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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.06.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-06-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950622025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895062202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895062202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-06
- Tag1895-06-22
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Man sollte daraus schließen, daß der ultra montane Reichslagspräsivent die Pflege deutscher Art und deutschnationaler Gesinnung für eine Hauptaufgabe nicht nur der deutschen Regierungen, sondern auch aller Parteien des Reichstags hielte. In der Partei aber, welcher der Herr Präsident angchört, ist von einer Erkcnntniß dieser Aufgabe leider sehr selten etwas zu spüren, am wenigsten gerade jetzt, wo die Centrumspreffe sür das im deutschen Osten vordringende Polenthum mit demselben fanatischen Eifer Partei ergreift, wie gegen das mit dem Polenthum um seine Existenz ringende Deutschthum. Die Art dieser Parteinahme wird scharf ge kennzeichnet durch eine Auslassung, welche die „Germania" der Mittheilung über die Gründung einer Berliner akademischen Ortsgruppe deö Vereins zur Förde rung des DeutschthumS in den Oslmarken folgen läßt. Das Blatt schreibt: „Ob dieser Verein, der eine ausgesprochen polilischeTendenz hat,von den akademischen Behörden unterdrückt wird, wie es mit dem socialwisseiischastlickeii Vereine der Fall ge wesen ist, bleibt abznwarlen. Daß an derStudentenversammlnng eine Anzahl von Professoren Theil genommen hat, kann der neue Verein, falls der derzeitige Rector Professor Pfleiderer gegen ihn vergeht, nicht für sich geltend machen. Auch dem unterdrückten socialwisscnschastlichen Verein stand bekanntlich eine ganze Reihe von hervorragenden Universitätslehrern sehr nahe. Die jungen politisircndeii Herren thäten unter allen Um ständen besser, einen Verein zur — Förderung des Studiums zu gründen, das durch Betheiligung an den politischen Radau- Agitationen des H. K. T.-Vereins (Hansemann, Kenneman», Tlcdcmann — die Begründer des Vereins) entschieden nicht begünstigt wird." Wir glauben der „Germania" versichern zu dürfen, daß ibre Dcnunciation bei den akademischen Be hörden ebenso wenig Erfolg haben wird, als eine frühere von dem polnischen Abgeordneten Motty gegen denselben Verein gerichtete bei dem preußischen Minister deö Innern. Der Verein zur Förderung des Deutschthums ist eben kein politischer Verein. Er erblickt seine Aufgabe in der Pflege der Nationalität, welche die Ultraniontaneu überall, wo die Erhaltung des Deutsch t hu ms nicht in Frage kommt, als eine gottgewollte Eigcnthümlichkeit geschützt sehen wollen. Von Radau-Agitationen ist aus Posen und Weslpreußen allerdings Manches bekannt geworden, so Be drohungen mit dem Strick, Aufforderung zum To dt sch lag; aber die Urheber waren Polen und nicht der deutsche Verein, dessen Mitglieder vielmehr, gelegentlich unter dem Beinamen „Hunde", in jenen liebenswürdigen Kund gebungen polnischer Thatbereitschaft als geeignete Objecte bezeichnet waren. Diese polnischen Kundgebungen empfehlen wir besonders der Aufmerksamkeit des '.Herrn von Buol, der gestern so warm von der Sehnsucht deutscher Herzen und deutschen Geistes zu rede» wußte. Er wird gewiß vie Ueberzeugung haben, daß diese Sehnsucht nicht dahin geht, von den polnischen Hängegendarmcn am Ende wirklich wie Hunde gehängt oder todtgeschlaaen zn werden. Er wird also hoffentlich in Zukunft seinen Einfluß auf das Eentrum zu dem Zwecke ausnutze», diese Partei von der Vorliebe sür die Gesinnungsgenossen dieser Hängegendarmen aufzugeben und dem Streben sich zuzuwenden, die Sehnsucht deutscher Herzen und deutschen Geistes der Verwirklichung entgegen zuführen. „Die Antwort Ser Drohnen", so wird man die Reden bezeichnen müssen, die der Reichskanzler Fürst Hohen- ohe und Staatösecretair Ilr. von Boetticher vorgestern bei dem Diner auf dem Dampfer „Kaiser Wilhelm II." gehalten haben. Der Telegraph berichtet darüber: Niel, 21. Juni. Bei dem gestrige» Diner aus dem Dampfer „Kaiser Wilhelm II." gab der Reichskanzler in einer Rede seiner Freude und Genugthuung darüber Ausdruck, das; der Kaiser in der Eabinetsordre an den Staatssecretair I)r. von Boetticher daS ausgesprochen habe, was auch sein, des Reichskanzlers, Herz voll erfülle. Staalssecretair von Boetticher erwiderte, er sei tief ergriffen von den anerkennenden Worten seines Chefs und könne nur.erwähnen, daß er, so lange Seine Majestät ihn ans seinem Posten zu erhalten wünsche, in treuer Pflicht erfüllung aus demselben ausharren werde. Herr von Boetticher schloß mit den Worten, solange Seine Majestät der Kaiser über treue, uneigennützige Beamte verfüge, sei es um Deutschland nicht schlecht bestellt. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß diese Reden die Antwort bilden auf ven Angriff, zu dem Fürst Bismarck bei dem Empfange des Bundes der Landwirthe gegen die „Kleber als Minister" und gegen „die Drohnen, die uns regieren", sich Hinreißen ließ. Augenscheinlich hat besonders der letztere Angriff nicht nur den Kaiser, sondern auch den jetzigen Reichskanzler tief gekränkt. Die Worte des Letzteren beweisen leider, daß auch zwischen ihm und dem Schmiede der deutschen Kaiserkrone das Tischtuch zerschnitten ist und vor aller Welt als zerschnitten kenntlich gemacht werden soll. Das ist ein schriller Miß klang in der Harmonie, in der daö große Fest im klebrigen verlaufen ist, ein Miß klang, der in unheilvoller Weise noch weiter tönen wird, wenn die Festkläuge verrauscht sein werden. Er hätte vermieden werden können. Es war kein glücklicher Augenblick, in den; Fürst Bismarck, vielleicht von körperlichen Schmerzen gequält, seiner Unzufriedenheit mit dem gegenwärtigen Gange der Politik so schroffen Ausdruck gab. Er wird diesen Augenblick gewiß nicht segnen. Um so beklagenswerther ist es, daß seine so hart beurtheilte Gereiztheit auch auf der anderen Seite Gereiztheit erweckt hat. Möchte wenigstens das, was leider nicht ungeschehen gemacht werden kann, nicht noch verschlimmert werden durch Auf stachelungen, die schon früher das Verhältniß zwischen dem Kaiser und seinem ersten Kanzler zu einem immer gespannteren machten. Es sind keine Freunde des Einen und teSAnderen, die ein neues Zerwürsniß schüren, das wie ein trüber Schatten nicht nur auf die Canalfestlichkeiten, sondern au unser ganzes nationales Leben fällt. Zu einer anderen Betrachtung unerfreulicher Art geben der „Berl. Börs.