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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.07.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-07-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950702023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895070202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895070202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-07
- Tag1895-07-02
- Monat1895-07
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Sie * «kitzlig. 2. «Uli. ittch die in Berlin entdeckt und glück licherweise unschävlsch gemacht worden ist. beweist, ein ^aht nach Carnot'S Ermordung, daß di« Arbeit dunkler Mächte, welche durch Erregung von Furcht uNd Schrecken auf die Erreichung unbekannter Ziele hinwirkrn, Noch nicht ein- arschlafen ist. Allerdings ist es möglich, daß der Ver fertiger und Absender der Maschine weiter« Ziele als den Schrecken selbst nicht vor Augen hatte. Aber jedenfalls ist sein Bubenstück rin grauenhaftes Stück, das auf däS Vorhandensein der gefährlichsten Sitttnvrrwildr- rung hinweist. Wer Stunden und Tage an einen, Werk zeuge arbeitet, ähnlich dem Uhrwerke jene- VerstcherungS- schwindlers und Massenmörders Thomas, daS vor Jahren in Bremen zu früh exvlodirt ist, wer dem fertigen Werke noch eine teuflischboShafte Bezeichnung und eine höhnische Adresse verleiht, wer die entsetzliche Wirkung auf eine Menge Schuldloser nicht scheut, der hat die äußerste Stufe von Verworfenheit erreicht. Die Menschliche Gesellschaft ist aufs Neue gewarnt vor unheimlichen Gewalten in ihrem Schoßt. Wird aber diese Warnung bei un« etwas nützen? Vielleicht schreibt unter dem unmittelbaren Eindrücke der neuen Frevel- that da« eine oder da« andere „freisinnige" Blatt: „Das Attentat hat die öffentliche Meinung aufs Höchste erschreckt und mit Erbitterung gegen die Partei dtS gesellschaftlichen Umstürze« erfüllt", um nach eine», Monate zu schreiben: „DaS Attentat war die durchaus vereinzelte Handlung eine« unseligen Narren, nicht da« Ergebniß einer plan mäßigen anarchistischen Verschwörung; e« hat durch die Bestrafung de« Schuldigen ausreichende Ahndung gefunden." Die gewerbsmäßigen Verhetzer werden daS neue Opfer dieser Verhetzung als „unseligen Narren" von ihren Rockschößen abschütteln und ruhig in der Lobpreisung der „muthigen Erlöser deS geknechteten Proletariat»" fort fahren, und die „staatserhaltenden" Parteien werden sich streiten über die Frage, ob man solche „Kundgebungen der Ueberzeugung" überhaupt unter Strafe stellen dürfe und welche anderen Kundgebungen im bejahenden Falle gleichfalls unter Strafe gestellt werden müßten. Neben diesen Streitig keiten wird man die Höllenmaschine vergessen — bi« eine neue ihren Zweck erfüllt. Recht bezeichnend für die inner« Lage im Reiche ist der Ausfall der Reichstag«wähl im Wahlkreise K»lders-- KSSktn. Der Wahlkreis ist seit dem Bestehen des deutschen Reiches — mit Ausnahme der Jahre 1887—1890 — durch einen und denselben conservativen Abgeordneten, den frühern Landrath des KöSliner Kreises und Besitzer eiye« großen FideicommiffeS in demselben, Herrn v. Gerlach, vertreten gewesen. Bei allen Wahlen haben eS die gemäßigt-liberalen Parteien zu ansehnlichen Minder heiten gebracht; aber abgesehen von den SeptennatS- wahlen 1887, wo der im Kreise ansässige LandgerichtSrath Hildebrandt gewählt wurde, haben sie e« nie zu einer Mehr heit gebracht. Jetzt, nachdem die jüngste Wahl de« Herrn v. Gerlach vom Reichstag casstrt worden, haben die Conser vativen eine empfindliche Niederlage erlitten, denn an Stelle Gerlach'« ist mit Hilfe der Antisemiten von der Farbe Ahlwardt ein Mitglied der „judenliberalen" Freisinnigen Vereinigung gewählt worden, die durch diesen Zuwachs zur Fractton wird. In den „vorgeschrittenen" Antisemiten genießen die Conservativen eine felbstgrzogene Frucht und der „Kreuzztg." wird ihr Gedächtniß untreu, wenn sie behauptet, sie habe „diese Sorte von Antisemiten", also Ahlwardt und Genossen, von Hause aus richtig, da« heißt vom Standvuncte der conservativen Taktik aus richtig, be- urtheilt. Sie und ihre Parttiaeiiossen haben im Grgen- thell Herrn Ahlwardt jeglichen Vorschub geleistet, bi« er in seinem Schlachtrufe den Junker neben den Juden setzte. Ucbrigen« sind es die Antisemiten nicht allein, welche die Niederlage berbeigeführt haben; der Rückschlag gegen da« alle« Maß übersteigende demagogische Treiben, da« die preußischen Conversativeii sich haben zu Schulden kommen lassen, bat einen starken Antheil an de», Mißerfolge. Schließlich hätte aber auch der Verdruß über solch» Verhetzungen nicht ausgereicht, um Landwirthe zur Parteinahme für einen Gegner der Getreidezölle zu bestimmen, wenn das Ha,iprag!rat!dnömiltel der preußischen Conservativen, der Antrag Kanitz, nicht von einer großen Anzahl ländlicher Wähler in seinem wahren Charakter erkannt worden wärt. Wem, man dem Pauer einen festen hohen Getreidepreis verspricht und er glaubt an die Verheißung, dann drückt er Uber Manches, waS ihm sonst nicht gefällt, bi« Augen zu, wie andere Leute in ähnlichen ""allen auch. Aber der Glaube an den Antrag ist im rapiden schwinden begriffen. I^lalen Aeraoe Principien in die Kammer. DaS CrntralorgaN der „deutschen" Locialdcmokralie, der „Vorwärts", liebt eS nicht, aus die Wassens reu digkeit der Genoffen in Frankreich hmgewiesen zu werden, aber wir können eS ihm heute wieder einmal nicht ersparen. Der KrirgSlust athmendeN Rede MilleraNd's ist rasch das Duell Mirman's gefolgt, also — um mit dem „Vorwärts" zu reden — der Glorificirung der Maffen- schlächterei dir Anwendung der von „dieser" Gesellschaft sanctionirten Form des Einzelmordes, oder de« Versuchs dazu, durch einen Hauptträgrr deS Gedanken« der zukunfrs- staatlichen Gesittung. Wie konnte der „Vorwärts" sonst so tapfer über die „mittelalterliche Barbarei" schmähten, nament lich bei Gelegenheit der Umsturzvorlage und anläßlich eine« im Reichstage ausgesprochenen unbesonnenen Worte« de« Pastors Schall, und wie wurde Herr von Stumm iu der socialdemokratischen Presse mitgenommen! Noch gestern war der „Vorwärts" der Entrüstung voll Uber die Beförderung eines Beamten, der einen Zweikampf aus- gefochten, — und heute trägt Herr Mirman die im „ritter lichen Kampfe" verwundete Hand in der Binde! Auch dieser Vorfall ist kennzeichnend für die Socialdemokratie. Sie be kämpft daS Duell vor allen Dingen deshalb, weil »« dir von einer, wie sie sagt, bevorzugten Minderheit gewählte und auch nur dieserzugänglich« Form, Ehrenbändel auSzutragen, sei. Da« wird auch von nichtsocialdemokratischen Gegnern deSZweikampf« geltend gemacht und so viel ist auch gewiß richtig, daß diese Sitte mit der mechanischen Auffassung der socialen Gleichheit, wie sie der Demokratie aller Schattirungen rigenthümlich ist, sich nicht vereinbaren läßt. DaS Duell Mirman-Gadaud ist ein Schlag inS Gesicht der demokratischen Grundsätze und deshalb eine neuerliche Bestätigung der längst gemachten Beobachtung, daß die socialdemokratischen Führer sich Uber dir Masse», die sie m» Namen der absoluten Gleich heit beherrschen, erhaben dünken, daß sie zwischen dem, wa« ihnen, und dem, WaS dem „großen Haufen" zu steht, sehr Wohl unterscheiden. In Deutschland äußert sich das ander«, al« in Frankreich, aber r« äußert sich auch hier und in einer von dem eingrimpften GleichheitS- bcwußtsein oft hart empfundenen Weise. Der „Vorwärts" wird nun wahrscheinlich wieder sagen, Mirman habe sich auch noch nicht zu der vollen sociatistischen Erkenntniß durch» gerungen, aber Mirman ist so gut wie Millerand Abgeordneter und die deutschen Socialdemokraten werden doch nicht glauben machen wollen, ihre „zielbewußtea" französischen Genösse» Da« Handelsabkommen der Schweiz 'nUF"ll^ N „dw ö durchaus nicht in allen Kreisen der Schweiz Beist ü äußert man sich mit Shmpa. .. üb» ^ BmideSrath und der franzonschen Negieru neue Verhältnis E« st "r 5«nh°^ vertrag und provisorischer Bresche sich Einige, es sei der Schwei» zuerst g'U" S'n, ' zu legen in den autonomen franzo,,sch»n M>n m-Ila st Z m,d »in halbes Jahr hatte der Zollkrieg Mit Frank«,« g- dauert. Mit den, Abkommen können nur die KSsehanv er, vielleicht auch die Fabrikanten von Üb«", A Osischwriz acht so gut w.e leer au«. D.e ,^r cher VM hat zuerst Kritik am Abkommen geübt. DaS Blatt den wirthsAstlÄ die""Lös»ng MW Frankreich der Schweiz gewähre, beuge d>« Schweiz sich unte de» franrösischen Mmimaltarif, den man früher in der Schweiz ruiuö« genannt habe. Dir Schweiz raume Fraii- reich für seinen gewaltigen Berkchr die Mefftbegünsttgung gegen ein nur provisorische« Abkommen em. Auch die Ostschweiz" in St. Gallen verleiht ihrer Unzufrieden heit Ausdruck. Die „Neue Zürcher Zeitung" da^ü-nb-gru^ daS Abkommen, obschon sie weiß, „daß d„ w.rthschaftt.chen Errungenschaften für die Schweiz äußerst bescheiden au«° fallen" Sie schreibt: „Die Thatsache der Einigung an sich ist unS werthvoll und Ihre Bewerkstelligung r>t den leitenden Männern hüben und drüben hoch anzuschlagen. Die sran- rösische Regierung hat mit ihrer Handreichung vor Frank- reich und vor aller Welt Zeugniß davon abgelegt, daß wenigstens sie die Versicherungen freundschaftlicher Gesinnung gegenüber der Schweiz ernst meint, und der schweizerische BundeSrath seinerseits hat mit seiner Haltung und mit seinem Entgegenkommen bewiesen, daß er nicht nur die Ehr» und Würde des Lande« trefflich zu wahren versteht, sondern daß er auch den Strömungen Rechnung zu tragen weiß, dir leider in Frankreich noch so mächtig sind.' Der „Bund" bemerkt, Indem er da« Abkommen al« eine« Erfolg de» französischen Gesandten anerkennt: „WaS ua« betrifft, so freuen wir un« aufrichtig, daß ein freundschaftliche« Ueber- einkommrn erzielt wurde. Die großen allgemeinen Interessen bestehen für un- in gleicher Weise. DaS Urbere,»kommen selbst gewährt der Schweiz nicht dir Vortheilr, die wir gewünscht hatten. Ist daS Uebereinkommen auch nur rin Provisorium, so bedeutet r« doch einen Einbruch in die ver- hängnißvolle Schutzzollpolitik Frankreichs und kann einer Wendung rum Besseren Vorschub leisten." Wenn also auch die Schweiz der verlierende Thril ist, kann man doch annrhmen, daß die BunveS-Versammlung das Abkommen genehmigen wird, sobald die französischen Kammern e« ratisicirt haben. Vorerst bleibt nun abzuwarten waS die französischen Kammern mit dem Abkommen machen. Noch in frischer Erinnerung stehen die Scandalscrnen im italienischen Parlament,und doch werden di«„Enthüklungen" Cavallotti'S über die Orden-angelegenheit deS Herrn Cornelius Herz allem Anschein nach keinerlei politisch« Folgen haben. Auch erzeugen sie bei Weitem nickt di« Aufregung, wie im vergangenen December die Enthüllungen Giolitti'S. Die ehr- Zranc« erhalten, einen überzeugenden Beweis schuldig geblieben ,i während auf der andern Seit« die Vrrtheidiger Crispi'S in riesen Tagen klar und unzweideutig nachgewiesen haben, daß Lrispi jene 50 000 Frc«. am 34. März 188 t von Steinach ür professionelle Dienste erhalten habe. Reinach besaß in lkom für etwa 1t/, Millionen Lire an Grundstücken, an denen u einem Viertbeil der Mailänder Bankier Weill-Schott nteressirt war. Die Stadt Rom wünschte einen Theil dieser Grunostücke zu exprovriiren, und die Herren Reinach und Weill-Schott kamen Mitte März 1891 eigen« nach NoM, um Herr» Crispi, der seit Anfang Februar vom Ministrr- -rasidium zurückgetreten und wieder einfacher Advocat ge- vorden war, ru bitten, daß er die Wahrung ihrer Interesse» jbernehme. Bei dieser Gelegenheit Uquidirtr CriSpi seine Honorarsordrrungen auS früheren Jahren an Reinach und Weill-Schott in Hohr von bO 000 Frc«. Reinach beglich diese Forderung am 24. März 189l mit dem berühmten Check, nachdem er von den Herren Weill-Schott au« Mailand deren Antheil an CriSpi S Forderung erhalten hatte. Hiermit ist, „sonder« durch daS Zeugniß der Herren Weill-Schott, die Hrage über die Bestimmung jene- Check« völlig zu Gunsten Erispi'S gelost. Ts verbleiben nun noch dir „Dokumente", die sich Cavallotti au» Frankreich verschafft hat. Zu ihnen ist zunächst zu bemerken, daß sie bisher geheim gehalten wurden. Cavallotti kann von ihnen nur durch Per sonen Kenntniß erhalten haben, die auf dir französische Negierung den größten Einfluß ausübrn. Dies wirst auf seinen ganzen Feldzug rin eigrnthümlicheS Schlaglicht. Er würde in Frankreich sicherlich keine so offenen Thorr ge sunden baden, wenn e« sich nicht um die Verunglimpfung eine« Manne« gehandelt hätte, den man in Frankreich als dir Hauptstütze der italienischen Dreibundpolilik betrachtet. WaS nun die französischen „Dokumente" selber betrifft, so ist bekanntlich der Brief Reinach «, den M. Dupuy-DutrmpS gesehen hat, zur Sache belanglos, da der Brief nicht ab gegangen ist. Di« Notiz Reinach'« in seinem Berzeichniß der Summen, di« ihm angeblich von Herz erpreßt worden sind — 24. März 1891 (CriSpi) 50 000 Frc«. —, ist aber auch werthloS, da die französische parlamentarische UntersuchungS- commisston über den Panamascandal seinerzeit zu der Ueber- zeuguna gelangt ist, daß jenes Berzeichniß unglaubwürdig sei. Reinach habe r« augenscheinlich in der Absicht zusammen- gestrllt, die Summe«, di« Herz von ihm erpreßt hatte, mög lichst hoch anschwellen zu lassen. E« wurde daher von der Commisston beschlossen, da« Berzeichniß nicht zu veröffent lichen, und deshalb läßt sich nicht srststellen, ob eS die auf CriSpi bezügliche Notiz auch wirklich enthält oder ob sie nur in der Phantasie Cavallotti'« existirt. Aber wie dem auch sei» jedenfalls ist da« Berzeichniß nach dem Unheil der französischen UntersuchungScommission de« Panamacanals unglaubwürdig. Deutsche- Reich. -g- Lrttzttl, 2. Juli. Wie wir bereit« mittheilten, findet der Spionaaeproceß gegen Hanne vor dem Reichs gericht am 8. Juli statt. ES ist eine größere Anzahl Zeugen geladen. Die Anklage vertritt ReichSanwalt Schumann. 6. Ll. Berlin, 1. Juli. Ein recht merkwürdiger Proceß beschäftigte heute den Strafsenat deS Kammergerichts in der RevisionSinstaaz. In dem weltbekannt gewordenen Städtchen Lauten hatte nämlich der Stadtverordnete Rentner Oomrn im December v. I. die sämmtlichen übrigen Stadtverordneten mit Ausnahme eine« er- Haus Hardenberg. 22) Roman von Ernst von Maldow. Nachdruck verkotm. (Fortsetzung.) AuS alledem mögen Sie ermessen, daß die Sache für Sir sehr schlimm ende» dürfte, zumal Sie auch nicht einen Zeugen für Ihre Behauptung aufstellen können." „Da« gebe ich Alle« zu", versetzte Siegfried düster, „aber waS Hab« ich durch meine Flucht gewonnen? Die Feinde haben dann völlige Freiheit, ihre Aigen zu verbreiten und ich werde doch in vOLtumaviam verurtheilt. „Verzeihen Sie, lieber Erbach, da« erscheint mir denn doch nicht daffeloe. Ich wenigsten« würde stet« vorziehen, in vMais aufgehangt zu werden, anstatt den Galgen in Person zu zieren." Und da Siegfried nicht« darauf erwiderte, fuhr er fort: „DaS Schlimmste ist die Ehrenschuld, diese muß bezahlt, daS Geld zur Stelle geschafft werden, dann werde auch ich mein Möglichste« thun, auf den Obristrn einzuwirken. Schließlich kann e« diesem ja auch nicht lieb sei», wenn der Name Wilhelmine'« in die Sache verwickelt wird, denn wir müssen alle« ausbietrn, den Borfackl so darzustellen, wie er sich m Wirklichkeit zugetragen hat, und da kamen doch Dinge zur Sprache, die den Golze'S unmöglich angenehm sein könnten. Um Scandal zu vermeiden — und der würde unvermeivlich sein —, wird der Obrist alle« aufhktr», auch seine» Einfluß auf den Neffen. Sind Sie aber erst von der BildflLche verschwunden, dann würde auch der Karnmerhrrr grliridere Saite» auf- ziehen — Wenn er nämlich davon komm«» sollte —, schon Wilbrlmine's wegen. Wetzen Sie sich also schleunig dorthin am meinen Schreib tisch und verfassen Sie ein Urlaub-Gesuch, Sie können al« Grund dazu den ernsten ÄuSgaug Ihre« Ehrenhandel« mit dem Aammerhrrrn anführen. Wenn Sie fertig sind, dann fahren Sie mit de« Vbend- zuae der Niederschlestschen Bahn nach Frankfurt — bitte, lassen Sie mich vollenden —, also nach FranHurt a. d. Oder, denn jedenfalls werden Sie sich zuerst nach Breslau, zu Ihrer Fran Schwester begeben?" „Ich dachte an Hamburg — an Amerika, wenn mir doch einmal kein andere« Loo« beschiedrn ist, als