich v. Erbach war seiner Zeit ein Löwe der SalonS gewesen und hatte seine Beliebtheit bei der Damenwelt weniger körperlichen Vorzügen als seinem einschmeichelnden Wesen zu danken. Mit scharfem Verstände begabt, wurde es ihm leicht, an anderen Personen Mängel und kleine Schwächen zu entdecken, die er zu seinem Vortheil auSzubeuten verstand. Trotz der errungenen Erfolge war der Allerwelts- Courmacher zum alten Junggesellen geworden. Die Ehe-Misöre seines Bruders — so pflegte der Frei herr zu sagen — habe ihm die Lust benommen, eine LiebeS- heirath zu schließen, und ein Kaufgeschäft au« einer Herzen«- Ursache zu machen, widerstrebe seiner Natur. Es gab allerdings viele Leute, welche an die Unrigennützigkeit Dietrich v. Erbach'S nicht glauben wollten. Diese hielten ihn für geizig, obgleich er nur sparsam lebte, weil eS ihm peinlich war, Schulden zu machen und vor seinen Gläubigern sich zu demüthigen; er war stolz, und der einzige Ehrgeiz, den er besaß, gipfelte in dem Bestreben, „KauS Erbach" gleich dem Phönix aus der Asche erstehen zu sehen. In der verbindlichsten Weise dankte er der Frau Rath für ihre Einladung und setzte hinzu, daß er wahrhaft erfreut sei, die Ueberzeugung mit sich fort zu nehmen, daß ValeSka in solcher Umgebung sich behaglich und glücklich fühlen müsse. „Wir wollen das mindestens hoffen", meinte Frau Ferdinande geschmeichelt und nickte dem jungen Mädchen zu, das sich eifrig mit der Bereitung deS TheeS zu schaffen machte. „Fräulein Valeska wird von unS wie ein Familienglied betrachtet und steht unter meinem Schutze." „DaS ist eine Versicherung, verehrte Frau, welche mit Valeska's Schritt, sich einen Berus zu erwählen, auSsöhnt." „Ach ja, ich erinnere mich, mein Mann sagte mir: Sie seien nicht damit einverstanden, daß Ihre Nichte als Gou vernante in unser Hau- käme." „Ich bin überhaupt ein Gegner der modernen Frauen- emancipation und mag es nicht hören, daß eine si n ie Dame auS guter Familie von Berufswahl spricht, wie ein Student." „Aber was hätte Valeska denn thun sollen, Herr Haupt mann?" fragte Frau Goldstücker verwundert. Herr v. Erbach erröthete leicht, aber seine Antwort klang ganz unbefangen: „Ei, ich würde meine Nichte zu mir genommen haben." „In Ihre Junggesellenwobnung?" ES klang wie Spott aus dieser Frage, doch der Hauptmann schien daö nickt zu beachten, er betrachtete gleichmüthig die fein zugespitzlen Fingernägel seiner schmalen Hände und erwiderte: „O nein, daS wäre nicht thunlich gewesen. Ich hätte in dem Falle daS Opfer bringen müssen, die Residenz zu ver lassen und mit meiner Nichte nach Erbach in Schlesien zu geben. Als mein Bruder nämlich die Herrschaft veräußerte, erstand ich das sogenannte Jagdschloß, damit den armen Kindern mindestens eine Erinnerung an den Familienbesitz bliebe. DaS Schlößchen, wenn auch nicht sehr geräumig, doch in reizender Gegend, höchst romantisch gelegen, würde aus reichenden Raum für unS geboten haben, und ich hätte zu meiner Zerstreuung des edlen WeidwerkS pflegen müssen. Nun, die Kleine hat es anders gewollt und vielleicht ist es auch so besser." In Frau Ferdinande's Mienen drückte sich eine gewisse Hochachtung auS, als sie jetzt erwiderte: „Ich wußte nicht, daß Sie in Schlesien noch begütert sind." Die beiden anderen Herren batten sich dem großen, runden Tische genähert, wo einem Familiengebrauche gemäß der Thee nach alter guter Weise genommen wurde. Hardenberg, welcher die letzten Worte der Frau Gold stücker vernommen, wendete sich lebhaft dem Hauptmann zu: „Ach, Sie haben Besitzungen in Schlesien, Baron Erbach, da sind wir ja Landsleute, denn ich bin ein geborener Breslauer und lebe noch heute in meiner Vaterstadt." „Mit der Landsmannschaft ist eS richtig, doch", fügte der Hauptmann achselznckend Hinzu, „leider nicht, was die Besitzungen betrifft, welche von meinem Bruder großtentbeils veräußert worden sind. Ich erzählte schon der gnädigen Frau, daß von Herrschaft Erbach mir nur ein kleines Jagd gebiet und ein Schlößchen aebliebcn ist. So Gott will, boffe ich jedoch mehr und mehr Land zurückzukaufen, da ick gehört, daß der jetzige Besitzer von Erbach — ein Papierfabrikant — geneigt ist, daS Gut zu dismembriren." „Ist Erbach an der Eisenbahn gelegen?" mischte sich Herr Samuel in daS Gespräch. Leider nein, und diesem Umstande hatten wir es auch zu verdanken, daß die Herrschaft weit unter ihrem Werthe verkauft werden mußte, weil sich so wenig Kauflustige fanden." Mit angeborener Grazie reichte Valeska dem Gaste eine Tasse Thee. Die Blicke beider kreuzten sich. Sie mußte