Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.10.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-10-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18951021020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895102102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895102102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-10
- Tag1895-10-21
- Monat1895-10
- Jahr1895
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezug-Preis in der Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Bororten errichteten Aus gabestellen abgehvit: vierteljährlich->l 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Hau» S.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertestährlich 6.—. Directe tägliche Krruzbaudsendung ins Ausland: monatlich 7.50. Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/,? Uhr. dt« Abend-AuSgabe Wochentags um S Uhr. Ledaclion und Expedition: Anhannesgaffe 8. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: Vit« Rle««'» Lertim. (Alfred Hahn), Universitätsstraße 1, Louis L-fche, Katharknenstr. 14, Part, und Königsplatz 7.' Abend-Ausgabe. eWger TaMM Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Kandels- nnd Geschäftsverkehr. AnzeigeU'PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Sieclame» unter dem Redaetioosstrich (4ge- spalten) 50-4, vor den Famillennachnchten (6 gespalten) 40-4- kiroßere Schriften laut «userem Pr«i§- verzeichniß. Tabellarischer und Ztffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderuug ./t 60.—, mrt Postbeförderung .öl, 70.—. AnnalMtschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Für die Montag.Morgen-Ausgabe: Sonnabend Mittag. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen find stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. ^s51v. Montag den 21. Oktober 1895. 89. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. Bekanntmachung, die Spalierbildring am SS. Oktober d. I. betreffend. Die Vorstände derjenigen Vereine, Corporationen, Innungen, Lehranstalten rc., an welche von uns eine Einladung zur Betheiligung an der für den 26. d. M. in Aussicht genommene» Spalierbildung ergangen ist, ersuchen wir dringend, soweit das noch nicht geschehen, die muthmaffliche Zahl der Theilnehmer sobald als möglich und spätestens bis morgen (Dienstag) Abend in der Nuntiatur des Rathhauses schriftlich anzumelden. Leipzig, am 21. Oktober 1895. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgs. Größe!. Politische Tagesschau. * Leipzig, 21, Oktober. Wir haben die Bedeutung, welche dein bei den sächsischen Landtagswahlen von der Socialvcniokrattc erzielten Stimmenzuwachs beizumessen ist, keinen Augenblick unter schätzt und aus den Wahlziffern den Schluß gezogen, daß die Einigkeit und die Energie des BürgerthumS noch Vieles zu wünschen übrig lassen. Aber wenn der Berliner „Vorwärts" von der Entscheidung des 17. Oktobers sagt: „Sie ist gefallen, wie wir es wünschten", so setzt er bei seinen Lesern eine Vergeßlichkeit voraus, die selbst bei einem durch den social demokratischen Drill geschwächten Geistesvermögen nicht ohne Weiteres vermuthet werden darf. Die Socialbemokratie hat einen Mandatszuwachs von vier bis sechs Stimmen nicht nur gewünscht, sondern bestimmt erwartet; mil dem Danke, den „as Eentralorgan den „säch sischen Brüdern" spendet, entspricht eS also meh>; dem Zeremoniell, als es semen Gefühlen Ausdruck giebt. Der „Vorwärts" construirt, um seine Befriedigung einigermaßen glaubhaft erscheinen zu lassen, außerordentliche Hindernisse, welche die sächsischen Socialdcmokraten hätten nehmen müssen und auch genommen hätten, von denen aber hier zu Lande nichts bekannt ist. Die Richter und die Polizei in Sachsen, über die das Blatt gewohnheitsmäßig die Schale seines Zornes ergießt, haben die Socialdemokraten bei den Wahlen nicht im Mindesten genirt; wir meinen im Gegentheil, wenn die „Russificirung" unseres Landes, von der der „Vorwärts" spricht, wirtlich erfolgt wäre, so hätte sich bei den völlig freien Wahlen der Gegendruch in einem großen Erfolge der Socialdemokratie und der ihnen nahestehenden bürgerlichen Partei kuudgeben müssen. Statt dessen ist der Freisinn „ausgefallen", und die Socialdemo kratie gondelt still aus gerettetem Kahn in die Kammer. Eine andere Ursache des Nichtsiegens, welche der „Vorwärts" anführt, war allerdings vorhanden, aber nicht zum ersten Male und nicht einmal so vollkommen, wie bei früheren Wahlen: das Zusammen st ehe» nicht „aller", so dock der großen Mehrheit der bürgerlichen Elemente. Wenn der „Vor wärts" hinzufügt, daß die „Wenigen", die bei derBekämpfung der Socialdemokratie nicht den gleichen Weg gehen wollen wie die Cartellparteien, „einfach zerrieben" wurden, so ist zwar damit daS Wesen des sächsischen CartellS, das sich noch andere Aufgaben setzt als die Bekämpfung der Socialbemokratie, unvollständig gekennzeichnet und hinsichtlich der Verallgemeinerung der politischen Einsicht — leider — zu viel gesagt, aber im Wesentlichen ist das Zugeständniß des socialdemokratischcn Hauptorgans, daß jene Partei nur von der Uneinigkeit ihrer Gegner lebt, durch die Thatsachen begründet und überaus werthvoll für das Bürgerthum, namentlich außerhalb Sachsens. In der That ist die Frage der Bekämpfung der Socialbemokratie nur eine Frage des Zusammenstehens der anderen Parteien, und wer sich an der Voraussetzung dieses Zusammenstehens vergeht, versündigt sich an Religion, Sitte und Ordnung. Das sollten auch die preußischen Conservativen dem „Vor wärts" glauben, die, indem sie sich unter die Führung der ertremen Elemente begaben, die Streitmacht gegen die Revolutionspartei getheilt und zum Theil zersplittert haben. Die Verantwortung für die im Reiche dadurch verursachte Minderung der Widerstandsfähigkeit haben vor Allen sie zu tragen. Denn der „Freisinn" schadet nicht mehr beträchtlich, nicht weil er sich gebessert hätte, sondern weil er zu schwach ist, um größeres Unheil anzurichten. An die Stelle Nichter's sind die Stützen des Hammerstein-Stöcker'schen Conservalismus und an die Stelle der „Freis. Ztg." die „Kreuzztg." und das „Volk" getreten. Auf die Schwierigkeite n, die dem jetzigen Reichskanzler und preußischen Ministerpräsidenten eine kräftige Initiative erschwere» oder Wohl gar unmöglich machen, fällt ein scharfes Licht durch eine anscheinend osficiöse Auslassung im „Hamb. Cvrr." Sie wendet sich gegen die bekannten Ausführungen der „Hamb. Nachr." über die Pflichten, die der Staats- secretair Dr. v. Boetticker gegen den Fürsten Bismarck gehabt hätte, und verbreitet sich über die staatsrechtliche Stellung der Staatssecretaire, die zugleich Mitglieder des Preußischen Staatsministeriums sind. Es heißt da: Das Staatsministerium ist eine preußische Institution, seine Einrichtung und die Stellung sciner Mitglieder sind allein »ach preußischem Staatsrecht, nicht nach Reichsrecht zu be- urtheilen. Nach preußischem Recht hat aber jeder Staats- minister eine ganz selbstständige Stellung und das freie Recht der Abstimmung. Tara» ändert die Thel- jachs nichts, dag >inig^ Lsitgliedtr deS LtaatsuiinisieriuRs in ihrem Reichsamt dem Reichskanzler, der zugleich de» Vorsitz im Staatsministerium führt, nachgeordnct sind. Es darf vielmehr angenommen werden, Laß sowohl der Kaiser bei der Berufung jener Reichsbeamten in das Staatsministerium, wie der Reichskanzler bei der Befürwortung eine selbstständige verantwortliche Mitwirkung derselben bei den Beschlüssen des Staatsministeriums gewollt haben. Auch die Praxis entspricht anscheinend zur Zeit diesem Standpuncte. Wenigstens wird glaubhaft versichert, daß in einer wichtigen Einzel- frage der socialen Reichsgesetzgcbung die beiden Staatssecre taire abweichend von dem Reichskanzler gestimmt haben." Wenn die Praxis wirklich zur Zeit den Staatssecretaire» gestattet, als preußische Minister abweichend vom Reichs kanzler zu stimmen, so begreift mau, daß der Einfluß des Letzteren auf das preußische Ministerium trotz seiner Eigen schaft als Ministerpräsident ein verminderter ist. Gerade um diesen Einfluß zu stärken, sind s. Z. Staatssecretaire zu preußisischen Ministern ernannt worden. Und zwar geschah dies mit besonderer Rücksicht auf die übrigen Bundes staaten, die dadurch eine Garantie gegen eine Lahmlegung der kanzlerischen Reichspvlitik durch preußischen Particularis- mus erhielten. Darauf verweisen denn auch heute die „Hamb. Nachr", indem sie ausführen: „Daß die Staatssecretaire Untergebene des Reichskanzlers sind, ist ein unanfechtbarer Grundsatz unserer Reichs- Verfassung und eine berechtigte Forderung der Bundes genossen Preußens. Tie Emancipation der Staatssecretaire von der reichskanzlecischen Politik nnd Disciplin hat erst in der Zeit des neuen Eurses Fortschritte gemacht und Anerkennung in der Presse gesunde», als ob sämmtliche Slaatssecretaire der Reichs- Verwaltung unabhängige Minister wären, mit dem Reichskanzler gleichberechtigt, sowohl in ihren Ressorts wie im Jmmediatvortrage. Letzterer konnte von den Reichsstaatsjecretairen immer nur „in Bertretung" des Reichskanzlers gehalten, also nicht gegen dessen dem Vortragenden bekannte Ansichten gerichtet werden." Wenn freilich der jetzige Reichskanzler wirklich dadurch, daß er die Ernennung eines Slaatssecretairs zum preußischen Minister befürwortet, sein Einverständniß damit bekundet, daß die Ernannten im preußischen Staatsministerium eventuell gegen ihn als Kanzler stimmen, so kann er über eine Be schränkung seines Einflusses in Preußen sich nicht beklagen. Aber eine andere Frage ist es, ob die übrigen Staaten keinen Grund zur Klage haben und ob sie nicht vielmehr Veranlassung haben, dahin zu wirken, daß der parti kulare Einfluß Preußens nicht noch mehr durch Er nennung von Staatssecretaire» zu preußischen Ministern verstärkt werde. Je geringer seit dem Rücktritte des Fürsten Bismarck die persönliche Autorität seiner Nach folger aus die Staatssecretaire und vie preußischen Minister geworden ist, um so berechtigter wird bei den nichtpreußischen Staaten der Wunsch, daß der Reichspolitik des Kanzlers nicht erhöhte Schwierigkeiten durch Staatssecretaire bereitet werden können, die als preußische Staatsminister das Recht erhalten, gegen ihn zu stimmen. In der ostnsintischcu Frage hat der „Alldeutsche Verband" au den Reichskanzler folgende Eingabe gerichtet: „Berlin, den 9. October 1895. Durchlauchtigster Fürst! Hoch- gcbietender Herr Reichskanzler! Durch Len Frieden von Shimonoseki und das Eingreifen der Mächte Deutschland, Rußland und Frank reich in die japanisch - chinesischen Wirren ist in Ostasien eine Gestaltung der Dinge eingetreten, die nicht nur die unaus- gesetzte Aufmerksamkeit seitens des deutschen Reiches, sondern auch die wohl noch lange Zeit dauernde Anwesenheit deutscher Kriegsschiffe in jenen Gewässern ersorderl, ohne Laß wir indeß bis jetzt im Besitze eines geeigneten Stützpunktes, eines eigenen Hafens <ür dieselben tvacen. Auch die Enlivickelung, welche die Handelsbezichungen der europäischen Mächte zu Lstasien nunmehr nehmen werde», läßt eine ständige Wachsamkeit über unsere dortigen Interessen und damit wieder ein actives Vorgehen seitens des Reiches geboten erscheinen, zu Lein es dringend eines eigenen gesicherten Besitzes dort bedarf, eine Nothwendigkeit, die angesichts des Uebersalles der deutschen Miisionsstation Moilin durch die Chinesen nur noch deutlicher hervortritt. Vor Allem ist aber durch da-, russisch-chinesische Uebereinkommen, sowie durch die seitens Chinas an Frankreich eingeräumten außer ordentlichen Vvrlhcile bezüglich der Provinzen Ziuinan, Kwangsi und Kwangtung in Ostasien eine Verschiebung der Machtverhältinsse eingetreten, die nicht ohne die empfindlichsten Nachthelte für das deutsche Reich bleiben wird, wenn es nicht ebenfalls einen gebührenden Ausgleich erhält. Das Ansehen und die Inter essen des Reiches erfordern es gleichermaßen, daß nirgends auf der Erde eine Aenderung der Bejitz- und Machtverhültnisse stattsinden darf, ohne eine vollwerthige Entschädigung des Reiches. Wenn irgendwo, jo trifft dieser Satz in Ostasien ganz besonders zu, und es darf daher nicht Wunder nehmen, wenn die öffentliche Meinung sich darüber ernstlich beunruhigt, Laß man wohl von einer russischen und französischen Machterweiterung erfährt, nicht aber auch von einer deutschen. Die Einräumung einer sogenannten Concession in Tientsin, beziehungsweise Hankau seitens Chinas an das deutsche Reich kann unmöglich alS eine Machterweiterung angesehen werden, wie sie wohl alle Nationalgesinnten mit Ungeduld erwarten; die lediglich privatrechtliche Einräumung eines unbedeutenden Grundstückes ist kein Aequivalent, wie es das Reich bei seinen großen Inter essen und gegenüber der Machtvermehrung Rußlands und Frank reichs verlangen kann und muß. Das Reich bedarf vielmehr eines eigenen, ausreichenden und gesicherten Besitzes, der ihm als Stützpnnct für feine Machtentwickelung und zur Wahrung seiner wirthschaftlichen Interessen dienen kann. Als solchen bezeichnen wir die Chusan-Jnjcln. aus die sich ja schon früher die Aufmerksamkeit der Regierung ge- richtet hat, oder den Hafcnplatz Amoy, natürlich ohne diese als die einzigen Ausgleichsmöglichkelten betrachten zu wollen. Ein Ausgleich aber muß stattfinden, und ginge das Reich dies mal leer aus, so würde das nicht nur eine schwere Schädigung seines Ansehens nach außen, sondern auch, was wir noch weil mehr beklagen müßten, eine gar nicht wieder gut zu machende Erschütte rung des Vertrauens in unserem Volke zur Folge haben. Wir gestatten uns daher an Ew. Durchlaucht die gehorsamste Bitte zu richten, die verbündeten Regierungen mögen zur Wahrung des Ansehens und der Interessen des Reiches mit aller Energie und ohne jede Rücksicht auf das Mißwollen anderer Staaten die Erwerbung eines ausreichenden, starken und gesicherten Besitzes — sei es eines Häsens oder einer Inselgruppe — in den chinesischen Gewässern betreiben. Mit größter Ehrerbietung Ew. Durchlaucht gehorsamster All- deutscher Verband." Daß auch wir die Gewährung von „Concessionen" als ein ausreichendes Aequivalent für den unschätzbaren Dienst, welchen Deutschland China geleistet hat, nicht ansehen, haben wir wiederholt hervorgehoben. Hätte Deutschland das Ge wicht seiner Stimme nicht mit in die Waagschale geworfen, so ständen die Japaner heute vielleicht in Peking, und um die jetzige Mandschu - Dynastie wäre es geschehe». Dafür kann Deutschland in der That mehr be anspruchen, als was China jeoer anderen mit Handels- interesien dort hervorragend betheiligten Macht gewährt. Deshalb haben wir, in Uebereinslimmuug mit einem größeren Theil der deutschen Presse, uns dafür ausgesprochen, daß unsere Diplomatie die Einräumung einer Kohtenstation in den ostasiatischen Gewässern, die wir als Stützpunct für merkan tile, wie gegebenen Falles für militairische Unternehmungen sehr nothwendig brauchen, je eher desto besser anstreben solle. DaS haben wir als das Mindestmaß ver deutschen Ausgleichssorderung bezeichnet. Selbstverständlich würde uns die vom „Alldeutschen Verband" angeregte Abtretung eines Hafens oder einer Inselgruppe, also eine thalsächliche territoriale Erwerbung Deutschlands noch weit sympathischer sein, weil sie allein als eine vollwerthige Belohnung unserer guten Dienste angesehen werden kann, allein wir glauben, daß China freiwillig keine Hufe Landes herausgiebl, daß es dies vielmehr nur unter dem Drucke einer Mehrzahl von europäschen Mächten thun wird. Aus welche Macht aber kann Deutschland, wenn es jene Forderung erhebt, sich stützen? Aus keine, denn weder von England, noch von Rußland, noch auch von Frankreich ist zu erwarten, daß sie selbst eine Hand regen werden, um Deutschland zu einem wesentlichen Macht- zuwachs zu verhelfen. Daher sind wir der Meinung, daß man sich vorerst damit begnügen soll, das Erreichbare zu erstreben, damit aber keinen Augenblick länger, als es leide.- schon geschehen ist, zögere. Schwere Kämpfe. Roma« aus dem grasten Kriege. 43j Bon Carl Tanera. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Kaum hatte sich Horn von den Herren der Wachcompagnie verabschiedet, so wurde er von einigen Husarenofficicren an gerufen: „Morjen, Herr Kamerad. Famos, daß wir Sie treffen. Kommen Sie 'mal mit, ein GlaS Sect trinken zu Ehren unserer gemeinsamen schneidigen Attacke bei OrmeS." Der Ordonnanzofficier folgte der freundlichen Aufforderung und schloß sich den Herren an. Man wanderte in das Hotel du Lioret, in dem es hoch herging. Alle Säle waren mit lachenden, plaudernden und zechenden Osficieren angefüllt. Die Neugekommenen wurden von verschiedenen Herren der Husaren brigade Baumbach jubelnd empfangen, weil man zufällig gerade vvn der Attacke gegen die Araber und von der Thetlnahme des bayerischen Iagerofficiers gesprochen hatte. Horn sah sich im Nu in die Unterhaltung gezogen, bekam ein Glas Champagner in die Hand und mußte es gleich auStrinken. Nun wurde lustig weiter gezecht. Man hätte wirklich meinen können, man sei in ein heimathliches Officierscasino zum Schluffe eines sehr angeregten LiebeSmahles gekommen. Nichts erinnerte, nach dem äußeren Anschein zu schließen, an den Krieg. Befrackte Kellner schleppten stets neuen Champagner herbei, und das Zutrinken und Nachkommen darauf nahm gar kein Ende. Nur die Gespräche behandelten hier ganz andere Themata wie zu Hause. Alles drehte sich um die vergangenen Kämpfe und um die voraussicht lichen bevorstehenden Ereignisse. Im Allgemeinen glaubten die Officiere, daß eS zu keiner ernsten Schlacht mebr kommen werde, denn die Loire-Armee habe durch den zweiten Verlust von Orleans doch einen solchen Schlag erlitten, daß sie wohl alle weiteren Versuche zum Entsatz von Pari» aufzeben werde. Zudem sei ja jetzt die Armee deS Prinzen Friedrich Karl angekommen, so daß e« für die Franzosen gar keine Hoffnung mehr gäbe, jemals durchrudringen. „DaS werden dir Kerls doch selbst einsehen und in süd licher Richtung au» unserem Gesichtskreis verschwinden. UebrigenS muß ja Paris endlich doch bald fallen, und dann ist die ganze Geschichte auS." Nach einer äußerst belebten Unterhaltung verließ Horn die Kameraden in heiterster Stimmung. Er mußte sich gestehen, daß der reichliche, ziemlich schnell getrunkene Cham pagner ihm doch etwas zu Kopf gestiegen war. Beim Divi sionsstab machte sich aber gleich wieder der volle Ernst des Dienstes geltend, und dies bewirkte, daß die Nachwehen der lustigen Kneiperei sich schnell verflüchtigten. Was aus den Befehlen für den folgenden Tag hcrvorging, lautete ganz anders, als die siegesfrohe Stimmung der jungen Herren beim Wein. Man ersah daraus, daß man bei den höheren Stellen doch noch sehr ernste Kämpfe erwartete. Horn traf am 6. December Nachmittags wieder bei seiner Brigade ein. Die Meldungen der Vorposten ergaben, daß der Feind keineswegs im Begriff sei, nacb dem Süden oder Südwesten abzuziehen. Im Gegentheil! Ueberall erkannte man das Anmarschiren neuer französischer Massen. Es schien daher nicht nur, daß der Gegner vor dem Walde von Marchenoir halten wolle, sondern daß er sogar beabsichtige, seinerseits zum Angriff überzugehen. Deshalb sollte die ganze Armeeabtheilung deS Großherzogs von Mecklenburg in die Linie Beaugency-Binas, d. h. dicht an den genannten großen Wald vorrücken. Das geschah am 6. und 7. December. Es kam nun vor Allem darauf an, genau herauszubekomme», ob denn die Franzosen wirklich so gewaltige Verstärkungen er halten hatten, daß sie einen Osiensivstoß wagen konnten. Fleißigstes Patrouilliren und Auskunden der Verhältnisse beim Feinde war den Vorposten heute besonders eiugeschärft worden. Den Cavalleristen wurde dies aber sehr erschwert. Auf dem leuchtenden Schnee entdeckte man sie bei Tage schon von Weitem, und wo sie trotzdem Vordringen wollte», wurden sie durch französisches Infanterieseuer abgewiesen. Für Nachl- patrouillen eignen sich Reiter aber an und für sich schlecht. Horn wußte eine» Rath. „Herr General, beim Iägerbataillon haben wer einen ganz besonders schneidigen Corporal. Wenn man den mit einer Patrouille betrauen würde! Der könnte in der heutigen Nacht gewiß etwas berausbringen." „Gut, ersuchen Sie den betreffenden Compagniechef, daß er diesen Unterofficier entsendet, und instruiren Sie selbst ihn so genau als möglich." Der Officier ritt ab und hatte bald daS im Marsch befindliche Iägerbataillon eingeholt. Im Einverständniß mit dem Compagnieführer ließ nun Horn den Corporal Erlen- bauer neben sich treten und sprach zu ihm: „Erlenbauer, ich habe dem Herrn General gemeldet, daß Sie ein ganz be sonders verwendbarer und schneidiger Unterofficier wären. Mache» Sie meiner Empfehlung Ehre, indem Sie uns durch eine flotte Patrouille herauöbekommen, zu welchem französischen Corps die vorwärts des Dorfes Cravant stehenden Truppen gehören. Sie müssen uns die Käppis eines oder niedrerer der französischen Soldaten bringen, da auf diesen die Regimentsnummern stehen. Wie Sie welche erobern, das ist Ihre Sache. Ich werde Ihnen, sobald wir bei Chatre, unserem heutigen Quartierort, angekommen sind, das Gelände genau beschreiben. Wie viel Mann wollen Sie milnebmen?" „Drei san gnua, Herr Oberleitnant. Nacher wer'n wir die G'schicht scho' krieg'n. Derf i mir s' nit sell aussuch'n?" „Gewiß. Ich werde mit Ihrem Compagnieführer sprechen." Fünf Stunden später, Abends 4 Uhr, zog die Patrouille deS Corporals Erlenbauer von Grand Chatre aus los. Bei derselben befanden sich die Jäger Niederer, Aubcle und der Hornist Geisenberger. Letzterer trug ein Gewehr und^ unter dem Mantel ein französisches, bei Orleans erbeutetes Signal horn. Dort war ihm auch das Musikbuch des französischen Signalisten in die Hand gefallen. Die Dämmerung trat immer stärker ein; bald verschwanden die letzten Reflexe der untergegangenen Sonne. Nur der Scbnee und die Sterne leuchteten und schufen ein unsicheres Zwielicht. Die Patrouille umging das Dorf Cravant, in dem noch deutsche Vorposten standen, und schlich an dem Hof Villesne vorbei. Der Corporal flüsterte leise seinen Leuten zu: „Dort vorn bei dem nächst'n Hof Hab' i'oan jeindlich'n Doppelpost'n g'sehg'n. Der derf uns »it merk'n. Schleichts nur mir nach, un koalier red', bis i' 'S nit soag. Wann wir ang'rus'n wern, platt am Bauch leg'n un' 's Maul g'halt'n und nit g'rührt wiea wann wir verreckt wär'n." Auf allen Vieren krochen sie nun mit umgehängten Büchsen längs eines kleinen Ravins links seitwärts des Postens vor. Bald mußten sie halten. Der Boden wurde so flach, daß der französische Posten sie von jetzt au unbedingt sehen mußte. Was nun thun? „So geht die G'schicht nit. Wißts was! Niederer und Aubele, Ihr schleicht wieder zaruck und patrouillirt de» Post'n von rechts der an. Laßt Enk (Euch) d' bißerl sehg'n. Wann der seindli' Post'n Euch anschieaßt, so geht Ihr rechts rückwärts zaruck, daß er Enk noch guckt. In dere Zeit kann i' vielleicht mit dem Geisenberger da vorbei kemma. G'lingtS mir, den Post'n unschädli' z' mach'n, so thua i' drei Schroa wiea a' Eul. Nacher kimmtS af dem Weg da nach. Wann i' nit schrei, nacher wart's vier Stund. San wir bis dahin nit da, so müßl'S halt bei der Kumpani meld'n, daß uns zwoa was passirt sein muß. Habts Ees (Ihr) gual verstand'» ?" „G'wiß aa no'." „Also loS." Die beiden Jäger verschwanden wieder auf alle» Vieren in der Richtung, aus der sie gekommen. Der Corporal und der Hornist beobachteten wie Luchse den feindlichen Posten. Dieser stand an einer fast senkrecht von der französischen zur deutschen Stellung führenden Allee. „Wann wir die dort bint' erreich'n kunnt'n, nacher wär's guat." Jetzt machte der feindliche Doppelposten eine Bewegung. „Aha. Die deck'n si' geg'n rechts. Etzl sekg'n s' den Niederer un' den Aubele. Dunnerwetter, dees isi g'scbeid. Oaner last zaruck. Der macht g'wiß a Meldung. Etzt is' 's Zeit. Mach'n S' es grad so wiea i'. 'nüber nach dem Busch!" Gebückt rannten Beide über die freie Stelle nach einem etwa fünfzig Schritte entfernten Busch. Der in gespannter Auf merksamkeit nach rechts sehende Posten bemerkte sie nicht. „Besser kanns ja goar nit sein. Da is' a Grab'»; in dem kemma wir leicht bis an d' Allee hinter den Post ». Sehgn S' denn nix von dem link » Neb'nposten?" „Ja. Der steht hinter dem Baam dort drunt. Ter kann uns nimmer sehg'n. I' Hab 'n g'mirkt, wiea wir süri g'los'n san. Er hat uns nit b'obacht." „San do dummi Kerls, die Französin. Schaug'n kenna si halt »it. Etzl staat (still) süri nach der Allee." Langsam, wieder auf allen Vieren, schlichen sie in dem kleinen Grabe» vor und erreichten etwa 200 Schritte hinter dem Posten die Allee. „Himmel Element, do kimmt oaner! Geisenberger nieder! Nit mnr'n." Damit legte der Unterofficier selbst sein Ge wehr nieder und stellte sich hinter einem Baum. Im Nu riß er seinen Knicker aus der Tasche. Dann stand er wie ein gewachsener Nebenast unbeweglich hinter den» Stamm. Gleich einem Klotz lag der Hornist im Graben. Der ahnungs lose Franzose sah nur vorwärts. Es war der Mann, welcher zum Melken zurückgeben mußte und wieder seinen Posten er reichen wollte. Unglücklicher Weise lief er hart neben dem Baum, hinter welchem der Unterofficier stand, vorbei. Kaum war er vorüber, so sprang dieser wie ein Panther ibm nach, und gleich einem Blitz sauste der Knicker dem Bedauerns-
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite