Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.10.1895
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-10-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18951007016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895100701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895100701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Ausgabe ohne Seitenzählung
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-10
- Tag1895-10-07
- Monat1895-10
- Jahr1895
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
BezugS'Preis i» der Hauptexpedition oder den iin Stadt, bezirk und den Vororten errichteten Aus- gabestellea abgeholt: vierteljährlich^4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus ^ 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich ^l 6.—. Direkte tägliche Areuzbandiendung t»S Ausland: monatlich 7.50. Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/,? Uhr. dt« Abeud-AuSgabe Wochentags um 5 Uhr. Redaktion und Expedition: JohanneSgafie 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abend- 7 Uhr. Filialen: vtt« Nlemm'S Tortim. (Alfred Hahn), Universitätsstraße 1, Laut» Lösche, Tatharinenstr. 14, pari, und Königsplatz 7. Morgen - Ausgab e. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Kandels- «nd Geschäftsverkehr. Anzeigen,Preis die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter dem RedactionSstrich (4ge- spalten) bO^z. vor den Familteunachrichikii (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem PreiS- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernjatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbefördermig 60.—, mit Postbesörderung ^ 70.—. Annahmeschluß für Änzeizen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Margen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Für die Montag.Morgen-Ausgabe: Sonnabend Mittag. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Montag den 7. Oktober 1895. 89. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. Bekanntmachung. Mit Zustimmung der Herren Stadtverordneten haben wir be- schloffen, den Preis für zum Kochen und Heizen, sowie zu gewerb lichen Zwecken aus den städtischen Leitungen bezogenes Gas vom 1. Januar 1896 ab von 15 ^ t«r -rn vdm auf 12 hkrabznsetzc«. Auskunft über etwa gewünschte Anschlüsse an die städtischen Gas leitungen wird in der Geschäftsstelle der Gasanstalten (Kurprinz strabe 14) während der Gejchästsstunden erlheilt. Leipzig, den 2. August 1895. I«. 3725 Der Rath der Stadt Leipzig. 1276. vr. Tröndlin. Ass. Bts. Versteigerung. Montag, den 7. Oktober 18S5, von Vormittags 10 Uhr an sollen im Grundstücke der Allgemeinen Deutschen Creditanstalt hier, Brühl Nr. 75, 77, eine Kiste Hermelin-Felle meistbietend gegen Baarzahlung versteigert werden. Die Felle liegen im obengenannten Grundstücke, Eingang Brühl (Zwischenstock) zur Besichtigung bereit. Leipzig, am 2. Oktober 1895 König!. Amtsgericht Leipzig. Schmidt. Oeffentlieke Üanä6l8l6kran8ta1t. L-nwelckuoxen unm Lintritte in dis Tekrlingsudtlieiluox verden Dienstag, den 8., und Aittiroed, den 0. Oktober, ron 11—12 Obr Vormittags elltgegengenoiiimvo. ^nkuabmeprUkung: Donnerstag, den lO. Oekober, krilk 7 DLr. krok. IVollrum, Direktor. Das tägliche Brod in sächsischen Bauerdörfern. Von Johannes Corvey. Von einem sächsischen Kurfürsten stammt der Ausspruch: „Der Bauern Leben ist das seligste Leben, denn diesen wächst Alle-, die andern Stände müssens kaufen." Diese damals vielleicht berechtigte Anschauung kann man noch heute häufig, besonders in manchen großstädtischen Kreisen Horen, die oft mit den wirthschaftlichen Verhältnissen der bäuerlichen