es sich ge stehen, wenn auch wider Willen, daß der Handelsherr eine schöne, männliche Erscheinung sei. Valeska hegte ein Vor- urtheil gegen den Kaufmannsstand, denn auch ihr Vater hatte diese „Zahlenmenschen" gehaßt, vielleicht nur deshalb, weil er selbst stets in den Tag hineingelebt und es nie verstanden hatte, zu rechnen. Allerdings bewegte sich Hardenberg nicht mit der Un gezwungenheit der Cavaliere, deren Lebenszweck ist, in der Gesellschaft zu glänzen. Sein Wesen war ernst, trocken, seine Umgangsformen hatten etwas Strenges, ja Steifes. Man konnte ihm aus den ersten Blick ansehen, daß ihm durchaus nichts daran gelegen war, einen günstigen Eindruck zu machen oder durch Geist und Unterhaltungsgabe zu blenden. Die Kunst zu gefallen war von Wolsgang Hardenberg weder erlernt noch geübt worden. Im Laufe deS Abends machte ValeSka diese Bemerkungen, und sie würde sich mit dem Gaste der Familie Goldstücker sicherlich nicht so angelegentlich beschäftigt haben, wenn nicht m dem vorher von ihr belauschten Gespräche ihre Person in Beziehung zu dem Fremden gebracht worden wäre. Möglicher weise schmeichelte ihr auch, obwohl sie sich daS nicht ein gestehen wollte, die augenscheinliche Bewunderung, mit welcher Hardenberg sie einige Male verstohlen betrachtet; eS war unleugbar, daß sie einen sehr günstigen Eindruck auf ihn geübt. Derselbe steigerte sich noch, als die kleine Leopoldine ,m Laufe des Abends durch ihr naiv kindliches Geplauder das beste Zeugniß dafür ablegte, daß eS ihrer Lehrerin Ernst damit sei, die übernommenen Pflichten zn erfüllen und nicht blo« eine geistige Dressur, sondern wahre Herzensbildung, dem jungen Wesen angedeihen zu lassen, daS man ihr an vertraut. ^ Frau Goldstücker wünschte, daß ,hr Töchtercken sich auf dem Fortepiano hören lasten möchte, und ohne sich lange zu zieren, begab Leopoldine sich in Begleitung ValeSka'S an das geöffnete Instrument, welche« in der entgegengesetzten Ecke de« weiten Gemaches seinen Platz hatte. Der Kaufherr folgte ihnen dahin. Die Kleine hatte noch nie so schlecht und fehlerhaft gespielt, doch ihre Lehrerin, weit entfernt davon, sie darob zu schelten, wendete sich lächelnd zu Hardenberg und sagte: „Nach dieser Probe werden Sie schwerlich glauben, daß Leopoldine Talent bat und überraschende Fortschritte macht, aber ich habe es absichtlich vermieden, ihr sogenannte Parade stücke einzustudiren, die sie dann zum Erstaunen der Hörer Vorträgen könnte. Dergleichen künstlich gezeitigte Erfolge, wenn ich mich so ausdrücken darf, sind nur geeignet, die kindliche Unbefangenheit zu zerstören und Eitelkeit zu er wecken." Wolfgang Hardenberg seufzte unwillkürlich. Er dachte an die mutterlosen Töchter daheim, an deren verfehlte Erziehung, an den jährlichen Gouvernantenweckscl, die ewigen Klagen, Verdrießlichkeiten und die allgemeine Unzufriedenheit. „Sie haben nur zu recht, mein Fräulein", meinte er ge preßt, „eS ist freilich zu beklagen, daß nur wenige Erzieher innen den Muth und die Offenheit haben, so zu denken und zu bandeln." Und dann erzählte er dem ibm sinnend zubörenden jungen Mädchen von daheim, von Renata und Auguste. Währenddem fuhr der „charmante" Herr Hauptmann fort, Frau Ferdinande zu bezaubern. Er war bereits so boch in ihrer Gunst gestiegen, daß sie ihn nur noch „Herr Baron" oder „Baron Erbach" nannte und sich schließlich voll Theil- nahme danach erkundigte, ob die Familienangelegenheit, welche er mit Valeska habe erörtern wollen, nicht etwa eine unan genehme oder mindestens unerfreuliche sei. Dietrich Erbach dankte der „verehrten Frau", die er bei sich eine neugierige alte Schachtel nannte, für die ihm und ValcSka bewiesene Theilnabme und sagte dann leichthin: „Gottlob handelt eS sich diesmal um eine recht erfreu liche Botschaft. Mein Neffe Siegfried ist im Begriffe, sich zu verloben." „Ah, da wird Fräulein Valeska große Freude darüber haben, denn sie liebt ihren Bruder von Herzen." „Ich theilte ihr in zwei Worten diese Kunde mit, als wir vorhin im Vorzimmer zufällig zusaminentrasen." „Und ist e» erlaubt zu fragen, wer die junge Dame ist, mit welcher der Herr Lieutenant sich zu vermählen gedenkt?" Der Hauptmann mochte innerlich über die JndiScretion der Frau Goldstücker entrüstet sein, doch seine unbeweglich heitere Miene verrieth nichts davon, als er erwiderte: „Da die Verlobung meines Neffen noch nicht officiell be kannt gemacht ist, so erscheint die größte Diskretion geboten. Doch einer Dame von Ihrem Zartgefühl, meine Gnädigst»,
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite