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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.10.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-10-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18951002029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895100202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895100202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-10
- Tag1895-10-02
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Das ist gewiß nickt ohne Be deutung, aber es bleibt abzuwarten, in welchem Umfange die Gerichte der Anklagebehörve Recht geben werden. Etwaige zahlreiche Freisprechungen würden einen Mißerfolg bedeuten, welcher der socialdemokratiscken Bewegung mehr Bortbeil als Nachtheil bringen würde. Bon einer Wirkung des Ausrufs des Reichsoberhauptes auf die verschiedenen Schichten des Volkes ist nichts zu spüren; jedenfalls ist, wie der „Schwab. Merk." mit Recht klagt, eine große Bewegung, welche den Entschluß zu durchschlagender Abwehr des von der höchsten Stelle bezeichnten Feindes bekundete, nirgends zu Tage getreten. „Daß eine solche" — bemerkt das genannte süddeutsche Blatt weiter — „ganz von selbst aus der Mitte des Volkes hervorgehen würde, war überhaupt sehr unwahrscheinlich; näher hätte die Erwartung gelegen, daß diejenigen politischen Organisationen, welche die Bekämpfung der socialrevolutionairen Bewegung als eine dringende nationale Pflicht betrachten, den vom Kaiser gegebenen Anstoß fort pflanzen und zu fruchtbarer Belebung der trägen Massen ver- werthen würden. Aber die „bürgerlichen" Parteien hatten Anderes zu thun! Der Hammersteinkrach und der Stöckerbricf reichten aus, um die Aufmerksamkeit von der größte» politischen Ausgabe der Gegenwart einmal wieder ganz abzuleuken, und so sehen wir heute die Socialdemokratie, nachdem sie eine Weile sichtlich eingeschücbtert gewesen, übermütbiger als je auf dem Plane, und in der „bürgerlichen" Gesellschaft ist die durch die gefährliche Spielerei mit dem „berechtigten Kern der Socialdemokratie" angerichtete Verwirrung so groß ge worben, daß eine hauptsächlich von „christlich-socialen" Pastoren geleitete Bewegung die Svcialdemokratie mit revolutionairen Vorschlägen und Phantasien zu übertrumpfen sucht. Das ist denn ein recht klägliches Bild am Ende des Monats, der mit dem Aufruf zum Zusammenschluß gegen die „Feinde der göttlichen Weltordnung" begann! Es ist schwer, sich in solcher Lage der Schwarzseberei zu er wehren." In der That ist es ein überaus klägliches Bild, das Deutschland nach dem Schluffe deS Sedanmonats, an dem die Socialdemotratie ihr wahres Gesicht unverhüllter als je gezeigt, bietet. Einigermaßen entschuldigend für die bürgerlichen Parteien kommt im größten Theile des Reiches der Umstand in Betracht, daß keine Wahlbewegung diese Parteien zu geschloffenem Vorgehen und zur Beherzigung des kaiserlichen Aufrufs mahnte. Für unS in Sachsen fällt aber ein solcher mildernder Umstand nicht in die Waagschale. Wir stehen vor Landtagswahlen, und gerade bei uns ist der socialdemokratische Ansturm stärker und bedrohlicher, als in den meisten übrigen Theilen des Reiches. Und diesen Ansturm abzuwehren, sind unsere bürgerlichen Parteien um so mehr verpflichtet, je bester das Beispiel gewesen ist, mit dem sie bisher ihren Gesinnungsgenossen im ganze» Reiche vorangegangen sind. Das Cartell, das überall schon längst in die Brüche gegangen ist, hat bei uns in Sachsen bis in diese Tage die Stürme überdauert, die ihm anderwärts ver- hängnißvvll gewesen sind. Und hat es in der letzten Zeit einen Riß durch Erklärungen der Führer der konservativen und der Reformpartri erhalten» so berührt dieser doch weder das Verhältniß der übrigen Parteien zu einer von beiden, noch macht er eine Verständigung der Anhänger beider Parteien in den einzelnen Wahlkreisen unmöglich. Jedenfalls muß auf eine solche mit aller Energie und Opferwilligkeit hinzewirkt werben, damit die allen bürgerlichen Parteien, dem engeren Vaterlande und dem Reiche gemein same Gefahr überwunden werde. Es wäre das denkbar schlechteste Zeugniß, das die bürgerlichen Parteien in Sachsen sich luwstcUeu könnten, wen» ibre Sedanbegeisterung so rasch verraucht wäre, um bei den bevorstehenden Laudtagswahle» den Verächtern und Beschimpfe»'» des „Sedaiirumiuels" Triumphe zu gestatten. Wenn im übrige» Deutschland noch keine Frucht der Kaiserworte am Sedanfcste sich zeigt, so zeige sie sich wenigstens in unserem Königreiche und führe abermals den Beweis, daß Sachsens Volk gleich seinem ruhm- gekrönten König allzeit voransteht in entschlossener Abwehr aller äußeren und inneren Feinde. Die ReichstagSersatzwahl im Kreise Plcß-Rybnik zeigt die polnische Propaganda in Obcrschlesien in ihrer wahren Gestalt. Die Polen lasten sich mit Vergnügen die Unterstützung des Cent rums gefallen, aber wenn das Centrum polnische Unterstützung beansprucht, dann ändert sich daS Bild. Für den oberschlesischen „Katolik" ist Frhr. von Huene, der Candidat des Centrums, nichts weiter als ein Deutscher. Mögen ihn doch die Deutschen wählen! schreibt er. „Die polnischen Wähler dürfen sich nicht den Luxus erlauben, einen für die Deutschen geeigneten Abgeordneten zu wählen, sondern müssen streng darauf halten, daß ein für sie, für ihre Wünsche geeigneter Abgeordneter, ein natüriicher Vertreter seiner Landsleute gewählt werde. Habt Ihr denn je gehört, daß die Deutschen einen Polen zu ihrem Abgeordneten gewählt hätten oder daß die Franzosen Deutsche wählen?" Ebenso schreibt der „Gon. Wielkop.", er boffe, daß die Wähler weit entfernt seien, zu Gunsten des Freiherr« v. Huene zu verzichten. Sei ein geeigneter polnischer Candidat in Schlesien nicht zu finden, so wären im Herzogthum Posen genug Bürger- Patrioten zu finden, die nicht ermangeln würden, Arbeit, Zeit, Mühen und Kosten für das schlesische Volk zu opfern. „Wir warten auf den neuen Candidaten!" Die „Schles. Bolksztg." erinnert die Polen daran, daß das Centrum sich doch ganz anders ihnen gegenüber benommen habe, indem sie ausführt: „Ist denn dem „Katolik" unbekannt, daß die deutschen Katholiken in der Provinz Posen sür die polnischen Can- didatrn stets gestimmt haben? Haben die deutschen Katholiken das etwa nur gethan, wenn diese polnischen Candid» ten in deutschen Versammlungen deutsch ihr Programm entwickelt hcken? Ist dem „Katolik" und dem „Kuryer" unbekannt, daß die deurichen CentrumSabgrordneten vr. Bachem und ^uchs, ersteter sogar bei zwei verschiedenen Wahlgcingen, in deutschen Wähler. Versammlungen für den polnischen Candidaten SzymaNski ausgetreten sind? Die Herren ernten dafür allerdings seitens der polnischen Presse einen noblen Dank." Die „Schles. Volksztg." hat vollkommen Recht; die deutschen Katholiken haben wirklich