-Ztg." die inneren Verhältnisse der mit Deutschland alliirten Staaten Anlaß. Sehen wir heute, schreibt dieses Blatt, von Italien ab, wo der Regierung erneute und unerwartete Schwierigkeit«;: durch die sich beraus- stellende Unfähigkeit Villa's, deö Proteges Crispi's, für den Posten eines Kammerpräsidenten, erwachsen, und wenden wir den Blick nach Oesterreich, wo die Knsis eine tiefergehende ist. Oesterreich hat abermals ein Beamtenministerium. Dies ist nicht zum ersten Male der Fall und man erinnert sich, daß Potvcki und eine Zeit lang auch Taaffe in solcher Weise zn regieren suchten. Man weiß, daß im letzteren Falle aus theilS bureaukratischen, theils in ihrer Art coalitionS- mäßig gearteten Uebergängern ein Ministerium der Rechten wurde, das fünfzehn Jahre ohne und gegen die Deutschen regierte, bis die Ereignisse im Spätherbst 1893 einen Zu sammenschluß gemäßigter Parteien zur Nothwendigkeit machten und das EvalitionSmiiiisterium erstehen ließen. Neunzehn Monate lang war es im Amte und würde weiter I Monarch es verschmäht, seine Gedanken in den Stil des bestanden haben, wenn alle Parteien die Coalition so I Krämer- zu kleiden. Kaiser Wilhelm möchte ein Künstler aufgefaßl hätten, wie die Deutschen. Graf Kielmanöegg I sein. Es ist das ein Ehrgeiz, der Niemandem schadet und >at nicht die Aufgabe, die Situation zu klären, sondern das I über den sich Niemand zu beschweren hat. Im monarchistischen Ministerium als Amt so lange zu verwalten, bis man weiß, I „Gauloiö" nimmt Äuliette Adam anläßlich der Kieler Feste das was man von der Zukunft zu erwarten hat. Die Antritts-! Wort sür Elsaß-Lothringen mit der Forderung, Frankreich müsse rede des neuen Ministerpräsidenten berührt darum sehr sym-1 gegen die Denationalisiruug des Landes arbeite». Hoffinuige- pathisch, weil sie zeigte, der treu- Staatsbeamte habe eine I voll und zuversichtlich klingen aber diese Aufforderungen, Pflicht übernommen und wolle nicht mehr scheinen, als er! die mit dem Worte eines russischen Generals und allerle: zunächst politisch vorstellt. Eine Negierung ohne Po-1 Hinweisen auf die Freude der Bevölkerung deö Rcichslandes litische Vergangenheit und ohne eine politische Zukunft I nach den Freiheitskriegen wie im Jahre 1848 und auf eine entwaffnet die Kritik. Aber ein Ministerium ohne politische I neue Flugschrift unterstützt werden, keineswegs. Im Haltung ist auf die Dauer widersinnig, weil jede Regierung! „Matin" macht der Chauvinist und Colonialschwärmer Fran- das Reich nach bestimmten Grundsätzen leiten und mit den I «.oiö Deloncle Frankreichs Bündnisse mobil und zählt neben Parteien rechnen muß. Unter diesen Umständen wird eS schon I Rußland die Türkei, Spanien, Griechenland »md Serbien, als erfreulich bezeichnet, daß eine weitere Schädigung der I China, Hindoslan, Persien, Egypten, Aethiopien, Marokko als Deutschen von der gegenwärtigen provisorischen Regierung I Clienten auf, die geneigt sein würden, unter Umständen nicht zu befürchten «st. Und was wird werden'? Die I sich unter den Schutz des französisch-russischen Bündnisses gegenwärtige Krise ist mehr als eine ReaicrungS-, mehr I zu begeben. Die Spitze dieser phantastischen Ausführungen als eine parlamentarische Krise, sie ist eine ÄerfassungS-1 richtet sich gegen England, dem der nächste Ausbruch der Hctz- krise. Denn gelingt es nicht während deS Interregnums, I Patrioten zu drohen scheint. Sie sind oder stellen sich allc- cine solide Majorität zu schaffen, welche im Sinne der I sammt tief verstimmt gegen Rußland, weil dieses ihre Staatsgrundgesetze zu herrschen und zu regieren vermag, so I Wühlereien gegen Deutschland nicht genügend unterstützt, und ist schlechterdings keine Bürgschaft dafür gegeben, daß man I rücken dem Zaren die politische und finanzielle Unterstützung nicht abermals zu irgend einem der föderalisirenden ! Frankreichs vor, wofür höchstens ein Orden und Variationen Erperimente die Zuflucht nehmen werde. Der innere I über das Thema von Einvernehmen, Freundschaft und Sym- politische Zersetzungsproceß hat Fortschritte genug gemacht, I pachte geleistet würden. AuS all diesen Auslassungen ersieht um dies zu befürchten, und die großen imponirenden I man, daß Frankreich über die Kieler Vorgänge einstweilen Talente fehlen, welche daS deutsche Volk Oesterreichs seinen I viel schwatzt, weil eS noch nicht weiß, was es denke» soll, gewissenlosen Bethörern und dem stetig wachsenden klerikalen > nachdem die Hoffnung auf eine alles überstrahlende frau- Einslusse zu entreißen vermöchten. Die Jungtschechen I zösisch-russische VerbrüderungSscene zn Wasser geworden ist. kennen diesen Stand der Dinge genau, sie werden sich nicht I sträuben, von der Gunst des Augenblicks zu profitiren. Diese! DaS englische Cabinet scheint über hundert Psuud zu Perspective rollt die Frage auf: Wenn die Deutschen in I fallen. Der weiter unten erwähnte Antrag Brodrik ist zwar Oesterreich definitiv unterdrückt werden, wenn die Kleri-I nicht ernstlich gemeint, aber er ist formell gestellt und soll kalen herrschen, wer garantirt künftig die Alliance? I die Entscheidung bringen. Zu diesem Antrag hat aus I alle Fälle Gladstone's Absage an das Ministerium bei- Die franjiiflschtn Blätter veröffentlichen auögedebnte! getragen; sie hat ihn vielleicht gezeitigt, damit das Ministerium Feslberichte aus Kiel, die allesammt von der guten Aus-l ;e eher, je besser sich entscheide. Gladstone's Hand- nahme und den herzlichen Begrüßungen melden, die das! lung wird in England allgemein, auch von den Freunden französische Geschwader, daö freilich schon heute Nacht I der liberalen Sache, als der dem herrschenden Regime ver um 3 Uhr Kiel verließ, von den deutschen Kameraden und der I setzte Gnadenstoß betrachtet. Die Frage der Walliser Kirchen- Bevölkerung erfahren hat. Dabei wird betont, daß in Rendsburg l Kill, so wichtig ihre Bedeutung im Rahmen deS Regierungs- eine Capelle das französische Schiff mit der Marseillaise I Programms auch ist, hält man indessen nur für einen begrüßte; die Ossiciere grüßten, die Mannschaft schwieg. Die l von Gladsione gewählten Vorwand, um seine Verbindung „Agence Havas" meldete ausdrücklich, die französischen Ossi-1 mit einem Cabmet zu lösen, daS von den Erwartungen, eiere würden zwar zum Balle in der Marine-Akademie! welche das geistige Oberhaupt deS englischen Liberalismus dort gehen, aber nicht tanzen, wie das auch geschehe» ist. Der I aufsetzte, als es zum Antritte der politischen Erbschaft Glad- „Matin" berichtet: Admiral Menard habe ans dem Balle! stone's »erstattet wurde, so wenige und auch diese nur in so im Gespräch bemerkt: „Wir können die ausgezeichnete Be-1 unzulänglichem Maße erfüllt bat. Es scheint,als ob die Niederlage Handlung, die wir in Deutschland von der amtlichen Welt I des ministeriellen Candidaten bei der »eulichcn Ersatzwahl in wie vom Publicum erfahren, nur rühmen. Politik machen, I Jnverneßshire den Entschluß Gladstone's, die Entwickelung der ist nicht die Sache von