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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.11.1895
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-11-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18951104011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895110401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895110401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Ausgabe ohne Seitenzählung
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-11
- Tag1895-11-04
- Monat1895-11
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Alle Parteien, sie mögen Namen tragen, welche sie wollen, sind in der Arbeit auf diesem Gebiete einig. Allem die sociale Frage hat außer der materiellen Seite, welche im öffentlichen Leben am schärfsten bervortritt, eine elbische Seile — ein Feld, welche» gar oft mir mehr gutem Willen »als Geschick bearbeitet worden ist. Und doch ist es nicht zu bezweifeln, daß den Hebel an dieser Stelle mit Glück ansetzcn nicht» Anderes beißt, als einen großen Tbeil der Menschheit von einer Knechtschaft befreien, die einem geistigen uns sitt lichen Fortschritt der Massen ebenso im Wege stellt, wie beispielsweise die früdere Leibeigenschaft dem materiellen Wohlergehen der ländlichen Bevölkerung. Welche Umstände aber insbesondere einem sittlichen Desser- wrrden großer VoikSkreise cnlgegensteben, wird Jedem ein leuchten, der die Verhältnisse betrachtet, denen die Bevölkerung unserer Jndustriecentren in Bezug auf ihre ArbeitS- und ErbolungSzeit unterworfen ist. Es ist überflüssig, an dieser Stelle über den Emfluß treuer unv redlicher Arbeit auf den sittlichen Zustand des Arbeitenden zu sprechen. Niemand wird bestreuen, daß tüchiigr, den Kräften angemessene Arbeit nicht ein Fluch, sonrern ein Segen für Jedermann ist. Andererseits aber heißt es: jever Arbeiter rst seine» Lohne» werth. Dieser Lohn aber besteht nicht nur in einem Geldbetrag, sondern in einer ebenio angemessenen Ruhezeit, welch«, wie bekannt vielfach durcb dir Gesetzgebung garavlirt, nicht nur zur Kräftigung de» Körpers, tvndern auch vor Allem zu einer geistigen Erholung und zu harmloser Geselligkeit, abgesehen von den Pflichten de» Familienlebens, dienen soll. Wenn man nun annebmen darf, daß dies etwa den Normaletat im Leben eines Arbeitenden büret, ist die Frage berechtigt: Findet in der Tbat unter den heutigen Verlätt- niffen die Menge der Arbeitenden in ihrer Arbeit jene Be friedigung, weiche die Müde süß macht, und sucht und finde« sie fernerhin in ihrer ErholungSzeit die nothwendige geistige Erfrischung? Wir sehen ab von der ländlichen Bevölkerung, deren Ver hältnisse unter anderen Gesichtspunkten betrachtet werden müssen, sind aber gewiß, daß diese Frage, wenige Elasten be vorzugter Arbeiter ausgenommen, häufig nicht mit „Ja" be antwortet werden kann. Es liegt eben in der Natur moderner Arbeit, daß die bi- aufs Aeußerste getriebene ArbeitS- theilnng, welche allein den Betrieb rentabel gestalten kann, dem Einzelnen ein so beschränktes Arbeitsgebiet anweist, daß e» vielfach schwierig ist, an solcher Arbeit eine wahre Herzens freude zu empfinden. Andererseits aber ist eS dem Arbeiter auch nicht möglich, wahrend seiner ErbolungSstunden da» Versäumte nachzuholen und damit in seinem Dasein eine Lücke au<zufüllen, die er oft selbst schmerzlich genug empfindet. Denn gerade das. was in hundert Fällen bevorzugtere» Ge sellschaftskreisen Anregung zu neuem Schaffen und Trost bei trockener Arbeit gewährt — ein Lichtstrahl aus den höchsten Gebieten der Wissenschaft und Kunst —, bleibt ihm der Regel nach verschlossen. Man wende nicht eist, daß eS unzählige Gesellschaften und Vereine gäbe, die gerade diesem Mangel abzubelscn bestrebt seien und den geistigen Zustand des Arbeiters durch Fortbildungskurse, Vorträge, Veranstaltung von Familien- abenden, musikalische Produktionen u. s. w. zu heben ver suchten, denn die Gegenfrage würde lauten: Habt ihr denn auch den Versuch einmal ernstlich gemacht, etwas Vollendetes zu bieten, oder waren eS nur gut gemeinte Dilettanten' leistungen, die für ren Augenblick zu genügen scheinen, das Herz aber kalt lassen? Und ferner: Sind Eure Bestrebungen in der Tbat so frei von jedem tendenziösen Beigeschmack gewesen, daß Der, den eS angeht, ebne Bedenken Euren Vorträgen beiwohnen konnte? Es wäre Unrecht, d. S bisher Geleistete nicht anzuerkennen. Eckt christlichen und patriotischen Geistes voll haben viele wackere Männer sich redlich bemüht, da» Ihrige zur socialen Versöhnung benntragen, aber wen darf cs Wunder nehmen, wenn sich das Arbeitsgebiet derartig er weitert, daß neben den alte» auch völlig neue Arbeitsgrunrsätze in Anwendung kommen? Zeigt uns doch auch daS Leben eineS Volkes täglich ein anderes Gesicht I Weit' chrige Arbeitgeber und wohlmeinende Männer aller Stände haben bereits nach verschiedenen Seiten hin der ver änderten Sachlage Rechnung zu tragen versucht. Es ist nicht unsere Aufgabe, alle Seilen dieser Frage zu erörtern. Wer sich genauer zu orienliren beabsichtigt, findet >» den Volkswoblsckriften Heft l2 einen Vortrag des bekannten Prof. Böbm ert: „Die Bestrebungen zur Veredelung der Volkserholungen", der hierüber näheren Aufschluß giebt. Für unS handelt es sich um die Frage: Wie ist eS mög lich, dem Arbeiter an einem Wochenabend Gelegenheit zu einem reinen Genuß zu verschaffe», der ebenso weit von der dunstigen Atmospbäre der Wirtbshäuser, den Schlüpfrig keiten der Tingeltangel und dem Gezänk der Volksversamm lungen abliegt, wie von dem Gedanken, unter irgend einer MaSke Plvselytenmacherei zu betreiben? Denn was nützt das herrliä'ste Programm, wenn als Folge der versteckten Absicht Diejenigen, auf die es angewendet werden soll, überhaupt fernbleibep^ Was flitzt ->üj» Versammlung, die sich aus kle.'ibür., ll.e„ unv großi.ntheilS direct abhängigen Be- vötkerungSkreisen zusammensrtzt, wenn sich der Arbeiter — in des Wortes besonderer Bedeutung — nicht dazu einfindet! So ist eS aber jetzt vielfach, und dann wundert man sich, wenn dir hinausgeworfenen Geldsummen nicht die geringste Wirkung dervorbringen. Und dock müßten Tausende und Abertausende gewonnen werden, müßten mit gutem Willen und mit Begeisterung kommen, wenn eine Bewegung erzeugt werden soll, die nicht spurlo« im Sande verläuft. DieS zu erreichen, ist indeß nur denkbar, wenn alle Fragen vermieden werden, die gemeinhin grundsätzlich verschiede» auf- gefaßt werden, und die« sind sämmtliche Fragen politischer, socialer und konfessioneller Natur. Wiffensckaft und Kunst sind zwar gewiß noch weniger frei von gegensätzlichen An- schaumigen; aber gerade das Strittige ist nicht das, was wir dler brauchen, sonrern daS, über dessen Wahrheit unv Schönheit unter allen Denkenden kein Zweifel besteht. Diese Grundsätze sind maßgebend gewesen, Li vor einigen Jabren die ersten VolkßunterbaltungSabende in verschiedenen größ ren deutschen Städten entstanden. In Berlin, Bremen, Düsseldorf, Dresden, Kiel u. a. O. sind solche Abende abgebalten worden, die sämnttlich einen so zahl- reichen Besuch gefunden baben, daß man auS demselben einen sickeren Rückschluß auf «in Bedürsniß de- Volke- ziehen kann. Hier war zum ersten Mal in großem Maßstabe dem wenig Bemittelten eine Stätte geschaffen, wo er im Kreise keiner Genossen, gemeinsam mit seinen Familienmitgliedern edle Geselligkeit und bildende Anregung genoß, die idm daS häufig jede» Schmuckes entbehrende Heim ebensowenig wie der WirtbSbausbesuch gewähren konnte. Hier fand er ein harmlose- Beisammensein, ohne die Pflichten eines geschmack losen Vereins aus sich nehmen zu müssen, und bier börie er in vollendeter Darstellung, was des Menschen Geist am höchsten zu erbeben vermag. Wer einmal diesen Versammlungen beigewohnt hat, die sich fast nur aus Arbeitern und Arbeiterinnen zusammensetzen, wer einmal die lautlose Stille und Ordnung während rer Vorträge oder die ausbrechende Begeisterung der Menge gesehen und gehört hat, der lernt die sociale Frage noch von einer anderen und schöneren Seile als sonst wohl anseben. Dankbar müssen wir eS begrüßen, daß diese Seite unS nicht vor so schwere und fast unlösbare Probleme stellt, wie die andere. Hieraus aber erwächst die Pflickt, alle Kräfte zu sammeln und muthig an eine Arbeit zu gehen, bei der die Früchte nickt ausbleiben werden. Das Volk ist nickt undankbar, wenn eS auch seinen Dank nickt in die gewöhnliche» Formen kleidet. Der Betuch Tausender unv das Gefühl jedes Einzelnen unter diesen Tausenden, einen vollendet genußreichen Abend vor sich zu baben, der für die ganze Arbeitswoche Stoff zum Denken und zur Unterhaltung bietet, ist Lohn genug. Erfreulicher Weise haben sich in unserer Stakt Leipzig edelrenkende Menschen genug gefunden, die die Arbeit des seit drei Jahren destebenven Vereins für Volksiinrerhaltungen unterstützen, ja in Ptagwitz hat seit vorigem Jahre ein zweiter Verein ähnliche Ziele verfolgen können. Voraussichtlich wird die beginnende Winterarbeit beider Vereine, an der jeder Gebildet« zur Mitarbeit willkommen ist, ebenso gute Resultate zeitigen wie in früberen Jabren. Diejenige» aber, welche noch vielfach kopfschüttelnd bei Seite stehen, mögen bedenken, daß die genannten Vereine nickt ältere und ähnliche Bestrebungen in ihrerTbätig- keit beeinträchtigen, sondern lediglich ergänzen wollen. Vr. Rob. Klee. Eine Eingabe an den Ra1h der Lladt Leipzig vor IVO Jabren. Städtische Volksschulen von der Art und Ein richtung, wie die Gegenwart sie kennt, gab eS vor hundert Jabren so gut wie gar nicht. Gewöhnlich waren eS Privat- untermbmungkn, die sich die Verbreitung elementarer Schul- kenntnisse zur Ausgabe stellten und unirr dem Namen „Cckreib- 'chulen", „Schreib- und Rechenschulen", „Beischulen" ober allgemein „Wmkelsckulen" urkundliche Erwähnung gefunden haben. Fast in allen Gassen batten sich solche auf- gelhan und luden theilweise ourch firmenäbniiche Schilder an den Häusern zum Besuche ein. „Allbier wird die Jugend im Cbrisienthum, Lesen, Schreiben und Rechnen unterwiesen", so bieß e- gewöhnlich über den Thüien von Häusern, in welchen Winkelschuten bestanden. Nun darf man aber keineswegs glauben, daß solche Häuser, wie jetzt, ausschließlich zu Schulzwecken gedient Härten, sondern eine Winkelschult umfaßte in der Regel nur eine kleine Wobnung, häufig sogar nur eine Stube. „Die kleinen Schulstuben lagen in Hinterhäusern, dunklen Höfen, Dachwohnungen und waren nicht selten zugleich Wvbn- und Schlafstuben des PracepkorS und se'ner Familie." (Vergl. Wustmann: Aus Leipzig- Ver gangenheit.) Einige Tische und Bänke oder Schemel der ge wöhnlichsten Art bildeten ras ganze Schulmobiliar. Ebenso gering war von den Anforderungen an die persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten der „Schulbalter", wie sich die Lebrer dieser Schulen nannten; auch war daS Schuledalten kein Amt, sondern ein völlig freie- Gewerbe. Es läßt sich wobl denken, daß riese Winkelichulen nur sehr wenig leisteten. Alles war maugelbaft und ungenügend. Die Schulstubrn hatten weder genügend Raum, nock» paffende» Mobiliar, noch Lehrmittel; der Schulbesuch war unregelmäßig, die Schul zucht, trotz der täglichen Hiebe, ohne viel Erfolg. Den Sckulbaltern fehlte es an einem Beruf — gewöhnlich galt ja das Sckulebalten nur als Nothbebelf — sowie an Lebr- gesckick unv pädagogischer Einsicht. Die ganze Schularbeit bestand im geräcktnißmäßiarn Einprägen, im Aufsagen, in mechanischen Schreib- und Leseübungen und im Abhören des EiuinaleinS. Eine Aenderung trat erst ein mit der Errichtung der RaihSfreisckule im Jadre 1792. Die genannte Schule ist i abubrechend für ganz Deutschland geworden, und die Namen Plato und Dolz sind zwei bellleuchtende Sterne am pädago gischen Himmel. Im folgenden Jahre, 1793, wurde in dem „Arbeitshaus« für Freiwillige" » welche- dazu diente, „den Armen eine Gelegenheit zur Arbeit zu schaffen, welche sie unter gehöriger Aufsicht gewisser dazu bestellender Personen zu fertigen hatten", eine Schule eingerichtet. Gleichzeitig war die Anstalt mit für Kinder bestimmt, die darin zur Arbeit angehalten und vor dem Beiteln und rer Verwahrlosung bewahrt werben sollten. Darum kamen die Kinder in das Arbeitshaus zur Arbeit und wurden von dort auS zu bestimmten Stunden in mehrere Winkelschulen zum Unterricht geschickt. Um eine größere Regelmäßigkeit im Besuche sowohl der ArbeitS- als auch der Schulstunden berbeizufübren und um den Kinrern einen ähnlichen Unterricht, wie in der im großen Aufblühen begriffenen RatbSfreischule gewähren zu können, wurde im Arbeirohause selbst eine Schule errichtet. Im folgenden Jahre (1794) wurde auch im Waisenbause, welches einen Tbeil von Sl. Georg bildete, eine selbstständige Schule ein gerichtet. So entstand von 1792 an drei Jabre nach einander je eine städtische Schulanftalt (NatbSsrei- lchule, ArbeitShauSschule, WaisendauSschule). Alle drei Schulen aber waren bestimmt für die Kinder unbemittelter Stände. Je besser nun diese Anstalten gediehen, desto dringender empfanden die bemittelten Elasten den Mangel einer ähnlichen Schule für ihre Kinder. Die Privat schuten (Winkrlschuten) genügte« ven Anforderungen der Zeit nickt mehr und die Lateinschulen genügten nicht sür die prak tischen Berufsarbeiten. Die danrel- und gewerbetreibende Bevölkerung Leipzigs wollte sür ihre Beschäftigungen vorbereitet sein, und ver langte schon im 16. Jahrhundert nach lateinlosen Schulen, aber daS Resultat dieser Bemübungen war stets: „Webre am besten, ras eS bey der Tbomaßer und der Ntklaßer Schule bliebe" (NakbS-Archiv, Fasc. 24, Bl. 20). Im Jabre 1795 richteten nun 25 Innungen durch ihre Obermeister und Oberältesten ein Schreiben an den Rath „mit der flehentlichen Bitte, ihnen eine allgemeine Bürgerschule, in welcher ibrc Kinder gegen ein billiges Schulgeld einen ebenso woblthätigrn und zweckmäßigen Unterricht, als die armen Kinder in hiesiger Freischule ge nießen, zu schenken." Es ,st sicher interessant, dieses Schriftstück, in welchem sich die damaligen Verhältnisse so lebeuSwarm wiederspiegeln, einmal durchzulesen. Es lautet folgendermaßen: Magiüfici, Woblgeborne, Hochevelgrborne, Veste, Hoch- und Woblgelabrte, Hoch- und Wohlwrise, Insbesondere Hockzuverehrende Herren. „Ew. Magnificenz. Wobl- und Hochedelgeboreue, auch Hoch und Wohlweise, wollen sich von den treue gehorsamsten Bürgern eine der wichtigsten Bitten ehrfurchtsvoll vertragen zu lassen, hochgeneigtest geruhen, unS aber erlauben. Hoch deneuselben eine kleine Schilderung von dem so wichtigen Geschäfte deS so unentbehrlichen als nützlichen Unterrichts der Jugend zuvor geben zu dürfen. Feuilleton. Amerikanische Aerzle. Bon Theodor Hermann Lange. Machdruck verboten.) Ans meinen Kreuz- und Ouerzügen durch dir Vereinigten Staaten von Nordamerika habe ich wiederholt Gelegenheit grbabt, mit den verschiedensten Vertretern der Heilkunde in der Neuen Welt zusammenzukommen. Ich lernte an den großen und guten Universitäten, den besseren Akademien und besonders an den vorzüglichen Hospitälern im Osten hervor ragende Meviciner und eine Reihe außerordentlich geschickter Chirurgen kennen. Dagegen konnte ich im Westen, SL « westen und an den verschiedenen Plätzen längs der Küste deS Stillen Weltmeere- häufig da» ckarlatanmäßige Treiben ganz unwissender Arzte, gefährlicher Quacksalber, daS possenhafte Thun sogenannter Äanderärzte, ferner dir seltsamen Euren der „irregulären Doktoren" rc. sattsam und nach allen mög lichen Richtungen bin beobachten, obschon ich natürlich auch in diesen Gegenden der Bereinigten Staaten zahlreich sehr tüchtige Aerzte kennen lernte. Außerdem machte ick noch die Bekanntschaft zweier Negerärzte, einiger Medicinn änner der Indianer und diejenige von Li Po Tai in San Francisco, eine» hochgebildeten und trefflichen, aber im vergangenen Jahre verstorbenen chinesischen Arzte«, der sogar öfter« von der weißen Bevölkerung der „Stabt am goldenen Thorr" zu Rathe gezogen wurde. In Amerika ist die Heilkunde nicht wir bei unS in Europa in erster Linie eine Wissenschaft, sondern ein Geschäft, da< mit einem großen Jnseratenaufwand, mit allen Mitteln der Reclame und, wenn eS irgend angebt, mit nicht unbe trächtlichen Eapiialien betrieben wird und auch betrieben werden muß, wenn eS sich bezahlt macken soll. Natürlich giebt r« auch unter den amerikanischen Aerzten Tausende von armen Teufeln, welche nur auS der Hand in den Mund leben. Auf den Eisenbahnstationen, an den Straßenecken, an den Giebeln hoher Gebäude, an den Bretterwände» von Neubauten prangen die großen Reklamen der amerikanischen Aerzte in fetten, weithin sichtbaren Buchstaben. Außerdem lassen in Amerika nicht nur Kleiderhändler, Speisewirthe, Besitzer von Eafö Chantant- u. s. w. ibre GrfchäftSkarten an I den Straßenecken den Passanten in die Hände drücken, sondern I auch viele amerikanische Aerzte bedienen sich diese- selben I marktschreierischen Mittels, um bekannt zu werden. Im Westen habe ick es sogar öfter- erlebt, daß Aerzte in den Stunden de- größten Straßenverkehrs durch Arbeiter breite und in grellen Farben gehaltene Placattafrln in den Straßen auf und ab tragen ließen. Aus diesen Placattafrln empfahlen rann die Aerzte ihre billigen, schnellen und schmerzlosen Euren in den hochtönendsten Phrasen. Da die amerikanischen Aerzrr fast durchweg zunächst Geschäftsleute sind und erst in zweiter Linie Priester ÄeSkuIap's. so darf es unS nickt überraschen, wenn manche amerikanische Aerzte nach Art der Kauslrute förmliche Schaufenster mit der üblichen Einrichtung und Dekoration vor ihre» Wohnungen oder „Offices" baben. So sab ich in Montana in dem Schaufenster eines Arzte- zunächst dessen große Photographie. Unter dem Bilde lagen eine Anzahl chirurgischer Instrumente, wenn auch nicht gerade geschmackvoll arraugirl. Ferner befanden sich auf einem Carton aufgeklebt und und unter G>aS und Rahmen ein« Reibe Zeitun -- auSschnitte. Diese Notizen enthielten Berichte über außer ordentlich günstig verlaufene Euren und Operationen des unternehmenden HeilkünstlerS. Andere Photograpbien stellten Patienten vor und nach der Cur, vor und nach der Opera tion u. s. w. bar. Die Abbildungen vor der Eur zeigten leidende Personen mit schwächlichem oder ganz gebrochenem Körper. Die Photographien von Personen nach der Cur veranschaulichten blühende »nd kraftstrotzende Grstalie». Ferner lagen in einer eleganten Mappe di» Dankschreiben von Hunderten glücklich gebeilter Personen. Besonder- dir Wanderärzle im Westen, welche vier Wochen in dieser, viei Wecken in jener Stadt pracliciren, führen derartige Aus stattungSstücke mit sick, die sie dann im Schaufenster ihr», „Office" auSstellrn. UebrigenS lassen auch in den große, «takten de- Osten- viel« tüchtige Aerzte ibre Photographie» in den Schaufenstern der Buch» und Musikalienhandlungen osr wochenlang anShänarn, gerade so wie die» bei um Sängerinnen und Schauspielerinnen thun, sobald sie sich aus einer Kunstreisr befinden. Die Zeitungsannoncen der amerikanischen Aerzte sink natürlich im blühendsten Reclamestil gehalten. Da liest man beispielsweise: „8c> Lure — kay" (keine Heilung — keine a.M > »», , , - Bezahlung). Ein anderer Arzt annoncirt: „Wisset, daß wir für jeden Fall, den wir annebmen und nicht vollständig curiren können, 500 Dollar- Eassa bezahlen. Gelder deponirt bei der Columbian-Bank in E." Ein Specialist in New-Aort annoncirt regelmäßig: „I)r. F. hat die auSgebreitetste Praxis irgend eines ArzrS in Amerika. Ueber 12 000 Fälle werden jährlich bebandelt." In einer Cbicagoer Zeitung las ich während meines Besuches der Ce lumbischea Weltausstellung: „Die vereinigten internationalen Aerzte und Wunrärzte l>r. N., Vr. E- und vr. B. — Associirungen von Aerzten kommen in Amerika öfters vor — werde» alle gewöhn lichen Krankheiten für 3 Dollars den Monat behandeln. Ihre große Praxis ermöglicht ihnen diese- liberale Anerbieten. Sofern «in Fall unbeilbar ist, wird «S dem Patienten sofort frei berauSgesagt." Ein Cbicagoer Arzt erließ im vorigen Sommer folgende- Inserat: „vr. E. G-, s.it l86l etablirt Im letzten Jabre 3423 Patienten an genommen, 256L vollständig curirt, t85 al- unheilbar ent lassen, der Rest noch in Behandlung." In einer Zeitung von St. Loni- laS ich unter Verkaufsanzeigen folgende Annonce: „Ein alter Arzt, der jährlich 2800 bis 3000 Patienten behandelt, verkauft seine Praxi- billig an einen jungen Mebiciner." Sehr häufig befindet sich oberhalb der ärztlichen Zeitungsannonce auch noch da- Bildniß de» HeilkünstlerS. Aerzte, welche Fettsucht curiren, veröffent lichen in ihren Zeitungsausschnitten gewöhnlich die Bilder der Patienten vor «nd nach der Eur. Da erblickt man auf der einen Seite einen förmlichen Fettklumprn und auf der andern «ine kräftige, gesunde und normale Gestalt. In den Neuenglandstaaten las ich oft folgendes Inserat: „Dr. A., billiger al- alle Eoncurrrntrn. Kein« Vorausbezahlung. Honorar nur nach erfolgter Heilung. Familien besonders billig behandelt. Abonnement« für Ein zelne wir für Familien jederzeit auf 3—l2 Monate." Im Dosten ließ einmal »in Arzt bei seiner „Etablirung" eine Musikbanb« vor seiner Office spielen, gerade so wie es di« amerikanischen Bierwirthe zu tbun pflegen, sobald sie einen Biersalon eröffnen, viel« Aerzte versenden übrigen- ganz nach Art der Kaufleutr die Prospekte ibrrr Heilmethoden, bre PreiScvurante rc. in vielen Tausenden von Exemplaren durch da» ganze Land. Ein chinesischer Arzt, Professor Gee Wo Chan, annoncirt unter der Neberschrift „Evolution ok Lleäiciue" in mehrspaltigen Annoncen seine unübertrefflichen Euren und nennt sich stolz „Tüe Livg «L Lliiuas« Lleäiciue^'. Natürlich befindet fick auch sein Brustbilv in der Annonce. Dir amerikanischen Zahnärzte inseriren in derselben marktschreierischen Weise wie die eigentlichen „Physicians". Unter oder über den Inseraten von Zahnärzten befinden sich gleichfalls die PortraitS der Zabnkünstler, die Abbildungen einzelner Zäbne, ganzer Gebisse, Zahnleidender mit ge schwollenen und verbundenen Backen und dann wieder Ab bildungen lackender und beiterer Personen. Letztere sollen Patienten nach der Behandlung vorstellen. Tbierärzte, die selbstverständlich auch viel Gelb für Zeitungsinserate ans geben, baben durchweg einen schönen Hundekopf zur Seite ihrer Annoncen. Verschiedene Tbierärzte kündigen sich als Specialisten für Hunde, für Pferde rc. an und oft mit der Bemerkung: „Referenzen sieben zu Diensten". WaS die ärztlichen Honorare in Amerika anbelangt, so sind diese fast durchweg hoch. Doch lassen die meisten Aerzte mit sick handeln. Den amerikanischen Plutokraten werten natürlich, besonder- für Operationen außeraewöbnlich hohe Honorar« abgrfordert. Dabei kommt e» oft zu Processen, wenn der Arzt in der letzten Stunde seine Forderung nicht um 50—75»/o ermäßigt. So weigert« sich im Jabre 1893 der bekannte Bonanzakönig Mackay in San Francisco eine ihm übermittelte ärttUcbe Honorarfordrrung von 12500 Dollars »» bezahlen, weil sie ihm zu hoch sei. Ein „Erank" batte Mackay angcschoffen und di« beiden Aerzte, welche die Kugel aus dem Rucken herausschnitten. verlangten für diese Operation die genannt« Summe. Es kam zum Procrß und Mackan zahlte schließlich, aber erst nachdem die Aerzte ihre Forderung wesentlich ermäßigt hatten. Nobler war rin Cbicagoer Millionair. Derselbe hielt sich im vergangenen Jabre einige Zeit zur Cur in Lo- Angele- auf und ließ sich dort von einem Ebicagoer Specialisten operiren. Dafür forderte der Operateur 25 000 Dollar» und erhielt sie auch. Dir Reise nach Lo- Angeles (Ealisornien) unv der Aufenthalt daselbst batten dem Arzt nur rm« Woche Zeit und Alles in Allem etwa 500 Dollar- gekostet. In den neuen Ansiedelungen im Westen müssen allerdings verschiedene Aerzte al« Honorar hin und wieder alles Mög liche annebmen. Kaufleute bezahlen anstatt mit baarcm Gelbe l mit Kaffee, Thee, Zucker u. s. w., Fleischer mit Schinken. I Wurst und dergleichen, Restaurateure mit Wein, Likören und > Cigarren. Schlimmer noch ist da- Feilschen zwischen Arzt
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