vagabondirend durch vie Welt zu ziehen, drüben bin ich mindestens nicht gekannt." „Nein, Freund, daS Ware unvorsichtig. Wir muffen alle Möglichkeiten in Betracht ziehen, auch diejenige, daß man Sie verfolgt. Glauben Sie mir, es ist nicht so leicht, zu Schifft un beobachtet von Hamburg ober Bremen sortzukommrn, weil solche große Hasenplätze am meisten von der Polizei über wacht werden. Weit sicherer Verfolgung sind Sie, wenn Sie nach Wien gehen, von da vie Tour aus der Donau mit einem Handels schiffe machen, sich in Pest aufhalten und sich schließlich dem Orient zuwrnden. Ich würde Ihnen besonders rathen «ach Rumänien zu aehen, da ich Überzeugt hm, daß König Karl einen deutsche» LandSmann, der zudem preußischer Officier ist, gütig auf- nrhmen wird. Nur gebietet e« dir Vorsicht, daß Sie von Berlin au« nicht in einer Tour fahren. So zwar: daß Sir heute mit dem um 11 Uhr abgebendrn Zuge nach Frankfurt gehen, dort übernachten und morgen in der Frühe mit einem Localzuae «ach Sorau oder Sommer feld fahren, von einer dieser Stationen nehmen Sie erst «in Billet nach Breslau. Sie kommen dort argen 7 Uhr an und e« wäre am besten, e« so einzurichten, daß Sie mit dem Schnellzuge nach Wien weiter fahren und sich die Nacht nicht bei Ihren Verwandten aufhalten^ weil e« so nahe liegt. Sie dort auszusuchrn." „Gewiß", stimmte Siegfried bei. „Im übrigen will ich auch nur meine Schwester sehen, um Abschied von ihr zu nehmen und sie zu bitten, Onkel Dietrich zu bestimmen, die« unselige Geld zu beschaffe« — e« soll da« letzt« sei«, Wa ich von ihm begehre." „Ja, diese« Geld", meinte Soltrndorff sorgenvoll, „da« hat mir schon viel Kopfzerbrechen gemacht. Weiß Gott, wenn ich e« hatte oder gleich beschaffen könnte, ich lieh« es Ihnen von Herzen gern. Aber zweitausend Thaler find« man nicht auf der Straße — Die sind auch wirklich etwa« stark ins Zeug gegangen, lieber Erbach!" „Es ist wahr", murmelte der junae Officier, de« Kopf »it der Ha«d stützend, „ich Hab« g«haad«lt wi« rm Irr sinniger — mein LebenSglück auf eine Kart« gesetzt und — verloren!" „Nun nun, nehmen Sie daS nicht so tragisch und lassen Sie den Muth nicht sinken. E« kann ja noch Alles gut werden. Dieser vierschrötig« Bursche, der Kammerhrrr bat eine gute Natur, er kann davonkommen und noch eine Weile mit halber Lunge leben. Dann wäre immerhin viel gewonnen. Wir man große Summen im Spiel verlieren und vor Eifersucht und Entrüstung halb unsinnig werden kann, so zwar, daß man auf einem improvisirten Duell besteht — da« Alle« versteh« ,ch, aber eine« ist mir unfaßbar, und Sir dürfen mir da- nicht Übel nehmen, lieber Erbach, wenn ich mich so un umwunden äußere — wie Evelleut« einen Ehrenbandel in der Manier von rauflustiaen HandwerkSburschrn, mit den Fäusten. auSkämpsen können. Man sieht eben, da« der Zorn blind macht." „Das ist leider wahr. Er provocirte mich durch seine Ablehnung de« Duell«, seine feige Flucht. Aber ich will mich nicht besser machen als ich bin und gesteh« gern zu, daß ich einen fast thi,rischen Durst nach seinem Blut« halte, der erst gestillt ward, als ich ihn so wachsbleich mit den verglasten Augen vor mir liegen sah, Hemd und Kleider von Blut gervthet. Wir leicht di, Grenze zwischen Mensch und Bestie über- schritten wird und wir schmal sie ist, da« kann unser Eigen- dünkrl sich in normalen Lrbrn-vrrhältnissen nur schwer vorstellen. „Der Mensch ist de« Menschen Wolf" — ein wahrere« Wort ,st ni« gesprochen worden. Aber «vch einmal: lasten wir da- und beschäftigen wir un« m,t dem Nächstliegenden. Warum wollen Sie sich nicht lieber Ihrem Schwager anvrrtrauen und diesen um Hilfe angehen?" ^ ' Hen« Hardenberg ganz fremd gegenüber und glaube, baß diese Antipathie gegenseitig ist." n - ^Ee 'hn für einen sehr an ständigen Mann." ' ^ : »m Allgemeinen das Beste von ihm, glaube jedoch, daß er d„s,n besonderen Fall von seinem Standpunkte sals<-.benrthrilrn würde. Er ist ein trockener Ge schaftSmann, kalt, gemessen, völlig leidenschaftslos." „Möglich, dak S,« «echt habe«. Aber wird der Haupt mann über «ne so große Summe verfügen können?" ^ ^ verschaffen, wenn «ale-ka leibst wn anffvrdert, e« zu than; e« müßte ein« Hypothek auf die M«„r.. ausgenommen werden. In diesem außerordentlichen Falle, wo di« Familienehr« auf dem Spiele steht, wird Onkel Dietrich nicht zögern, ein Opfer zu bringen. Ich selbst wollte ihm noch von hier au« schreiben, doch ehrlich gesagt, fehlt mir der Muth dazu — ich werde Dale-ka bitten, ihm Alles mitzutheilen." „Gut, ich bin überzeugt, da« Ihre Frau Schwester Alles nur Mögliche thun wird, um Ihnen in dieser verzweifelten Lage beizustehen. Sind Sie mit Geld versehen?" „Ich danke, ich habe ein paar FriedrichSd'or zu mir gesteckt, das reicht völlig aus. um nach BreSlau zu kommen, dort wird ValeSka mir die Mittel zur Weiterrreisr beschaffen können." „Sonst stehe auch ich Ihnen mit Vergnügen zu Diensten, daS wissen Sie ja, so weit meine Kräfte dies erlauben, und die sind in der vergangenen Nacht sehr geschwächt worden. Dieser kleine Schadow hatte fabelhaftes Glück. Deinoisellc Fanchon sagte mir einst: ich möge mir ein Horn von Corallc kaufen und e« unbemerkt bei mir tragen, wenn ich an dcn Spieltisch gehr, da« soll Glück bringen und sogar gut sein gegen den bösen Blick. Haben Sie je etwa« Dümmere« gehört?" Siegfried batte dir« jedenfalls nicht, denn er schüttelte nur mit dem Kopfe. Eine zunehmende Mattigkeit bemächtigte sich seiner. Nach der furchtbaren Anspannung seiner Nerven kam jetzt eine Niedergeschlagenheit über ihn, daß er kaum eine« eigenen, klaren Gedankens fähig war. ES war völlig dunkel geworden, Johann hatte längst die Lampen in die kleinen Zimmer gebracht und im Speise zimmer da- Ga« entzündet. „Wir haben noch Zeit", sagte Soltrndorff, „schreiben Sie jetzt Ihre Briefe, ordnen Sie Ihre Angelegenheiten und treffen Sie Ihre Dispositionen, WaS Ihre Wohnung, Ihre Sachen betrifft. Ich werde mit Vergnügen jede« Ihrer Auf träge ausführen und indessen Sie schreiben, mich mit der Toilettenfrage beschäftigen. Ja, mein Bester, sehen Sie «ich nicht so erstaunt au, S,e müssen vor alle» Dinge« auderr, paffend« Kl«idrr haben. 3a Ihrer Uniform können Si« doch unmöglich bleiben." Girgsried schauerte zusammen. Der Gedanke, de« König« Rock auSjuziehrn, den er bi« jetzt mit Ehren getragen, war »hm anfänglich ganz unfaßbar. si^^Muß es den« sein?" murmelte «r wie fragend vor Soltrndorff achtet« in seinem Eifer gar nicht auf da
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