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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.10.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-10-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18951017027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895101702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895101702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-10
- Tag1895-10-17
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Es ist zur Feier keiner der der vielen Ruhmestage, an denen der Kriegsheld sein siegreiches Schwert geschwungen, es ist sein Geburtstag gewählt zum Zeugniß, daß die Erinnerung an Kaiser Friedrich, obwohl sein Bildniß sich auf einem Schlachtfeld erhebt, nicht durch kriegerische Ruhmesthaten ausgesüllt ist, sondern die deutschen Herzen auch dem Fürsten und Menschen gehört haben. Der Zauber, der von seiner erlauchten Persönlichkeit aus- ging, stellt den Fürsten in der Geschichte der Einigung Deutschlands ebenbürtig neben den Feldherrn, der Weißen- burg^ Wörth und Sedan schlug. Er hatte ein Band um Süd und Nord geschlungen, noch ehe die vordem ge trennten Bundesstämme unter seiner Führung kämpften und siegte». Und nachdem kostbares Blut den Bund gekittet, durfte Keiner sich rühmen, seiner Befestigung glücklicher ge dient zu haben, als der im Norden und im Süden gleich geliebte und bewunderte „Kronprinz". So ist dem herrlichen Fürsten, wenngleich das Schicksal ihm verwehrte, als Regent seinen Namen tiefer in die Tafeln der Geschichte zu graben, auch als ein Mann des Friedens einer der Schöpfer des Reiches geworden, dessen Grundstein er als Befehlshaber im Kriege legen half. Mit unbegrenzter Liebe hat das deutsche Volk an seinem strahlenden Helden gehangen, hat es sein Schmerzenslager umstanden, als der Edle, groß im Dulden wie im Streiten, einem allzufrühen leidenvollen Ende entgegenging. Diese Liebe ist dem Tiefbeweinten übers Grab hinaus verblieben und wird verbleiben wie die Erinnerung an seine Kriegsthaten. Sie wird sich lebendig zeigen in dem unerschütterlichen Festhalten an dem, was Kaiser Friedrich milgeschaffen. Sein Bildniß erhebt sich auf wieder erobertem deutschen Boden. Wenn es dereinst gelten sollte, sie und mit ihr alles das zu vertheidigen, was mit ihrer Wiedergewinnung verbunden war, dann wird die elsässische Erde doppelt gesichert sein, weil ihr das Bild des hehren Kaisers anvertraut ist und den deutschen Streitern das Ge- löbniß in Erinnerung bringt, das der Dichter am Todestage Wilhelm's I. für sein Volk gethan hat: Mit unser» Leibern decken wir Dein Grab, Dein Reich und Deinen Erben. Die Anwesenheit des Fürsten Lobanow in Berlin, richtiger ausgedrückt, der Aufenthalt, den der Fürst auf seiner Reise von Paris nach Petersburg in der deutschen Reichshauptstadt genommen, bietet einer Reihe von Blättern den Anlaß zu politischen Eombinationen, Permutationen und sonstigen Rechenkünsten. Der Aufenthalt habe eine politische Be deutung, die sich, die Einen sagen in Astasien, die Anderen meinen auf der Balkanhalbinsel, wieder Andere auch an beiden Stellen offenbaren werde. Da das Bemühen, das Bedürsniß nach Kannegießerei zu unterdrücken, bekanntlich gleich hinter der Danaiden- und Sisyphusarbeit rangirt und da ferner diese Art des Politisirens meistens unschädlich ist, so wäre es überflüssig, sich mit der Staatsweisheit, die während und nach der Reise des russischen Ministers des Auswärtigen ausgekramt wird, zu befassen. Aber darauf soll doch hin gewiesen werden, daß der „Neichsanzeige r" an der Stelle, wo sonst Begebenheiten irgendwelcher politischer Be deutung verzeichnet werden, der Anwesenheit des Fürsten Lobanow, seiner Audienzen, Besuche und Zusammen künfte mit keiner Silbe Erwähnung gethan hat — das sicherste Zeugniß, daß die deutsche Negierung von dem Berliner Aufenthalt des Fürsten kein politisches Ereignis; erblickt hat. Dies haben die in Nedactionsstuben sitzenden Protokollführer der Weltgeschichte in ihrem spekula tiven Eifer übersehen. Für weniger Deutungöbedürftige war es von vornherein außer Zweifel, daß es sich um einen unumgänglichen Höflichkeirsaci handelte. Der russische Minister res Auswärtigen konnte nicht zweimal durch Berlin fahren, ohne sich dem Kaiser vorzustellen und dem Reichs kanzler seinen Besuch abzustatten. Sein Berliner Aufenthalt war ursprünglich für die Hinreise in Aussicht genommen und ist später aus unbekannten, politisch jedenfalls auch gleich- giltigen Gründe» auf die Rückfahrt verschoben worden. Die politische Bedeutung dieser Reise liegt in Paris, wo Fürst Lobanow auf eine im diplomatischen Leben ganz ungewöhn liche Weise die Zntimilät mit den französischen Staats männern hat hervortrelen lassen. prineipiell ablehnend gegenüber. ^' ^ Re Machtstellung der begründete Uebergew.cht Schwedens und d, ^ ' Monarchie nach außen hm nicht angetastet In Norwegen bat die Ea binetskrisis, die sich schier endlos hinschleppte, weil es bisher nicht möglich war, ein Ministerium zu bilden, das einerseits der König, ohne seiner Würde etwas zu vergeben, mit der Führung der Staats geschäfte hätte betrauen können, und das andererseits auch von der radicalen Stortbingsmajorität aeceptirt worden wäre, nun doch ihren Abschluß in der Bildung eines Coalitionscabinets gefunden. Von den zehn Mitgliedern des neuen Eabinets, die sämmtlich Juristen sind, sind vier Eonservative, zwei Moderaten, vier Liberale. Nur zwei sind nicht schon früher Minister gewesen: die beiden jungen Juristen Smedal und Slang-Lund, der letztere ein Schwestersohn des jetzt abgcgangenen Ministerpräsidenten Slang und Präsident des EominunalrathS der Hauptstadt Die vier im Amt gebliebenen Mitglieder des Ministeriums Stang sind sehr angesehene Männer: Ministerpräsident vr. zur. Francis Hagerup, ein Mann der juristischen Wissenschaft, mit den aufgeklärtesten Anschauungen seiner Zeit: der Staatsminister beim König, Gram, ebenfalls als Jurist und Kenner des internationalen Staatsreckts bekannt; der Kriegsminister Olssön, als energischer Förderer der nationalen Wehrkraft beliebt; selbst die Liberalen huldigten ihm zuletzt voller Begeisterung; der Arbeitsminister Nielsen, der als Muster eines resoluten Ministers in außerordentlichen Fällen gilt. Die zwei Mode raten, Swerdrup und Haugland, sind gerade die zwei bedeutendsten Politiker der kleinen moderatey Partei D:e vier Liberale.! sind dagJzen keineswegs reileVoe Männer ihrer Partei zu nennen, csie werden aber zugleich einen discreten Schutz der liberalen Interessen bilden. Wie Stang-Lnnd. so gehört auch Kildal zu der „Gesellschaft" der Hauptstadt Norwegens, zur sogenannten Finanzaristokratie. Mit der Regierung zu Stockholm, wegen gewisser Modifikationen des UnionsvertrageS, die auf norwegischer Seite be kanntlich nicht nur von der entschiedenen Linken, sondern auch von den Moderaten und den Conservativen für unerläßlich erachtet werden, in Verhandlung zu treten, wird nun als die Hauptaufgabe des neuen Eabinets sich darstellen. Dem Ministerium Stang waren in dieser Hinsicht die Hände voll kommen gebunden, da es ja seit Monaten die Slaatsgeschättc nur noch all interim führte und überdies im Storthing jeden Rückhalts entbehrte. Tritt das Ministerium Hagerup mit maßvollen und zweckentsprechenden Neformvorschlägen hervor, und sämmtliche Mitglieder sind von der Nothwendigkeit einer loyalen Ansgleichsunterbandlung mit Schweden überzeugt, so wird die hochgradige Erregung, die sich auf schwedischer Seite dem skandinavischen Brudervvlke gegenüber neuerdings geltend gemacht hat, voraussichtlich sehr bald wieder schwinden, denn Reichstag und Regierung in Schweden stehen dem Ver langen der Norweger nach einer zeitgemäßen Abänderung einzelner Bestimmungen des Unioiisabkvmmens keineswegs dilNali-n-Merale» nicht m-hr am Rnder an den Dreibund gearbe.wt. Der "ist ' S L Drucke der Jungconservativen, ui den ktzten Anlehnung Rumäniens an den ^"^'uud eu'gcttete,. ^ dieser Berielmua ist also eine Aenderung nicht Z" erwariei', um so weniger,^als König Earol selbst als eigentlicher Zelter der- auswärtigen Politik seines Landes anzujeben st. I n klebrigen kann es nichts schaden, wenn d.e Rackar Ru mäniens in. Norden und '"'Süden erfahre .daß m t nächsten Zeit in Bukarest Staatsmänner maßgebend fein werden, die noch viel weniger als ,l,re Vorgänger ge»e>g sind, etwaigen Störungen der Ruhe aus der Baltanhallmfe Vorsckub zu leisten. Es wird die allerhöchste Zeit, daß in der armenischen Resormfrage etwas geschieht, denn die durch eine Paule in den Metzeleien am Goldenen Horn erweckte Hostnung, daß die tobenden Wogen der entfesselten Leidenschaften sich wieder beruhigen würden, hat sich leider als trügerisch llszeigt. In den letzten Tagen ist es wie in Konstantinopel selbst, so in derProvinz wieder zu blutigenZusammeustößengekommen,deren Opfer wieder nack vielen Hunderten zählen. Daß dicielben von armenischer Seite provocirt worden seien, wird zwar behauptet, aber an den Ursachen der Beunrnbigungen haben die Mobamedaner nicht minder Antheil. Nachdem einmal der erste Schuß gefallen und Blut geflossen, ist Kriegszustand auf beiden Seiten, hüben und drüben wird gehetzt: wer kann jetzt noch in dem allgemeinen Durcheinander genau die Schuld abwägen und die Schuldigen zur Rechenschaft ziehen! Die prima culpa bleibt doch immer die Gleichgiltigkeit des Sultans und seiner Regierung gegen die crassen Zustände, unter welchen die christliche Bevölkerung des osmanifchen Reiches zu leiden hat und die auch die größte Geduld er schöpfende Zauverpolitik Abdul-Hamid's gegenüber dem Ver langen der bethciliglcn Mächte nach Reformen. Dieser Mangel an gutem Willen läßt auch jetzt noch die Lage in besorgnißerregendem Lickte erscheinen. Die Botschafter der drei intervenirendc» Mächte haben zwar wieder Verhand lungen mit der Pforte angeknüpft^ dieselben haben in den letzten Tagen verschiedene Stadien durchgemacht und die letzte darauf bezügliche Meldung, welche uns über London unterm 16. October zugegangen ist, besagt: Der britische Botschafter Currie in Konstantmopel telegraphirte heute Vormittag an das Auswärtige Amt, daß der von England, Rußland und Frankreich ausgestellte Reformen twurf, betreffend Armenien, vom 11. Mai d. I. die Zustimmung des türkischen Ministers des Aeußeren Said Pascha erhallen habe und daß mau nunmehr die Genehmigung des Sultans erwarte. Diese ^Überreichung soll als Ulti matum gelten, nachdem der Sultan auf das von den Bot schaftern und dem Generalsecretair des Auswärtigen Mnnir Bey ansgearbeitete Verwaltungsreglement sich nicht geäußert, d. h. dasselbe abgelehnt hat; allein dem Ultimatum wird da durch die Spitze abgebrochen, daß in demselben auf die An stellung eines christlichen Obercommissars, der die Ueber- wachung der Ausführung der Reformen zu besorgen hätte, verrichtet wird. Auch heißt es, daß in den, Ultimatum „fast" dieselben Forderungen ausgestellt seien, wie in dem Refvrmvorschlag vom 11. Mai. Demnach scheinen die drei Mächte, auch England, in wesentlichen Puncten nach gegeben und der Sultan die Partie gewonnen zu haben, auch wenn er das „Ultimatum" annimmt. Ob er die Sanction desselben veröffentlichen wird, ist eine andere Frage, und wenn er es publicirt, so ist bis zur Ausführung der Reformen noch ein sehr weiter Weg. Eine Reihe von HaltischerifS sind sich gefolgt, ohne irgendwelche Wirkungen hervorzurufen. Sie enthalten allerhand Verheißungen für die Gleichberech tigung der nicht mohamedanischeu Bevölkerung, und im Grunde genommen haben sie doch keinen Erfolg gehabt oder haben können, weil ihre Durchführung die Fundamente des großen Staatsgebäudes erschüttert hätte. Die Anforderungen und Ziele der westeuropäischen Cultur stehen im tödtlichen Widerstreit zu dem Leben des Islams, wie der Koran es begründet hat. Werden die Interessen der christlichen Unterthanen des Sultans gefördert, so fühlen die Moslems sich benacktkeiligt, die immer noch mit heimlicher Verachtung auf die Ungläubigen herabsehen, deren Väter einst von den Bekennern des Propheten unterworfen wurden. Leicht fetzt diese Empfindung sich in Thaten um, wenn ein SultanSerlaß den Ehristen neue Rechte verleiht. Nach dem Hattihumajnm vom 18. Februar 1856, der völlige Religions freiheit cinführte, kam es zu blutigen Kämpfen in den Pro vinzen, und mit ähnlichen Vorgängen droht jetzt die alt türkische Partei. Deutsches Reich. U Berlin, 16. October. In den letzten Tagen hat der „Neichöauzciger" mehrere Bekanntmachungen des Reichs-Ver- sicherungsamles über die Nachwahl von Stellvertretern der nichtständigen Mitglieder des Reichs-Ver- sicherungsamtes mitgetheilt. Die Zahl der nichtständigen Mitglieder ist, soweit sie aus der Milte des Bundesraths gewählt werden, seit dem Beginn der Thäkigkeit der Berufs- genosseuschaflen sich gleich geblieben, soweit sie aber die Ver tretung der Arbeitgeber und Arbeitnehmer betrifft, ist sie in den 10 Jahren seit dem Jnslebentreten des ersten Unsallversickerungs- gesetzes gesteigert worden. Das Unfallversicherungsgesetz vom 6. Juli 1881 bestimmte, daß von den Genossenschaftsvor ständen und von den Vertretern der versicherten Arbeiter je zwei nichtständige Mitglieder gewählt werden sollten. Tie Unfallversicherungsgesetze für die Land- und Forstwirthsckaft und für die Seeleute erweiterten die Zahl auf je sechs. Diese Zahl ist auch noch heute vorhanden. Weit beträchtlicher aber ist die Zunahme der Stellvertrerer dieser nicht ständige» Mitglieder. Je mehr nämlich die Thätigkeit des RcichS-Versicherungsamtes zunabin, um so mehr zeigte es sich, daß die in den verschiedenen Gesetzen und namentlich in demjenigen vom 6. Juli 1884 vorgesehene Anzahl von Stellvertretern nicht genügte. Es waren in dem letztere» Gesetze anfänglich nur je zwei Vertreter für jedes Mitglied vorgesehen. Es machten sich jedoch bald solche Unzuträglich- keiten geltend, daß die bisher einzige Novelle zur Unfall- Feuttletsn. Schwere Rümpfe. Roman aus -ein grotzen Kriege. 40s Von Carl Tanera. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Nunmehr marschirte der Gefangene inmitten der Patrouille stumm weiter. Nach etwa 10 Minuten kam man zu den Vorposten. Horn selbst ging voraus, gab wie vorgeschrieben Loosung und Feldgeschrei ab und führte dann die Patrouille in der Art, daß der Posten die einzelnen Leute derselben in der Dunkelheit nicht erkennen konnte und meinen mußte, es marschire dort einfach eine 4 Mann starke Jäger patrouille, vor. Nach weiteren 10 Minuten war man in der Richtung auf Terminiers soweit gekommen, daß man sich außer jedem Gesichts- und Gehörkreis der bayerisch-preußischen Linien befand. Im Süden aber, etwa bei Rouvray-St. Croix, ver kündete der am nächilichen Himmel aussteigende röthliche Schein, daß dort die französischen Biwakfeuer brannten. Man war in der Nahe eines größeren Gebüsches an- gekommeu. Nun hielt Horn und sah sich um. Neben einem Strauch schien ihm ein geeigneter Platz zu sein. Dort führte er die Patrouille hin. „Witzelberger, stell' Dich neben den Busch und gieb Acht, daß sich uns Niemand nähert. Waldstätter und Niederer, Ihr haltet den Gefangenen im Auge." Nun wandte er sich in französischer Sprache an den Eapitaine: „Ich will Ihnen jetzt einen Vorschlag machen. Wenn Sie mir schwarz auf weiß widerrufen, waS Sie gegen Fräulein Tborstraten gesagt und diesen Widerruf aus Ehrenwort unterschreiben, ferner, wenn Sie ebenfalls schriftlich auf Ehrenwort erklären, bis zum Fricdensfchluß die Waffen nicht mehr ergreifen und nicht mehr gegen Deutschland dienen zu wollen, so gebe ich Ihnen die Freiheit. Sind Sie mit diesem Vorschlag nicht einverstanden, so bringe ich Sie in daS bayerische Biwak und veranlasse Ihre Vcrurthcilung zum Tod durch ein Stand gericht. Was wählen Sie?" „ES bleibt mir ja keine Wahl. Ich werde mich doch, wenn es einen Ausweg giebt, nickst so einseitigen Richtern, wie eS jedenfalls Ihre Kameradc» sind, prciSgcbcn." „Nehmen Sie gefälligst Ihre Zunge etwas in Acht. Deutsche Richter urtheilen nie einseitig. Daß sie für einen gemeinen Ehrenwortsbruch keine Entschuldigung kennen, ist nur gerecht, und diese Gerechtigkeit käme jedenfalls gegen Sie zur Anwendung." Der Eapitaine ließ sich auf keine Entgegnung ein. Er fragte kurz: „Wo ist Papier, um die gewünschte Erklärung zu schreiben?" „Hier. Ich habe Papier, Feder und Tinte stets bei mir. Niederer, leuchten Sie so, daß der Franzose schreiben kann." Der Jäger hielt nun die kleine ihm von Horn übergebene Taschenlaterne, welche der Osficier angezündet hatte. Letzterer gab dem Eapitaine ein Blatt und eine Feder, reichte ihm seine Adjutantentasche als Unterlage und öffnete ein kleines Taschentintenzeug. Jetzt mußte der Gefangene schreiben, WaS ihm Horn in französischer Sprache dictirte: „Ich, Gaston Aubert, erkläre bei Verpfändung meiner Ebre, daß die infamen Beschuldigungen — schreiben Sie, wie ich cS Ihnen sage, — daß die infamen Beschuldigungen, welche ich gegen Fraulein Thorstraten erhoben habe, Lug und Trug sind und nur von mir gemacht wurden, weil ich glaubte, dadurch den Lieutenant Thorstraten für mich interessiren und zu meiner Hilfe anregen zu können. Loigny, den 3. December 1870. Gaston Aubert, , Eapitaine au 17>»e de Ligne". Horn las den Zettel durch und steckte ihn zu sich. Hierauf gab er dem Franzosen einen zweiten und befahl ihm, weiter zu schreiben: „Ich, Gaston Aubert, zum zweiten Male gestern am 2. December 1870 in der Schlackt bei Loigny von den Deutschen gefangen genommen, verpflichte mich bei Ver pfändung meiner Ehre bis zum Frievensschluß zwischen Deutsch land und Frankreich in keinerlei Weise mich an einer mili- tairischen Handlung —" Paff, paff, krachten zwei Schüsse aus einem etwa 300 Schritt entfernten Gebüsch, und man vernahm daS Pfeifen von Gewehr-Geschossen, welche über die Köpfe der Jäger und dcS Franzosen hinweg flogen. Alle erkannten sofort, daß sie von den Leuten einer französischen Patrouille kamen, die den Lichtschimmer der Laterne hemcrkl und darauf geschossen, in der Dunkelheit aber zu hoch gezielt hatten. Der Franzose war es, der die Lage zuerst erfaßte und zu seinem Vortveil auSzunützen versuchte. Während er mit der linken Hand dem Niederer von unten herauf die Laterne so ins Gesicht schlug, daß sie ausging, der Jäger aber einen Moment geblendet war, stieß er mit der rechten Hand Horn so kräftig auf den Unterofficier Waldstätter, daß beide, die sich ja keines Angriffs versehen hatten, rückwärts zur Erde sielen. Ohne sich länger zu besinnen, rannte der Eapitaine in der Richtung, woher der Schall der Schüsse erklungen, davon und dachte zu entfliehen, ehe er nochmals sein Ehren wort abgegeben habe. Er hatte ohne Witzelberger gerechnet. Dieser hielt an und für sich sein Gewehr schon im Anschlag, um aus die gegnerische Patrouille zu feuern, wenn etwas von ihr sichtbar würde. Jetzt kam ihm der flüchtige Eapitaine, dessen schnelles Handeln er Wohl bemerkt hatte, gerade vor die Mündung. Er drückte einfach ab, und mit durch schossenem Lckädel stürzte der Franzose im Nu zusammen. Horn, Waldstädter und Niederer hatten sich unter dessen wieder aufgerafft und wollten dem Entflokenen Nacheilen. Da rief ihnen Witzclberger kurz zu: „Ter is' scho' hin aa." Sie bemerkten auch gleich den regungslos vor einem Busche liegenden Körper. Zugleich krachte aber ein neuer Sckuß von der Seite der französischen Patrouille her. Das Geschoß mußte aber noch höher gegangen fein, denn man hörte weder ein Pfeifen, noch ein Einschlagen. „Nieder, deckt Euch!" Im Nu lagen Alle gestreckt auf der Erde. „Herr Oberleitnant!" „WaS wollen Sie, Waldstätter?" Dbcrleitnant, lassen S' mi' a bisserl rechts füri schleich n. I' wart' dann, bis wieder oaner schießt, un' wann »den Feuerstrahl siehag, na knall i' dem Sakra oans asi. Wann v-.elleicht der Witzelberger oder der Niederer amol nuber jchieaß'n thaten, na moaneten die Luader, daß wir 'rüber" ^und 1""" vielleicht no' amol ,, --^^"kttvegen. WW wollen zwei bis drei Minuten warten Unterdessen können Sie sich nahe genug hinschleichen. Halten (Lie sich nur gut rechts, damit Sie nicht in unsere Schußlinie kommen. Wenn ich pfeife, kehren Sie zurück." ,,J' gib scho' Obacht." der Unterofficier geräuschlos in der betastete genau den Eapitaine und über zeugte sich, daß er wirklich todt war. Beim kurrcn Blin Streichhölzchen erkannte er, daß der aus so großer Nahe abgegebene Schuß de» Schädel des Franzosen ^ !'"ke» Ohr ganz zerschmettert hatte. Er onnte sich nicht weiter nm den Tobten kümmern, den,, das tnr,e senchie» des Zündbölzchen hatte sofort wieder zwei Schüsse der feindlichen Patrouille zur Folge. Von Wald- ställer siel noch kein Schuß. Er konnte ja auch noch keine günstige Stelle erreicht haben. Horn schlick sich nun einige Schritte seitwärts, um neben dem Busch, der die Patrouille bisher gedeckt hatte, etwas besser vorsebeu zu können. „Witzelberger und Niederer kommt hierher." Gleich darauf befanden sich die beiden Zager an seiner Seite. Alle drei mühten sich nun ab, die Dunkelheit mit den Augen zu durchdringen. „Jetzt könnte der Waldstädter einen günstigen Platz erreicht haben. Niederer, schießen Sie einmal hinüber." Der Schuß krachte. Nach seinem Blitzen duckten sich alle drei schnell ganz nieder. Das war auch sehr gut, denn vier Schüsse zugleich antworteten seitens der Franzosen, und die Ebassepotgefchosse pfiffen ziemlich nahe über die liegenden Jäger weg, als Zeichen, daß auch die Franzosen auf den Blitz gezielt hatten. Von Waldstätter war noch nichts zu hören. „Er muß doch noch nickt nahe genug angepirscht sein. Wir wollen noch etwa eine Minute warten; dann kannst Du einen Schuß abgeben, Witzelberger." „Herr Oberleitnant! Wann die antwort'n, dürft i' nit nachschieaß'n? Na triff' i' gwiß." „Meinetwegen!" Nun hielten sich die beiden Jäger wieder bereit. Keiner von ihnen und ebensowenig ihr Osficier dachte daran, baß sie doch ein verteufelt gefährliches Sviel trieben. Sie mißachteten die Trefffähigkeit der Franzosen so sehr, daß es ihnen nicht sehr wahrscheinlich erschien, daß sie auch getroffen werden könnten. Wie Gemsjäger im Hochgebirge lauerten sie, bis sie selbst einen guten Schuß anbringen konnten. »Jetzt, Witzelberger, probir es. Halte nicht zu hoch." Der Schuß krachte. Richtig antworteten wieder vier fast gleichzeitig fallende Schüsse. Dann siel aber kaum 20 Schritt seitwärts der Franzosen ein fünfter; hierauf krachte die Büchse Riederer's; und nun schoß cs noch zweimal kurz nach einander von der Seite her, wo der Unterofficier versteckt sein mußte. Jetzt war Alles still. Horn pfiff und die Jäger lauschten, aber vergebens. Erst nach etwa 6 Minuten ver nahmen sie ein leichtes Rascheln. Dann pfiff eS ebenfalls, und man hörte den leisen Ruf: „Hier, Waldstädtcr!" Sofort antwortete der Osficier auch mit einem leisen Pfiff und dem Ruf: „Hier, Horn!" Gleich darauf erschien der Unterofficier und meldete: „Zwoa san auSgriss'n. I' Hab no' nackgefeiert. Aba i' Hab
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