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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.09.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-09-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950913027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895091302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895091302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-09
- Tag1895-09-13
- Monat1895-09
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Mit allerhöchster Genehmigung Seiner Majestät des Kaisers und Königs wird darauf aufmersam gemacht, daß eine derartige An ordnung im Widerspruche steht mit den von Allcrhöchstdemselben unterm 14. Juni 1884 (?) genehmigten Bestimmungen Uber die Be schwerdeführung der Personen des Soldatenstandes des Heeres vom Feldwebel abwärts, indem es nach Ziffer I 1 in Verbindung mit Ziffer II 1 dieser Bestimmungen jedem Soldaten ausdrücklich nur gestattet, nicht anbefohlen ist, sich über eine erlittene Mißhandlung zu beschweren. gez. Bronsart von Schellendorf. An sämmtliche königliche Generalcommando. Es ist zuzugeben, daß der preußische Kriegsminister den Wortlaut der Bestimmungen über die Beschwerdeführung für sich hat; aber sind nicht gerade die Truppentheile, die die oben genannte Anordnung getroffen haben, auf dem Wege, dem Nebel der Soldatenmißbandlung mit der besten Aussicht auf Erfolg zu begegnen? Weil dem so ist, deshalb meinen wir, daß nicht der Erlaß des preußischen Kriegsministers, sondern die durch ihn rectisicirtenTruppentheile von dem Geiste des kaiserlichen Erlasses vom 6. Februar 1890 erfüllt sind, welcher lautet: „Aus den Mir von den commandirenden Generalen eingereichten Nachweisungen über die Bestrafungen wegen Mißhandlung Unter gebener habe Ich entnommen, wie die Fälle von Mißhandlungen in Meiner Armee in der letzten Zeit sich erheblich gesteigert haben. Mit Mißfallen habe Ich auch von der vorschriftswidrigen Behandlung einiger, zur Erfüllung ihrer Dienstpflicht einberufenen Volksschullehrer Kenntniß erhalten, an der sogar mehrere Officiere betheiligt waren und die zu einer öffentlichen Besprechung den Anlaß gegeben hat. Ich verurthetle diese Ausschreitungen, welche das Interesse des Dienstes und das Ansehen der Armee schädigen, auf das Schärfste und will solche Zuwiderhandlungen gegen die gegebenen Befehle auf das Strengste bestraft wissen. Ich erwarte, daß durch fortgesetzte Belehrung und Erinnerung, sowie durch scharfe Ueberwachung derartigen Ausschreitungen vor gebeugt und denselben, falls sie dennoch stattfinden, durch energisches und unn achsichtliches Eingreifen ent gegengetreten wird. Namentlich ist Mir aber ausgefallen, daß in mehrfachen Untersuchungen sich herausgestellt hat, wie von ein zelnen Vorgesetzten durch lange Zeit fortgesetzte Mißhandlungen und gewohnheitsmäßige Quälereien ausgeübt worden sind, welche zum Theil schwere Nachtheile für die Gesundheit der Be- treffenden herbeigeführt haben. Diese Erscheinung weist darauf hin, daß es bei der Wahl des Ausbildungsperjonals für die Recruten an der durch die Ordre vom 1. Februar 1843 zur be sonderen Pflicht gemachten Sorgfalt, sowie an der erforderlichen Ueberwachung seitens der Vorgesetzten gefehlt hat. Ich mache in dieser Richtung zunächst die Compagnie-, Escadrons- und Batterie- Chefs verantwortlich, weil es ihnen bei ihrer Vertrauensstellung, ihrem unmittelbaren Einwirkungsrecht und den ihnen zu Gebote stehenden reichen Erziehungs- und Strafmitteln unter gewissenhafter Mitwirkung ihrer Officiere nicht schwer werden kann, die Unter- osficiere in richtigem Geiste heranzubilden und die widerstrebenden und nicht ferner zu duldenden Elemente rechtzeitig zu erkennen. Nicht minder liegt aber auch den höheren Vorgesetzten die Pflicht ob, darüber mit Ernst zu wachen, daß Mein aus gesprochener Wille genau zur Ausführung gelangt, und habe daher in Meiner weiteren Ordre vom heutigen Tage bestimmt, daß Mir in Zukunft von den commandirenden Generälen bei Einreichung der durch die Ordre vom 1. Februar 1643 befohlenen Nachweisung berichtet wird, welchen Vorgesetzten in Fälle» gewohnheitsmäßiger und systematischer Mißhandlung von Untergebenen die Verantwortung manaeihaster Beaufsichtigung trifft und was gegen denjelbeu ver anlaßt worden ist. Diese Meine Ordre ist mit jener vom 1. Februar 1843 in der dort vorgeschriebenen Weise bekannt zu geben. Berlin, den 6. Februar 1890. den Kriegsminister. Unsere im Morgenblatte angedeutete Befürchtung, die Ent rüstung der schlesischen Ecniruiiisprcfsc über das Verhalten der Polen zur Ersatzwahl im Wahlkreise Pleß-Rybnik werde von zu kurzer Dauer sein, um die Centrumspolitik gegenüber den Polen im deutsch-nationalen Sinne zu beeinflussen, wird heute von dem führenden Centrumsorgan, der „Köln. Volksztg.", als zutreffend bestätigt. Sie droht der polnischen Fraktion, daß polnische Candidaturen in Posen nicht mehr durch Redner der Centrumsfraction unterstützt würden, wenn die polnische Fraktion nicht — in Oberschlesien die polnischen Agitatoren zu Paaren triebe! Wir glauben an diese Drohung, die schon oft ans gestoßen worden ist, ohne wahr gemacht worden zu sein, natürlich nicht. Der Erzbischof von Posen-Gnesen, der oberste Leiter der polnischen Propaganda in Preußen — nicht nur in Posen — wird erst recht nicht daran glauben. Aber darauf kommt eS gar nicht an, sondern auf die Unbefangen heit, mit der die „Köln. Volksztg." die Auslieferung des Deutsch thums in Posen und Weslpreußen den Polen als Gegen leistung für die Unterstützung des Centrums in Ober schlesien bezeichnet. Das Blatt beschwert sich über den polnischen Fanatismus, „den mit den rohesten Mitteln geschürten Nationalitätenhaß" — in Pleß-Nybnik, aber der Fanatismus, der Haß und die Rohheit sind in Posen nicht geringer und werden dort von einheimischen und fremden CentrumSmännern geschürt. Der Verein zur Förderung des Deutschthums in den Ostmarken hat seine gehässigsten und verlogensten Feinde und Denuncianten in der klerikalen Presse außerhalb der Ostprvvinzcn gesunden, es wurde ihm, der sich in hartbedrängter Defensive befindet, die Tendenz untergeschoben, das Polenthum national und wirthschaftlick „auszurotten", ein Polenthum noch dazu, das sich jedes Angriffs enthalte und dem Deutschthum ungefährlich sei. Und jetzt, wo die „Köln. Volkszeitg." seststellt, daß eine fanatische, terroristische und rohe polnische Agitation existirt, fordert sie als Bedingung künftiger Unterstützung der polnischen Propaganda in Posen die Abschüttelung der polnischen Hetzagitatoren in — Ober schlesien. In Bezug auf die Nationalität, der Herr Bachem, der Redner gegen den deutschen Candidaten in Meseritz-Bomst angehört, soll Alles beim Alten bleiben, wenn nur das Cen trum in dem Fortbesitz seiner schlesischen Mandate nicht ge stört wird! lieber das Verhältniß Deutschlands und Rußlands zu einander spricht sich in Abwehr englischer Prcßhetzereien ein schon durch Privattelegramm signalisirter, „Englische Versuche" überschriebener Artikel der „Hamburger Nachrichten" aus, der zweifellos Friedrichsruher Provenienz