für die Polen viel gethan, so viel, daß ihnen zu thun fast nichts mehr übrig blieb. Aber das ist der Dank der Welt. Erst füttert die Grasmücke den Kukuk groß und dann beißt er ihr zum Dank den Kopf ab. Die noch rückständige Stichwahl für die Wiener Ge- meinderathswahlen ist bekanntlich zu Gunsten derAnti- liberaleu ausgefallen, so daß diese jetzt Uber die Zweidrittel mehrheit von 92 Stimmen verfügen und sic damit den Bürger meisterposten besetzen können, auch wenn die Liberalen streiken wollten, was übrigens «in Theil derselben jetzt selbst für eine verfehlte Taltik hält. Wahrscheinlich wird nunmehr Or.Lueg er regierender Bürgermeister, wogegen die Liberalen die erste Vice- bürgermeistcrstelle und ein Drittel der StadtrathS- und Aus- schußstellen erhalten sollen. Ein Theil der Liberalen ist geneigt, darauf rinzugeben und Fühlung unter de» gemäßigten deutschnatwiiakn Sladtralh zu suchen. Wahrscheinlich wird ./"^.„„ liberaler !>r Voaler ein in beiden Lager» geachteter , -b-, als N»'.-> mm>,°s»ch > > Daß s» -l'M. Da» da- «->- b-»>° - ^ Inn, vu-z-r di, v,rl-g-n w» "„ s für wahrscheinlich, trotz der schroffen Stellung, die bueg-r gegenüber Ungarn und gegenüber den früheren ^alit, Parteien einnimmt. Lueger seinerseits ha "» -' p«' Rovlo" seine Stellung zu Ungarn dab», "lautert, daß Parteien eiiinimint. vucger v „ Naplo" seine Stellung zu Ungarn dal,,,, "t daß Ungarn angreife, we.l d.e nmßgebendenKc-ffeUgacs. se.ne Politik, der Ge.st seiner Hauptstadt ' - k.'nierlel ivrelvelt. Ader ia) war verjudet" seien. „Sie kennen keinerlei Freiheit. Aber ich war niemals ei» Feind dcö ungarischen . ^.e Weise die Magyaren, d,e Ungarn. d,e Romanen,...c>e Deutschen Aber ihre Zeitungen haben meine ^den ube Ungar» falsch mitgetbeilt und falsch ausgelegt." E.ne Haup^ schwierigkeil wird aber das Zusammenhaltei der ,.Parc> Lueger" bieten, deren verschiedenartig christlichsoclale und Lueaer" bieten, deren veriwieornuc,», u, —v deutschnativnale Elemente bisher nur in der Verneinung un Opposition, im Kampfe gegen das Iudenthum und gegen de angeblich völlig verderbten Liberalismus der herrschenden Nathhauöparte, übercinsliminten. In der angesehenen und einflußreichen rufst,chctt Presse überwiegt die Meinung, daß Frankreich keinerlei Ursache habe, aus der jüngsten Anwesenheit hoher russischer Würdenträger bei den französischen Manövern und den Conferenzen deS Fürsten Lvbanow mit dein Minister des Acußcrn Hanolaux den Schluß zu ziehen, daß die russische Politik sich irgendwie für die HukunftSpläne des französischen Chauvinismus engagirt habe. In dieser Beziehung müssen besonders die Aeußerungeu des Petersburger „Herold" hervorgehoben werden, der m der Deurtheilung seiner Ansichten über die politische und »nli- tairische Wiedergeburt Frankreichs durch die deutsche Presse den Beweis erblickt, daß der Glaube an Rußlands aufrichtige Friedensliebe und seine entschied«»« Abneigung, etwaige französische Revanchegelüste zu unter stützen, i» Deutschland immer mehr Boden gewinnt und dortige politische Kreise in der Anwesenheit des russischen Ministers des Auswärtigen bei den MaNtzversestlichkeiteu in Mirecourt kein beunruhigendes Symptom wahrnehmen. „Wenn u»S aus Berlin geantwortet wird", schreibt der „Herold", „daß die Franzosen allmählich recht viel Wasser in den Wein ihrer Begeisterung und ihrer Erwartungen gethan haben, so daß man ihnen wohl auch ein sehr nüchternes Bündniß antragen könne, das den wirklich vorhandenen Verhältnissen, nicht den Phantasien und Wünschen entspricht, und das deshalb am Ende dazu angethan wäre, ernüchternd, beruhigend und dämpfend auf gewisse Kreise einzuwirken, so deckt sich diese Anschauung vollständig mit der Ansicht des „Herold", der selbst in dem eventuellen Zustandekommen eines russisch französischen Bündnißvertrages nichts Anderes als einen weiteren Schritt zur Festigung des europäischen Friedens sieht. Uebrigens theilen wir keineswegs die Ansichten russischer Kreise, daß ein solches Bündniß zu Stande kommt, noch vermögen wir uns über die Noth- wendigkeit eines solchen klar zu werden, denn Rußland hat gar keinen Grund, sich zu binden und Verpflichtungen einzu- gehen, die ihm unter Umständen unbequem werden könnten." Also wenn schon ein Bündniß, dann ein „sehr nüchternes", mit dem aber dem französischen Chauvinismus, der gegen wärtig noch die Stimmung an der Seine macht, absolut nicht gedient ist, da er gerate das Gegenthril von nüchtern ist. Für die spätere Thätigkeit des deutsche» Kreuzers 4. Classe „Cormoran" in Lstasicn muß eS als ein günstiges Zeichen angesehen werden, daß ihm der Auftrag zu Theil wurde, nach Swalau zu laufen, um den Unterhand lungen wegen der Plünderung der deutschenMifsions- statiou m diesem Hafen Nachdruck zu verleihen. Zweifel los dürfte vor der Hand das Erscheinen deS Kreuzers „Cormoran" in Swatau völlig genügen, um die schwebenden Angelegenheiten zu einem für die deutsche Reichsregierung günstigen Abschluß zu bringen, wie denn auch bereit« die Verhaftung der Rädelsführer erfolgt und Maßregeln zur Fest nahme der übrigen Theilnehmer getroffen sein sollen. Vor Allem aber bürgt für eine prompte Erledigung der An gelegenheit der Commandant des Schiffes Corvetten- capitain Brinkmann, der in Marinekreisen als ein überaus umsichtiger Seeofflcier gilt und auch vor Antritt seiner Reise nach Ostasien jahrelang bei den Centralbehördcn der Marine in der militairischen Abtheilung deS ReichsmarineamtS thätig war. Der Kreuzer „Cor- inoran" macht seine erste ausländische Reise. Er hat eine Besatzung von 159 Mann an Bord und ist nach dem ver besserten Bussardlyp gebaut. Außer dem bereits erwähnten Comlnandanten befinden sich, wie die „Post" mittheilt, an Bord: Capitainlicuienant Pasch als 1. Officier; dir Lieu tenants zur See von Grumbkow, Taegert, Valentiner als Wachtosficiere; Maschinen - Unteringenieur Weber als leitender Schiffsingenieur und Stabsarzt Koch als Schiffsarzt. Sollte eine Verstärkung der deutschen Serstreit- kräste vor Swatau mUnscheiiswerth werden, waS kaum angenommen werden darf, so kann solche erst in einigen Tagen erfolgen, da das Kreuzergeschwader nach den letzten beim Oberkommando eingelausenen Depeschen noch in japanischen Gewässern kreuzt und der „IltiS" erst am 7. October beabsichtigt, von Nagasaki nach Shanghai in See zu gehen. Die Verstärkung unserer Serstreitkräste iu Ostasien erweist sich aber von Neuem als überaus zweck mäßig; denn erst wenige Tage sind verflossen, seit jene Aus schreitung gegen unsere Missionsstation staltfand, und schon seit dem 29. vorigen MonatS genießen unsere Landsleute in Swalau den Schutz eines unserer KriegSfahrzcuge. Der „Cormoran" bleibt die nächsten Jahre dauernd in Ostasten statiouirt. Deutsches Reich. U Berlin, 1. October. Die Mittheilung, daß der Bundes rath schon in der laufenden Woche zu einer Plenar sitzung zusammentreten werde, bestätigt sich nicht. Auch die Meldung, daß derselbe sich in seiner Sitzung mit einem Entwurf über Ausnahmen von dem Verbot der Svnntagsarbeit beschäftigen werde, beruht auf einem Irrthum. Ein solcher Entwurf, der, wie berichtet wurde, den Tabak- und Cigarrenhändlern eine Verkaufs zeit von sieben Stunden und dem Bahnhofsbuchhandel den ganzen Sonn- und Feiertag freigeben sollt-, ist überhaupt nicht ausgearbeitet. Allerdings liegen dem Bundesrath und den sonstigen zuständigen behördlichen Stellen eine große Anzahl von Eingaben auch nach den erwähnten Richtungen vor und die betreffenden Aentter und Ministerien baben sich demgemäß mit der Frage der Aenderung der Sonntagsruhebestimmungen im Handelsgewerbe beschäftigt, jedoch wird man auf einen Abschluß dieser Arbeiten erst Fenilletsn. 27, Schwere Kämpfe. Roman aus dem großen Kriege. Von Carl Tauera. Nachdruck verbotni. lFortsrbuua.) Der Abschied von dem freundlichen Assistenzarzt war ein sehr herzlicher. Dann fuhr der kleine Transport lo«. Da Schuppe sein Gewehr bei sich führte, und dir Osficirrr ihre Revolver bereit hatten, konnte man auch einem Zusammen stoß mit zweifelhaftem Gesindel ohne Scheu riitgegensrhen. UebrigenS drückte eine am Anfang de« Wagens angebrachte weiße Fahne mit rotbem Kreuz daS Friedliche deS Gefährtes au«, und somit hoffte Man allen Schwierigkeiten trotzen zu können. Am ersten und zweiten Tage ging Alles sehr gut. Fräulein Stockhausrn erwies sich von rührender Sorgfalt für beide Officiere, da sie meiute, jetzt sei sie nicht Braut, sondern nur HilfSkrankenwärtrrin deS Herrn vr. Vogel. Außerdem zeigte sie nicht eine Spur von Furcht und schlief z. B. in den Orten, in welchen man sich einquartierte, ohne jede Angst, freilich immer in den Kleidern, ganz gut. Am dritten Tage aber erlebte die kleine Gesellschaft doch ein Abenteuer, wenn auch rin ziemlich harmlose«. Sie wollten in dem Dorfe Fouraurourt Mittag machen. Dort beeinflußte ein sehr kriegslustiger Maire sämmtliche Dorfbewohner so, daß Niemand den Deutschen etwa« verkaufte. Alle Aner bietungen des vr. Vogel waren vergeben«. Nun suchte Schuppe mit thratralifch drohender Miene die Herausgabe von etwa« Genießbarem zu erlangen. Der Maire antwortete aber stet«: „kour Iss prussieU» rten cku tout, cku tout." Mit einem Male erschien Wiyelbrrger, dessen Verschwinden man gar nicht bemerkt hatte, und bracht» in einem großen Korbe Schinken, Brod, Butter, Käse und Wein in Masse. Ein Bauer lief ihm nach und wollte sein ihm von dem Jäger abgrnommeneS Eigenthum wieder zurückfordtrn. Dieser öatt Zkttel, auf welchem der Bursche geschrieben Bona für 1 Fraß für 8 Mann und 1 Fräulein. In Frankreich am 11. September 1870. Witzelberaer. Der Maire mischt» sich in die Sache und wollte ebenfall« he» Korb zurückhaben. Witzelberger aber holte mit der rechten Hand au«, soweit er konnte, hielt mit der linken Hand dem Maire seinen klassischen Bon hin, rief: „Bong oder Watsch'n." Das schien der ehrsame Dorfschulze zu ver stehen, griff nach dem Bon und empfahl sich. Witzelberger aber überreichte stolz seine Schätze und meinte zu seinem Herrn: „Sehgn S' Herr Oberleitnant, deeSmal woar i' do' schneller bei der Hand. Mei' Sprach' Hamm d' Franzos'n do' bester verstand'« als 'm Schuppe seine." Man nahm die Vorräthe in den Wagen, speiste diesmal kalt während der Weiterfahrt und lachte herzlich über die praktische Art deS Jägers, zu requiriren und seinen originellen Bon. Am nächsten Abend kam man ohne weitere Fährlich- kritrn in Bar-le-Duc an. Der Trainfahrer blieb beim dortigen Etappencommando. Am gleichen Abend ging ein Zug ab, der die Verwundeten und ihre Begleiter bis in die bayerische Rheinpfalz mitnahm. In Neustadt an der Haardt mußten sie sich trennen. Grävenhcim, Fräulein Stockhausen, vr. Vogel und Schuppe fuhren über Mainz und Frankfurt nach Dresden, Horn und Witzelberger über Karlsruhe und Stuttgart nach München. Als letzte Bitte äußerte Grävenbrim: „Sobald der Friede geschloffen ist, beirathen wir. Nicht war Horn, Du kommst al« Brautführer Marir'S zu unserer Hochzeit?" „Wenn mich das KriegSgeschick Nicht Noch fordert, ja." „Leb wohl!" „Leben Sie wohl!" „Aus Wiedersehen." „Auf Wiedersehen!" Die Züge entführten dir Verwundeten und ihre Begleiter nach verschiedenen Richtungen. Am nächsten Tage erreichten alle ihre Zirlpunctr Dresden und München. 12. Von Stuttgart au« hatte Horn nach München telrgraphirt, um seine Rückkehr anzuzeigen. Al« der Zug. der 12 Wagen mit Verwundeten enthielt, in der Bahnhofshalle in München einfubr, stand daher unter den vielen Herren und Damen, die ihre Angehörigen erwarteten, in erster Reihe seine Mutter. Er selbst lag ja noch auf einer Tragbahre und konnte nicht zur Wagenthllr binauSsrhen. Aber Witzelberger that e«, und kaum, daß er die Frau Obrrregierung«rath Horn erblickte, so schrie er, noch ehe der Zug hielt, ohne jede Rück- sich» auf die übrigen in der Halle stehenden Menschen: „Gnä' Frau, gnä' Frau, da sau wir schol Grüß Ehanr Gott! '« geht un« ganz guat." der Zug. Die Wartenden wollten sofort in die Wagen steigen, um ihre Angehörigen zu suchen, wurden aber von Aerzten und Bahnbediensteten höflich, jedoch ent schieden zurückgewiesen. „Der Platz vor dem Zug muß auf eine Breite von 5 Schritten frei gehalten werden, bis alle Verwundete aus geladen sind." Dabei blieb eS, und nun begann daS Aussteigen Der jenigen, welche sich selbst helfen konnten, und dann daS sorg same Herausbringen der Uebrigen. Es war keine leichte Arbeit, die manchmal sehr schwer Verwundeten auf den Bahren heraus zu heben. Immerhin erwies sich die Maß regel, diejenigen Verwundeten, welche liegen mußten, in den Güterwagen schon auf Tragbahren zu transportiren, sehr praktisch. Dadurch war das Ausladen sehr erleichtert. Nunmehr batte man den Zug entleert. Sin Signal gebot Stille. Hierauf verkündete der leitende Arzt, daß jene Angehörigen von Berwundetrn, welche diese eben mit in ihre Behausungen nehmen wollten, vortrrtcn sollten. Er schloß mit den Worten: „Ich bitte aber jede ergreifende Be- arüßunasscene im Interesse aller Verwundeten zu vermeiden." Hierauf durften sich jene Verwundeten, welche gehen konnten, ihren Verwandten auschiießen und den Bahnhof verlassen. Dann bestimmte der leitende Arzt Träger für die, welche auf Bahren m die Stadt gebracht werden mußten. Einer der Ersten war Horn. Eingedenk der Worte de« Arzte« gaben sich Mutter und Sohn nur stumm einen Kuß und Erstere schritt dann neben der Bahr« her. Auf der anderen Seit» ging d»e alte treue Kati, dir immer verstohlen sich Thränen aus den Augen wischte, weil der Anblick ihres hilflos daliegendrn jungen Herrn sie so sehr rührte. Witzelberger schleppte außer seiner großen «rdiententasche auch den Officierkoffer de» Oberl.eut.nantS nach. Nach kurzer Zeit war man in der Wohnung der Frau Räthin aligekommen. Sie hatte ihre beste Stube als Krankenzimmer eingerichtet, reizend mit Blumen verziert und in jeder Art zu einem recht ge.nüth- lichen Aufenthaltsort ^ umqestaltet. Der Officier wurde von den Lazrrethgehllfen sorgsam auf ein Sopha gelegt. Er be- hauptete, er konnte jetzt sogar selbst schon gehen, folgte aber wäl sich möglichst zu schonen, weil er Wohl einsah, daß er nur dadurch eine schnelle völlige Heiluna der Wunde erreichen konnte. Di. vazarethgehilfri? »hielten em gute« Trinkgeld, verließen hierauf mit der Bahre das Sau«. Kat, und Witzelberger machten sich in der Küche zu thun, und nun konnte di, Mutter ihren Sohn erst io um. "7nn wün,äw^"k Äich "veNangt!' Dann wünschte sie chm mnigst Glück zu seiner Decorirung. auf die sie fast mehr stolz war al« der Officier selbst. Hierauf mußte dieser erzählen. Unterdessen bereitete Kati das Abendbrod, welche« dem ziemlich hungrig gewordenen Oberlieutenant trefflich schmeckte. Durch die Worte und daS gute Aussehen ihres Sohnes wurde Frau Horn bald über seinen Zustand beruhigt. Als überdies der schon vorher benachrichtigte Hausarzt erschien, den Verband nachsah und erklärte, in etwa vier Wochen werde der Herr Oberlieutenant wieder ganz geheilt sein, gab sie sich voll dem Glück hin, ihren Ludwig wenigstens für diese Zeit bei sich zu haben und ihn recht hegen und pflegen zu können. Am nächsten Tage ließ Horn durch Witzelberger seine Ankunft in München auf der Commandantur anzeigeu. Der Bursche brachte von dort ein kleine« Packetchen mit, und als es der Officier tröffnete, fand er den ihm verliehenen Orden. Seine Mutter heftete ihm denselben sofort auf die Brust, und nun erhielt er einen Spiegel vorgehalten, um sich selbst darin bewundern zu können. Hierauf erschien Kati, welche ihrer Freude in lustiger Art Ausdruck verlieh. Am ersten Tage schrieb Horn alle möglichen Meldungen und Briefe. Dann laS er gründlich die Zeitungen der letzten Wochen und erfuhr dadurch erst die großen Schlacht- rreignisse um Metz und Sedan genauer. Grävenheim war erst Ende August seinem Regiment nachgeschickt und 2 Tage später schon verwundet worden, so daß er von den blutigen Kämpfen von Mars-la-tour - Vionvillc und Gradelotte- St. Privat auch nur wenig wußte und wenig erzählen konnte. Schon am folaenden Tage hatte sich aber die Rückkehr Hokn'S in seinen früheren Bekanntenkreisen und in denen seiner Mutter so verbreitet, daß er einen Besuch nach dem anderen erhielt. Da er jetzt ganz gut auf einer Chaise-longue liegen konnte und durch da« viele Sprechen nicht besonder« an gestrengt wurde, so empfing er Jedermann und freute sich sehr, auf diese Weise rme angenehme Zerstreuung zu erhalten. Einer der ersten Besuche war Fräulein Mechtilbi« Strecker. Wie ste behauptete, sei sie eigentlich nur zur Frau Räthin gekommen, um sich nach de». Befinden de« Herrn Ober- lieutenant- zu erkundigen. Al« sie aber erfuhr, daß er außerhalb de« Bette« sei und recht gut Besuche empfangen könne, ließ sie sich gar nicht lange zurrdrn, in sein Zimmer einzutrrten. Nach einer herzlichen Begrüßung, innigen Glückwünschen zum Orden und dem üblichen Bedauern wegen der Verwundung brachte sie möglichst schnell an, daß
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