Be völkerung in ihrem Vaterlande weniger bekannt sind als mit den Lebensbedingungen der egyptischen Ackerbauer im Zeitalter der Pharaonen. Es ist erstaunlich, wie wenig man in der Großstadt im Allgemeinen von „der Bauern Leben" weiß. Als Sommerfrischler und Ausflügler lernt man dasselbe aller dings in seinen intimen Beziehungen nicht kennen, selbst der socialwissenschaftlich geschulte Forscher vermag meistens nur nach längeren Studien die Oberfläche der Dinge in den bäuerlichen Bezirken zu durchdringen und die Gründe der Erscheinungen im wirthschaftlichen und socialen Leben des Dorfes bloßzulegen. Immer jevoch wird er die Erfahrung machen, daß der Bauer in einem weit höheren Grade als der Städter von der Ueberlieferung beherrscht wird. Selbst in engbevölkerlen bäuerlichen Gegenden, erbt sich der Väter Brauch wie eine „ewige Krankheit" fort. Die Sitte der Vorfahren treu zu bewahren, mag charaktervoll sein und anheimelnd auf das Gemüth wirken — aber auch dem kleinbäuerlichen Betriebe wird es heute oft verhängniß- voll, wenn er sich von den veralteten Formen eines ab gestorbenen Wirtschaftslebens nicht frei zu machen versteht. Die Lage vieler Bauern würde auch bei den gegenwärtigen Preisen der landwirtschaftlichen Erzeugnisse eine erträglichere und selbst glückliche sein, wenn sie die Einsicht hätten, die alte überlieferte Art ihrer Bodenbewirtschaftung um zugestalten, wenn ihr Culturstandpunct ein höherer, ihr Gesichtskreis ein weniger eng begrenzter wäre. Der Industrielle hat sich neuen Fabrikationsmethoden an zupassen, mit Eifer und Umsicht hat er die Errungenschaften der Technik zu verfolgen, bei jedem Fortschritt derselben hat er zu prüfen, welcher Einfluß durch ihn etwa auf seinen be sonderen Wirkungskreis ausgeübt wird, selbst einen völligen Wechsel der Fabrikation darf er nicht scheuen, wenn er vor der Gefahr gesichert sein will, in den Zeiten wirtschaftlicher Ebbe auf eine Sandbank zu gerathen. Der Bauer hat nicht so viel Bewegungsfreiheit wie der Industrielle. Er ist an die Eigenschaften seines Bodens gebunden. Aber immerhin ist ibm innerhalb des engeren Rahmens doch die Möglichkeit gegeben, mit veränderten volkswirtschaftlichen Zuständen zu rechnen. Daß dieses vielfach nicht oder doch nur sehr langsam geschieht, trägt schließlich nicht nur zu einem häufigen Besitz wechsel und zur Verschuldung der Bauernhöfe mit bei, sonvern führt auch zu einer Herabdrückung der Lebenshaltung in solchen bäuerlichen Kreisen, die sonst den Preisfall des Getreides ohne große Beschwerde hätten ertragen können. Diese Beobachtungen sind in den Dörfern zwischen Dresden und Königsbrück-Kamen; gemacht; in manchen sächsischen Bezirken mit günstigerer Bodenclasse mögen die Verhältnisse Wohl bester, in anderen ähnlich liegen. In der bezeichnten Gegend ist die Lebenshaltung der Bauern eine sehr dürftige. Zwar sind in den letzten 25 Jahren die Wohnungen meistens gesünder und geräumiger geworden, auch mit der Kleidung wird mehr Aufwand getrieben, und die Vergnügungen sind weniger selten als zu jener Zeit — aber der Fleischverbrauch scheint zurückHegangen zu sein. I» einem Dorfe jener Gegend, dessen Verhältnisse uns genau be kannt sind, schlachteten die eigentlichen Bauerngutsbesitzer noch vor 25 Jahren in jedem Spätherbst ein fettes Rind und im Laufe des Winters einige Schweine für den eigenen Haushalt. Das Rinderschlachten hat seit längeren Jahren völlig aufgehört, und selbst von den Schweinen wird oft noch eine Speckseite und ein Schinken verkauft. Allerdings ißt der Bauer heute des Sonntags häufiger frisches Fleisch als früher, aber trotz dem soll, wie uns versichert wird, der ehemalige Fleisch verbrauch nicht erreicht werven. Besondere statistische Auf stellungen über den Fleischconsum in sächsischen Dörfern giebt eö nicht, und specielle zahlenmäßige Ermittelungen sind and) bei den eigenartigen dörflichen Verhältnissen kaum möglich. Der Bauerfrau läßt sich viel schwieriger „in den Tops gucken" als der Großstädterin; überhaupt sind die wirlh- jchastlichen Seiten des bäuerlichen Familienlebens mit einer großen Heimlichkeit umgeben. Der Bauer führt in Sachsen eine gänzlich andere Küche als der Städter. Auf -seinem Tisch finven sich regelmäßig Gerichte, die in der Großstadt kaum dem Namen nach bekannt sind. In der Gegend zwischen Dresden unv Königsbrück- Kamenz bildet die Kartoffel den Hauptbestandtheil der Speise karte. Sie kommt gebraten, mit der Schale, als Brei und als Salat Morgens, Mittags und Abends auf den Tisch. Im Allgemeinen bietet derselbe sehr wenig Abwechselung. Früh Morgens, „wenn die Hähne krähen", giebt es gewöhn lich eine Wassersuppe; in bäuerlichen Familien, die mit der Zeit wenigstens in vieser Hinsicht fortschreiten wollen, auch ein „Kaffee" genanntes Getränk, das mit diesem jedoch ebenso wenig Ähnlichkeit hat wie das bekannte „Blümchen"getränk der erzgebirgischen Weber unv Strumpfwirkerfamilien. Die Bauersrau kauft gewöhnlich die billigste Kaffeesorte. Auch wenn sie bessere Maare kaufen will, wirv sie doch häufig übervortbeilt, da sie im Einkäufen derartiger Maaren meistens wenig erfahren ist, ein sehr geringes Unheil hat und selbst vie Zubereitung eines so alltäglichen Getränkes in den seltensten Fällen völlig versteht. Fast überall wird in der genannten Gegend einem Pfund Kaffee mindestens dieselbe Menge gebrannter Gerste zugesetzt. Cichorie wird seltener gebraucht; vereinzelt wird auch Zucker genommen. Meint es die Bauerfrau mit einem „Besuch" recht gut, so gießt sie ihm soviel Milch in den „Kaffee", daß dieser völlig grau weiß auSsieht und einen äußerst faden Geschmack hat. Zum Frühstück giebt es im Allgemeinen ein Stück Brod mit Streichkäse — Quark — nicht immer Butter, noch weniger Eier oder gar Wurst und Fleisch. Höchstens der „Bauer", also der Herr, erlaubt sich eine Ergänzung seiner frugalen Mahlzeit aus der Fleischkammer. Auch „Fett", Syrup und Pflaumenmus, welches die Bauerfrau selbst be reitet, werden gegessen. Im Winter giebt es Morgens oft Bratkartoffeln. Der Mittagstisch ist außerordentlich dürftig. Da die Bauerfrau in der guten Jahreszeit auf dem Felde mit beschäftigt ist, so bleibt ihr für die Zubereitung der Haupt mahlzeit meistens ebensowenig Zeit übrig wie der ver- heiralheten Jndustriearbeiterin. Und auch wenn ihre einzige Aufgabe wäre, am Herde zu stehen, so würde sie trotz dem ein kräftiges und zugleich schmackhaftes Mahl nur in wenigen Fällen bereiten können. Es fehlen ihr dazu alle Vorbedingungen. Sie besitzt weder die erforderlichen Zu- lbaten, noch die entsprechenden Kochkenntnisse. In dieser Beziehung ist es mit den Bauerfrauen äußerst übel bestellt. Sie stammen meistens aus einem Bauernhof des Dorfes oder der nächsten Umgegend. Schon in den Kinderjahren haben sie mit aus das Feld hinaus müssen, ihre Mutter hat von Hauswirthschaft und Kochen auch nur die allerdürftigstcn Kenntnisse besessen; so sind sie herangewachsen und eine Ehe eingegangen, ohne jemals einen Einblick in ein wirklich gut geleitetes Hauswesen gehabt zu haben, ohne jede ausreichende Vorbildung für die Auf- aben, welche einer Hausfrau in Küche und amilienstube warten. Wie die einzelnen Speisen sich durch ihre Nährkraft unterscheiden, was leicht oder schwer verdaulich ist, bleibt der Bauerfrau gewöhnlich unbekannt. Die meisten können kaum einen Braten regelrecht zubereiten. Wenn der „Bauer" ein mal ein Huhn essen wollte, was jedoch äußerst selten vor kommt, so würde es die Bäuerin schwerlich kochen oder braten können. WaS sie zubereitet, ist meistens ohne Geschmack oder zu scharf gewürzt, oft auch mit Gewürzen vermischt, die zu der Speise nicht passen. Namentlich wird sie äußerst unbeholfen, wenn sie „grünes" Gemüse zubereiten soll. Es kommt dies allerdings verhältnißmäßig selten vor, da der „Bauer" und seine Leute derartige Gemüse nicht essen und oft selbst in ihrer Thorheit und Unwissenbeit mit Verachtung von ihnen sprechen. Schoten, Earottcn, Kohlrabi, Blumenkohl und ähnliche sogen, „junge Gemüse", die dem Großstädter im Sommer ein regelmäßiges Genuß mittel sind, kommen nur bei sehr wenigen Bauerfamilien auf den Tisch. Die Bauerfrau versteht sie nicht zuzubereiten, und sie hat auch nicht den Trieb, das zu lernen oder sich überhaupt Zeit zu solchen Küchenarbeiten zu nehmen. Sie betrachtet dieselben als nebensächlich und legt der Beschäftigung iin Stall oder im Felde weit mehr Wichtigkeit bei; häufig wird das Futter für das Vieh mit größerer Sorgfalt be reitet als die menschliche Speise. Oft werben dem Vieh die Gemüse vorgeworfen, weil der Bauer sie nicht ißt. Das geschieht mit Steckrüben, sogen. „Kohlrüben" und Weißkohl, wenn die Bauerfrau ihr Sauerkrautfaß gefüllt hat, sehr häufig. Unter solchen Umständen kann es nicht überraschen, wenn der Gemüsebau in den bäuerlichen Gärten sehr im Argen liegt. Obgleich dieselben den besten Boden haben, gut ge düngt, geräumig sind und alle Vorbedingungen zur Erzielung herrlicher Gartenfrüchte bieten, werden meistens doch nur Zwiebeln, die auch die Bauerfrau nicht entbehren kann, Gurken, Bohnen und sehr vieler grüner Salat gezogen. Ost ist der größte Theil des Hausgartens mit Futterrüben für das Vieh oder Kartoffeln angefüllt, die der Bauer natürlich in großen Mengen auch auf dem Felde baut. In der Zeit, in welcher der Salat reist, kommt dieser beS Mittags sehr bäufig und in großen Mengen auf den Tisch, denn der Bauer betrachtet den Salat nicht als Beizericht, sondern als Haupt speise. Die Bäuerin mischt ihn mit Kartoffeln. Selten giebt es Eier oder Fleisch dazu; nur in der Ernte eine Art „Eier kuchen", zu dem aber so wenig Eier und so viel Mehl ver wendet wird, daß aus den Esser kaum ein halbes Ei kommt. Mit den Eiern ist der Bauer so sparsam wie mit der Wurst und dem Fleisch. In der Ernte bekommen die Knechte welche mähen, also die schwerste Arbeit haben, zum Frübstück ein Ei, beim Dreschen in der Woche Mittags geräuchertes Fleisch. Die Bäuerin kocht dazu Grütze, auch wohl Reis und Sauerkraut, fast nie aber Bohnen, Erbsen oder Linsen, die regelmäßige Gerichte der nord deutschen Bauern bilden. Manche Bauerfrauen bereiten als Miltagseffen auch „Grützemilch". Die Grütze wird dabei so steif gekocht, daß man sie in kleine Stücke schneiden kann, auf die Milch gegossen wird. Milch mit hineingebrockten Brot stückchen wird im Sommer oft gegessen, ebenso Sauermilch; oft giebt es dann noch Kartoffelbrei oder eine andere Kartoffclspeise, so Mehlsauce mit Kartoffeln. Des Sonntags wird jetzt meistens frisches Rindfleisch gekauft , die Bäuerin liebt es recht fett, damit die Suppe große Fett augen bekommt. Es wird mit Graupen, Reis ober Kartoffeln zusammen gekocht. Diese Speisen bilden daS regelmäßige Sonntagsmabl; Braten giebt es, wie schon oben angedeutct ist, äußerst selten und meistens nur bei besonderen Gelegen heiten, wie zur „KirmeS" oder an hohen und Familien-Fest- tagen. Das Abendessen unterscheidet sich vom Frühstück wenig. Eine Wassersuppe, Mehlsuppe, Bratkartoffeln oder „ganze" Kartoffeln mit „Quark" ober dürftig zugetheiltem Speck und „Schmer", Brot mit Pflaumenmus oder Fett kehren regelmäßig wieder. Wie man sieht, ist in der bezeichneten Gegend der Tisck, der Bauern dürftiger als der der meisten Industriearbeiter. Die Gründe für diese Thatsache sind bereits kurz erwähnt. Unzweifelhaft sprechen die finanziellen Verhältnisse des Bauern dabei mit, vielfach ist die dürftige und einförmige Ernährung jedoch der Unwissenheit und der mangelhaften und wenig klugen Regelung der häuslichen und feld- wirthschaftlichen Arbeiten zuzuschreiben. Wie schon gesagt, fehlt es der Bauerfrau an jeder nennenSwerthen bauswirthsckastlichen Schulung. Sie versteht vielleicht die Viehwirthschaft und die weibliche Feldarbeit leidlich, auch das Brod kann sie selber backen, aber wenn es sich um Zubereitung der Speisen, der Wäsche, um Nähen und darum handelt, das Heim des Bauern wohnlich und gemüthlich zu machen, hat sie weniger als daS A-B-E gelernt. Es braucht wohl kaum gesagt zu werden, daß es eine Wohlthat für die bäuerlichen Verhältnisse sein würde, wenn hier Abhilfe geschafft werden könnte. In Preußen, wo augen scheinlich in manchen Bezirken ähnliche oder noch schlimmere Zustände herrschen, hat bekanntlich das Landesökonomie- Collecsium kürzlich den Landwirtbschaftsminister ersucht, für die ländliche weibliche Juzenv Haushaltungsschulen in das Leben zu rufen. Da die Bauernmädchen in der eigenen Familie in dieser Richtung nichts lernen können, so sind der artige Schulen jedenfalls daS beste Auskunftsmittel. Auch in einigen sächsischen Orten besteben bereits solckHH Scbulen; in Sachsen wurde die erste 1884 von Frau von Nostitz-Wallwitz in Schweikershain begründet. Der gute Besuch dieser Schulen ist ein Zeichen dafür, daß der intelli zentere Tbcil der bäuerlichen Bevölkerung es immer mehr einsieht, wie notbwendig es ist, auch den Landmädchen eine bessere hauswirthschaftliche Erziehung zu geben. Daß viele Bauern thöricht genug sind, von jenen Anstalten mit Gering schätzung zu reden, darf nicht abschrecken, weit mehr als bisher für die Gründung von Haushaltungsschulen ir den Dörfern thätig zu sein. ZUM Verstiindniß der Lensuren. Die Censur! Ein wichtiger Gegenstand für die Schule und das Haus, für die Kinder und die Ellern. Ich möchte sagen, wir leben in dem Zeitalter der Gleichgiltigkeit; denn was giebt es, in dem Bereiche der höheren, edleren Dinge wenigstens, wogegen die modernen Menschen nicht gleicbgiltig wären? Au» die Schule und die Lehrer ins besondere haben innerhalb der großen Menge nicht das An sehen und erfahren nicht die Schätzung, die ihnen gebühren. Aber wenn die Censur kommt, da kehrt einmal der Ernst im Hause ein, da beugen sich einmal die verschiedenen Kreise vor der Autorität, die der Schule in Wirklichkeit inne wobnt, natürlich mehr oder weniger widerwillig — aber sie beugen sich. Mit Spannung wird die Censur erwartet, mit einer ge wissen Aufregung wird sie empfangen und eingesehen, und von gewissen Folgen ist der Ausfall der Censuren in den meisten Fällen begleitet. Eltern und Kinder sehen die Cen suren mit ganz verschiedenen Augen an. Reden wir zunächst nur von den ersteren. Eigentlich dürften die Eltern Har nicht besonders erwartungsvoll, neugierig sein. Vernünftigen und Feuilleton. Vom Weinen. Plauderei von Anna Pötsch. (Nachdruck verboten.) Liebe Freundin! Mein Brief über das Lachen*) hat also Deinen Beifall gesunden, und Du forderst mich auf, einen solchen über das Weinen folgen zu lasten. Ich will nicht fragen, ob Du mit diesem Verlangen vielleicht den erziehlichen Hintergedanken verbindest, mich bei dieser Gelegenheit einmal recht eindringlich an den Ernst des Lebens zu gemahnen, sondern ohne Weiteres Deinem Wunsche, der mir ja, wie Du weißt, immer Befehl ist, zu genügen versuchen. Wesentlich erschwert hast Du mir dieses Vorhaben durch den allerdings keineswegs überflüssigen Zusatz: Schreibe mir aber ja kein sentimentales Zeug, denn sonst wär's schade um die darauf verwandte Zeit! Also, ich soll über Thränen philosophiren, ohne weich und senti mental werden zu dürfen? Herz, diese Zumuthung kann nur Deine unerträgliche Nüchternheit stellen, Deine unerträg- liche Nüchternheit, die ich nichtsdestoweniger so sehr an Dir bewundere. Doch still, keine Complimente! Du hast Dir ja dergleichen für immer verbeten, und ich mache Dich nur ungeduldig, wenu ich nicht endlich zu meinem eigentlichen Thema übergehe. Wir sind gewöhnt, Lachen und Weinen als zwei ganz gegentheilige Erscheinungen zu betrachten, und dennoch be sitzen auch sie, in Uebereinstimmung mit jenem ewig wahren Princip von der Vermittlung der Gegensätze mancherlei Gemeinsames. WaS ich z. B. seiner Zeit vom Lachen sagte, daß e» ein heiliges Vorrecht der Menschheit sei, das gilt auch vom Weinen. Schiller läßt in diesem Sinne seinen Carlos sagen: „Die ewige Beglaubigung der Menschheit sind ja Thränen." Ja, Thränen! Denn mit Geschrei und Weinen begrüßen wir die Erde, unter Thränen durchwandern wir sie, mit Kampf und Seufzern reißen wir uns los von ihr. Was aber sind denn nun eigentlich diese beharrlichen Begleiter des Menschenlebens? — „Ein salziges Naß, das zu allen Zeiten und Unzeiten die Augen der Menschen genetzt hat", würdest Du vielleicht antworten, und eine eingehende Auseinandersetzung vom Thräiienwegleitungs- Apparat, von Thränendrüsen, Thränenpuncten, Thränen- warzen, von der Bestimmung all dieser Augentbeile hinzu fügen. Nun denn, meine Beste, halte Dir selbst diesen ohne Zweifel äußerst genußreichen Vortrag, und nimm als eine Art Ergänzung meine Erklärung: Thränen sind Aeußerungen des Schmerzes, der Rübrung, der Freude, also kurz: Acußerung einer tief seelischen Erregung. Der Mensch, dieses Zwitterding von Leib und Seele, von Hohem und Niederem, von Gottheit und Thierheit, bedarf für Alles, was in ihm vorgeht, einer Kundgebung nach Außen, darum ward ihm daS Wort, das Lächeln, ward ihm die Zähre verliehen. Sobald daher die letztere einen Vorgang der Seele wieder spiegelt, ist sie nicht eine Schwäche, deren wir uns schämen müßten, sondern ein berechtigter Ausdruck der menschlichen Natur überhaupt. Durch diese Worte möchte ich Dir, meine Theure, gleich andeuten, daß ich mit den Thränen der Verstellung, Berechnung u. s. w. nichts zu thun haben mag; sie sind keme rührenden Naturkinder, nicht Ausflüsse reiner Menschlichkeit, sondern Zerrbilder eine- entarteten Verstandes. Doch hier wirst Du vielleicht einwenden: wenn Du daS seelische Moment so energisch betonst, was hältst Du dann von den durch körperlichen Schmerz bervorgerufenen Klage lauten? Willst Du sie auch ohne Weiteres verwerfen? Nein, meine Freundin, das beabsichtige ich keineswegs, denn wenn auch jene Aeußerungen nicht auf seelischen Vor gängen beruhen, so sind sie doch natürlich und folglich ver zeihlich. Verzeihlich, ja, aber keineswegs wünschenswerth, möchte ich als echtes Kind des 19. Jahrhunderts hinzufügen. Eö hat, ich weiß wohl, Zeiten und Völker gegeben, die über diesen Punct anders geurtheilt haben würden. Interessante Erörterungen und Beispiele für diesen Gegenstand findest Du in Lessing'S „Laokon". Der Dichter sagt dort unter Anderem: „So weit auch Homer sonst seine Helden über die mensch liche Natur erbebt, so treu bleiben sie ihr doch stets, wenn es auf daS Gesübl der Schmerzen und Beleidigungen, wenn es auf die Aeußerung dieses Gefühls durch Schreien oder durch Thränen oder durch Scheltworte ankommt. Nach ihren Thaten sind es Geschöpfe höherer Art, nach ihren Empfindungen wahre Menschen. Ich weiß es, wir feineren Europäer einer klügeren Nachwelt wißen über unseren Mund und unsere Augen besser zu herrschen. Höf lichkeit und Anstand verbieten Geschrei und Thränen." Diese letzten Worte Lessing'S gelten nicht nur für seine Zeit, sondern auch, und vielleicht in noch höherem Grade, von der unseligen; denn heutzutage ist jedem Sterb lichen eine gewisse Mäßigung seiner SchmerzenSäußerungen geboten. Bei Erziehung des männlichen Geschlechts findet dieser Umstand meist frühe Berücksichtigung, dem kleinsten heulenden Dreikäsehoch pflegt man geflistentlich bei jeder Gelegenheit einzuschärfen: ein Junge darf nicht weinen. Wie aber steht es mit den Mädchen? — Ich meine, sie müßten ebenfalls an ein möglichst klage- loseS Leiden, besonder- in physischer Beziehung gewöhnt werden, denn da- ist eine heilsame Vorschule für ihr spätere- Leben, in dem oft noch ungleich Härtere« als dies von ihnen gefordert wird. Zwar sind die Meisten geneigt, den An- gehörigen unsere- Geschlecht- bereitwillig Thränen zu ver geben, aber in der Regel nur einige» ja nicht viele. Die Frauen — und leider giebt eS ihrer noch immer genug — die irgend ein Leiden, irgend einen Kummer zu ihrem Schoß kind« erheben, die gewohnheitsmäßigen Jammerbasen werden Jedem auf die Dauer unbequem, man macht sich besten Falls über sie lustig, erträgt sie, allein man achtet und liebt sie fast nie. Aber Du möchtest mir vielleicht zurufen: die Jammerbasen und Trauerweiden in Menschengestalt sind doch, Gott sei Dank, nur Ausnahmen, kehre endlich wieder zu den Thränen im Allgemeinen zurück! Dieser Mahnung folgend, wäre eS nun eine verlockenvc Aufgabe für mich, Dir sämmtliche, mir bekannte, von der Thräne handelnden Dichtworte vorzufübren und in ihrem Verhältnisse zu einander zu betrachten. Schon aus den Schrift werken in deutscher Sprache ließe sich eine recht artige Thränenlileratur zusammenstellen, allein ich will darauf verzichten; es könnte mich sonst von Deiner Seite der Vor wurf treffen, mir die Sache zu leicht gemacht, zu wenig Eigenes hineingeschrieben zu haben. Die Frage nun, welche Zähren die herbsten sind, wird von den Verschiedenen, je nach ihrer Natur und der ihres Kummers, verschieden beantwortet werden. Dem Einen ist eS Wohlthat, seinen Schmerz einsam auszuklagen, der Andere muß eS an der Seite eines Vertrauten thun, ohne zu er wägen, ob dieser sein Vertrauen verdient, seinen Gram ver steht. Am allgemeinsten und richtigsten glaube ich indessen noch die Frage mit dem Dichtworte zu entscheiden: Ungeweinte Thränen sind wohl die schmerzlichsten von allen. Ungeweinte Thränen! DaS sind solche, die wir aus Rück sicht aus Andere, oft in fröhlicher Gesellschaft, krampfhaft hinunterschlucken müssen oder solche, die aus einem in namen losem Weh erstarrten Menschenherzen ewig vergebens nach einem Auswege suchen. Ja, eS ist hart, heiter scheinen zu müssen, wenn die Seele blutet, aber kaum minder schwer, weinen zu sollen, wo wir nicht können. Besonder- häufig ist die Art unseres Geschlechts, lieblos über Diejenigen abzuurtbeilcn, denen bei eigenem oder fremdem Weh der lindernde Quell der Thränen versagt ist. Nicht wahr, Dora, das sollte nicht sein, denn eS sind oft gerade tiefangelegte Charaktere, die aus natürlicher Anlage oder Grundsatz jede sicht«
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite