Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.06.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-06-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950613025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895061302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895061302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-06
- Tag1895-06-13
- Monat1895-06
- Jahr1895
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
VezugS-Prer- Kt her tzauptexpedition oder den km Gtadt» bezirk und den Vororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich^4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung in« Hau» 5.50. Durch die Post bezogen sür Deutschland und Oesterreich: viertel,ährlich 6.—. Direct» tägliche ttteuzbandsendung in« Ausland: monatlich 7.50. Die Morgen-AuSgabt erscheint täglich mit Aus nahme nach Sonn- und Festtagen '/,? Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentags 5 Uhr. Redaktion und Expedition: Johannesgaffe 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abend» 7 Uhr. Filialen: Otto Alnnm's Sortti». (Alfred Hahn), UniversitätSstratze 4, Louis Lösche, Latharinenstr. 14, parl. und Königsplatz 7. Abend-Ausgabe. amMr.TagMM Anzeiger. Organ fiir Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. Anzeigen.Prel? die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter dem Redactionsstrich '4ge- spalten) 50^, vor Leu Familiennachrichten (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- vcrzeichniß. Tabellarischer und Ziffernjatz nach höherem Tarif. vrtra»vetlagcu (gesalzt», nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesördenwg 80.—» mit Postbesörderuug 70.-'. Ännahmeschluk für Anzeigen: (nur Wochentags) Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eia« halbe Stunde früher. Anzeige« sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. ^- 285. Donnerstag den 13. Juni 1895. 89. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. Versteigerung. Freitag, den 14. Juni 180.1, von Vormittags IN Uhr ab sollen im Vasthofe zur goldenen Krone in Möckern 12 Pferde schweren Schlags mit Geschirr, 3 Lowry-, Rüstwagen, 6 Steinwagen, 2 Erdtransportwagen, 3 Leiter- wagen, 1 Kutschwagen (Glaslandaurr), 1 Breakwagen, 1 Korb- schlitten, 4 Stück complete Kutschaelchirre, ca. 50 Centner Hafer, 1 Häckselschneidemaschine und ll» Tausend Lehmsteine meistbietend gegen sofortige Baarzahlung versteigert werden. Leipzig, den 12. Juni 1885. L Gericht-Vollzieher des Kgl Amtsgerichts das. 8t«1ndvetc, Secr. Politische Tagesschau. * Leipzig, 13. Juni. Während gemeldet wird, die Krankenanstalt im Alcxianer- klofter zu Aachen sei behördlich geschlossen und zwei Brüder derselben würden wegen Meineids strafrechtlich verfolgt, wird andererseits behauptet, die Staatsanwalt schaft habe gegen das Mellage und seine Genossen frei sprechende Urtbeil die Revision angemeldct. Da nun auch der Berliner Magistrat die „Köln. Bolkszeitung" wegen Beleidigung verklagt hat, weil sie geäußert hat, die Zustände in der der Stadt Berlin gehörigen Irrenanstalt Dalldorf seien nicht besser als die in Mariaberg, so ständen drei durch den Aachener Proceß veranlaßte Gerichtsverhandlungen auf lange Zeit hinaus in Aussicht. Das wäre nicht zu be klagen. Nicht als ob die dadurch genährte öffentliche Erörterung des Falles der Alexianerbrüder als etwas besonders Er wünschtes erschiene, sondern weil dadurch das Interesse an der aufgerollten Frage der Ordnung des Irrenwesens über haupt lebendig bleibt. Der Besprechung der im preußischen Abgeordnetenhause eingebrachten Interpellation werden lange, beiße Sommermonate folgen, in denen erfahrungsgemäß die Än- theilnahme an noch so brennenden Fragen gern einschläft. Die erwähnten Processe werden aber dafür sorgen, daß die Miß stände der Irrengesetzgebung im Herbst nicht von der Tages ordnung verschwunden sein werden. Und Las ist schon deshalb nothwendig, da auch manche Irrenärzte, deren Pflichttreue über jedem Zweifel erhaben ist, die bestehenden gesetzlichen Zustände als nicht verbesserungsbedürftig ansehen. Sie beurtheilen eben die Gesammtheit ihrer Berufsgenossen nach sich selbst. — Wir wollen übrigens zu constatiren nicht unter lassen, daß aus katholischen Kreisen Stimmen laut werden, die im Gegensatz zu dem größten Theile der ultramontanen Presse die in dem Aachener Processe zu Tage gekommenen Uebelstände nicht zu vertuschen und nicht auf das Conto allein der staatlichen Aufsichtsbehörden zu schieben suchen, sondern offen anerkennen und dem Uebel auf den Grund gehen. So schreibt der „N. Zür. Ztg." ein Katholik: „Zum Schluß eine Bemerkung, die vielleicht von der ultramon tauen Presse auch wieder mit der wohlfeilen Ausrede abgethan wird, man wolle dein katholischen Ordenswesen nur Eines anhängen: dem ist nicht so. Schreiber dieser Zeilen zollt der Opferwilligkeit und der Pflichttreue vieler Ordensleute volle Anerkennung. Ec machte aber die Erfahrung, daß sowohl geistliche, als weltliche Behörden vielfach in der irrigen Meinung befangen sind, man dürfe Ordenspersonen blindlings vertrauen, es sei keine Ueber- wachung nothwendig. Ta diese Ordenspersonen so viele religiöse Uebungen machen, so sei eine Vernachlässigung der Pflichten, ein Mißbrauch ihrer Macht nicht zu befürchte». Diese Ansicht ist ganz irrig. Ich lernte Zustände und Verhältnisse in Anstalten, die von Ordenspersonen geleitet sind, kennen, die sehr viele Aehnlichkeit mit jenen in Mariaberg hatten. In Waisenanstalten, in Pensio nären, in Armenhäusern, in Strafanstalten, kurz überall, wo Ordenspersonen als Aufsichtspersonal verwendet werden, kommen mitunter schauerliche Dinge vor, die von einer Hart herzigkeit, Gewissenlosigkeit und Heuchelei Zeugniß geben, daß es kaum zu begreifen ist. wie solche Dinge sich er- eignen können. In solchen Verhältnissen ist ein blindes Vertrauen nie und nirgends am Piave. Nur eine stete, umsichtige Con- trole kann die armen, hilflosen Insassen vor solchen Zuständen bewahren. Personen, die von Natur aus gutmüthig und liebevoll sind, werden in solcher Stellung gut und gewissenhaft wirken. Leute von rohem Charakter werden weder durch das Ordenskleid, noch durch die zahllossen religiöse» Uebungen umgewandelt werden, um mit Geduld, mit Tact, Ernst und Milde eine so schwere Aufgabe erfüllen zu können." Es ist nur zu bedauern, daß solche Stimmen nicht schon längst laut geworden sind. Es giebt Hunderttausende von klarsebenden Katholiken, die sich der Erkenntniß zahlreicher Mißstände in ihren kirchlichen Einrichtungen nicht verschließen. Aber sie helfen diese Mißstände erhalten, indem sie dem Centrum und den ultramontanen Agitatoren sich unterwerfen, die nach unbedingter Freiheit der katholischen Kirche schreien und jede an einer Einrichtung dieser Kirche geübte Kritik als böswilligen Angriff auf den Katholicismus verdammen. Diese Unterwerfung trägt einen großen Theil der Schuld nicht nur an den Vorgängen in Mariaberg, sondern auch an jenen Zuständen, die der Gewährsmann der „N. Zür. Ztg." an deutet, und an der immer größer werdenden Spannung zwischen den Gliedern der christlichen Confessionen. Und bevor nicht eine Reformbewegung im katholischen Volke mächtig sich Bahn bricht und auf Abstellung jener Mißstände dringt, werden ähnliche Processe wie der Aachener nicht verschwinden, trotz der besten Ordnung des Irrenwesens. lediglich eine Interpretation des Dreibundvertrags gegeben, welche s mackmng 24 000 Mann dorthin gesandt , vor einigen Tagen die logische Consequenz seines Wesens als Friedensbund ' - ---- . ist. Im klebrigen verstärken und vervollständigen die Aus führungen des Grafen Goluchowski den Eindruck, welchen die auf den allgemeinen Charakter der internationalen Lage bezüglichen Stellen aus der italienischen Thron rede und mit gewissen Cinschränkungen auch das Expose deS französischen Ministers Hanotaux in der Pariser Deputirten- ammer hinterlassen haben, daß binnen absehbarer Zeit 'eine ernsteren Störungen auf dem Gebiete der auswärtigen Politik zu besorgen sind. Diese Feststellung ist, wie wir schon dieser Tage andeuteten, von ganz beson derem Werlhe im Hinblick auf die Vorgänge, die sich im Oriente abspielen. Denn bei der notorischen Bedeutung der Stellung, welche Oesterreich-Ungarn zu den Orientdingen Bei der reichspolitischen Auffassung, der wir buldigen, kann es uns nicht erfreulich sein, wenn Fehler der Reichs regierung durch die Einzelstaaten gut gemacht werden. Doch ist dies immer noch besser, als wenn eine für das Reich bedenkliche Berliner Politik in den Particularhaupt- städten keinem Widerstande begegnete. Darum verdient die württcmbcrgischc Regierung Dank für die jede Deutelei ausschließcnde Entschiedenheit, mit der sie sich gegen den Bimetallismus an sich erklärt und auch ver meintlich harmlose Liebkosungen seiner Anbänger verweigert hat. Sie will nicht nur nicht bimetallistisch pfeifen, sondern auch nicht nach dem Gefallen der Herren vr. Arendt und Graf Mirbach den Mund »pitzen. Das Letztere ist in Berlin von mehr als einer Seite geschehen, gewiß nicht zum Vortbeil der Erwerbsgruppen, die von einer Aenderung der Währung erhoffen, was sie sich nur selbst zu geben vermögen. Den Kern der Erklärungen des Grasen Goluchowski vor dem ungarischen DelegationöauSschuß wird man in der Definirung seiner Amtsführung als der continuirlichen Fortsetzung des unter den Auspicien des Grafen Kalnoky befolgten politischen Systems erkennen muffen. Auf das Bündigste verwahrte sich der neue Leiter der auswärtigen Beziehungen Oesterreich-Ungarns gegen die Annahme, als bedeute der an der Spitze seines Ressorts eingetretene Personenwechsel eine auch noch so gering fügige Aenderung in der Orientirung der Politik des österreichisch-ungarischen Staatswesens. Als „neu" wird in österreichischen Blättern bezeichnet, daß der Minister des Acußern sagte, die durch den Friedensbund der drei europäischen Centralmächte geschaffene Grundlage schließe die Pflege der besten und freundschaftlichsten Beziehungen zu allen übrigen Mächten nicht nur nicht aus, sondern bedinge dieselbe geradezu. Allein neu ist an dieser Aeußerung höchstens die formelle Definirung, sachlich hat der Minister beschloß die Regierung, weitere 12 000 Mann unter die Fahnen zu berufen und beule liegt unö folgende Meldung vor: Madrid. 12 Juni. Der Kriegsminister ist mit der Rüstung von Verstärkungen sür Cuba beschäftigt. Im Bedarfsfälle werden im August 40 000 Mann abgehen; 10000 Mann werden in der nächsten Woche eingejchifst werden. Die Regierung ist ent schlossen, den Ausstand zu ersticken. — Der Senat genehmigte die Vorlage, betr. die Ermächtigung der Regierung zur Ausgabe von Obligationen auf Euba, wodurch dem Cotonialminister im Bedarfsfälle die Beschaffung von Mitteln in Höhe von 600000000 Pesetas gestattet ist. Diese sür Spanien sehr bedeutende Kraftanstrengung ist deshalb nöthig geworden, weil der Aufstand infolge der Sympatbien, die er bei der ländlichen Bevölkerung findet, in ungeahntem Maße zugenommen hat. Er ist schon bis zu einnimml, würde Graf Goluchowski die eben erwähnte den Hauptstädten der Provinzen Santiago, Puerto-Principe Aeußerung Wohl kaum, mindestens aber nicht in der bestimm ten Form, gethan haben, wenn man in Wien nicht wegen der armenischen, der griechischen, bulgarischen und serbischen Ent wickelungsphasen vollständig beruhigt wäre. und Santa Clara vorzedrungen, der Tod der hauptsächlichsten Führer der Bewegung bat dieselbe nicht einen Augenblick aus zuhalten vermocht. Das Schlimmste aber ist, daß dem Au^ stand in wachsendem Maße von außen her durch das Hinzu strömen von Freiwilligen-Corps, die sich von den Vereinigten Staaten und Chile aus unter Führung ehemaliger Rebellen häupter ausgemacht haben, Nahrung zugesübrt wird. Zwar hat, wie uns auS Ncw-Aork gemeldet wird, Präsident Cleveland eine Proklamation erlassen, in welcher er die Bürger der In der frauzöftschen Presse zerbricht man sich immer noch den Kopf über die Räthselfrage: Allianz oder Ein vernehmen? Der größere Theil der Pariser Blätter schwelgt in dem Gedanken, daß nach den Erklärungen Hanotaux' und Nibot's die russisch - französische Allianz nun I Vereinigten Staaten vor Verletzung des NeutralilätSgesetzcs eine Thatsache sei, während eine Minderheit, darunter aber I gegenüber Cuba warnt und die Beamten anweist, jenes sehr angesehene Journale, entweder die Sache zweifelhaft I Gesetz auf das Strengste zu beobachten und jegliche Ver lassen, oder einem geschriebenen Schutz- und Trutzbündniß nach I letzung zu ahnden, allem vom Erlaß dieser Proklamation bis wie vor Unglauben entgegenbringen. Zweifellos ist, daß in den I zur Ausführung ist noch ein^scbr weiter Weg. Die Insel Ministerredcn nicht nur im Allgemeinen von „Allianzen" die I völlig abzusperren, vermag Spanien nicht, da cs keine Hin- Rede war, sondern speciell von d e r Alliance mit Rußland; I reichend starke Flotte besitzt; die von Marlinez Campos denn Ministerpräsident Nibot sagte unmißverständlich, seit 1801 hat sich die Lage in Europa verändert, also seit dem offenen Handinhandgehen Frankreichs und Rußlands, und fuhr un mittelbar darauf fort: Dieses Bündniß ist auch beute noch die Stärke Frankreichs. Zweifellos ist auch, daß nach den jetzt vorliegenden ausführlichen Berichten Ribot auf die Bemer kung Goblet's, das Wort „Alliance" falle in dieser Sitzung daS erste Mal, ein Zeichen der Zustimmung gab. Allein wir haben schon an der officivsen Interpretirung des „TempS" gezeigt, daß man auch heute, weder in Frank reich, noch sonstwo, auch nur eine Ahnung davon hat, was die beiden Minister unter „Alliance" verstanden haben, ob ein schriftliches Bündniß zu Schutz und Trutz oder eine bloße Entente. Wenn aber auch das Erstere Tbatsache sein und man es nicht blos mit einem Kunststück parlamentarischer Taktik zu thun haben sollte, so würde doch Alles noch auf den Inhalt des Vertrages ankommen. In den früheren Jahren wurde betreffs des russisch-französischen Einverständ nisses, einerlei in welcher Form es constatirt sein mag, angenommen, daß es den Franzosen die Unterstützung Rus lands für den Fall zusichere, daß Frankreich, beispielsweise von Deutschland, angegriffen würde. Wir wüßten nicht, was an der Sachlage geändert würde, wenn diese Zusicherung, anstatt in minder formeller Weise, in einem „Allianzvertrag^ ertheilt wäre, sei es früher, sei es neuerdings. Eine andere Frage ist, ob Frankreich etwa in neuerer Zeit in Bezug auf sonstige internationale Fragen die bindence Zusicherung der Unterstützung seiner Interessen von Rußland erhalten hat. Uebrigens wird man die erwähnten Erklärungen erst richtig taxiren können, wenn man über daS Echo orientirt sein wird, das sie an zuständiger russischer Stelle hervorgerufen haben werden. dringend verlangten Kanonenboote kann der Kriegsminister erst in 6 Monaten zur Verfügung stellen! Da jetzt die Regenperiode eingetreten ist, wird der Marschall bis zum Herbst sich weiter darauf beschränken müssen, vorbeugend zu operiren, um die noch nicht vom Aufstand ergriffenen Landes- theile vor der Einbeziehung in denselben zu schützen. Deutsches Reich. ^ Berlin, 12. Juni. Die „Germania" hatte un mittelbar nach der Reichstagsstichwahl in Köln dem „Vor wärts" nacherzählt, die dortigen Nationalliberalen hätten dem socialdemokratischen Candidaten Lütgenau eine größere Anzahl Stimmen zugebracht. Da die ziffer mäßigen Angaben des „Vorwärts" mit später eingetroffenen nicht übereinstimmien, hatte das klerikale Blatt wgar, wie wir ihm s. Z. nachwiesen, eine Fälschung des Cilats aus dem socialdemvkratischen Organ unternommen. Diese angeb liche Wahlunterstützung ist von der „Germania" in gehässigster Weise gegen die nationalliberale Partei ausgebcutct worben. Nun hat der „Vorwärts" inzwischen erklärt, seine Mittheilung habe aus dem Irrthum eines Correspondenten beruht, und hinzugefügt: „Die Nationalliberalen stimmten meistens für das Centrum — die übrigen enthielten sich —, für die Socialdemokratie stimmte kein einziger." Vorstebende Richtigstellung ist der „Germania" bereits am 3l. Mai zu Gesicht gekommen, das gewissenhafte Organ bat sich aber bis beute noch nicht bemüßigt gesehen, seine falsch berichteten Leser über den Sachverhalt aufzuklären. * Berlin, 12. Juni. Die Nachricht über die von der Negierung angeordnete Schließung der Alexianer- Anstall Mariaberg erregt in Aachen großes Aussehen und in vielen Kreisen Befriedigung. Das ultramontane „Echo" Auf (knba ist die Lage offenbar sehr ernst, was auch schon an der Börse durch wiederholte Panik zum Ausdruck I meldet, die Alexianer-Genvssenschaft habe die Anstatt Maria- gekommen ist. Spanien hat bis jetzt nach amtlicher Bekannt-1 berg mit Gebäuden, Ländereien und Inventar der Pro- Feirrlletsir. Haus Hardenberg. 61 Roman von Ernst von Waldow. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) „Nicht doch, es wird die Morgenpost sein, aber der Alte ist von Hause her so pünktlich gewöhnt wie eine richtig gehende Uhr, und da er den Befehl hat, jeden Brief sogleich nach dessen Anlangen zu bringen, hält er sich auch in der Fremde strenge nach seiner Instruction. Verzeihen Sie die Störung." „Im Gegentheil, ich beneide Sie dieses Originals wegen. Lesen Sie jetzt Ihre Briefe und möchten es lauter angenehme Nachrichten sein, die Sie erhalten." „Danke verbindlichst." „Wir sehen uns doch beim Speisen?" „Um vier Uhr an der Wirthstafel." „Ich werde pünktlich sei." Soltendorff entfernte sich nach einem herzlichen Hände druck, und kaum batte er das Zimmer verlassen, so brachte auch schon der alte Friedrich auf einem kleinen Präsentirbret die eingelaufenen Briefe. Sein Herr unterließ es, ihm Vor würfe über den gezeigten Eifer zu machen, und vertiefte sich bald in die Lectüre einiger langer Geschäftsbriefe. Doch da war noch einer mit dem Poststempel Breslau, ein langes, schmales Couvert mit einer Aufschrift, die äugen scheinlich von Frauenhand berrührte. „Bon Aurelie", murmelte Hardenberg unangenehm be rührt, „was mag es denn da wieder gegeben haben?" Trotz seiner Eile, den Inhalt de» Schreiben- kennen zu lernen, schnitt er dasselbe ebenso bedächtig auf wie die anderen und begann Folgendes zu lesen: Sehr geehrter Herr Schwager! Obgleich ich keine eifrige Briefschreiberin bin, sehe ich mich beute doch genöthigt, zur Feder zu greifen, um Ihnen ein, wenn auch nicht eben tröstliches Bild, Ihre häuslichen Zustände betreffend, zu geben. Wenn ick geahnt, daß Ihre Geschäfte Sie so lange in Berlin znrückbalten würden, hätte man schon früher Vorsorge treffen müssen. Sie wissen ja, daß Demoiselle Madelaine nie nach meinem Sinne war, jetzt aber hat Renate so ernste Klagen gegen die Gouvernante ihrer kleinen Schwester erhoben, daß ich mich veranlaßt fand, die Sache selbst zn untersuchen. DaS Resultat ist: daß ich Madelaine Knall und Fall fortschickte. Die Details erlaffen Sie mir Wohl, mündlich sollen Sie Alles erfahren und Sie werden mir vollkommen Recht geben. Um den mutterlosen Kindern einigermaßen Ersatz für den erlittenen Verlust zu geben, bedarf es einer ernsten und moralischen Erzieherin, welche vor Allem selbst durch ihren Wandel kein böses Beispiel giebt. Ich habe an eine Eng länderin gedacht, natürlich eine ältere Person. Diese sind zwar anspruchsvoller, aber sie leisten auch mehr. Es dürfte Ihnen nicht schwer fallen, in der Residenz eine passende Wahl zu treffen. Da ich nun meine Nichte nicht allein unter dem Schutze der alten Friederike im Hause lassen konnte, blieb mir nichts übrig — wahrlich sehr eontre-coenr —, als Martha Winterfcld zu veranlassen, für die Zeit Ibrer Abwesenheit im Hause zum Rechten Hir sehen. Frau Martha hat die nöthige Gevuld und Umsicht und wäre, trotz ihrer mehr als bescheidenen Lebensstellung und mangelhaften Erziehung, als Wirthscbafterin keine übliche Acquisition, wenn ihr liederlicher Sohn nicht wäre, von dem sie sich einmal nicht lossagen will. Ach, diese Verwandten sind mir ein Dorn im Auge. Friederike, welche die alte Frau nicht leiden mag, war ergrimmt und hat sicherlich alles gethan, um Gustchen gegen Martha Winterfcld aufzuhetzen, denn die Kleine war in den letzte» Tagen sehr schlimm. Von meinem Gatten beste Grüße und er läßt Ihnen sagen, daß er sich »ach seiner Schachpartie sehne. Adalbert ist noch in London, binnen Monatsfrist wird er hoffentlich aus England beimkehren. Wenn möglich, be schleunigen Sie Ihre Rückkehr, denn der HauSfriede dürfte nicht lange ungestört bleiben. ES grüßt Sie herzlich Ihre dienstwillige Frau Schwägerin Aurelie Winterfell), geb. Erbenreich." Hardenberg'« Stirn hatte sich während des Lesens um wölkt, jetzt faltete er das Blatt zusammen und steckte es in das Couvert zurück, während er murmelte: „DaS soll anders werden!" Dann begann er sich zum AuSgehen anzukleiven, langsam, fast mechanisch, mit derselben nachdenklichen Miene. Es war reiflich beschlossen, er wollte dem Hauptmann Dietrich v. Erbach einen Besuch machen und bei ihm um die Hand seiner Nichte Valeska werben. Der Hauptmann war zugleich der Vormund des ver waisten Mädchens, deshalb fand er eS schicklicher, bei ihm anzufragen, als bei dem Bruder, zu welchem er ohnehin wenig Vertrauen hatte. Roch einmal erwog Hardenberg seinen Entschluß, das Für und Wider einer immerhin ungleichen Heirath. Un gleich in Betreff des Alters, der Lebensstellung und der Neigungen. Dabei erhellte nicht der Schimmer eines Lächelns seine ernsten Züge. Das war so seine Art, ein wichtiges Geschäft vor dessen Abschluß noch einmal recht gründlich in Erwägung zu ziehen, und konnte es etwas Wichtigeres und Folgenschwereres geben als eine Lerbindung fürs Beben? Nicht im Entferntesten kam ihm der Gedanke, vor seiner Werbung sich durch eine an Valeska gerichtete Frage zu überzeugen, ob er auch