Soldaten, wie wir eS sind. Unzu-1 Dinge zn beschleunigen, zur Reife gebracht habe. Seine gänzlich für gewisse Vorurtheile, dienen wir dem Lande I moralische Wirkung wird von einem conservativen Blatte höher unter allen Umständen, in die uns daS Geschick ver-1 als 50 Wahlniederlagen der Regierung eingeschätzt. Soviel setzt, sei es an der Ostseeküste oder in den entferntesten I ist jedenfalls sicher, daß das Cabinet gewissermaßen nur von Gewässern." — Von den großen und ernsten Blättern hatte I dem moralischen Capital gelebt hat, welches ihm Gladsione bisher nur der „Temps" der Rede des Kaisers in einem I in Gestalt seiner Protection vorstreckte, und daß seine wcsent- sachlichen und sehr höflichen Leitartikel gedacht; jetzt schreibt I lichsten Hilfsquellen in demselben Augenblick erschöpft sind, „Echo de Paris": Diese Erklärungen, die so kurz nach dem I wo Gladsione ihm die Freundschaft kündigt. Was spcciell mächtigen Erfolge des russisch-französisch-deutichen Ein-1 die Frage der wallisischen Kirckenentstaatlichung betrifft, welche Vernehmens im fernen Osten ertheilt werden , beweisen, I den bis an den Rand gefüllten Becher deS Gladsrone'schei, daß der deutsche Kaiser sich freut, die Engländer ihrer I Mißvergnügens zum Ueberfließen brachte, so liegt der schwache selbstsüchtigen Vereinzelung überlasten zu haben, um ein I Punct derselben in dem Zurückweichen deS CabinetS vor wahrhaft europäisches Vorgehen zu unterstützen. Kaiser I einer kleinen, aber desto lärmenderen Gruppe der wallisischen Wilhelm hat wie ein von den Vortheilen deS Friedens I Nonconformisten. Diese forderten für ihre Unterstützung der überzeugter Cäsar gesprochen. Andere mögen sich über den I Kirchenentstaatlichungsbill einen Preis, der mit dem. was sie »Ton seiner Rede wundern, uns mißfällt es nicht, daß rin' dafür zu bieten vermochten, außer allem Verhältnisse stand. Fenrlletoit. Haus Hardenberg. I4> Noman von Ernst von Waldow. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Gleich darauf aber machte sie sich Vorwürfe über ihre Lieblosigkeit, als der Kammerherr begann: „Ich habe in Dittmannsdorf recht genußreiche Stunden mit meinen Künstlern verlebt und auch einem Ihrer Wünsche Rechnung getragen, Cousinchen." „Wieso, — auf welche Weise siebe ich in Beziehung zu der Dittmannsdorfer Galerie und Ihren Malern?" fragte Wilhelmine erstaunt. „Gedenken Sie nicht mehr meiner prächtigen Copie von Tizian'S „Mariä erster Tcmpekgang"?" „O gewiß, wie könnte ick, diese vergessen, ich habe nicht bald Jemand einen Besitz so allen Ernste» beneidet, wie Sie um dies Bild des genialen VenetianerS." „Wohl denn, Sie werden mich nickit fürder beneiden, denn ich bringe Ihnen eine Copie dieser Copie, eine kleine Skizze mir, aber ganz prächtig gemacht." „Lassen Sie sehen, Cousin Kurt, ich bin außerordentlich gespannt." „Hat Ihr famoser Fritz Breitkops dies Meisterwerk ge malt?" fragte der Oberst, dem Bilder sehr gleichgiltig waren, da er durchaus nichts do» Malerei verstand. Der Kammerherr schüttelte mit dem Kopfe. „Nicht dock, Breitkopf ist Landschafter, die Skizze ist von der Hand einer interessanten Künstlerin." „Das macht sie doppelt anziehend", meinte Wilhelmine, wahrend Kurt »ach der Thür schritt und den Saal verließ, gleich darauf aber zurückkebrte, ein Bild in den Händen tragend, das ungefähr einen halben Meter hoch war und in einen einfachen Nahmen aus Ebenholz gefaßt war. Auf einem Pseilertische zwischen zwei Alabastervasen stellte darauf der Kammerherr sein Bild vorsichtig auf, eS in das rechte Licht rückend, die anderen folgten jeder seiner Bewegungen und traten dann neugierig näher. „Wunderschön!" sagte der Oberst, „die Alte da unten mit ihren Eiern gefällt mir, weil sie so natürlich ist." Wilhelmine blieb stumm in Anschauen versunken. „Gefällt cö Ihnen?" fragte Kurt. „Ja, es ist mit innigem Verständnis gemalt, wenn auch hier und da die Ausführung zu wünschen übrig läßt. Man sieht, daß eine Künstlerhand hier thätig gewesen." „Entschuldigt Kinder, mein Ordonnanz-Ofsicier erwartet mich", warf der Obrist hin, der fürchten mochte, daß nun eine lange Auseinandersetzung über Farben und Lichtrffecte und Ausjassnng und Freilichtmalerei u. s. w. folgen werde. Er kannte diese Disputationen über Kunst auS dem Thec- salon seiner Gemahlin und fürchtete sie wie daS Feuer. Wilhelmine war nun gar eine Enthusiastin, und jeder „Farbcnklexcr" erschien ihr ein begnadetes Genie — so sagte mindestens der Obrist in seinem Aerger, wenn die Tochter sich für irgend ein Bild begeistert halte und ihn stundenlang durch die Galerien schleppte. Als er jetzt de» Saal verließ, konnte daS junge Mädchen sich eines heiteren Lachens nicht enthalten. „Sie haben Papa in die Flucht geschlagen, Cousin, ihm ist nichts so schrecklich als Gespräche über die Kunst." „In dem Falle hätte mein verehrter Oheim ruhig hier bleiben können, denn ich wollte nicht von der Malerei sprechen." „Ach ja, Sie sagten ja, daß eS eine Dame sei, welche die Skizze gemacht, gehört sie auch zu Ihrer Künstlercolonie in Dittmannsdorf?" „Ja, Fräulein Klotilde Saalfeld ist eine ganz süperbe Acquisitio», ich verdanke diese bewährte Kraft meinem Jugend- gcspielcn, Fritz Breitkopf, sie ist seine Freundin und wohnt auch im Pfarrhause." „Nu», da wird der gute alte Prediger Wohl bald einen HerzenSbund einznsegnen haben. Das gefällt mir: ein Künstlerpaar." „Weit gefehlt, das arme Mädchen wird nie eine glückliche Braut werden." „Und warum nicht?" „Sie ist eine Betrogene — eine Verlassene richtiger gesagt." Wilhelmine batte sich auf einen Sessel, den sie vor daS Bild geschoben, niedergelassen und der Kammerherr in ihrer Näbe Play genommen. Er batte nie treuherziger auSgesehen, als er fortfuhr. „Grade meinen Onkel hätte die Sache interessiren müssen, da der Geliebte oder Verlobte der jungen Dame ein Officier seines Regiments ist." „So, das wird ja immer pikanter", meinte Wilhelmine, deren weibliche Neugierde erregt war, „nun, fahren Sie nur fort, Cousin, und machen Sie eS nicht wie die raffinirten Romanschreiber, die just bei der interessantesten Stelle ab- brrchen." Der Kammerherr schien allerdings diese Absicht zu haben, er blickte nachdenklich vor sich hin, und erst nach einer kleinen Panse sprach er: „Mir ist plötzlich ein Bedenken gekommen — erlaffen Sie mir den Schluß, Cousinchen." „Nein, ganz und gar nicht. Ich will den Namen deS Officiers wisse», der sich dieses Verrathes schuldig gemacht hat, denn jedenfalls kenne ich ihn." „Kein Zweifel!" „Also sprechen Sie, hoffentlich werden Sie sich einem so direkten Befehle von mir nicht widersetzen!" Wilhelmine lächelte schelmisch, sie war so gänzlich ahnungs los. daß etwas wie Verlegenheit die Zunge deS Kammerherrn lähmte, endlich stotterte er: „Und wenn es Ihnen eine Enttäuschung — einen Schmerz bereitete?" DaS junge Mädchen sab den Vetter mit großen er staunten Augen an, und dabei überschlich sie ein Gefühl wie die Vorahnung von etwas Unangenehmem, Widrigem, sie fragte aber sogleich gefaßt: „Mir? — waS habe ich mit der Herzensgeschichte Ihrer Malerin zu thun?" Kurt trat dicht zu ihr. „Wilhelmine, Sie wissen, daß ich Sie liebe. Cie haben leider meine tiefe, ernste Neigung nicht erwidert. Ich babe mich darein finden müssen, wie man sich eben in jede Noth- weudigkeit fügt: schlecht und recht. Eins aber giebt eS, in daS ich mich schwerer finde, und daS ist die Wahl, welche Sie getroffen. Dem besseren Manne wäre ich gewichen — dem unwürdigen gegenüber will ich auf Ihrer Seite bleiben, um Sie stets vor sich selbst zu schützen — sogar gegen Ihren Willen." Wilhelmine war sehr blaß geworden, sie sah dem Vetter fest ins Gesicht, sagte aber nur ein einziges Wort: „Weiter!" „Ich gehorche Ihnen, sehe ich doch, daß ich zu weit ge gangen bin, um noch umkehren zu können. Wohlan denn. Siegfried Erbach heißt der Officier, welcher Clotilde Saalseldt schmjjhlich verlassen, um Ihnen seine Huldigungen darzubringen/ „Sie sprechen von Ihrem Freunde", warf Wilhelmine spöttisch dazwischen. „Ein Nebenbuhler kann nie ein Freund werden." „Doch waren Sie es, der Lieutenant Erbach's Gesell schaft suchte, ich habe Gelegenheit gehabt, dies selbst zu be obachten." „Dazu batte ich meine Gründe, die in der Freundschaft für Sie basiren. Ich wollte den schönen verführerischen Officier kennen lernen, denn ich mißtraute ihm von An beginn. Der Zufall lehrte mich dann später ein Blatt aus dem LrbenSbuche dieses Adonis kennen, daS häßliche Flecken zeigt" Wilhelmine zuckte die Achseln, dann sprach sie kalt: „Sie sollten mich doch besser kennen. Ich bin weder ein kleines Bürgermädchen, noch eine sentimentale Romanheldin, die ihrem künftigen Gatten eine Gcneralbeichte aller Jugend sünden abnimmt oder das Schicksal einer sogenannten Ver lassenen beweint. In unserem Stande zumal haben die Männer eine reich bewegte Vergangenheit, daö ist ein Factum, mit dem wir Mädchen rechnen müssen — man ignorirt Da», was gewesen, ganz einfach. Ich sehe nun nickt ein, warum ich mich gerade für die Liaison interessiren soll, die Lieutenant v. Erbach mit Jbrcr Malerin gehabt, in seinem Leben werden ja noch andere Künstlerinnen eine Rolle gespielt haben." Der Kammerherr war unangenehm überrascht, er hatte sich denn doch die Wirkung seiner wohlangelegten Mine ver heerender gedacht. In, Geheimen verwünschte er die reali stische Richtung, welche die Erziehung der weiblichen Jugend genommen — keine hochgespannten Erwartungen, keine Schwärmerei — keine Enttäuschungen mehr, das war freilich sehr vernünftig, aber dock entsetzlich nüchtern. Trotzdem gab er die Partie nicht verloren, es galt, noch den letzten Trumpf auSzuspielen. „Sie werden vielleicht anders über die Sacke denken, Cousine, wenn Sie erfahren, daß eS sich um eine junge Dame von tadellosem Rufe und au- guter Familie handelt, deren Vater ein verdienter höherer Beamter war: Ober- rrgierungsrath Saalseldt. Clotilde ist eine Jugendfreundin Siegfried Erbach'», die Familien waren innig befreundet, die Kinder wuchsen sozu sagen zusammen aus. Kein Wunder, daß an- der zärtlichen Jugrndfreundsckaft Liebe wurde und Beide sich ihrem Gefühl überließen.
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