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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.11.1895
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-11-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18951113010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895111301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895111301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-11
- Tag1895-11-13
- Monat1895-11
- Jahr1895
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Bart: dunkler Schnurr- und Kinnbart. Erledigt hat sich unsere Bekanntmachung vom 26. Juni 1895, den Hand arbeiter Karl Robert Döring aus Hohenstein-Ernstthal betreffend. Leipzig, den 9. November 1895. Ter Rath der Stadt Leipzig. Armena m t. ä -k. lV. Nr. 1662 ». Hent, che l. D. Diebstahls-Bekanntmachung. Gestohlen wurden laut hier erstatteter Anzeige: I) eine silberne (Lylinder-Remontoiruhr mit Goldrand, Firma „Oarl Sokeide" aus dem Zifferblatt, blumensörmig gravirtem Deckel und silberner kleingliedcriger Kette, am 6. November; 2 eine goldene Dauicn-Rciuontoirulir mit der Nummer 9436, am 2. November; 3) eine silberne Ehlinder-Remontotrnhr mit gerieftem Goldrand, Nr. L09 891, vergoldeten Zeigern und Messingcuvette, am 5. November; 4) ein massiver silberner vrodkorb, oval geformt, mit etwas verbogenem Raub, am 1. November; 5) ein rothlcd. Portemonnaie mit Knöpschenfchluß, enth 204 in 10 Toppeikronen re-, ein goldener Kcttenring mit „IV. IV." gravirter Platte, ein goldener Ring mit wappenförmiger Platte und weißer Perle, am 7. November; 6) ein Sommernbcrzieher, hellgrau, mit einer verdeckten Reihe grauer Stetnnußknöpfe, grauem Futter und Kettchenhenkel, am 7. November; 7) ein hellgraues Jacket mit grauem Futter, am 6. No vember: 8) ein Winternberzteher von schwarzem Cheviot, mit 2 Reihen Hornknöpsen, grauwollenem großcarrirtr« Futter und Sammetkragen, am 4. November; 9) ein grotzer Schaukasten, schwarz gestrichen, darin 12 Stück Normalhemden verschiedener Größe, am 6. Novemster; 10) eine kirschrothe Plüschdecke mit bunter Kante, am 3l. Oktober; II) ein Tabakskasten, braun, ziemlich groß, mit broncirten Beschlägen, darin I Kiste Cigarren, ein Spielkasten mit buntem Por^cllauschild, Schach, Domino und Damenjpiel enthaltend, am 5. November; 12) ein Firmenschild von schwarzem Glas mit der Aufschrift „Hermann /iusmniin, Lclmeiüermeisier" in GolLbuchstabeii, am 9. November; 13) ein Handwagen auf Federn, zweirädrig, blau gestrichen, mit niedrigem dcsecte» Kastenausjatz, am 24. October; 14) ein eiserner Ackerpflug mil Steckchen und 2 Scharren, an einzelnen Stellen „U. 2." gez., am 21. October; Etwaige Wahrnehmungen über den Verblieb der gestohlenen Gegenstände oder über den Thäter sind ungesäumt bei unserer Criminalabtheilung zur Anzeige zu bringen. Leipzig, den 11. November 1895. Das Polizeiamt der Stadt Leipzig. Bretschneider. Ml Bekanntmachung. Donnerstag, den 14. November von Vormittags 10 Uhr an sollen im Versteigerungsraume des hiesigen Amtsgerichts eine größere Partie Möbel, darunter Restaurationstische und Stühle, einige Hängelampen, Kronenleuchter, Schraubstöcke. 1 Brückenwaage, sowie 1 Grabgitterplatte, 1 Grabstein. 1 Marmorplatle u. v. A. meistbietend versteigert werden. Leipzig, den 12. November 1895. Der Gerichtsvollzieher des Kgl. Amtsgerichts das. Die Einkommensentunckelung im Königreich Sachsen. Herr Professor vr. Julius Wolf in Zürich hatte vor einiger Zeit dem „Vorwärts" als Entgegnung auf einen Artikel dieses Blattes über „die sächsischen Einkommen- steuerverbältnisse" einen Aufsatz eingesendet, dessen Aufnahme jedoch verweigert wurde. Der Verfasser ersucht nun uns um Veröffentlichung diese« Aufsatzes, und wir entsprechen dem Ersuchen um so lieber, je größeres Interesse unsere Leser zweifellos dieser Widerlegung der socialdemokratischen Schlußfolgerungen aus der sächsischen Einkomnienstatistik ent- gegcnbringen werden.*) Der Aufsatz, der keiner weiteren Ein leitung bedarf, lautet: Geehrter Herr Redakteur I Sie bringen in Ihrer Nummer 195 einen Artikel über „die sächsischen Einkommensverhältniffe", der an der Hand der Ziffern der sächsischen Einkommensstatistik neuerdings den Be weis erstrebt, daß die sociale Entwickelung in der Richtung einer Proletarisirung deS Mittelstandes und einer Concentration der Kapitalien — Sie sprechen von „rapider CapitalSconcen- tration" — gehe. Sie polemisiren dabei gegen Professor Böhmert in Dresden, gegen meine Wenigkeit und Herrn Otto Ammon in Karlsruhe; mit Vorliebe nehmen Sie aber mich, „den" (!) Juliu- Wols auf» Korn. Zum Schluß Ihrer Ausführungen sagen Sie, eben nachdem Sie ausgesprochen, nur Leute von meinem „Schlage" seien „im Stande, au» den sächsischen Ziffern zu folgern, daß keine Decadence, keine Proletarisirung des Mittelstände»" vorliege, in bekanntem Schulmeisterton: .Lahlen sind eben gefährliche Dinge, und da» Spielen mit Zahlen ist ein ge fährliche» Spiel, wenn man den Herren einmal nachrechnet und sie mit ihrem eigenen Rüstzeug schlagen kann." Professor *) Die Schlußfolgerungen, die Herr vr. Lux aus der sächsischen Einkommensteuerstatistik zog, sind in Nr. 404 d«S „Letpz. T." vom 22. August d. I. widerlegt worden. Böbmert, wie Herr Ammon, zwei «Zehrte, mit denen ich durchaus nicht in allen Stücken einig gehe, mit denen ich aber n der Auffassung der Frage, um die es sich hier bandelt, allerdings übereinstimme, sind also wie ich „geschlagen" durch Ihren Artikel, der wieder einmal den Kernpunkt der socialen Entwickelungstheorie auöhebt. Das constatiren Sie. Gestatten Sie mir zu diesem Ihrem Siege ein paar zweifelnde Bemerkungen. In den von Ihnen wieder gegebenen Tabellen verzeichnet die sächsische EinkvmmenS- statistik die Thatsache . . l) daß die Zahl der Censiten mit Einkommen bis incl. (nicht „unter", wie Sie fälschlich sagen) 800 -4k von 76,33 Proc. (nicht 76,39, wie Sie fälschlich sagen) auf 65,28 Proc. der Bevölkerung (nicht 65,30, wie Sie fälschlich sagen) in der kurzen und wirtschaftlich nicht sonderlich be günstigten Zeit von 1879 auf 1894 gesunken sei, dagegen die Zahl der Censiten mit Einkommen von über 800 biS 2200 -4k von 18,42 Proc. auf 28,03 Proc. der Bevölkerung gestiegen. Dies stebt in den Tabellen, die Sie auS der Zeitschrift deS sächsischen statistischen BureauS in Ihrem Artikel wiedergeben. Sind Sie redlich genug, diese Ziffern und Thatsachen auch in dem erläuternden Text, den Sie den Tabellen anbängen und auS welchem der Artikel besteht, zu würdigen? Sind Sie redlich genug» jene Thatsachen auch nur zu erwähnen? Nein, das sind Sie nicht. Sie unterschlagen sie Sie unterschlagen im Texte daS Factum, daß 1879 blos 18,4 Proc. der Erwerbenden ein Ein kommen von über 800 bis 2200 -4k bezogen und 15 Jahre später 1894 28,03 Proc., obwohl diese Feststellung für die Beleuchtung der socialen Entwickelung zweifellos von a llergrößter Wichtig keit ist! Sie unterschlagen sie, obwohl Sie über ihre Bedeutung unmöglich im Unklaren sein können. Die Zahlen zeigen» wie die Menge der Erwerber, welche (erwerbende Frauen und junge Mädchen, Kinder eingerechnet) durch ikrer Hände Arbeit ein Einkommen bis 800 -4k gewinnen, verhältnißmäßiz zurückgegangen ist; und zwar sehr erheblich zurückgegangen während jener, wie schon erwähnt, wirthschaftlich nicht sonder lich begünstigten Zeit; dagegen die Zahl Derer, die sich eines Einkommens von über 800 bis 2200 -4k erfreuen, sehr erheblich gestiegen. Sie erwähnen und glossiren sonst alle irgend wichtigen Ziffern der Tabellen, nur diese nicht. Sre verschleiern wissentlich diese höchst bedeutsame Entwickelung, denn, um um sie herumzukommen, summiren Sie die Verhältnißrahl Jener, die ein Einkommen bis 800, und Jener, die ein Ein kommen von über 800—2200 -4k beziehen, und theilen dann mit, 1879 und 1894 sei die Verhältnißquote die gleiche! „In diesen Verhältnissen hat sich seit 1879 nichts Wesentliches geändert" (wörtlich!). Dies Jbre „wissenschaftliche Beweisführung"! Ist das nicht vielmehr Entstellung und Verschleierung? Entstellung und Verscheierung der gröbsten Art? Gröblich darum, weil sie an Fakten vollzogen wird, welche für das Beweistbema von entscheidender Bedeutung und welche mit in erster Linie berufen sind, Antwort zu geben auf die Frage, welche sie formuliren, welche Marx formulirt und — falsch — beant wortet hat, und welche darnach für den Socialisten wie für den bürgerlichen Volkswirth, ja für jeden Angehörigen der bürgerlichen WirthscbaftSordnung und für diese selbst die überragendste Bedeutung zukommtl? Soviel zum Capitel der Einkommensentwickelung bei der Arbeiterbevölkerung. Nun sck 2. zum Mittelstand. Mit Bezug auf diesen sagen Sie: „Zum Mittelstand kann man fügtich nur diejenigen zählen, die 2200—4800 -4k Einkommen beziehen. Dieselben nehmen allerdings von 3,47 Procent aus 4,63 Procent zu — eine Zunahme, die ziemlich genau der jährlichen ca. 2 Procent betragenden Bevölkerungszunahme entspricht — aber ihr Ge- sammteinkommen verminderte sich von 13,52 Procent auf 11,30 Procent des AntheilS am ganzen Volkseinkommen." Ihre Deutung der vorliegenden Ziffern ist kein geringerer Faustschlag inS Gesicht der Wabrheit, als Sie sich ihn bei der Interpretation oder Nichtinterpretation der die Ent wickelung bei der Arbeiterbevölkerung betreffenden Ziffern zu Schulden kommen ließen. Dort hat Ihr Statistiker so manövrirt, daß er die Classen, innerhalb deren — von der einen zur andern — die Entwicklung stattfand, summirte, derart, daß eine Entwicklung nicht mehr sichtbar wurde. Hier erklärt er, die Zunahme in der Verhältnißzabl der Angehörigen deS Mittelstandes entspreche der Zunahme der Bevölkerung. DaS ist zunächst handgreiflicher Widersinn. Denn die Verhältiiißziffern, die er anführt, sind ja bereits Ziffern „im Verhältniß zur Bevölkerung". 1879 waren 3,74 Procent, 1894 4,63 Procent der Bevölkerung An gehörige des Mittelstandes. Die Zahl der Angehörigen des Mittelstandes ist also, das thun jene Procent ziffern dar, über daS Verhältniß der Bevölkerungs zunahme hinaus gewachsen. Absolut war die Zunabme ,n den Classen von über 2200—4800 Mark Einkommen während des Zeitraums 1879—1894 28 595. Es bezogen nämlich ein solches Einkommen 1879 40 514 Personen, 1894 nicht weniger als 69 109. Gleichzeitig ist aber die Bevölke rung gewachsen. Auf diese berechnet war die Verhältnißquote der mit Einkommen von über 2200 bis 4800 -4k AuS- gestatteten 1879 8,74 Proc. (nicht 3,47, wie Sie fälschlich sagen), 1894: 4,63 o/o. Die Zunahme in der Vertretung des Mittel stände» 1894 gegen 1879 ist absolut gemessen 7l Proc., relativ gemessen, d. h. wieder bei Jnbelrachtnahme der in Sachsen unmäßigen Proliferation, rund L-t Proc. Sie übergehen wieder diese Zunahme, diese Entwickelung beim Mittelstände, erklären, es handle sich um eine Zunahme, die ziemlich genau der jährlichen Bevölkerungszunahme entspricht. Ich bin ge neigt, bei diesem Jrrthum bona tickvs anzunebmen im Unter schiede zu der von Ihnen bei 1 ringeschlagenen Tactik. Bei der Annahme der bona ticke» zeigt sich aber die Leichtfertigkeit und Schülerbaftigkeit Ihrer Darstellung nur in um so be denklicherem Lichte. Sie, die socialistische Theorie, Marx in seinem „Capital", ähnlich der Katheder-SocialiSmuS in seinen bedeutendsten Enunciationen, sprechen von Zerbröckelung und Proletarisirung de« Mittelstände». Marx weist nach, vaß die Proletarisirung LeS Mittelstandes da» EntwickelungSgesetz der kapitalistischen VolkSwirtbschast sei, und eben darum, weil der Mittelstand verschwinde, schließlich die socialistische Gesellschaft auS der capitalistischen geboren werden müsse, so wie der Schmetter ling auS der Puppe schlüpft. Zeigen nun, daS frage ich, die sächsischen Ziffern, um die es sich hier handelt, — absolut der Mittelstand 1894 stärker um 71 Procent als 1879, relativ stärker um 24 Procent — zeigen, so frage ich, jene Ziffern in der Thal ein „Verschwinden deS Mittelstandes?!" Nehmen Sie an, die Zahl der Angehörigen des Mittelstandes wäre im Verhältniß zur Gesammtbevölkerung nur gleich geblieben 1879 bis 1894! Würde nicht darin bereits der Wahr scheinlichkeitsbeweis gelegen haben, daß Ihre Auffassung von der Entwickelung beim Mittelstände falsch ist? Jene Zahl ist in Wahrheit nun aber nicht nur gleich geblieben, sondern gewachsen, und zwar sehr erheblich gewachsen in einer Epoche, welche auch Sie als von ungünstigen Conjuncturen durchsetzt bezeichnen. Der Mittelstand bat sich verstärkt. Zumindest aber, und das allein habe ich zu beweisen, ist die Zahl seiner An gehörigen nicht kleiner geworden. Nehmen Sie selbst an, 1894 habe ein Einkommen von 2500—5400 ^tk nur die gleiche Kaufkraft gehabt wie 1879 eines von 2200 — 4800 -41 Ich glaube nicht, daß dies der Fall ist; trotzdem will ich lene Annahme einen Augenblick machen. Auch dann zeigt sich, daß der Mittelstand von 1879 auf 1894 nicht abgenommen hat, sondern sich nur gleich geblieben ist seiner relativen Stärke nach. Er wäre 1879 und 1894 3,74 Procent. Ich hätte gewünscht, der Mittelstand hätte sich stärker vermehrt, auf Kosten der Reichen. Ich hätte gewünscht, daß auf Seite insbesondere des Handwerks die Entwicklung eine entschiedener günstige gewesen wäre, obschon ich nicht weiß, ob die weit verbreitete Ansicht, das Handwerk schaffe moralisch tüchtigere Menschen als der Erwerb im Dienste eines andern, richtig ist. Ich habe mich darüber hier nicht auszulaffen. Jedenfalls ist aber sicher, daß die Entwicklung der Mittel klasse nicht daS von Ihnen wie dem Kathedersocialismus ge zeichnete Bild darbietet. Und sicher vor allem, worauf eS hier, in der Entgegnung auf Ihren Vorstoß gegen Böhmert, mich und Ammon ankommt, daß Ihr Versuch, gegenüber den Daten, Vertretung deS Mittelstandes 1879 3,47 (richtig 3,74) Proc. der Bevölkerung, 1894: 4,63 Proc. der Bevölkerung, sich auf die Bevölkerungszunahme auszureden, jedes kritischen Beiworts spottet. Ich komme 3) nachdem wir Arbeiterklasse und Mittelstand abgehandelt baden, zu den Reichen. Hier macken Ihnen vornehmlick zwei Ziffern zu sckassen: die Zahl der Bezieher eines Einkommens von über 26 000 -41 1894 gegen 1879 und das Durchschnittseinkommen dieser Reichen 1894 gegen 1879, dann etwa noch der Umstand, daß an die Bezieher eines Einkommens von über 4800 -4k 1879 18,89 »/o des versteuerten GesammteinkommenS sielen, 1894 dagegen 24,88 o/g (nicht 24,86 "/o, wie Sie fälschlich sagen). Letztere Ziffern bezeichnen mir auch hier nickt die ideale Entwickelung. Zwar wenn, wie dies der Fall, das Einkommens-Niveau für die Gesammtheit sich hebt, so muß ein immer größerer Procentsatz des GesammteinkommenS an jene Classen von über 4800 -4k Einkommen fallen. Immer hin aber erscheint nur die Quote der Betheiligung dieser größeren und großen Einkommen 1894 gegen 1879 zu groß. Sie hätten allerdings bemerken dürfen, daß diese Quote mehr als andere Thatsachen der Einkommensstatistik abhängig ist von der „Conjunctur", daß nach den vorliegenden Daten es sich nicht wie sonst in den Ziffern um eine gleichmäßige Ent wickelung handelt, daß participirten a. Geiammteinkommen 1875 1879 !894 die Einkommen bis 3300 -4k*) mit 67,16 73,22 67,29 - über 3300 - - 32,84 26,78 32,71, die Ziffern von 18!)t also nur die Ziffern von 187» sind, und wie es scheint, das Jahr 1879, von welchem Sie ausgehen, hier ein AusnahmSjahr ist, von 1875 an gesehen, d. h. soweit zurückgescben, als sich diese Ziffern verfolgen lassen, die „Entwickelung" in diesem Stücke dagegen das Bild der größten Stabilität zeigt, aber ich gestehe wiederholt, auch ich hätte gewünscht, daß die Reichen am Gesammteinkommen der Nation zu niedrigerem Verhältnißsatze participiren zu Gunsten der Angehörigen des Mittelstandes. Dieses Zugeständniß kann mich aber selbstverständlich wieder nicht hindern, den Fehlern nachzugeben, denen Sie im klebrigen bei Deutung der Ziffern verfallen. Sie stellen fest, daß 1879 830 Personen in Sachsen Einkommen von über 26 000 -4k bezogen, 1894 dagegen 2547 und stellen, weiter fest, daß daS Durchschnittseinkommen dieser Personen 1879 54 920 -4k, 1894 58 017 -4k betrug. Ich nehme an, daß letztere Ziffern richtig sind. Ist dies der Fall, so ist Ihnen ein zweifacher Borwurf zu machen: 1) daß Sie übersehen, daß Marx eine Capital«-C o n- centration als Entwicklungsgesetz der capitalistischen Wirt schaftsordnung bebauptet — auch Sie sprechen von „rapider Capitals-Concentration" —, während eine Vermehrung der Censiten in dieser Clafse keine CapitalS-Concentralion, sondern eine CapitalS°„Expansion" auSweist; 2) daß Sie übersehen, daß dem Durchschnittseinkommen einer Classe früher gegen jetzt eine Beweiskraft nicht zukommt, und wenn, so jedenfalls nicht in Ihrem Sinne.**) Immerhin thun Sie bei Würdigung der Ziffern der Reichen der Wahrheit am wenigsten Gewalt an. Denn ich bleibe dabei, ein Zuwachs von 5 Personen zum Mittelstand wird auch von mir dem Zuwachs einer Person zu den Reichen vorgezogen. Nur mißverstehen Sie die Entwicklung in» Gegen teil hinein. Sie mit Marx und der ganzen socialistischen Theorie, wenn sie in der Zunahme der Zahl der Reichen eine Be stätigung der von Marx in seinem „Capital" gepredigten Entwickelungslehre sehen. Ich wiederhole, wenn 1879 68 Personen ein Einkommen über 100 000 -4k bezogen, 1894 dagegen 257, so liegt keine Concentration der Capitalien (im Wege der Concurrenz, wie Marx meint), sondern genau da« Gegenteil vor. Eine immer größere Zahl Menschen ist zum Genuß deS Reichtums berangezogen. So erweist eS sich also auch hier, daß „Sie Augen haben *) Der Aussatz kn der sächsischen statistischen Zeitschrift, von welchem hier auSgrgangen wird, bietet die Ziffern für Einkommen bi- und über 33M, nicht bi- und über 4800 sin 1879 und 1875). **) Vergl. bierilber mein „System der Socialpolitik" I. S. 241 f. und sehen nicht, Ohren und hören nicht". Die Entwicklung in Sachsen ist in allen Stücken genau die gegenteilige der jenigen gewesen, die Ihnen hätte bequem sein müssen und auS der Sie Schlüsse im Sinne Ihres Systems und Ihrer Agitation hätten ziehen können. Sie ziehen aus der gegen teiligen Entwickelung die Ihnen genehmen Schlüsse, und im letzten Grunde zweifellos, ohne die Vergewaltigung gewahr zu werden, welche Sie der Wahrheit anthun. Wäre die Zahl derjenigen, die bis 800 -L beziehen, statt von 76 auf 65 Proc. der Censiten, also um rund 11 Proc. herunterzugehen, von 76 auf 87 Proc. gestiegen, wäre die Zahl derjenigen, die über 800—2200 -4k beziehen, statt von 18 auf 28 Proc. hinaufzugehen, von 18 auf 8 Proc. ge fallen, wäre also das Hegen theil von dem einaetreten, was eingetreten ist, so hätten Sie ein Reckt zu schreiben, die Arbeiterclasse werde proletarisirt, ökonomisch und social er niedrigt; wäre die Zahl der Bezieher eines Einkommens von 2200—4800 -4k statt von 33/4 auf 42/s Proc. zu steigen, von 3»/4 auf 3 Proc. herabgegangen, so hätten Sie ein Recht, auch auszusprechen, der Mittelstand werde zerbröckelt, er verschwinde, er falle hinab ins Proletariat. Wäre endlich die Zahl derer, die ein Einkommen von mehr als 26 000 -4k beziehen, statt von 830 auf 2547 zu steigen, berabgegangen auf 300, 200 oder noch weniger, so hatten Sie auch ein Recht, die Marxische These von der „Concentration" der Capitalien und darnach daS Marxische Bild der kapita listischen ^Gesellschaftsordnung am Ende ihres Lebens, ein kleines Häuflein Reicher gegenüber einem unübersehbaren Proletarierheer, als durch die Entwicklung in der Thal ge geben oder vorbereitet zu erklären. Leider aber — „leider" für Sie — tbun Ihnen die Thatsachen den Gefallen nicht. Und wenn Sie darnach einen Artikel, wie denjenigen, auf den dieser hier Antwort ist, mit den gegen mich gerichteten Worten zu schließen vermögen: „Zahlen sind eben gefährliche Dinge, und wenn daS Spielen mit Zahlen auch zu deu Hauptaufgaben bürgerlicher Statistiker gekört, so ist das ein gefährlich Spiel, wenn man den Herren einmal nacbrechnct", so haben sie damit einen Pfeil abgeschossen, welcher nur auf Sie zurückprallt. Sie haben der Wabrheit Gewalt angethan, wie Sie es fast immer thun, nicht ich. Zürich. Professor vr. Julius Wolf. Deutsches Reich. 6. H. Berlin, 12. November. Die deutsche Social demokratie hat jetzt alle Hände voll zu thun, um für holländische, französische und englische „Genoffen" Geld heranzuschaffen. Seit dem Breslauer Parteitag ist es zwar etwas schwerer geworden, aus den deutschen Arbeitern Geld für alle möglichen Zwecke herauszupreffen, aber es gelingt doch immer noch. Die holländischen Socialdemokraten stehen mit den deutschen auf etwas gespanntem Fuße; NieuwenhuiS, die Seele der ganzen Arbeiterbewegung in den Niederlanden, ist an die Anarchisten sehr nahe berangerückt und hat sich in bitteren Worten über die „Intoleranz" der deutschen socialdemo kratischen Führer ausgelassen. Als nun in Amsterdam ein großer Cigarrenarbeiterslreik ausbrach, dielten die deutschen socialdemokratischen Führer eS für zweckmäßig, sich in ein günstiges Licht bei den holländischen Arbeitern zu stellen. Es fanden daher ganz ansehnliche Summen deutschen Geldes ihren Weg nach Amsterdam. Trotzdem ging der Streik verloren, 150 Arbeiter wurden ausgesckftossen, und nun schimpfen die Holländer noch stärker als früher ans die Deutschen, weil sie — nicht genug geschickt. Für die französischen Glasarbeiter in Carmaux haben die Deutschen schon einmal gesammelt, aber diese Munition ist längst ver pulvert, und nun hat die „Petite Republique" einen neuen Appell an die deutschen Genossen gerichtet, „im Interesse der Solidarität berzugehen, was sie übrig haben". Auch die englischen Werftarbeiter sollen daS Verlangen nach deutschem Gelte anSgedrückt haben, und Liebknecht, bei seiner anerkannten Vorliebe )ür alle» Englische, wird schon bewirken, daß die Herren nicht leer ausgehen. Die deutschen Arbeiter zu ver anlassen, für übermülhige englische, freche holländische und chauvinistische französische Arbeiter Geld berzugeben, das nennt man „die Nothlage der deutschen Arbeiter beseitigen oder mildern" I V. Berlin, 12. November. (Telegramm.) Der Kaiser nahm gestern Nachmittag Marine-Vorträge entgegen und machte jpäter mit der Kaiserin eine Ausfahrt. Nach der Rückkehr verblieb er im Arbeitszimmer und erledigte Re- gierungsgeschäste. Zur Abendtafel waren keine Einladungen ergangen. Heute Vormittag hörte der Kaiser von 9 Uhr ab den Vortrag deS Generals von Hahnke und empfing um N Uhr den Präsidenten des Evangelischen Ober-Kircbenraths O. Barkbausen. Um 12 Uhr empfing er den »euernannten chilenischen Gesandten Francisco a Pmto bebufs Entgcgen- nabme seines Beglaubigungsschreibens in Gegenwart des StaatSsecretairS Freiherrn Marschall von Bieberstein. Der Gesandte wurde hierauf auch von der Kaiserin empfangen Im Anschluffe hieran nahm der Kaiser die Meldung des au> Urlaub hier anwesenden kaiserlichen GeneralconsulS sü, Australien Pelldram entgegen und empfing dann noch den kaiserlichen Bezirks - Amtmann von Eltz in Audienz. Um 1 Uhr nahm er an der im Grunewald stattfindenden Parforce- Jagd theil. D Berlin, 12. November. (Telegramm.) Wie die „Nordd. AUgem. Ztg." erfährt, gedenkt der Kaiser der morgen staltfindenden Sitzung der mit der zweiten Lesung des Bürgerlichen vtcsctzbuchcS betrauten Commission beizuwobnen. Die Coniniission brrälh gegenwärtig da» Einfübrungs- g esetz. Den Abendblättern zufolge Nimmt der Kaiser später an dem Tiner beim Staatssecretair Nieder ding theil. ^ Berlin, 12. November. (Telegramm.) Wie der „ReickSanz." meldet, ist dem General v. Terenthal der Rotbe Adler-Orden 1. Cl. mit Eichenlaub, dem General- Lieutenant >». Tchmrltng der Kronen-Orden I. Cl. ver liehen worden. ^ Berlin, 12. November. Laut allerhöchster Cabinet»- ordre vom 11. dS. ist dem Direktor de» Marinedepartemrnt»
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