geliebt sei. So hatte er um die erste Gattin geworben und so schickte eS sich. Erst beim feierlichen „Verspruch" im Beisein einer Menge von Vettern und Basen und nachdem er der Er wählten den Verlobungsring an den Finger gesteckt, hatte er den ersten Kuß empfangen — ein schüchterner, zitternder Hauch, ohne Gefühl, ohne Feuer. Aber so war eS in der Ordnung. Die glühende Leiden schaft einer Julia würde Wolfgang Hardenberg von seiner Braut entschieden abgestoßen haben. Er besaß mehr Verstand als Gefühl und Pbantasie, und obwohl sein anfängliches Wohlgefallen an der Schönheit und dem Liebreiz des jungen Mädchens sich in tiefe Neigung ge wandelt, war eS kein himmelhoch Jauchzen, kein zu Tode betrübt sein, das seine Seele bewegte. Ruhig bestellte er den Hotelwagen, da man sich zu einem solchen Besuche doch nicht wohl einer Droschke bedienen konnte, und nachdem er auch seinen Anzug so gewählt, daß er ganz wohl einem Leichenbegängniß hätte beiwohnen können, so feierlich schwarz war Alles, begab er sich zu dem Oheim der erwählte» Braut. VI. Dietrich v. Erbach wobnte weit draußen, in der Pots damer Straße, dem Botanischen Garten schräg gegenüber. Er batte, wie er wenigstens zu sagen pflegte, diese Wohnung gewählt der schönen Lage und der gesünderen Lust wegen. Das mochte sein, doch war ihm hauptsächlich daran gelegen, für nicht zu hohen Miethszins ein geräumiges und elegantes Quartier zu haben, wofür er in der inneren Stadt das Doppelte hatte zahlen müssen. In die Lectüre einer Zeitung vertieft, saß er rauchend auf dem Balcon seiner, im zweiten Stockwerk befindlichen Wolmung, als Hardenberg's Wagen vor dem Hause hielt. Ein Blick aus den festlich schwarzen Anzug des Kaufmanns ließ ihn Alles errathen, und ein frohes Lächeln umzog seine schmalen Lippen. „Nun, mindestens diese Affaire wäre beendet, das Ver- löbniß Siegfried'- mit Wilhelmine läßt ohnehin verteufelt lange auf sich warten. Der alte Golze scheint gegen die Partie zu sein." Die betagte Haushälterin meldete in diesem Augenblick den Besuch, und der Hauptmann mit völlig wierergewonnener Ruhe, trat dem Gaste entgegen, ihn freundlich zum Sitzen einladend. Dabei schob er ihm zuvorkommend einen Sessel hin, dessen kunstvolle Stickerei en xetit xoiut eine Nachahmung antiker Gobelins war. Der Hauptmann besaß zwei solcher Sessel, auf die er stolz war. Er batte sie in Erbach vor dem Hammer des Auktionators gerettet, sie sollten aus Klein-Trianon stammen, von wo der Großvater, General v. Erbach, sie 1815 mit heim gebracht. Jedenfalls waren eS werthvolle Stücke. Hardenberg achtete weder auf die feine Holzschnitzarbeit noch auf die seltene Harmonie, welche die matten Farbentöne der Stickerei zeigten, er brachte fast ohne Einleitung seine Werbung vor, ernst, würdig, etwas steif. Der Hauptmann lauschte, den Blick zu Boden geheftet. Erst als Hardenberg geendet, schaute er ihn an mit einer, bei ibm nicht oft rum Durchbruch kommenden Gefühlswärme. Dann reichte er ihm die Hand. „Ich müßte lügen, wollte ich es leugnen, daß ich Aehn- liches erwartet. Nichtsdestoweniger erfreut es mich von Herzen. Vielleicht war ich der Erste, welcher diese Neigung keimen und sich verstärken sah." „So glauben Sie, Baron Erbach, daß Valeska meine Ge fühle erwivert?" „Dessen bin ick gewiß." Jetzt färbten sich auch Hardenberg's blasse Wangen, eine kleine Pause trat ein, die er mit den Worten unterbrach; „Dann könnten wir auch gleich das Geschäftliche ab machen." Achselzuckend meinte der Hauptmann: „Von meiner Seite ist das bald gesagt. ValeSka ist gänzlich mittellos, da ihre
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite