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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.08.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-08-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950801023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895080102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895080102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-08
- Tag1895-08-01
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Die überängstliche« oder überkritischen Geister, die durch die Abwesenheit de» deutschen Botschafters am Wiener Hofe von seinem Posten sich beunruhigt fühlten oder ru fühlen wenigstens behaupteten, könnten nunmehr ruhig schlafen, denn Graf Eulendurg ist auf seinen Posten zuruckgekrhrt, und hat, um zu beweisen, daß diese Rückkehr nickt im Feuer lag, vorher auf seinem Gute Lievenberg in der Mark Privat angelegenheiten erledigt. Aber schon sind andere Züchter von BeunrubigungSbacillen am Werke, um die Besorgten oder Besorgniß Vergebenden nicht zur Ruhe kommen zu lassen. Dies mal ist r- das Organ de» Bunde« der Landwirtve, das für neue GemüthSbewrgung sorgt, und zwar durch die Entdeckung eines Rang- und Etikettenstreite» zwischen dem deutschen Reichskanzler und dem österreichischen Minister des Auswärtigen. Die Thatsache, daß Gra^ GoluchowSki seinen beabsichtigten Besuch beim Fürsten Hohenlohe in Aussee nicht auSgesührt bat, wurde bekanntlich damit erklärt, daß der Fürst, als der Graf seinen Besuch in Aufsee an kündigte, sich auf der Jagd befunden habe und nicht mehr rechtzeitig Hab« zurückberufen werden können. Der „D. TageSztg." zufolge steckt aber hinter der Nichlaus- sührung jenes Besuche« etwa« Anderes, minder Harmloses. DaS Blatt läßt sich nämlich auS Wien schreiben: Aus bestunterrichteten Kreisen erfahre ich folgende Darlegung deS Sachverhalts: Als Fürst Hohenlohe nach Ausser kam, schrieb der üstrrrrichijche Minister de- Auswärtige» an ihn, daß er sich freuen würde, mit ihm eine Zusammenkunft haben zu können, worauf der deutsche Reichskanzler antwortete, daß er den Besuch des Grafen GoluchowSki in Auffer erwarte. Gras GoluchowSki schrieb nun zurück, daß er einem Besuche de- Fürsten Hohenlohe in Wien entgegensetze. Auf dieses Schreiben antwortete Fürst Hohenlohe nicht. Bei seinem Aufenthalt iu Ischl beim Kaiser Franz Josef kam die Angelegenheit zur Sprache, und Graf GoluchowSki ließ sich nunmehr, nachdem er «ine Audienz beim Kaiser gehabt halte, in Aussee bei dem deutsche» Reichskanzler anmelden. Dieser soll sich jedoch „auf einer Jagdpartie befunden haben". Die» der wahre Sachverhalt. Ueber da» Verhalten de- österreichischen Ministers des Auswärtigen ist man iu Wien erstaunt. Abgesehen davon, daß er im Lienstalter viel jünger ist als Fürst Hohenlohe, ist es auch ein starke» Stück, diesem bei seinem Alter eine Reise nach Wien zuzumuthen, während der bedeutend jüngere Gras GoluchowSki von Ischl noch Aussee nur eine kurze Fahrt hatte. Die „D. TageSztg." giebt diese Zuschrift allerdings „mit allem Vorbehalt- wieder und erwartet Aufklärung, aber sie giebt die Darlegung doch Wied« und bekundet durch ihr Verlangen nach Aufklärung, daß sie eine derartige Mit teilung für glaubhaft genug hält, um ein officielle» Dementi zu bedürfen. ES mag >a auch Leute geben, die in die Ge pflogenheiten des diplomatischen Verkehrs nicht genügend eingeweiht sind, um zu glauben, daß der Wiener Gewährs mann der „D. TageSztg." wirklich den „wahren Sachverhalt" enthüllt habe. Aber ein Blatt wie dieses sollte doch füglich wissen, daß kaum irgend etwas mit peinlicherer Genauigkeit geregelt ist. als der diplomatische Verkehr. Hätte Graf GoluchowSki wirklich gegen diese Regeln verstoßen, so würde Fürst Hohenlohe gewiß die rechte Form gesunden haben, den Herrn Grafen zu belehren und damit den tleiuen Zwischen fall auS der Welt zu schaffen. Einer Anrufung des Kaisers Franz Josef und einer Einwirkung von seiner Seite auf den Grafen GoluchowSki hätte es sicherlich nicht bedurft. Eines officiellen oder auch nur ossiciösen Dementis der „Ent hüllung" bedarf es also nicht. UebrigenS dürften die Be- unruhigungSbacillen-Züchter, grradewennsie an die Darstellung der „D. TageSztg." glaubten, ihre Häupter deS Abends mit besonderer Ruhe auf die Kissen legen. Hätten Fürst Hohen lohe und Graf GoluchowSki wirklich eine Unterredung von der vorherigen Lösung einer kleiulichen Rang- und Etiketten- frage abhängig gemacht, so wäre dies der schlagendste Be weis dafür, daß sie über wichtige oder gar brennende poli tische Fragen sich nicht zu verständigen brauchten. Von derselben Seite, die kürzlich zu melden wußte, der neue preußische Justizminister «Schönstedt sei von dem Entwürfe zur Abänderung der Strafprocetzordnung, der in der letzten Session deS Reichstags unerledigt geblieben ist, von vornherein nicht entzückt gewesen und werde deshalb darauf hinwirken, daß mit einer Abänderung des Straf verfahrens so lange gewartet werde, bis die Verhältnisse eine einheitliche Durchsicht und Umbildung deS ganzen Gesetzes gestatteten, — von derselben Seite wird jetzt versichert — und die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" bestätigt es —, daß Herr Schönstedt eine Wiedervorlegung des in Rede stehenden Entwurfs für unbedingt nothwendig erachte und daß „voraussichtlich" der Entwurf in unveränderter Gestalt wieder an den Reichstag gelangen werde. Ganz fest steht also die unveränderte Wiedereinbringung noch nicht. DaS kann auch nicht sein, da Herr Schönstedt nicht allein zu entscheiden bat und der BundeSrath aus den Berathungen der Commission, die so lange mit der Vorlage sich beschäftigt hat, wahrscheinlich Anlaß zu der Frage nehmen wird, ob es sich nicht empfehlen dürfte, in der nächsten Session mit einem ab geänderten Entwürfe bervorzutreten. UebrigenS kann das Gefallen des Herrn Schönstedt an dem Entwürfe ein großes nicht gewesen sein, sonst hätte er ihn in der Commission energischer vertheidigen lasten. An der unveränderten Wieder vorlegung ist ihm also jedenfalls weniger gelegen, als jetzt im Gegensätze zu früheren Behauptungen versichert wird. Dem Erlaß, welcher die Ausfuhr von Waffen und Munition nach Abessiuicu über die Grenzen unserer ost afrikanischen Besitzungen untersagt hatte, ist bekanntlich ein für daS aesammte deutsche Reich geltendes Ausfuhrverbot gefolgt. ES handelt sich dabei offenbar um einen Freund schaftsdienst gegenüber Italien, besten Beziehungen zu dem äthiopischen König Menelik sich so ungünstig gestaltet haben, daß kriegerische Verwicklungen nahezu unver meidlich erscheinen. Offenbar ist Menelik von russischen und französischen Rathaebern zur Auflehnung gegen das durch den Vertrag von Ucialli statuirte italienische Protecto- rat angereizt worden, und wenn auch die amtlichen Kreise in Petersburg und Paris sich nachdrücklich gegen die Annahme verwahren, baß auch sie bei diesen Treibereien die Hand irgendwie im Spiele hätten, so ist doch die überaus freundliche Aufnahme, welche die vielgenannte abessiniscke Ge sandtschaft am russischen Hofe und bei den russischen Staats männern gefunden hat, zum Mindesten wenig geeignet, dem Größenwahn, welchem der NeguS Regest sich hingiebt — beißt eS doch, daß er nach Vertreibung der Italiener aus Ostafrika einen Zug nach Konstantinopel zur „Befreiung" der heiligen Stadt vom türkischen Joche plane —, irgendwie Ab bruch zu thun. Auch die französische Regierung hat eS bisher unterlassen, denjenigen Persönlichkeiten, die am Hofe Menelik's den Glauben zu erwecken suchen, daß Frankreich seinen anti italienischen Bestrebungen sympathisch gegenüberstehe, irgend wie Einhalt zu thun und den NeguS selbst eines Besseren zu belehren. „Aus Afrika, wie auS dem Orient kann der erste Funke kommen, der einen europäischen Krieg entzündet", be merkte Ministerpräsident CriSpi in der Montagssitzung der italienischen Kammer. Di, A°w-„-d.i.Si" des Königs Leopold II. wird m> inner- lischen CabinetS SalrSbury > i > Diese Ver- sich ingutem Einvernehmen m.t den Engländern zu balten g-juch^ namentlich seit ibm daS den Franzosen bewlU.gte Vorkau Sr ckt auf den Congostaat recht unbequem geworden war f l anderen Seite brauchte Großbritannien HF- »er Belg am oberen Nil. Schon Lord SaliSbury gestattete vor enva vier Jabren, daß Belgien seine Truppen bis zum Nst rücken liek- später entstanden allerdings Zwistigkeiten daran , da die Belgier weiter in die Aequotorial-Provinz vorgegangen waren, als in London für gut best»,den wurde. Das nach folgenve Cabinet Rose dery schloß aber mit Belgien den viel ' vinrin Enaland die Aequa- et-Woa,al an ocn Congostaat verpachtete..... ^ , Ostafrika angrenzenden Gebiete des CongostaateS Pach tele Auf den Einspruch Deutschlandö wurde die l^'erkBestlMMUNg aufgehoben; Frankreich aber führte eine Aufbebung fast deö ganzen übrigen Vertrages herbei. Nur daS Eme blieb be- stehen, daß den Belgiern der Zugang zum oberen Nil, also m die ehemalige Aequatorialprovinz, erhalten blieb. Die Thatsache. daß Frankreich einen solchen Vertrag umstoßen konnte, und daß England den belgischen Bestrebungen nicht den ge ringsten Schutz bot oder zu bieten vermochte, brachte einen Umjchwung in der belgischen Afrikapolitik bcrvor. Anstatt in London suchte man von Bristsel auö Hilse ,n Paris. In Paris fand man Entgegenkommen, wie die später abgeschlossenen Verträge beweisen; auch sind von französischer Seite schon Versuche gemacht worden, um die Belgier zu überzeugen, daß sie gleich den Franzosen ein Interesse daran hätten, daß der obere Nil neutralisirt werde. Darin liegt wieder ein Versuch, die egyptijche Frage in Fluß zu bringen. Dem englischen Ml- nisterium kann es nicht gleichgillig bleiben, wie sich Belgien in dieser Frage verhält. Großbritannien braucht in Zeinen Plänen bezüglich des Sudans die Unterstützung der Belgier am oberen Nil nickt minder, wie diejenige der Italiener am mittleren Nil, in dem eigentlichen egyp- tischen Sudan. Hiernach erscheint es, wie die ,Fr. Ztg." auS- führt, glaubhaft, daß Stanley neben seinen persönlichen An liegen auch noch die Aufgabe übernommen haben kann, ein freundschaftliches Verhältnis der Brüsseler Negierung rum Cabinet Salisbury herzustellcn. König Leopold II. steht seit 17—18 Jahren mit Stanley in nahen Beziehungen; der Afrikaforscher wäre daher wohl die geeignetste Person, um einen solchen Versuch mit einiger Aussicht auf Erfolg zu machen, zumal wenn er, um unbefangen zu erscheinen, sein dienstliches Verhältnis zu König Leopold lost. Dies soll er in der That beabsichtigen oder, mit der Motivirung, daß seine Stellung als Mitglied des englischen Parlaments ihm ver biete, im Dienste eine- fremden Staates zu stehen, bereits ausgeführt haben. Vertragsmäßig war Stanley für den Dienst im Congostaat bis 1900 verpflichtet. In Frankreich haben die Socialdemokraten bei den GeneralrathSwahlen, ähnlich wie die englische Arbeiterpartei bei den Unterbauswahlen, schlechte Geschäfte gemacht. Von ihren parlamentarischen Candidaten ist bis jetzt nur einer definitiv durchgegangen. Neben ihm finden wir dann freilich noch elf Sterne zweiter Größe, d. h. solche BezirkSräthe, die nicht gleichzeitig im Parlament sitzen, also so gut wie keine politische Bedeutung haben: alle übrigen jedoch, und unter ihnen gerade die bekanntesten, um nicht zu sagen hervor ragendsten socialistischen Führer, sind geschlagen oder müssen 'ich Stichwahlen unterziehen. Wenn man nach den Ursachen orscht, welche diese allgemeine Schlappe dcS streitbaren Socia- iSmuS herbeigefübrt haben, so erkennt man, daß neben den vielfachen und theilweise sehr tiefgehenden principiellen Spal tungen, von denen der französische SocialiSmuS zerrissen ist — ,n manchen Wahlkreisen standen sich drei und selbst vier Vertreter der verschiedenen revolutionären Schulen gegenüber — hauptsäck lich die sich nach und nach immer breiteren Volks- chichten Bahn brechende Einsicht gewirkt bat, daß die socialistische Partei keineswegs den reinen und allein gesunden Kern in dem mehr und mehr wurmstichig werdenden republikanischen Gehäuse darstellt. Obne Zweifel hat sich ein großer Tbcil der Wähler an die bodenlose Mißwirthschaft erinnert, die in Saint-DeniS, Saint-Ouen, Roubaix und anderen Gemeinden eingerissen ist, seit sich die Socialrevolutionaire daselbst der comiiiunalen Verwaltung bemächtigt haben. Das Gros der ändlichen Bevölkerung hält treu zu den Männern seines Ver trauen« und hütet sich, seine Stimme Leuten zuzuwenden, die das Privateigenthum an Grund und Boden, niwt minder wie an be weglichem Besitz aufheben wollen, um ihre eigenen Taschen damit zu füllen. Mit dem Uebergang der ländlichen Reservearmee zu den Fahnen der Socialdemokratie, wovon der „Vorwärts" seinen Lesern vorzuphantasireu liebt, hat eS in Frankreich — und wohl aucb noch anderswo — einstweilen seine guten Wege. Dieser Mißerfolg der französischen Socialdemokratie bei den GeneralrathSwahlen ist jedenfalls ein beacktcns- werthes Zeichen der Zeit, daS auch für diesseitige Politiker manchen lehrreichen Wink enthält. Papst Leo XIH. verfolgt mit zäher Energie und uner müdlicher Rastlosigkeit seinen Lieblinasplan, eine Ver einigung der orientalischen Kirchen mit der römisch-katholischen anzubahnen. So hat er nun mehr die Befugnisse der CardinalScommission für die orien talischen Kirchen endgiltig festgesetzt: danach soll dieser auS sechs Cardinälen bestehende Ausschuß einen autonomen und ständigen Charakter und die Vollmacht erhalten, alle ans die Vereinigung bezüglichen Fragen selbstständig zu prüfen und zu entscheiden. Gleichzeitig wurde bestimmt, daß die Commission ihre Sitzungen, wie bisher, stets in Anwesenheit deS Papstes halten wird. In der Commission vom 16. Juli har der Papst ferner seine Beschlüsse über die in Konstantinopel zur Förderung der Vereinigung der Kirchen zu errichtenden Seminare und über die Auswahl der dahin zu entsendenden Lehrkräfte mit- aetbeilt. Danach sollen französische Assumptionisten, die im Orient auf dem gleichen Gebiete schon vielfach thätig waren, mit der Leitung der in Stambul und Kadiköi bestehenden Pfarren deS griechischen Ritus und der dazu gehörigen Schulen betraut werden, in welch' letzteren sie in griechischer Sprache den Unterricht in den Gymnasialfächern ertheilen werden. Die Entscheidung deS Papstes, daß dieses wichtige Amt französischen Missionaren anvertraut werden soll, wird als ein Zugeständniß an Frankreich auf- gefaßt , daS beim Vatican, in der Befürchtung, daß durch die Tbeilnabme orientalischer Patriarchen, wie beispielsweise desjenigen der Melchiten, Msgr. Jussuf, an dem Vereinigungswerke seine alten ProtectoratSrechte über die katholische Kirche im Orient leiden könnten, Vor stellungen nach dieser Richtung erboben batte. Als Gegen leistung hat bekanntlich die französische Regierung gestattet, daß die Lyoner Gesellschaft zur Verbreitung des Glaubens zur geplanten Errichtung einer theologischen Hochschule in Kyiistaiitiuopel einen namhaften Betrag beisteuere. ISj Fenttletsn. Das verlorene Paradies. Roman von Anton Freiherr von Perfall. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Der Rubin in der Kuppel des maurischen CabinetS, der das märchenhafte Licht auSströmte, war gemeines Fensterglas. Der Gobelin war auS groben, von MakowSky übermalten Rupfen. Die massiven Schwerter, die Rüstungen und Schilder waren aus kunstvoll bronzirtem GipS oder Pappe, die alten Meister Copieen. MakowSky machte nicht den geringsten Hehl daraus. Echte derartige Kostbarkeiten kann der albernste Geldprotz sich ver schaffen, aber a»S dem Nichts, auS Lappen und Trödel das alles hervorzuzaubern, dazu gehört künstlerische Phantasie. Es gelang iym jedoch nicht, sie völlig darüber zu beruhigen. Die vornehme Gediegenheit der Heimath wirkte noch zu sehr in ihr nach. Paul arbeitete trotz seines scheinbaren Gleichmut-» wie im Fieber; abgesehen von seiner persönlichen Genußsucht, litt sein Eigendünkel, sein Künstlerstolz entsetzlich, in solcher Blöße dazustehen vor der verwöhnten Aristokratin. Er wollte ihr ja im Gege,itheil zeigen, daS all' der reiche Besitz ihrer Familie, der Ruhm eines ebrwürdiaen NamenS rin Bettel sei gegen die Schatze, die in seinem Pinsel ruhten, gegen Künstlerruhm. Er wollte damit nicht täuschen, nicht lügen, er glaubte selbst daran mit leeren Taschen. Kitty war in wenig Monden zum Weib erblüht, die in Folge jugendlicher Abhärtung etwa» zu strengen Formen hatten in jäher Leidenschaft die letzte Vollendung erbalten. Um den frischen, edelgeschwungenen, nie ganz verschlossenen Mund, mit den etwas sinnlichen Lippe», legte sich jener geheimnißvolle Zug, von dem schwer zu errathen, ob er dem Schmerz oder der Wollust entstammt. Auf ihren Wangen verglomm eben der letzte Schimmer der gesunden Färbung, welche Landleben und Sport ihr verliehen hatten. In dem großen blauen Auge, auS dem einst da» sinnliche Behagen «me» Kinde» blickte, flackerten jetzt unstäte Lichter. MakowSky trieb Götzendienst mit ihrer Schönheit, er konnte sich nicht satt sehen daran. Er bewunderte sie in unzähligen Beleuchtungen und Stellungen, drapirt« und probirte wie an einem Modell. Es war ein dumpfes, schweigendes Betrachten, das, so sehr es ihr auch schmeichelte, doch wieder etwa» Ver letzendes an sich hatte. Erst wenn er dann in plötzlich be geisterter Wallung »ach dem Pinsel griff und die Sitzung begann, wich dieses schmerzliche Gefübl einem unendlich be seligenden, fast traumhaften. Oft saß sie ihm Stunden lang, ohne daß ein Wort fiel. Nur dann und wann näherte er sich leise, wie um sie nicht zu wecken, verzog eine Falte deS Ge wandes, oder rückte sanft das Haupt, den Arm. DaS waren die glücklichsten Zeiten. Irgend etwa« Große», Gewaltiges mußte daraus erstehen, ein Werk, das ihn über Alles erheben, an das Ziel führen mußte. Davon war sie durchdrungen, wenn sie auch nicht begriff, wozu die verworrenen Skizzen dienen sollten, die immer wieder sie zum Gegenstand hatten, während eine große Leinwand, die er schon vor Wochen auf spannen ließ, immer noch gespenstig weiß im Atelier stand. Fragte sie ihn um seine Pläne, so gab er unbestimmte Antworten. Er müsse sich erst selbst wieder zu fassen beginnen, in Stimmung versetzen, er trachte nach etwa«, das in ihr sich ihm offenbaren müsse. Darum durchwühle er förmlich ihr ganzes Wesen. Oder er wie« sie gereizt ab, sie solle ihn nicht stören, sie begreife seinen Zustand doch nicht, — dieses qual volle Ringen I DaS kränkte sie dann am meisten, dieses Ausgeschlossenwerden auS seinem JdeenkreiS, und die Ahnung stieg in ihr auf, der reinen Aeußerlichkeit deS Cultus, den er mit ihr trieb. Wenn er sie am Ende gerade so malte, so studirte wie alle jene verachteten Mädchen, die ihn zu seinen Nymphen, Genien und Heldinnen um Lohn gesessen, nur als Sache, als Form? Wenn er die Geliebte darüber vergäße? Wenn nicht die Begeisterung, die Liebe den Pinsel führte, sondern nur daö Interesse deS Künstler»? Ein kalter Schauer durchrieselte sie bei diesem Gedanken. Eine» Tage» kam Arabella gerade zu ungelegener Zeit. Ein Bild, welches MakowSky an eine Ausstellung gesandt, kam unverkauft zurück, zugleich meldeten sich dringend« Forderungen. Paul war auf's Höchste erregt und wie immer in diesen Fällen nicht sehr rücksichtsvoll. Er machte zum ersten Male die Bemerkung, Kitty habe da» Unglück in da» Hau» ge bracht. Kitty brach in Thranen aus. MakowSky tobte, sich selbst und seine Aeußerung verfluchend, im Zimmer umher. Seine Nerven seien so überreizt, da» müsse sie begreifen lernen. Dann stürzte er ihr »u Fußen, bat um Verzeihung »nd endete mit einer glühenden Liebeserklärung. In diesem Augenblick wurde Arabella vom Dienstmädchen zemelvet. Kitty lies sie inS Atelier führen, um sich zu sammeln. Sie kam wohl als Spionin, vom Vater gesandt. Natürlich, die Kunstreiterin war ihm gut genug, ihr Gatte nicht. Dieser Gedanke empörte sie von Neuem gegen den Vater. Oder hatte sie am Ende von ihrer mißlichen Lage erfahren und kam sie aus Mitleid? DaS wäre noch schöner! Sie empfing dieselbe mit einer herablassenden Freundlich keit. Doch die von Herzen kommende Innigkeit, mit welcher Arabella ihr entgegenkam, allen häßliche» Verdacht zerstreuend, ihre naive Bewunderung des kostbaren Ateliers stimmte Kitty rasch versöhnlicher. Im Grunde genommen hatte sie ia eine unbändige Freude über den Besuch und tausend Fragen schwebten auf ihren Lippen. Gierig athmete sie daS ihr so wohlbekannte Parfüm L Ia Jokey ein, dessen Duft jetzt da« Atelier füllte und gewaltsam verdrängte Bilder heraufbeschwor. . Sie erfuhr zu ihrer Genugthunng, daß Arabella mit Vals m keinerlei Beziehung stehe, daß sie sich darüber aber gar keine Sorge mache, sondern glücklich und zufrieden mit ihrem Georg ,n Sittenfeld lebe. Daun folgte eine breite behagliche Schilderung ihre« Leben«, welche Kitty lebhaft erregte und zu trüben Vergleichen veranlaßte. Von Jagden und Ritten, aber auch von ihren Bestrebungen als GutSherrin, von dem „eilen Bergwerksobject Franz von PrcchtingS, für das sie sich, bisher leider ohne Erfolg, lebhaft interrsstre. DaS alt-, genußfrohe, frische Leben, das sie einst in so vollen Zügen genossen, lag wieder voll Sonnenschein vor Kitty. ja, Arabella schien «S sogar zu verstehen, dasselbe mit ernsten Bestrebungen harmonisch zu verbinden. Sie sprach ja wie ein Bergmann. Franz war wohl ihr Lehrmeister, er half ihr wohl zu dem Paradiese, vaS sie einst zusammen geträumt. Es war kein Neid, der in ihr aufstieg, aber bittere» Weh — Heimweh! Doch dazu war jetzt keine Zeit, jetzt war eS an ihr, ihr Glück zu schildern! Da« war allerdings schwieriger Arabella gegenüber, die davon wen.g verstand. Sie zeigte ihr vor Allem die gefälschten Sehenswürdigkeiten: das maurische Zimmer, die Grotte. Aber Arabella prüfte sofort alles auf seine Echtheit und erklärte dann unumwunden, da« sei ihr Geschmack nicht. Sie müsse ersticken m dieser athemnebmenden Fülle. Dann griff sie nach den unzähligen Skizzen und Bildern, in welcher Paul Ne verewigt. Daraus mußte sie doch sehen, wie er sie anb.tet. Arabella bemerkte nur, daß diese« ewige Sitzen unk abguckenlassen ibr Tod wäre." Dann Ln oie .nts.tzUch?» Fragen, warum Sie kein Reitpferd halte, wie sie den Cp1>r" denn gänzlich entbehren könne, nach ihrer Wohnung, ihrer Gesellschaft. Kitty war glücklich, als sie, ermüdet, angeekelt von all den öligen, all dem Heucheln, wieder allein war. So lange sie in diesen Verhältnissen lebte, war eine Anknüpfung an die Ber- zangenheit, nach der Sie sich im Gebeimen sehnte, eine Unmög lichkeit, die Quelle unzähliger Berlegeuhciten, Erniedrigungen. Diese wird sich ihr aber immer wieder aufdrängen. Arabella wollte wiederkommen. Sie hatte sogar um die Erlaubniß gebeten, Georg mitzubringen. Franz wird kommen — der Vater über kurz over lang eine Anknüpfung suchen, dann muß die Lüge ihrer Existenz offenkundig sein, wenn nicht bis dahin etwas geschehen. Es war die Pflicht ihres Gatten, sie davor zu bewahren. Es kam zu erregten Auftritten. Die ersten gegenseitigen Vorwürfe wurden laut. Er: „Du wirst nie begreifen, was künstlerisch schaffen heißt! Du hemmst durch die kleinlichen Sorgen den Flug meiner Phantasie! Du bist und bleibst eben Kitty!" Sie: „Du darfst mich nicht dem Gespötte der Leute preis geben I Du darfst nicht dulden, daß meine Familie recht behält, wenn sie unsere Ehe verurtbeilt!" — Dann wieder, selbst erschreckt von der innersten Kälte ihrer Vorwürfe: „Du bist ein großer Meister, Allen über, wenn Du nur willst. Wenn Du Dich nur ausraffst zur Arbeit, Dich nicht ganz verlierst in Träumen." Unzählige Male nahm er einen verzweifelten Anlauf. Doch was er heute entwarf, löschte er morgen wieder aus. ES war ein entsetzliches Ringen, und was daS Schlimmste war, die Idee setzte sich in ihm fest, daß mit Kitty sein guter Genius gewichen. Er war zu sehr in den Bann der Sinne gerathen. So erklärte er sich S. DaS Unbewußte verschloß ihm seine Tbore. Daran war die gröbere Atmosphäre seine» WeibeS schuld, die ihn völlig umschloß. Er behalf sich mit dem Verkaufe kleiner Skizzen, deren Herstellung ihn noch mehr von einer großen Idee ablenkte. Selbst seine Be wunderer machten bedenkliche Mienen zu diesem völligen Ver siegen seiner Produktivität. ^ Da kam eS plötzlich über ihn, wie immer auS seiner Stimmung heran«: eine weite phantastische Landschaft mit frenidartiacn Wäldern. Wiesen mit leuchtenven Blumen, von Silberflüssen durchzogen, auf welchen eine Heerde Schweine As'det. Die Sonne geht unter — Alle« in Purpur und Violett getaucht. Er selbst sieht von einer öden, mit Dornen und Gestrüpp bewachsenen Höhe hinab aus da- verklärt«
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