ist. Die energische Zurückweisung richtet sich hauptsächlich gegen den Londoner „Observer", der behauptet, daß zwischen Deutsch land und Rußland Gegensätze wie kaum zwischen zwei an deren europäischen Staaten beständen und daß ein Krieg gegen Rußland in Deutschland viel populärer sei, als die Er neuerung des Kampfes gegen Frankreich; sodann aber auch gegen den officiösen „Standard", der sich ähnlich äußert und findet, daß die Beziehungen zwischen Rußland und Deutschland heute schlechter seien denn je. Demgegenüber führt der Artikel u. A. folgende, vom Fürsten Bismarck schon wiederholt entwickelte Argumente inS Feld: Wir wüßten nicht, worin die Gegensätze zwischen Deutschland und Rußland bestehen jollte». Wir haben mit Rußland keinerlei Abrechnung über vergangene Dinge vorzunehmen, keine Grenzen zu berichtigen; andererseits kann Rußland nicht wünschen, die Zahl seiner polnischen Unterthanen auf Kosten Deutschlands zu ver größern, und die Anschuldigung, daß Rußland auf dem Berliner Congresse durch Deutschlands Verschulden benachtheiligt worden ei, findet auch aus der russischen Seite kaum noch in einem Maße Glauben, das für den Frieden bedrohlich werden könnte. Das deutsche Bündniß mit Oesterreich und der Dreibund aber entbehren jeder provocatorischen Tendenz und sind nur zur Sicherung des Friedens bestimmt. Es mutz vernünftigerweise als ausgeschlossen gelten, daß sich Rußland durch ein Bündniß herausgefordert fühlen kann, zu dessen Abschluß die deutsche Politik lediglich durch die Haltung Rußlands in den Jahren 1875—79 gedrängt worden ist... Wenn in unseren Beziehungen zu Rußland eine Trübung statt gehabt haben sollte, so ist diese vorübergehender Natur ge wesen. Die Theilnahme Deutschlands an der ostasiatischen Action lieferte den Beweis, daß Deutschland ernstlich gewillt ist, der rus- ischen Politik so weit als möglich cntgegenzukommen. Daß dies Bestreben andauert, erscheint an sich glaubhaft und findet in der Person des jetzigen Reichskanzlers und dessen russischen Beziehungen eine Bestätigung. Die Intimität Rußlands mit Fraiikreich aber beruht nicht auf einem Interessengegensatz zwischen Deutschland und Rußland und wäre von deutscher Seite zu ver hindern gewesen, wenn nicht unter dem Grafen Caprivi die Ausrcchterhaltung des bilateralen Verhältnisses zu Oesterreich und zu Rußland als „zu complicirt" aufgegeben worden wäre. Von welcher Seite man auch das deutsch-russische Verhältniß betrachtet, es findet sich nirgends eine Partie, die der englischen Behauptung auch nur einen Schein von Berechtigung verliehe. Ebenso ist es eine Unwahrheit, wenn gesagt wird, ein Krieg gegen Rußland sei in Deutschland populär. Wir halten diese Angabe für eine Frivolität, die ebenso wie die übrigen englischen Unterstellungen darauf berechnet ist, das Ein vernehmen zwischen Deutschland und Rußland zu Gunsten Englands zu stören. Wir erblicken in diesen Versuchen der Londoner Presse einen Beweis dafür, daß die Beziehungen zwischen Deutschland und Rußland sich befestigen. Eine Wieder verschlechterung unseres Verhältnisses zu Rußland könnte nur auf indirektem Wege erfolgen, dadurch Laß die deutsche Politik in demjenigen Interessengegensätze, der thatsüchlich die europäische Politik zur Zeit beherrscht, in dem russisch- englischen, nach der englischen Seite hin gravitirte und auch nur zu gravitiren schiene. In den politischen Fragen, die hierbei auf dem Spiele stehen, sind so starke Interessen des russischen Reichs engagirt. daß Rußland begreiflicherweise das Vertrauen, das es zu einer anderen europäischen Macht haben kann, nach der Haltung bemißt, die der betreffende Staat in Bezug auf den russisch-englischcn Ant agonismus in Asien und am Schwarzen Meere einnimmt. Eine Parteinahme Deutschlands für England aber gerade ist es, zu der die englische Presse in letzter Zeit mit den allerverschiedensten Mitteln zu verleiten strebt, mit Schmeichelei, Insolenz, Unwahrheit und allen sonstigen Mitteln politischer Tartufferie. Wir hoffen mit dem Organ des Altreichskanzlers, daß man auf deutscher Seite den Zweck der englischen Be mühungen stets vor Augen haben und danach handeln wird. Wir zweifeln keinen Augenblick daran, daß, sobald es den englischen Bemühungen gelungen wäre, neues Mißtrauen zwischen Deutschland und Rußland zu säen, jenseits deö Canals der Ton gegen uns sofort in unliebsamster Weise Umschlägen und nicht nur in der Presse, sondern auch in den diplomatischen Geschäften alle Anmaßung in schärfster Weise zu Tage treten würde, deren man in England gegen Deutsch- and als „festländischen Vasallen Großbritanniens" fähig ist. .Übrigens giebt uns der Besuch des Fürsten Hohenlohe in Petersburg, wo er in der herzlichsten Weise bei Hofe empfangen worden ist, die sichere Gewähr dafür, daß die englischen Perfidien ihren Zweck gründlich verfehlen und dem Schicksal der Künste jener Kraft verfallen werden, die stets das Böse will und stets das Gute schafft. Dieser Zuversicht geben auch die „Hamb. Nachr." Ausdruck, indem sic nicht daran zweifeln, „daß die erfreulicher Weise neuerdings an gebahnte Wiederherstellung vertrauensvoller Beziehungen wischen den Höfen und Cabinetten von Berlin und PeterS- urg durch den Besuch des Fürsten Hohenlohe eine Förderung erfahren wird." In Oesterreich stehen zwei wichtige politische Acte un mittelbar bevor: die Vornahme der Gemeindewahlen in Wien und die endgiltigeBildung des Ministeriums. Daß bis dahin die Wogen der Parteileidenschaft in der öster reichischen Metropole noch thurmhoch gehen werden, darf man nach den dortigen Gepflogenheiten als selbstverständlich an nehmen. Am lautesten geschrieen und Scandal gemacht haben bisher die Antisemiten, die, wie gemeldet, erst letzter Tage eine liberale Versammlung sprengten, was nicht »ied- und nagelfest war, demolirten, die Wachleute »iederranntcn und Stöcke schwingend mit ihren fanatischen: „Schlagt die Juden tvdt!" die Lüfte erfüllten. Es ist zu hoffe», daß angesichts solcher scandalöser Vorgänge jene unsicheren Elemente der liberalen Partei, die bei den letzten Stadtrathswahlcn die Flinte ins Korn geworfen, sich zu muthigcr Gegenwehr aufraffen. Gras Badeni will erst nack den Wiener Gemeindewablen die Geschäfte als Minister präsident übernehmen, denn es ist natürlich, daß der Aus gang dieser Wahlen auch für die Stellung der Bereinigten deutschen Linken bedeutsam sein wird. Nach zuverlässigen Nachrichten will die Partei sich dem Ministerium Badeni gegen über vollständig freie Hand Vorbehalten. Sie will ihn unterstützen, so lange er seine Negierung von parteipolitischen Einflüssen fern hält, wird aber sofort in die Opposition treten, sobald er sich anschickl, ihren Grundsätzen ernstlich zu Leibe zu gehen, namentlich aber den nationalen Interessen der Deutschen zu nahe zu treten. In letzterer Beziehung glaubt man von Badem nichts befürchten zu müssen. Die Linke verlangt keinen Sitz in der Regierung, bofft aber, daß auch andere Parteien nicht durch Parteimänner in ihr vertreten sein werden. Gras Badeni wird also, wenn er die Liberalen nicht in die Opposition treiben will, auf den böhmischen LandS- mannminister verzichten müssen. Wie man in Linkenkreisrn über die Lage denkt, dürfte sich am besten auS folgender Aus lassung der „N. Fr. Pr." ergeben: Graf Badeni, beißt cs da, stehe den Parteien des Reichsrathes verhältnißmähig neutraler gegenüber als irgend einer von den Staatsmännern, an die unter den gegebenen Verhältnissen sonst noch der R»s ergehen könnte, an die Spitze der Regierung zu treten. Es liege nichts in seiner Vergangenheit, was die Linke zwingen könnte, ihn als einen Gegner des deutschen Volkes oder ihrer politischen Grundanschauungen zu betrachten. Er komme nicht als Pole, nicht als Vertreter jener klerikal-aristokratischen Tradition, welche das Bekenntiiih der Mehrheit des österreichischen Hochadels bildet, sondern er komme als Vertrauensmann de- Kaisers, der im österreichischen Verwaltungsdienste sich erprobt hat und dem wenigstens die Krone die Fähigkeit zutraut, auch inmitten der trostlosen Zerklüftung des Abgeordnetenhauses nicht blos die Geschäfte zu führen, sondern zu regieren, die Autorität und Stabilität der Centralgewalt zu sichern. Die FettNletsn. Schwere Kämpfe. Roman ans dem grasten Kriege. 111 Von Carl Tanera. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) 5. Am 16. Juli 1870 traf in Berlin früh Morgens die Mobilmachungs-Ordre für das gesammte norddeutsche Heer ein. Keinen Augenblick zögerte der jugendliche, durchaus deutsch gesinnte König von Bayern, den vollständigen An schluß seiner Truppen an die preußischen Streitkräfte zu be fehlen uud dadurch allen süddeutschen Fürsten das erhabene Beispiel vaterländischer Gesinnung zu geben. Noch am Spät nachmittag des 16. Juli erfolgte auch der Mobilmachungs befehl für die bayerische Armee. Abends 7 Ubr versammelten sich die zur Kriegsakademie befehligten Officiere in der alten Herzog-Maxburg und erhielten ihre näheren Bestimmungen. Die Herren deS dritten und vier rangältere Oberlieutenants des zweiten Jahrganges wurden als Ordonnanzosficiere höheren Stäben zugktheilt, die Unterlieutenants deS zweiten, darunter Horn, und sämmtliche Officiere des ersten Jahrganges erhielten Befehl zu ihren Truppen zurückzukehren und bei diesen einzutreten. Noch mit dem Abends nach 9 Uhr abfahrenden Postzuge verließ Lieutenant Horn München, um Nachts 1 Uhr in seiner Garnison Kempten anzukommen. Witzelberger mußte die Wohnung aufräumen, Alles absperren und dann am nächsten Morgen nachreisen. ES war dem jungen Officier sehr leid, daß er seiner Mutter nickt mehr Lebewohl sagen konnte. Aber erstens ging ja die Pflicht vor, und zweitens wurde, wie er zu sich selbst meinte, dadurch vielleicht eine trübe Scene vermieden, denn waS sollte er antworten, wenn sie ihn bat, sich doch nicht unnöthiger Weise einer Gefahr auSzusetzen. Auch hätte er eS kaum vermocht, ihr, ohne weich zu werden, den letzten Kuß zu geben. Er wußte ja, daß eS der letzte sei. Wie in Beziehung aus den AuSbruck des Krieges Alles so eingetroffen war, wie er eS voraus gewünscht und vorher gesagt batte, so mußte sich nach seiner festen (Überzeugung auch sein Geschick erfüllen und er auf dem Felde der Ehre die letzt« Ruht finden. In Kempten gab eS mit der Mobilmackung des Batail lons so viel zu thun, daß keiner der Officiere eine freie Stunde hatte, und auch Horn so angestrengt und ermüdet wurde, daß er selbst Abends wenig seinen düsteren Gedanken nachhängen konnte. Der Körper verlangte sein Recht, und so schlief er denn gerade in diesen Tagen, wo seine Kameraden kaum zur Ruhe kamen, weil sie nack dem Dienste die späten Abende den Verwandten und Bekannten widmeten, ganz gut und kräftigte sick somit für die bevorstehenden Strapazen. Merkwürdiger Weise wurde er von den seelischen Erregungen, welche in jenen Tagen Jedermann im höchsten Maße ersaßt hatten, weniger ergriffen. Er dachte ja gewiß gut deutsch. Allein sein eigenes Geschick und die Erfüllung desselben durch den Krieg, beschäftigten ihn so, daß er nicht die gleiche Be geisterung wie seineKameraden in politischer Beziehung empfand. Auch ihr Wünschen und Hoffen theilte er nicht. An einem etwa zu erlangenden Orden, an einem rascheren Avancement lag ihm nichts. Sein Ziel war ja ein ganz anderes. Dadurch bewahrte er sich aber den klareren Blick bei Beurtheilung der Ver hältnisse. Ferner kannte er durch seine Studien die preußische Armee weit bester als seine stets im Truppendienst verbliebenen Kameraden. Hier und da zeigte sich dies bei den Gesprächen, in welchen im OfficierkreiS die Ansichten über die bevor stehenden Ereignisse ausgetauscht wurden. Wenige Tage nach der Mobilmachung bemerkte z. B. ein junger Officier beim Mittagstisch: „Ob wir wohl den Schwarzwald noch passiren können, ehe ibn die französische Armee überschreitet?" „Wahrscheinlich," entgegnete ein Hauptmann. „Ich denke wir werden sie in der Ebene zwischen dem Rhein und dem Gebirge treffen und schlagen." „Das glaube ich nicht," wand Horn ein. „Wieso? Du wirst doch nicht annehmen, daß eS erst in Württemberg zu den entscheidenden Schlachten kommt?" „Nein. Im Gegentheil! Ich hoffe, daß wir die Franzosen schon auf dem linken Rheinufer schlagen." „Oho. DaS wäre doch ein Bischen zu viel verlangt. Glaubst Du denn, daß Napoleon so dumm ist und den Vor sprung, den er in der Mobilmachung vor uns voraus hat, nicht ausnützt? Nein, so schlau sind die Franzosen doch, daß sie schleunigst Baden und unsere Rheinpfalz überschwemmen, und gründlich ausrequiriren. Da« können wir leider nicht hindern, denn wir brauchen immerhin noch 8 bis 10 Tage bis wir schlagfertig aus dem Kriegsschauplatz stehen können." „Wir schon, die Preußen aber nicht." „Na, weißt Du, lieber Freund, fliegen können die Preußen auch nicht. Unsere Mobilmachung geht genau so schnell, wie die ihrige. Ich gebe es zu, wir haben cs von ihnen erst ge lernt, aber wir können es jetzt gerade so gut wie sie." „Nein, Du irrst Dich. Was bei uns nur theoretisch und auf dem Papier gemacht wurde, ist bei den Preußen schon lange in Fleisch und Blut übergegangen. Bei der preußischen Mobilmachung hilft jeder Civilbeamte mit; bei dem Trans port ihrer Truppen weiß jeder Eisenbahnschaffner, was zn thun ist; kurz.dort kennt nicht nur jeder Officier, sondern überhaupt jeder LandcSangehörige seine Pflicht und thut nicht nur diese, sondern sogar noch mehr aus Vaterlandsliebe, aus Anhänglich keit zu seinem König und auch, weil ihn daS Beispiel Anderer dazu aufmuntert. So weit sind wir noch lange nicht. Bei uns muß ein Jeder geschoben werden. Civitisten helfen nock- gar nicht, sondern sie feiern höchstens Abschiedsfeste und stören damit die Mobilmachung mehr, als sie ihr nützen. Auf dem Slandpuncte der Preußen stehen wir noch lange nicht." „Aber Horn, Du wirst doch nicht sagen wollen, daß wir schlechter sind, als die Preußen." „Nein, daS will ich nicht. In Beziehung auf persönliche Tapferkeit werden wir und unsere Leute binter keinem deutschen Corps znrückstchen. Auch unsere Führung wird wahrscheinlich gleich gut sein, denn unsere Generale haben durch und seit 1866 viel gelernt. Aber in der Kriegspraxis, z. B. in der Mobilmachung, sind sie gewandter. Das ist ja auch nicht zum Verwundern. Sie kennen Alles seit langen Jahren, haben 1864 und 66 genau auSprobirt, WaS sich al geeignet und was sich als falsch erwies, und wir haben doch erst vor kaum 3 Jahren die neuen Verbälnisse theoretisch an genommen und noch gar nickt praktisch erprobt. Denkt an mich, die Preußen decken rechtzeitig Baden und werden trotz der weiten Entfernung schnell genug bei der Hand sein, um den Franzosen überhaupt das Ueberschreiten des NhcineS zu verwehren." „Es wäre ja sehr schön. Aber glauben kann ich eS nicht." Mehrere der älteren Officiere schlossen sich Horn'S Meinung an. Andere aber sagten fick im Stillen: „DaS ist eben die Superklugheit des Kriegsakademikers, der sich natürlich viel weiser dünkt al« unsereiner". Schon in den nächsten Tagen zeigte eS sich, wer Recht hatte. „Das Bataillon verläßt am 29. Juli Kempten, um sich bei Speier und GermerSheink dem dort sich versammelnden I. bayerischen Ameecorps anzuschließen. Dasselbe steht hinter dem V. und XI. preußischen Corps als Reserve." „Da seht Ihr es ja. Die Preußen stehen schon in der Rheinpfalz." Sic standen nicht nur dort: sie standen auch schon bei Call, Trier, Aachen, Bingen, Mannheim, Worms und Mainz, die Württemberger bei Karlsruhe und die Badener bei Rastatt. Den Franzosen war es vom 27. Juli an nicht mehr möglich, den Rhein ohne eine vorausgegangene siegreiche Schlacht zu überschreiten. Dazu kam es aber nicht. Am 29. Juli, Vormittags 10 Uhr, stand das 1. Jäger- Bataillon marschbereit im Kasernenhof von Kempten. Es war ein erhebender Anblick. Tausend deutsche Männer, herbeigeeilt von den Ufern des Lech, der Wertach und Iller, herabgcsticgen von den grünen Matten der Hochalpen, weg gerissen von Frau und Kind, von Braut und Vaterhaus, umstanden ihren schneidigen Commandeur, den Obersllicutcnant Schmidt. Der kannte seine Jäger. Ermahnungen brauchte er ihnen nicht zu sagen. Aber von der Willkür, mit der der Franzmann den Streit vom Zaune gebrochen, von der Ein- müthigkeit, mit der Alldeutschland sich erhoben batte, um die dem König von Preußen zugesügten Beleidigungen zu rächen, von dem Ruhm und den Ehren, die seinen Jägern im Kampfe für König und Vaterland bevorstanden, sprach er, und damit traf er in die Herzen. Dem Eindruck dieser Worte konnte sich auch Horn nicht verschließen. Als der Oberst lieutenant mit einem Hoch auf den König schloß, da stimmte auch er mit voller Kraft mit ein, zum ersten Male wirklich begeistert, weil auch ihn die Macht des Augenblick erfaßte und mitriß. — „Hochs — Gewebr! — mit zweien rechtsum! — Vor wärts — marsch!" (Damalige bayerische CommandoS.) Die Musik spielte, das Bataillon marschirte zum Casernen- tbor hinaus und zog zur Bahn. DaS war keine Parademarsch, nicht einmal ein regelrechter Exercirmarsch. Bon rechts und links drängten sich die Angehörigen der abrückenden Jäger, die Bürger der Stadt, von außerhalb zugereiste Bekannte und Mädchen und Frauen in die Gliever und gaben den in den Krieg ziehenden Kämpfern das Geleite. Heute sah kein Vor gesetzter die entstandene Unordnung. Jeder wußte ja, daß weingeMimitei, später der Ernst beginne und schon m der Bahn schnell die militairiscke DiSciplin wieder hcrgestellt sei. Witzelbcrger, ausgerüstet mit der großen sogenannten B-dicnlentasche, marschirte glückstrahlend hinter seinem Lieutenant drein. Auch er hatte, wie Horn selbst, keine näheren Bekannten in Kempten, weil er ia mit diesem über ein Jahr in München commandirt gewesen war. Aber er
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