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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.08.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-08-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950828024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895082802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895082802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- unvollständig: S. 6066/6067 fehlen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-08
- Tag1895-08-28
- Monat1895-08
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Grünere Schristen laut unserem Preis« Verzeichnis. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höhere.« Tarif. Extra--Beilagen (gesalzt), nur mit der Morien-Ausgabe, ohne Postbesördernng 60.—, mit Postbefvrderung 70.--. Annalimeschluk für Änzeigkn: (nur Wochentags) Akend-AnSgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4Uhr. Bet den Filialen und Annahmestellen je »ine halbe Stunde früher. Nrittiaen lind stets an di« Erpedtrion zu richten. Druck ttnd Verlag von E. Polz in Leipzig. F« 415. Mittwoch den 28. August 1895. 89. Jahrgang. Die Organisation des Handwerks. Endlich gelangen aus authentischer Quelle Mittbeilungen über die Handwcrkerconferenz in die Oeffentlichkeit. Ober meister Förster, der die Verhandlungen leitete, giebt die Vorschläge bekannt, die vom preußischen Handelsmini sterium der Eonferenz gemacht worden sind, während er die Veröffentlichung deS Verhandlungsprotokolls und die in der Versammlung vorgenommeuen Aenderungen für den Anfang deS nächsten MonatS ankündigt. Danach bildeten den Gegenstand der Berathung: die Grundzüge für eine Zwangsorganisation desHandwerkS und eine Rege lung deS Lehrlingöwese nö und der Entwurf eines Ge setzes, betreffend die Errichtung von Handwerkerkammern. Der Inhalt der Grundzüge ist im Wesentlichen folgender: Innungen sollen nur für gleiche oder verwandte Ge werbe gebildet und ihre Bezirke so begrenzt werden, daß keinem Handwerker die Theilnahme durch die Entfernung seines Wohnorts vom Sitze der Innung zu sehr erschwert wird. Bestehende Innungen sind in diesem Sinne umzu gestalten. Innungen desselben Handwerks innerhalb eines Bezirkes sind zu einer Innung zu vereinigen. Mitglieder der Innung werden kraft des Gesetzes die selbstständigen Handwerker sein, die der Regel nach Gesellen oder Lehrlinge beschäftigen; dagegen werden Hand werker, die der Regel nach ohne Hilfskräfte arbeiten, sowie die in Großbetrieben beschäftigten Werkmeister zum Beitritt berechtigt sein. Handwerker, die in ihrem Betriebe niedrere Handwerke vereinigen, gehören der Innung des hauptsächlichsten Betriebszweiges an. Die Verfassung der Innung, ihre innere Verwaltung und Geschäftsordnung wird durch Statut geregelt, das die höhere Verwaltungsbehörde erläßt. Organe der Innung sind der Vorstand und die Innungsversammlung. Der Beschlußfassung der letzteren bleiben mindestens Vorbehalten: Walst des Vorstandes und der Ausschüsse, Feststellung des Etats rc. und Statutenänderungen. In der Innungs- Versammlung ist stimmberechtigt, wer daS 25. Lebensjahr vollendet hat und seit mindestens einem Jahre im Bezirke der Handwerkskammer ein der Innung anzehörendes stehendes Gewerbe betreibt. In den Vorstand können nur Personen gewählt werden, die das dreißigste Lebensjahr voll endet haben. Den Innungen fallen als obligatorische Aufgaben neben den im ß. 87 der Gewerbeordnung verzeich- ucten zu: der Erlaß von Vorschriften, betreffend die Aus- öildung und Verwendung der Lehrlinge und die Bildung von Ausschüssen für Gesellenprüfungen. Bei jeder Innung wird ein Gesellenausschuß er« richtet. Das active Wahlrecht besitzen Gesellen im Alter von wenigstens 21 Jahren, die drei Monate im Handwerkskammer- bezirk beschäftigt sind, daS passive Gesellen im Alter von 25 Jahren nach halbjähriger Beschäftigung im Innungsbezirk. Der Ausschuß wirkt mit bei der Abnahme von Gesellen prüfungen, sowie bei der Begründung und Verwaltung von Einrichtungen, für die die Gesellen Beiträge bezahlen oder Mühe waltungen übernehmen oder die zu ihrer Unterstützung be stimmt sind. Bei der Beschlußfassung der Innung über solche Angelegenheiten ist seinen Mitgliedern ein Dritttbeil der Stimmen einzuräumen. Bei der Abnahme der Gesellen prüfung, Entscheidung von Streitigkeiten zwischen Innungs mitgliedern und Gesellen und bei der Verwaltung von Ein richtungen, für die die Gesellen Aufwendungen machen, hat der Ausschuß die Hälfte der Stimmen. Die Kosten der Innung, einschließlich derjenigen des GcsellenausschnssrS, sind von den Innungsmitgliedern nach Maßgabe der Gewerbesteuer aufzubringen. Die Innungen sind der Aufsicht der Handwerkerkammer unterstellt. In den einzelnen Bezirken der Handwerkerkammern werden Innungsausschüsse errichtet. Mitglieder sind: Vertreter der Innungen innerhalb des Bezirkes und Vertreter der Handwerker, welche einer Innung angebören würden, wenn eine solche im Bezirke für sie bestände. Aufgaben der Innungsausschüsse sind: Mitwirkung an den Obliegenheiten der Handwerkskammer, Wahrnehmung der Rechte und Pflichten für die einer Innung nicht angehorenden Handwerker und Mitwirkung bei der Durchführung der den Arbeiterschutz be treffenden Bestimmungen. Bei jedem Innungsausschuß wird ein GesellenauS- schuß mit den Rechten der Gesellenausschüsse der Innungen errichtet. Die Kosten des Innungsausschusses einschließlich derjenigen seines Gesellenausschusses sind von den Mitgliedern der In nungen und den zugehörigen einzelnen Handwerkern aufzu- bringcn. Für jede Provinz oder Theile einer solchen sollen auf Grund eines von der oberen Verwaltungsbehörde zu erlassenden Statutes Handwerkerkammern errichtet werden, deren Mitglieder von den Innungsausschüssen aus ihrer Mitte gewählt werden. Von der Gesammtzayl fällt den Innungen des Bezirkes mindestens die Hälfte zu. Ähre Aufgaben sind in der Hauptsache Aufsicht über die Innung und Innungs ausschüsse, Beaufsichtigung des Lehrlingswesens, Erstattung von Berichten und Abgabe von Gutachten über gewerbliche Fragen auf Erfordern der Behörden. Bei jedem Innungsausschusse kann und bei jeder Hand werkerkammer muß ein behördlicher Commissar bestellt werden, der die Rechte eines Mitgliedes hat. Derselbe kann die Beschlüsse mit aufschiebender Wirkung beanstanden. Ueber die Beanstandung entscheidet die höhere Verwaltungsbehörde. Auch bei der Handwerkerkammer soll ein Ge seilen auSsch uß gebildet werden. Die Kosten der Handwerkerkammer und ihres Gesellenausschusses sind von den Innungsausschüffen ihres Bezirkes nach Maßgabe ihres Gewerbesteuersolls auf zubringen. Die Innungen, Innungsausschüsse und Handwerker kammern sollen Corporationsrechte haben und ihre Aemter Ehrenämter sein. Die Vorschläge für die Regelung des Lehrlings- Wesens decken sich in allen wesentlichen Punkten mit den früher veröffentlichten und' sind im Einzelnen wie folgt »irBefugniß, Lehrlinge zu halten ober auzuleiten, steht Personen, die sich nicht im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte de- finden, nicht zu. Die Befugniß zur Anleitung von Lehrlingen steht nur denjenigen Personen zu, die 1) das 24. Lebensjahr vollendet und 2) entweder: a. in dem Handwerk, in dem die Aus- biidung der Lehrlinge erfolgen soll, oder in einem gleichartigen Fabrikbetriebe eine ordnungsmäßige Lehrzeit zurückgelegt und im Anschlüsse daran eine Gesellenprüfung und Meisterübergangs, zeit bestanden haben oder d. das Handwerk, in dem sie Lehrlinge anleiten wollen, fünf Jahre hindurch selbstständig betrieben haben. Dem selbstständigen Betriebe des Handwerks wird die Leitung des Betriebes oder eines Betriebszweiges in einer Fabrik gleich, geachtet. Die ordnungsmäßige Lehrzeit soll nicht unter drei und nicht über fünf Jahre dauern. Der Lehrvertrag ist schriftlich ab- zufassen und aus Verlangen in einem Exemplar der Innung zur Einsicht vorzulegen. Nichtbefolgung dieser Verpflichtung ist strafbar. Die Gesellenprüfung erfolgt: a. bei Lehrlingen der Innung durch die Innung, b. bei Lehrlingen, deren Lehrmeister einer Innung nicht angehürt, durch den von dem Jnnungsau«jchuß bestellten Prüfungsausschuß. Der Prüfung bat ein staatlicher Commissar beizuwohnen, der den Beschluß der PrüfungScommission mit auf- schiebender Wirkung beanstanden kann. Ueber die Beanstandung entscheidet die Handwerkerkammer. Die Prüfung hat sich aus den Nachweis zu beschränken, daß der Prüfling eingehende Kenntniß der im fraglichen H°"ö"erk allgemei^ über Handgriffe besitzt, diese nnt genügend Rohstoffe unter- das Wesen »nd den Werth der zu ver , »n» Nriisungs» jchtet ist. Wird di- Prüfung nicht bestand n.s° b°t dt- P u'ung commijsion gleichzeitig den L.itr--umzub.s.mm.n. vor Vesten nur sühttn" wenn er eine Gesellen- und eine Me.st-rvrüfung emes ke°r"Len LLLb-hL ASS der Befähigung zur selbstständigen Ausübung der gewöhnlich vor kommenden Arbeiten des Handwerks oder vandwerkszweiges u aus da- Barhandensein der zum selbstständigen B-tneb- des Hand- Werks nothwendigen gewerblichen Kenntnisse (Buch- und R-chnungs sührung) erstrecken. Die unbefugte Führung des Meistertitel» i,i ^°D°er Entwurf des Gesetzes, betreffend die Handwerker- kammern, geht von ver Absicht auS, dem Han - werk zunächst eine allgemeine Vertretung m der Form von Handwerkerkammern zu verschaffen. Diese Kammern sollen die Staats- und Gemeindebehörden ,n der Forderung des Handwerk« durch thatsächliche Mltthellung-n und Er- stattung von Gutachten unterstützen, sowie Wunsche und An träge über Fragen des Handwerks berathen und den Be hörden vorlegen. Der Charakter der Kammern .st als ein lediglich provisorischer gedacht, und ihre Einrichtung wurde hinfällig werden, wenn man schon in nächster Zeit zu einer definitiven Organisation de« Handwerks gelangen sollte. Die aus ver Einrichtung und Thätigkeit der Handwerker kammern erwachsenden Kosten sollen die Gemeinden des Bezirks nach Verhältniß der Zahl der den Gemeindebezirken angcbörigen selbstständigen Handwerksbetriebe tragen. Aus Beschluß des BundesratheS soll die Errichtung von Hand- Werkerkammern für solche Bezirke unterbleiben können, wo durch andere Einrichtungen (Gewerbekammern, Handels und Gewerbekammern) bereits für eine ausreichende Ver tretung der allgemeinen Interessen des Handwerks gesorgt ist. Mehrere Bundesstaaten sollen sich zur Errichtung einer gemeinsamen Handwerkerkammer vereinigen können. Politische Tagesschau. * Leipzig, 28. August. Die „Nordd. Allg. Ztg." giebt abermals, wie schon drahtlich gemeldet, der liefen Empörung über die freche und unfläthige Weise Ausdruck, in der die socialdemokra- ttsche Presse aus Anlaß der Erinnerungsfeiern an 1870 das deutsche Volk herausfordert. Wir brauchen nicht zu wiederholen, daß diese Empfindungen die unsrigen sind, und wären der Ausgabe enthoben, unS mit den Aus lassungen des osficiösen Organs zu beschäftigen, wenn dieses dem Ausdruck seiner Entrüstung nicht den Ruf folgen ließe, dem vaterlandslosen und vaterlandschändenden Gebühren der Socialdemokratie ein nahes Ziel zu setzen. DaS Blatt schreibt: „Die bestehende Gesetzgebung bietet leider keine Handhabe, diesem schamlosen Treiben entgegenzutreten, leider kein Mittel, die frechsten Beleidigungen des Heimgegangenen Heldenkaijers zu ahnden. Das ist ein Zustand, der nicht andauern kann. Zahlreich erheben sich die Stimmen, die fordern und mit Recht fordern, daß diesen Ausschreitungen energisch Halt geboten werde. Fehlen der Regierung zur Zeit die gesetzlichen Mittel, so erwächst ihr die dringende Pflicht, sich an die ge setz, gebenden Körperschaften zu wenden. Das Gezeter einer Presse, die diese Art von Hilfsmitteln für ihren Kamps nicht ent- behren zu können vermeint, darf sie davon nicht abhalten. Weite Kreise aller Parteien, die vas Recht freier Meinungsäußerung in ehrlichem, anständigem Kampfe zwar gewahrt wissen, solches Recht aber nicht in zügelloser, jedem Anstand Hohn sprechender Weise aus- gebeutet sehen wollen, werden uns darin beipflichten und ihre Mit wirkung zur Beseitigung solches, die Ehre und das Ansehen der deutschen Nation schädigenden Treibens nicht versagen. Es wird Zeit, zu zeigen, daß das deutsche Volk sich seine nationalen Gedenk- tage durch die Flegeleien soctalistischer Fcderhelden nicht verkümmern, das Andenken seiner großen Männer nicht ungestraft besudeln lassen will. — „Nichtswürdig ist die Nation, die nicht ihr Alles freudig setzt an ihre Ehre!"" Wir unterdrücken alle Bitterkeit, die in der Erinnerung an den neuen Curs in uns aufsteigen will, jene Politik, welche „alle Parteien als nationale" behandelt und dem gemäß den revolutiouairen Uebermutl, wie die Ohnmacht, ihm entgegenzutreten, gezeitigt hat. Aber wir können und dürfen unseren Erfahrungen nicht Schweigen gebieten, und diese sagen uns, daß die Hoffnung des Regierungs blattes, weite Kreise aller Parteien, das will doch sagen: hinreichend weite Kreise aller bürgerlichen Parteien, würden zur Zeit zu einer gesetzgeberischen Abhilfe die Hand bieten, eine ei tele ist. Erst gestern hat ein die Gedanken der freisinnigen Vereinigung, also einer den natio nalen Parteien am nächsten stehenden Gruppe, vertretendes Blatt, daS seinerseits die Erinnerung an das große Jahr mit vielem Eifer pflegt, das Verhalten der Socialdemokratie aus deren republikanischer Gesinnung heraus erklärt und entschuldigt. Von anderen Parteien der Mehrheit vom 23. März zu schweigen. Des Weiteren aber erachten wir die der Regierung erwachsene Pflicht von der „Nordd. Allg. Ztg." für zu eng umschrieben. Es genügt nicht, „sich an die gesetz gebenden Körperschaften zu wenden". Um zu einem Ziele zu gelangen, müßte die Regierung gewillt und im Stande sein, die Nation so zu führen, daß sie sich der nationalen Nothwendigkeiten bewußt werde. Und in dieser Richtung ist unser Vertrauen ebenso schwach, wie dasjenige, das wir auf dir Mehrheitsparteien setzen. Wer sich erinnert, wie die der klar gestellten Aufgabe entsprechenden Maßnahmen in Angriff genommen wurden, wie man dieselben lässig und schwächlich vertrat-»und sie schließlich in etwas fundamental Andere«, dem ins Auge gefaßten Zweck noch weniger Dien liche« umwandeln ließ, der verzweifelt an einem Erfolg unter den gegenwärtigen Regierungsverhältnissen. Und iiisBlaue hinein möchten wir gerade in dieserZeit weihevollerErinnerungen ein en erregten Streit nicht entstehen lassen. Wenn die Gewähr- gegeben ist, daß die Regierung zu dem Ziele, auf das sie hindeutet, hin führen will, wenn sic die tauglichen Elemente sammelt, statt die untauglichen zu umschmeicheln, wenn ver nünftigerweise gehofft werden darf, daß die Regierung einen Willen nach jeder Seile hin besitzt und geltend zu machen die Kraft hat, dann wollen wir wieder über die Anregung der „Nordd. Allgem. Ztg." reden. Aber an Anläufen haben Wir genug. „Mein Herz ist in Frankreich!" Nach dieser Melodie tanzen die Lnrcmburger Stadtpotentaten in amtlicher wie nichtamtlicher Eigenschaft. Schon vor einigen Jahren hatte einer der Führer der frankophilen Majorität der Stadt verwaltung beim Ranziger Turnfest aus der Schule geschwatzt und in einem Trinkspruche von den schönen Zeiten gefabelt, wo Frankreich außer Elsaß-Lothringen auch Luxemburg in seinen Schoß ausgenommen haben werde. Der Bürger- Feiiilleton. Den neuesten großen Roman des beliebten und be kannten Roman- und Militairschr^ftstellers Carl Tanera, „Schwere Kampfe" Roman aus dem großen Kriege (1870/71) haben wir für dos Feuilleton unseres Blatte- erworben und wir werden mit der Veröffentlichung am bevor- stehenden Sedantage beginnen. In der Fabrik. 6j Erzählung von W. v. d. Mühle. Nachdruck vrriottn. (Fortsetzung.) Der Gescholtene lächelte überlegen. „Ihr Zorn, äh! kann mir nur schmeichelhaft sein; es ist eine bekannte Tbat- sache, daß die jungen Mädchen dann zornig werden, wenn sie ihre Liebe verbergen wollen." Sie sah ihn einen Moment mit großen Augen an und brach dann in ein schallendes Gelächter aus. „Sind Sie denn ganz und gar unklug? Ich wüßte doch wahrhaftig nickt, womit ich Ihnen je Grund zu solcher Ein bildung gegeben bätte. So, und nun lassen Sie mich ge fälligst mal vorbei." Aber auch er erhob sich, und trotzdem eS in ihm kocht« vor Aerzer über ihr beleidigendes Gelächter, zeigte er doch noch immer dieselbe süßlächclnde Miene. „Wer hier vorbei will, muß Lösegcld zahlen", und er versuchte, seinen Arm uni ihre Taille zu legen; aber im gleichen Augenblick fühlte er sich von hinten am Kragen gr- ackt und so energisch geschüttelt, daß ihm jede Lust zu weiteren iebkosungen verging und er einen kläglichen Hülseruf auSstieß. „Du infamer Zierbengel", erscholl Karl HagemeistrrS Stimme, „wie kannst Du Dich unterstehen, ein junges Mädchen so zu belästigen." „Sie, Sie", stöhnte der Uebersallene, „wie können Sie eS wagen, mich anzufassen? Ich werde mich bei Ihrem Principal über Sie beklagen." „Ach wat, dumm Tug", lachte der junge Schmied, un willkürlich in sein geliebte« Platt verfallend, „nimm Di nix vör, denn slriht Di nix fehl. Ick hew Di all so oft de Jack utkloppt, dat ward Di hüt ok keen Schaden dauhn. Und nu, rut ut de Dör." Mit der einen Hand öffnete er die Tbür, mit der andern schob er den sich nur noch schwach Wehrenden hinaus. Draußen stand sein Vater und lachte, er hatte die kräftige Stimme seines Sohnes draußen vernommen und begriff sofort den Zusammenhang. „Kiek eenS, Mosjö FlapS Wat hebben'S denn nu weder utfreten! Ick hew Se dat ja ümmer seggt, bliewen's dem Korl von'm Liw!" FlapS stand bebend vor Wuth draußen auf der Haus treppe; er drehte sich noch einmal um und drohte mit der Faust. „DaS werd' ich Ihnen eintränken." Dann stürmte er auf die Straße hinunter und war so in Eile, daß er plötzlich mit einem Herrn scharf zusammenprallte. Dabei sahen sie sich ins Gesicht und stießen «inen Ruf der Ueber« raschung aus. „FlapS Stengel!" „Mansche! Levison!" Keinem schien die Begegnung sonderlich angenehm, vielleicht kam es auch von der vertraulichen Bezeichnung: jedenfalls zögerten sie einen Augenblick, ehe einer von ihnen weiter sprach. Der kleine geschmeidige Agent faßte sich zuerst und nahm die Miene eines Mannes an, der sich über nichts wundert. „Also, Sie sind wieder bier in Hamburg? Hätte ick mir auch nicht träumen lassen. Aber was sagte ich noch heute zu meiner Frau?" „Rebekka", sagt' ich, „die Welt ist klein; waS sich finden soll, das findet sich." „Sie meinen also Wohl, daß unser Zusammenlausen hier vorher bestimmt war?" „Nu, wer kann's wissen, man muß die Welt nehmen, wie sie ist. Es findet sich noch allemal ein Häkchen, wo man seinen Strick anbinden kann. Ich will Sie aber nicht länger aufbalten, ich will hinaus zu Herrn Paulsen. Paulsen Com pagnie, wissen Sie, große Maschinenfabrik, und der sieht es nicht gern, wenn man ihn im Mittagessen stört." FlapS wurde plötzlich hellhörig. „Haben Sie häufiger mit dem Hause zu tbun?" „Nu, was heißt häufig? Wenn er ein Geschäft zu macken bat, wo er braucht einen Agenten, da nimmt er mich, aber wie sie so sind, diese Herren, am liebsten wollen sie Alles allein machen, daß ihnen man Keiner hineinsiebt in ihren Kram." nach seiner Uhr und schüttelte den Kopf. „Sie werden jetzt doch zu spät kommen", meinte Steng dem es gelungen war, seinem Gesicht wieder den gewöhnlich blasirten Eindruck zu geben. „Wenn Sie Zeit übrig Hab« können wir ja da drüben in das Restaurant gehen und e GlaS auf daS Wiedersehen leeren." Sie saßen schon eine Weile an einem der kleinen eisern Tische und noch immer bewegte sich ihr Gespräch in a gemeinen Redensarten. Beide kannten sich von der Schc her und eine eigentbümliche Art von Freundschaft hatte früher verbunden; jeder hatte die Schlauheit und den C schäftSsinn des Andern zu schätzen, aber auch zu fürchten c wußt; Beide hatten sich früh auf das Schachern gelegt u' waren bei allerlei kleinen Händeln ebenso oft Compagno wie Rivalen gewesen. Jetzt wußte keiner recht, auf welchem Fuß er sich n dem Andern stellen sollte. Stengel war höflich, aber zurü haltend, Levison überfließend herzlich und gesprächig. Dabei schien er einen bestimmten Zweck im Auge zu Hab, Schon verschiedene Male hatte er versucht, sein auf dessen vergangene« Leben in den letzten Jahren zu bring, jedoch nur ziemlich reservirte Antworten erbalten. Endl fragte er geradezu: „Sagen Sie mal Stengel, Sie müss die Firma doch auch genauer kennen, waren Sie nicht drüb für Paulsen tbätig?" Ein schneller, scharfer Blick streifte ihn, doch der klei Agent zeigte ein so freundliche« unbefangenes Gesicht d auch der aufmerksamste Beobachter keinen Hintergedanken seiiien Worten gesucht hätte; aber FlapS kannte den alt Kameraden und nahm sich vor, mit jedem seiner Worte je doppelt auf der Hut zu sein. „Ich war allerdings längere Zeit drüben im Paulsen'sch Geschäft thatig, habe eS aber vorgezogen, hier jetzt mei eigenen Wege zu gehen." „Dann können Sie auch wohl ein Lied von der Bock keit des Principal« singen." „Wüßte nicht, inwiefern!" „Na, alter Freund, kommen Sie nur heraus mit l »ch,°?»°usÄg-uch °,l »,w,j „DaS kann ich nicht behaupten." Levison fing an. die Geduld zu verlieren. „Na. wenn Ihnen ,st gegangen so gut, da werden Si, wohl ordentl schwimmen im Fett und brauchen Ihre alten Freunde nicht mehr." „Wollten Sie mir vielleicht Ihre Hülfe anbieten?" „Was heißt Hülfe? Sind Sie gekommen zu mir wegen Hülfe? Ich dring' Niemand meine Hülfe auf, aber wenn Sie machen wollten ein Geschäft, nu, warum hätten wir es nicht zusammen machen sollen, mack' ich doch lieber das Ge schäft mit einem alten Bekannten als mit Fremden." „Wenn Sie so reden, finden Sie bei mir ein offenes Obr. Kommen Sie nur heraus mit Ihren Vorschlägen, sie brennen Ihnen ja doch schon auf der Zunge." Damit schob er seinen Stuhl näher an den Tisch heran. Levison trommelte erst eine Weile mit den Fingern auf der Platte, dann beugte er sich vor und fragte halblaut: „Kommen Sie noch häufig dort in der Fabrik?" „In der Fabrik habe ich nichts zu suchen, aber ich ver kehre in der Familie." „Speel Di man jo ni np", würde Karl Hagemcister gesagt haben. Levison dachte etwas AebnlickeS; laut jedoch erwiderte er: „Nu, das wird thun dieselben Dienste. Sehen Sie, ick will klar reden- ich bab' da einen Auftrag, einerlei von wem, daß ich dem Paulsen ein Patent abkaufen soll; aber wenn ich komm zu ihm mit der Geschichte, da hat er immer grad' große Bohnen gegessen; hier der Tisch könnte nicht Hart höriger sein. WaS nun der erste Ingenieur ist, der thut, als hätten sie alle Säcke voll Geld, aber ich trau' dem Kerl nicht. Sie müssen'« ja wissen, Stengel, bat der Alle wirklich so viel Geld für die Fabrik drüben bekommen? Ist er damit auS allen Verlegenheiten heraus, die ihn die letzten Jahre gepeinigt haben?" „Da fragen Sie mich mehr, als ich sagen kann; ick weiß nur, daß der Bruder noch kurz vor seinem Tode einen be deutenden Wechsel herübergesandt hat." „Gesandt haben soll, meinen Sie wohl?" „Wieso?" „Na, wenn er denn jetzt so reichlich Geld hat,-warum baut er denn nicht? So lange haben Sie davon geredet, daß die Fabrik vergrößert werden soll, jetzt mit einem Mal ist Alles still, Ueberbaupt der Tod von dem jungen Herrn war doch eigentlich eine recht eigentbümliche Geschickte. Wenn das schöne amerikanische Geld da man nicht mit- begraben ist. An der Börse conrsirten dieser Tage sehr selt same Gerüchte." Stengel veränderte keine Miene, er sah so gleichgültig und blastrt drein, als wollte er sagen: „WaS geht mich
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